Seelow: Bericht & Bilder

ra0105 20.11.2006 19:29 Themen: Antifa Militarismus
Mehr als 1000 Faschisten nahmen an einer Demonstration in Seelow teil. Bürger und "Antifa" mobilisierten neben Halbe auch in Seelow dagegen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot aus mehreren Bundesländern im Einsatz. Fotos und Bericht...

[Kühe, Nazis, Seelower Höhen]


Bis zu 8000 Bürger protestestierten in Halbe gegen einen Naziaufmarsch der dort nicht stattfand. Vielleicht um die 700, 800 Menschen versuchten am Ort des Geschehens Protest zu artikulieren. Interessant dabei, ein Großteil davon waren vor allem "normale" Bürger. Verhindert werden konnte der Aufmarsch nicht.
Der Treffpunkt der Rechtsextremisten lag eingekeilt zwischen zwei Bühnen. Die Kampagne NS-Verherrlichung stoppen hatte seit 10:00 Uhr zu einer Kundgebung aufgerufen. DJ's und Skabands sorgten für Unterhaltung, eine Vokü für das körperliche Wohl, Redebeiträge erinnerten an den Anlass.
Die Schlacht um die Seelower Höhen war eine der heftigsten Gefechte die im zweiten Weltkrieg tobten. Berlin war in greifbarer Nähe, die Überquerung der Oder / Neiße - Linie Auftakt zum letzten Akt des Weltkrieges in Europa. Obgleich der schon längst entschieden war, kämpften das deutsche Militär mit aller Verbissenheit um die Reichshauptstadt. Tatsächlich erlitten die sowjetischen und polnischen Verbände unerwartet hohe Verluste. (Kritiker Schukows geben seiner rücksichtslosen Kriegsführung eine gehörige Mitschuld)
Ebenso wie im Kessel von Halbe soll sich hier nach Meinung der Nazis das deutsche Heldentum in all seiner Pracht zeigen. Ignoriert wird dabei völlig das selbst im konservativen Bürgertum Heldentum und Kameradschaft bis heute nach einer fanatisierten, der Wirklichkeit entrückten Raserei klingen. Der Versuch der Geschichtsrevision in diese Richtung insofern in großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen muss. So erklärten etwa Einwohner Seelows sie hätten als Schüler auf den Feldern die Toten bergen müssen und verstehen insofern nicht wie man in diesem Schlachten etwas Positives finden könne.
Trotz der geringen Vorbereitungszeit (72h) gelang es der "Zivilgesellschaft" ein recht beachtliches Repartoire an Gegenmaßnahmen zu organisieren. Das Ortseingangsschild begrüßte Nazis mit einem Wunsch nach einer Nazifreien Stadt, in der Stadt verteilt Transparente und nicht zuletzt ein Kundgebung gegenüber der Antifa. Zwar konnten die Nazis so akkustisch niedergehalten werden - tatsächlich war von den Nazis nichts zu hören, ansonsten blieb es aber eher beim Gewohnten - Bratwürste, Kindertanz und Volksmusik gegen Rechts das klassische Instrument. Aussreißer jedoch die lokalen Bands die auf der Bühne spielten - hier waren ein paar Punkbands darunter. Als die ersten Akkorde erklangen, ergoss sich eine kleine graue Lawine von der Bühne weg zu den Bratwürsten hin.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt, im Tagesverlauf nahm die Polizeipräsenz sogar noch zu, als Einheiten aus Halbe nach Seelow abrückten. Dennoch gelang es offensichtlich Antifaschisten eine Reisebus der Neonazis erfolgreich mit Steinen anzugreifen. Das polizeiliche Konzept lässt sich mit "Konsequent - Inkonsequent" am besten beschreiben. So war es offensichtlich nicht genehm, dass Menschen zwischen den beiden Kundgebungsorten hin und her wechselten. Entsprechend das Verlassen des Kundgebungsort auf direkten Weg untersagt. Ein kleiner Umweg löste dieses Problem. Für demonstrationserfahrene Antifaschisten Grund für ein mildes und nachsichtiges Lächeln - für Ortsansässige eine nicht nachzuvollziehbare Willkür. Beim Durchschnittsbürger wird solch ein Verhalten wohl mit einem Ansehensverlust bei der Polizei einhergehen. Zumal sich wieder die bayerische Polizei (wie fast immer) nicht mit Ruhm bekleckerte und durch dümmlichen Pöbeleien und übermäßige Härte im Einsatz auch bei "Normalbürgern" für Unverständnis sorgte. Gleichzeitig es aber versäumten, die anreisende Nazis zu eskortieren.
Die Nazis als solches waren an Lächerlichkeit wieder kaum zu überbieten. Als Höhepunkte sei der etwa der Gesangsversuch eines alten "Frontkämpfers" erwähnt oder etwa die wenig erbaulichen Versuche der Gedichtsrezitation. In beiden Fällen waren weder Musikanlage noch Sprecher in der Lage akkustische Signale von sich zu geben, die schmerzfrei aufgenommen werden konnten.
Nicht zu kurz kam auch das Phrasenschwein, etwa alle 10 Sekunden wurde es mit Kameraden, Deutsche oder dem Heldentum gefüttert. Nach dem die Kränze abgeworfen waren, ging es zurück. Hierbei kam es humoristischen Höhepunkt als die Nazis am Rand stehende Antifaschisten mit ihren Ordnern verwechselten. Prompt wurden Anweisungen wie etwa "Ey du mit dem weißen Pullover, Hände aus den Taschen - wie sieht dann das aus???" pflichtgemäß erfüllt. Auch diverse Hinweise zum korrekten Fahnentragen in die Tat umgesetzt. Ein schönes Beispiel wohin Gehorsam und Treue so alles führen kann...



