Aktion gegen "Volkstrauertag" in Augsburg

karl mosh 19.11.2006 16:58 Themen: Antifa
Trotz Verbots versammelten sich am sog. Volkstrauertag, am 19.11.06 ca. 25 AntifaschistInnen vor dem ehemaligen Gestapo-Gefängnis an der Blauen Kappe. Mit einer Kranzniederlegung wurde an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die offizielle Veranstaltung der Stadt war dieses Jahr schlecht besucht. Unter den BesucherInnen waren, entgegen den Jahren zuvor, keine offensichtlichen Neonazis zu erkennen.
Das "Bündnis gegen das Vergessen" hatte zu der Aktion am 19.11. aufgerufen. Mittels einer Kranzniederlegung und einer Mahnwache sollte an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht und ein Gegenaktzent zu der offiziellen Feier der Stadt gesetzt werden. An der Feier der Stadt nahmen in den letzten Jahren auch immer Neonazis teil. Diese legten zusammen mit VerteterInnen von Stadt, Bundeswehr und opferbewegten Bürgern in den Jahren zuvor Kränze ab.
Die Veranstaltung wurde des "Bündnis gegen das Vergessen" wurde im Vorfeld aus "Sicherheitsgründen" von der Stadt verlegt. Da der angebotene Ort keinerlei inhaltlichen Bezug zu der Aktion hatte führte das "Bündnis gegen das Vergessen" die Aktion dort nicht durch. Stattdessen versammelten sich die AntifaschistInnen trotz Verbot vor dem ehemaligen Gestapo-Gefängnis und hielten dort die Mahnwache ab. Die anwesende Polizei schritt nicht ein.

Für Antifas in Augsburg gibt es in nächster Zeit viel zu tun: NPD und Kameradschaften wollen am 2.12. durch Augsburg marschieren. Das die so nicht hingenommen wird, ist klar.

Hier die Mobilisierungsseite des Antifabündnisses: www.push-things-forward.tk

Hier der Aufruf des Bündnisses:

Gegen das Vergessen!
Wir gedenken der Opfer, nicht der Täter.

Der Volkstrauertag wurde 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs etabliert. 1934 wurde der Volkstrauertag von den Nationalsozialisten zum Staatsfeiertag erhoben und in “Heldengedenktag” umbenannt. Die an diesem Tag bis dahin ohnehin nur am Rande zelebrierte Trauer entfiel nun vollständig zu Gunsten der Heroisierung von Krieg, Opfertod und eines Aufgehens des Individuums im Kollektiv.

Nachdem der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1945 zunächst von den Alliierten verboten wurde, konnte er seine Arbeit jedoch bereits nach einem Jahr wieder aufnehmen. Schon 1950 wurde der Volkstrauertag erstmals im Bundestag mit einer Feierstunde begangen und damit erneut in den Stand eines offiziellen Gedenktags erhoben. Seitdem wird bundesweit jedes Jahr an einem Sonntag im November den “Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft” gedacht.

Ein Krieg ohne TäterInnen?

Was zunächst ganz unverfänglich klingt, trug seit jeher eine geschichtsverfälschende Komponente mit sich. Völlig unvoreingenommen würde man angesichts der deutschen Geschichte erwarten, dass an diesem Tag den Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden müsste. Stattdessen standen jahrzehntelang die gefallenen Soldaten der Wehrmacht und die Toten der alliierten Bombenangriffe im Zentrum des Gedenkens, diejenigen, die die NS-Vernichtungspolitik aktiv unterstützten oder zumindest bereitwillig duldeten. Spätestens seit Mitte der 90er Jahre wandelte sich die am Volkstrauertag zelebrierte Erinnerungskultur: man erinnert an die Leidtragenden des Stalinismus sowie an die Mauertoten und verweist schließlich auch auf die Ermordeten der Konzentrations- und Vernichtungslager. Diese neue Form des Gedenkens ist jedoch weniger Ausdruck einer offener, toleranter oder kritischer gewordenen Bundesrepublik. Sie ist lediglich die abgewandelte, modernisierte Version des selbstbezogenen Opferkultes. So verschwinden hinter der Aufzählung der verschiedenen realen oder eingebildeten Opfergruppen aus den unterschiedlichsten Zeitepochen nicht nur die Taten, sondern auch die TäterInnen sowie die jeweiligen Spezifika der Taten. Die gemeinsame Nennung der Opfer des Ersten Weltkrieges, des Stalinismus, der Konzentrations- und Vernichtungslager sowie der gefallenen Wehrmachtssoldaten ist nichts weniger als die Weiterführung des Versuchs, die deutsche Geschichte zu normalisieren und den Zweiten Weltkrieg in einen gewöhnlichen Krieg umzudeuten, in dem es ausschließlich Opfer gab.

Steilvorlage für Nazis

Dass dieser gesamtgesellschaftlich konsensfähige Opferdiskurs eine perfekte Andockfläche für Rechtsradikale aller Couleur ist, versteht sich von selbst. Die erstarkende rechte Szene greift in den letzten Jahren vermehrt öffentlich geführte Diskussionen, wie etwa die um den Sozialabbau, auf, und versucht dort ihre menschenverachtenden Positionen zu integrieren und sie auf diesem Weg salonfähig zu machen. Während diese Strategie bislang nur punktuell von Erfolg gekrönt war, fühlen sich die Neonazis bei der undifferenzierten, geschichtsverfälschenden “Vergangenheitsbewältigung” wohl wie die Made im Speck. Dementsprechend treten in den letzten Jahren immer mehr Neonazis bei den offiziellen Gedenkfeiern der deutschen Opfergemeinschaft auf, sei es bei der Erinnerung an die Bombardierung deutscher Städte am Ende des Zweiten Weltkrieges oder bei der Kranzniederlegung am Volkstrauertag. So auch in Augsburg.

Gegen die Verhöhnung der Opfer!

Am Kriegerdenkmal an der Blauen Kappe, wo die VertreterInnen der Stadt Augsburg zusammen mit Uniformierten der Bundeswehr alljährlich ihre Kränze niederlegen, sind Mitglieder des lokalen Nazibündnisses “Nationale Opposition – Bündnis für Augsburg” sowie der Kameradschaft Augsburg akzeptierter Teil der Trauergemeinschaft. Genauso wie Oberbürgermeister Wengert legen auch die Neonazis einen Kranz für die “gefallenen Helden” ab und stimmen zum Abschluss das Deutschlandlied an.

Da dies eine nicht hinnehmbare Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und eine völlig inakzeptable Verdrehung der geschichtlichen Tatsachen darstellt, rufen wir dazu auf, am Sonntag den 19. November, an der Mahnwache des antifaschistischen Augsburger Bündnisses “Gegen das Vergessen” teilzunehmen. Wir wollen an diesem Tag ein Zeichen gegen die Normalisierungstendenzen in der Auseinandersetzung um die deutsche Geschichte und den immer salonfähiger werdenden Rechtsradikalismus setzen.
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Ergänzungen