Volkstrauertag in Hamburg
Jährlich zum Volkstrauertag besuche ich den Ohlsdorfer Friedhof. Dieses mal überraschte mich das neue Antlitz des Ehrenmals ...
... Ich ging näher und sah, dass der Soldat mit Teer und Federn übersäat war rundherum gab es rote Flecke. Neben dem Ehrenmal lag ein Zettel, auf dem auf insgesamt drei Orte benannt werden, an denen der Volkstrauertag gefeiert wird.
Hier der Text des Zettels, den ich unbedingt dokumentieren muss:
"Kein Vergeben – kein Vergessen – kein Gedenken!
Jedes Jahr wird im November der Volkstrauertag begangen. In der Nacht zum Diesjährigen, am 19.11. , haben wir an verschiedenen Stellen, an denen sich zum Gedenken der Mörder getroffen wird, ein Zeichen zum Nachdenken gesetzt.
Wessen wird gedacht?
In der Regel beziehen sich die Inschriften von Gedenksteinen zum Zweiten Weltkrieg ebenso wie jene zum Ersten Weltkrieg auf deutsche Soldaten und „Kameraden“, die „ihr Leben lassen mussten“. Oft ist die Rede von „unseren gefallenen Kameraden“. Als ob diese einfach so - zur allerseitigen Überraschung - umfielen. Dabei ist es doch die Logik des Militarismus und der Zweck von Soldaten, zu töten und getötet zu werden. Und damit sie nicht ganz so blöde dastehen – äh, liegen – werden sie dafür geehrt.
Besonders makaber finden wir es, wenn den deutschen Soldaten, die am nationalsozialistischen Vernichtungskrieg teilgenommen haben, gedacht wird – noch dazu oft in einem Atemzug mit den Opfern des Krieges, des Rassen-Denkens und des eliminatorischen Antisemitismus. Mit dieser Praxis werden die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS verharmlost und verschleiert.
Neben Gedenksteinen und Kreuzen werden zuweilen auch figürliche Darstellungen verehrt. Präsentiert wird der tapfere Mann, treu, anständig und pflichterfüllend. Doch Massenmörder sind weder anständig noch tapfer. Das hier verehrte faschistische Männlichkeitsbild trägt zur Tradierung des Unsinns zweier Sorten von Geschlechtern, Heteronormativität und überholter Rollenverteilung bei.
Wer gedenkt?
Die Runde der Gedenkenden setzt sich aus Alt -und Jungnazis, PfarrerInnen, TraditionalistInnen, PatriotInnen und anderen BürgerInnen zusammen. Auch wenn manche von ihnen alle Opfer miteinschließen – sie gedenken den Mördern und dem Regime, die für die industrielle Vernichtung sowie die Verfolgung und Vertreibung von Millionen von Menschen verantwortlich sind.
1.) Der Ehrenfriedhof Vahrendorf
Im niedersächsischen Ort Vahrendorf, unweit der Harburger Berge, befindet sich ein Ehrenfriedhof für gefallene deutsche Soldaten (des 2. Weltkriegs). Diese, überwiegend Angehörige der verbrecherischen Waffen-SS, haben Ende April 1945 britische Soldaten angegriffen. Bei den folgenden Kämpfen gab es auf Seiten der nationalsozialistisch-motivierten Deutschen ca. 45 Tote. Denen, sowie vier weiteren Toten, darunter ein von den Deutschen festgenommener jugoslawischer Kriegsgefangener, wird durch jeweils einzelne Steinkreuze gedacht. Mehrere Gedenkfeiern im Jahr werden hier abgehalten, darunter eine Veranstaltung des Volksbunds deutscher Kriegsgräberfürsorge sowie der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) , die unter anderem Kränze mit der Aufschrift „Ihre Ehre hieß Treue“ niederlegten. An diesem Treffen nehmen jeweils auch immer wieder verschiedene politische RepräsentantInnen und die lokale Presse teil. Es darf davon ausgegangen werden, dass HIAG-Angehörige auch an diesem Volkstrauertag in Vahrendorf teilnehmen.
Wir haben aus antifaschistischem Protest diverse Steinkreuze mit der Aufschrift „Täter“ verziert. Daneben haben wir den Gedenkstein „Den Toten im Osten zum Gedenken“ sowie die große Gedenkplatte und den Text des Gedenksteins der Gemeinde Rosengarten verändert. Dem an dieser Stelle begrabenen jugoslawischen Kriegsgefangenen gilt unser Gedenken. Deutsche Täter, deutsche Soldaten sind keine Opfer – kein Heldengedenken in Vahrendorf, Halbe oder sonstwo!