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Ergänzungen

XXX

XXX 20.11.2006 - 20:17
...zu erwähnen sei noch, dass vereinzelt versprengte Kameradschaften, den deutschen Soldatenfriedhof mit dem sowjetischen verwechselten und dort ihre Kränze ablegten, bis die Polizei sie freundlich auf ihr Missgeschick hinwies...

Nazis machten in Frankfurt/ Oder Spontandemo

Autonoma Anarchist 20.11.2006 - 21:40
Weil nicht alle Nazis in die Züge von Frankfurt Oder nach Seelow passten, machten 150 von ihnen in Frankfurt/ Oder eine Spontandemo. Gegen 16:00 Uhr kamen aber auch diese in Seelow an und wurden von der Polizei zu ihren Kameraden eskortiert!

Schön war der Widerstand nicht nur der Älteren Seelower, sondern vor allen Dingen der Seelower Jugend.

Versprengt umhertingelnde Kleinstgruppen der Nazis wurden immer vertrieben.

Trotz der ungünstigen Zahlenverhältnisse von militanten Antifas und gewaltbereiten Nazis wurde diese mehrmals in Schach gehalten.

So kamen am Kulturhaus zum Beispiel Busse (2 Stück) mit Leuten wie ss-Siggi Borchardt und Dortmunder (AB West) und Berliner Nazis. Diesen wurde durch eine große Kette von militanten Antifaschist_Innen gedeckt von Bürger_Innen. Über die Mittel und Küstriner Straße konnten sie nicht gleich zu ihrem Aufmarschort. Während die Antifaschist_Innen lauthals Sprüche riefen, wirkten die Nazis eher verhalten. Letztendlich schaffte es die Polizei eine 2 bis 3 Meter breite Gasse am Rand der Kette zu machen wodurch dann die etwa 200 Nazis durchgeleitet wurden darunter auch welche aus Berlin-Neukölln und der "Hitlerverschnitt" mit Fahne. Während bei der ersten Kette überwiegend militante Antifas waren, bestand die 2. Kette zum sehr großen Teil aus Anwohnern und lokalen Jugendlichen.

Später, beim Aufmarsch standen rechts von ihm in der Mühlenstraße Antifas und links davon am Friedhof. Das einzige was die Polizei unter Kontrolle hatte war, den Naziaufmarsch abzuschirmen. Mensch hatte den Eindruck, dass sie den Rest der Stadt nicht so unter Kontrolle hatten. Offensichtlich waren sie mit Seelow mehr oder weniger Überrumpelt wurden was den stark Repressiven Vorgang gegen Antifas und den laschen Umgang mit Nazis erklärt. Dafür dass sie wesentlich mehr waren, war viel möglich und bis auf kleinere Scharmützel aufm Heimweg waren die Nazis taktisch im Nachteil.

Dass soll jetzt nichts verherrlichen! Die Mobilisierung nach Seelow war echt schwach und fast nur regional, doch wenn auch nicht der Naziaufmarsch behindert wurde, so wurden einige "Gelegenheiten" genutzt und die PMS war auch nicht immer dabei. Die Anti-Antifa Arbeit der Nazis wirkten recht lächerlich zumal fast alle von ihnen abgelichtet wurden. Trotzdem sollte mensch die Menge der Nazis nicht unterschätzen. Es waren meines Erachtens knapp 1500 und deren relative zeitweilige "Ruhe" kann mit dem Anlass erklärt werden.

die skaband bei der antifa-kundgebung...

roy ellis 21.11.2006 - 00:05
... war übrigens sehr nett und hieß "Berlin Boom Orchestra"

www.berlinboomorchestra.de

naziposting löschen

mkax hölz 21.11.2006 - 11:43
hallo mods, bitte mal das posting von "böser mensch" entfernen! -->nazispam

übrigens, sehr putzig war auch der kranz für das magenkrankenbataillon *lol*
damals hat der general heldenklau wohl wirklich auch die letzten verheizt... ;-)

ansonsten ein riesen dankeschön an alle die in seelow waren!

@nicht wichtig

och nö 21.11.2006 - 17:54
Leider. leider kannst auch du nicht wirklich reflektieren.
Das was in Seelow oder in Halbe versucht wurde, war ein Gedenken an angeblich "heldenhafte Soldaten", das entspringt einem gewissen Weltbild. Dieses Weltbild gilt es zu bekämpfen, ich neige zu eher freidlichen Aktionen, andere machen das militant.
Doch das was in allen Orten der BRD passiert, an einem Volkstrauertag, ist was ganz anderes (wenn auch nicht wirklich mein Ding). Dort Gedenken möglicherweise ältere Menschen ihren Freunden, die in einem Krieg umgekommen sind. Das waren unter anderem auch Menschen die zu ihren Einsätzen gezwungen wurden. Trotz aller "Verbrechen der Wehrmacht"-Ausstellungen und "Täter sind keine Opfer"-Parolen war eben nicht jeder Wehrmachstangehörige ein Nazi. (Ich behaupte sogar, das es eher die wenigsten waren, aber das ist nun eine ganz andere Diskussion)
Und dass direkt nach dem Krieg die Menschen um ihre Angehörigen getrauert haben und einen Feiertag ausriefen, finde ich persönlich nur zu verständlich. Und der Tenor bei den Volkstrauertag-Reden hat sich in den Jahren und Jahrzehnten ja auch gewandelt. Heute gedenkt man den Opfern der Kriege, weltweit und multinational. Das wiederum wollen eben die Faschos genau so wenig wahrhaben wie einige Anti-Deutsche.
Und ganz ehrlich, deswegen jeden Gedenkstein zu schleifen oder gegen jede Volkstrauertagveranstaltung vorzugehen, scheint mir nun echt etwas übertrieben.