2.) Das Ehrenmal am Ohlsdorfer Friedhof
Auch hier wird zum Gedenken am Volkstrauertag eine übermenschlich große Steinfigur eines Soldaten aufgesucht. Unter dem Monument stand bis vor Kurzem geschrieben: „Unseren gefallenen Kameraden 1914 – 1918 – Bramfeld Steilshoop“. Unmittelbar daneben befindet sich ein zweiter Gedenkstein zum Zweiten Weltkrieg: „Gedenk deiner Toten, Volk!“ Wir haben die entsprechenden Inschriften eingeebnet, weil die „Kameraden“ Mörder waren und das „Volk“ (also die Bevölkerung) im nationalsozialistischen Deutschland weitestgehend aus (Mit-)TäterInnen oder IgnorantInnen bestand. Den vermeintlich tapferen Soldaten (tapfer wäre er nach Sabotage oder Fahnenflucht) haben wir geteert und gefedert. Nicht, weil wir das für eine angemessene Strafe für MörderInnen hielten, sondern weil wir dieses „Ehrenmal“ keineswegs als ehrbar betrachten. Diese Darstellung verharmlost die Verbrechen des Nationalsozialismus und ist deshalb für ein Gedenken und eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Vernichtungskrieg völlig inakzeptabe. Bezug nehmend auf die Taten der deutschen Soldaten haben wir die Hände dieser Figur rot wie Blut gefärbt.
3.) Die Michaeliskirche
In dieser Kirche versammelt sich die „Mitte der Gesellschaft“, um „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ zu gedenken - auch den Wehrmachtssoldaten, den SS-Männern und den Deutschen, die im sogenannten Bombenkrieg ums Leben kamen. Die PastorInnen und GottesdienstbesucherInnen stören sich nicht an den Gedenktafeln, die an die Kolonialsoldaten und die Soldaten des 1. Weltkriegs erinnern. Wir haben den Eingang dieses Ortes verändert, um die unhinterfragte Praxis der BesucherInnen am Volkstrauertag zu kritisieren: „Deutsche Täter sind keine Opfer!“
Was denken wir?
Uns geht es darum, diesem Heldenmythos und der NS-Verherrlichung bzw. -verharmlosung eine Absage zu erteilen. Wir wollen die Gedenkfeierlichkeiten vermiesen, indem wir mit unseren Aktionen die Darstellung vom „guten tapferen Soldaten“ der Lächerlichkeit preisgeben. Wir fordern die Abschaffung des Volkstrauertages und den Abriss (Deponierung) aller Ehrenmäler deutscher Kriegsmaschinerie. Statt dessen fordern wir eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem NS, um die Grundlagen für einen Tag der Erinnerung an die Opfer der NationalsozialistInnen zu schaffen. Wir fordern eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte.
Die noch lebenden Nazis müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Die Opfer der Deutschen sollen endlich bedingungslos entschädigt werden."
Hier der Text des Zettels, den ich unbedingt dokumentieren muss:
"Kein Vergeben – kein Vergessen – kein Gedenken!
Jedes Jahr wird im November der Volkstrauertag begangen. In der Nacht zum Diesjährigen, am 19.11. , haben wir an verschiedenen Stellen, an denen sich zum Gedenken der Mörder getroffen wird, ein Zeichen zum Nachdenken gesetzt.
Wessen wird gedacht?
In der Regel beziehen sich die Inschriften von Gedenksteinen zum Zweiten Weltkrieg ebenso wie jene zum Ersten Weltkrieg auf deutsche Soldaten und „Kameraden“, die „ihr Leben lassen mussten“. Oft ist die Rede von „unseren gefallenen Kameraden“. Als ob diese einfach so - zur allerseitigen Überraschung - umfielen. Dabei ist es doch die Logik des Militarismus und der Zweck von Soldaten, zu töten und getötet zu werden. Und damit sie nicht ganz so blöde dastehen – äh, liegen – werden sie dafür geehrt.
Besonders makaber finden wir es, wenn den deutschen Soldaten, die am nationalsozialistischen Vernichtungskrieg teilgenommen haben, gedacht wird – noch dazu oft in einem Atemzug mit den Opfern des Krieges, des Rassen-Denkens und des eliminatorischen Antisemitismus. Mit dieser Praxis werden die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS verharmlost und verschleiert.
Neben Gedenksteinen und Kreuzen werden zuweilen auch figürliche Darstellungen verehrt. Präsentiert wird der tapfere Mann, treu, anständig und pflichterfüllend. Doch Massenmörder sind weder anständig noch tapfer. Das hier verehrte faschistische Männlichkeitsbild trägt zur Tradierung des Unsinns zweier Sorten von Geschlechtern, Heteronormativität und überholter Rollenverteilung bei.
Wer gedenkt?
Die Runde der Gedenkenden setzt sich aus Alt -und Jungnazis, PfarrerInnen, TraditionalistInnen, PatriotInnen und anderen BürgerInnen zusammen. Auch wenn manche von ihnen alle Opfer miteinschließen – sie gedenken den Mördern und dem Regime, die für die industrielle Vernichtung sowie die Verfolgung und Vertreibung von Millionen von Menschen verantwortlich sind.