Auf dem Weg nach Seelow

AGW 21.11.2006 - 22:00
Hier einige Fotos von Neonazis aus Thüringen, die am 18.11.2006 auf dem Weg nach Seelow in Michendorf (bei Potsdam) zwischenstopp machten. Link:  http://westhavelland.antifa.net/AGW%202006.11.18.htm

Neonazi-Angriff bei Seelow-Rückfahrt

heldenlos 22.11.2006 - 12:15
Neonazis bedrohten Antifas auf Rückfahrt von Demo in Seelow

22.11.2006

INFORIOT Nach Augenzeugeninformationen versuchten Neonazis am Abend des 18.11. drei Antifas anzugreifen. Die Antifas waren auf dem Rückweg von der Demo in Seelow als sie in Bernau umsteigen wollten. Auf der Treppe zum S-Bahngleis stellten sich ihnen mindestens fünf Neonazis in den Weg, die ebenfalls mit dem Zug aus Seelow gefahren waren. Sie trugen mehrheitlich schwarze Jacken und Basecaps ohne Aufnäher. Einige von ihnen waren mit Schlagstöcken bewaffnet und versuchten die Antifas damit am Kopf zu treffen. Diese konnten geradeso ausweichen und flüchten. Ein schneller Polizei-Notruf führte dazu, dass drei der AngreiferInnen bereits am Bahnhof Zepernick gestellt werden konnten.

Nach weiteren Zeugenaussagen verließ der NPD-BVV-Abgeornete von Berlin-Lichtenberg Jörg Hähnel in Bernau den aus Seelow kommenden Zug und wurde auf dem gleichen Regio-Bahnsteig erkannt.

Quelle: Inforiot


Ausserdem angebliche diplomatische Verwicklungen nach fast 3 Strophen des Deutschlandlieds (Quelle: Die Welt)

 http://www.welt.de/data/2006/11/22/1119935.html

Tag der Demokraten

Norbert Leitzke 22.11.2006 - 13:09
"Die Demokraten haben gesiegt!", so die Schlagzeile in einer Tageszeitung am Montag, "8000 Demokraten wiesen ca. 1000 Neonazis in die Schranken!" in einer weiteren Meldung. Auf den ersten Blick sicher ein Sieg, auf den zweiten nur die Bestandsaufnahme eines Tages und irgendwie für mich schon kein Sieg mehr. Während man sich in Halbe die heile Welt der Demokraten schuf - mit Reden und Appellen - tummelten sich in Seelow ca. 1000 Rechtsradikale mit staatlicher Erlaubnis zum "Heldengedenken". Sie durften auf dem Marktplatz die NPD- und Reichskorpsflagge hissen, ihre Einstellung symbolträchtig zur Schau stellen, gut geschützt durch hunderte Polizisten aus allen Teilen Deutschlands.
Ihnen gegenüber standen ca. 1000 Gegendemonstranten, darunter junge Leute der autonomen ANTIFA, Schüler und Bürger aus Seelow. Einige Frankfurter habe ich auch gesehen, vier Hände zum zählen hätten wohl gereicht.
Anders sah es da schon bei den Neonazis aus, die hatten ihren ersten Sieg schon in Frankfurt am Bahnhof feiern können. Keine Chance für die wenigen Linken, von hier unbeschadetnach Seelow zu kommen. Unter dem Strich waren mehr Rechte als linke Gegendemonstranten aus Frankfurt (Oder) in Seelow, darüber kann auch ein fast voller Schlenkibus nach Halbe nicht hinwegtäuschen.
Und da kommen dann schon Fragen hoch: Wo sind die Demokraten in den Elternhäusern, in den Freizeiteinrichtungen, in den Schulen? Weder in Frankfurt noch in Seelow habe ich sie groß zur Kenntnis nehmen können.
Eine Ausnahme - der Lehrer Peter S. und die Schülerinnen und Schüler des Friedrichgymnasiums.
Was sind da ausgezeichnete und hoch gewürdigte Auslandsprojekte an Schulen wert, wenn dort nicht mal bemerkt wird, das es Rechtsradikale und Mitläufer in den eigenen Reihen gibt, die sich in der Stadt mit Hitlergruß begrüßen und Gedenksteine schänden? Hier hat offensichtlich nicht nur politische Bildung versagt ......
Und da ist Halbe für mich kein Sieg mehr, sondern bestenfalls der Anfang eines langen Weges.

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Tag der Demokraten — nicht wichtig