1.) Der Ehrenfriedhof Vahrendorf
Im niedersächsischen Ort Vahrendorf, unweit der Harburger Berge, befindet sich ein Ehrenfriedhof für gefallene deutsche Soldaten (des 2. Weltkriegs). Diese, überwiegend Angehörige der verbrecherischen Waffen-SS, haben Ende April 1945 britische Soldaten angegriffen. Bei den folgenden Kämpfen gab es auf Seiten der nationalsozialistisch-motivierten Deutschen ca. 45 Tote. Denen, sowie vier weiteren Toten, darunter ein von den Deutschen festgenommener jugoslawischer Kriegsgefangener, wird durch jeweils einzelne Steinkreuze gedacht. Mehrere Gedenkfeiern im Jahr werden hier abgehalten, darunter eine Veranstaltung des Volksbunds deutscher Kriegsgräberfürsorge sowie der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) , die unter anderem Kränze mit der Aufschrift „Ihre Ehre hieß Treue“ niederlegten. An diesem Treffen nehmen jeweils auch immer wieder verschiedene politische RepräsentantInnen und die lokale Presse teil. Es darf davon ausgegangen werden, dass HIAG-Angehörige auch an diesem Volkstrauertag in Vahrendorf teilnehmen.
Wir haben aus antifaschistischem Protest diverse Steinkreuze mit der Aufschrift „Täter“ verziert. Daneben haben wir den Gedenkstein „Den Toten im Osten zum Gedenken“ sowie die große Gedenkplatte und den Text des Gedenksteins der Gemeinde Rosengarten verändert. Dem an dieser Stelle begrabenen jugoslawischen Kriegsgefangenen gilt unser Gedenken. Deutsche Täter, deutsche Soldaten sind keine Opfer – kein Heldengedenken in Vahrendorf, Halbe oder sonstwo!
2.) Das Ehrenmal am Ohlsdorfer Friedhof
Auch hier wird zum Gedenken am Volkstrauertag eine übermenschlich große Steinfigur eines Soldaten aufgesucht. Unter dem Monument stand bis vor Kurzem geschrieben: „Unseren gefallenen Kameraden 1914 – 1918 – Bramfeld Steilshoop“. Unmittelbar daneben befindet sich ein zweiter Gedenkstein zum Zweiten Weltkrieg: „Gedenk deiner Toten, Volk!“ Wir haben die entsprechenden Inschriften eingeebnet, weil die „Kameraden“ Mörder waren und das „Volk“ (also die Bevölkerung) im nationalsozialistischen Deutschland weitestgehend aus (Mit-)TäterInnen oder IgnorantInnen bestand. Den vermeintlich tapferen Soldaten (tapfer wäre er nach Sabotage oder Fahnenflucht) haben wir geteert und gefedert. Nicht, weil wir das für eine angemessene Strafe für MörderInnen hielten, sondern weil wir dieses „Ehrenmal“ keineswegs als ehrbar betrachten. Diese Darstellung verharmlost die Verbrechen des Nationalsozialismus und ist deshalb für ein Gedenken und eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Vernichtungskrieg völlig inakzeptabe. Bezug nehmend auf die Taten der deutschen Soldaten haben wir die Hände dieser Figur rot wie Blut gefärbt.
3.) Die Michaeliskirche
In dieser Kirche versammelt sich die „Mitte der Gesellschaft“, um „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ zu gedenken - auch den Wehrmachtssoldaten, den SS-Männern und den Deutschen, die im sogenannten Bombenkrieg ums Leben kamen. Die PastorInnen und GottesdienstbesucherInnen stören sich nicht an den Gedenktafeln, die an die Kolonialsoldaten und die Soldaten des 1. Weltkriegs erinnern. Wir haben den Eingang dieses Ortes verändert, um die unhinterfragte Praxis der BesucherInnen am Volkstrauertag zu kritisieren: „Deutsche Täter sind keine Opfer!“
Was denken wir?
Uns geht es darum, diesem Heldenmythos und der NS-Verherrlichung bzw. -verharmlosung eine Absage zu erteilen. Wir wollen die Gedenkfeierlichkeiten vermiesen, indem wir mit unseren Aktionen die Darstellung vom „guten tapferen Soldaten“ der Lächerlichkeit preisgeben. Wir fordern die Abschaffung des Volkstrauertages und den Abriss (Deponierung) aller Ehrenmäler deutscher Kriegsmaschinerie. Statt dessen fordern wir eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem NS, um die Grundlagen für einen Tag der Erinnerung an die Opfer der NationalsozialistInnen zu schaffen. Wir fordern eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte.
Die noch lebenden Nazis müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Die Opfer der Deutschen sollen endlich bedingungslos entschädigt werden."
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Ergänzungen
Gedenken nicht nur den Nazis
PS: Und nicht jeder gefallene Soldat war ein Nazi es wird ja auch nich Hitler oder Göring und wie sie alle heissen gedacht.