Hoyerswerda:Neonazikader im Zeitungsinterview

Plattenbauromantiker 18.11.2006 17:14 Themen: Antifa Medien
Die Redaktion des „Hoyerswerdaer Tageblattes“ der „Sächsischen Zeitung“ druckt ein Interview mit Neonazikader Sebastian Richter.
Am vergangenen Freitag, den 17. November, erschien in der auflagenstärksten Tageszeitung der ostsächsischen Stadt Hoyerswerda ein ausführliches, 5-spaltiges Interview mit Neonazikader Sebastian Richter. Dieser ist bekannt als tragende Figur des Kameradschaftszusammenschluss „Lausitzer Aktionsbündnis“ und des JN -Stützpunktes Hoyerswerda. Sebastian Richter trat bisher vor allem unter dem Pseudonym „Sepp Hagen“ auf.

Unter der Themenüberschrift „Politischer Extremismus“ erschien neben jenem Interview ein Artikel über ein kommunales Aktionskonzept gegen Rechtsextremismus aus der benachbarten Stadt Bernsdorf. Vier Tage zuvor hatten Neonazis dort versucht einen Asiaimbiss mit einem Molotowcoctail in Brand zu stecken.

Anliegen der Redakteure bei der Veröffentlichung des Interviews sei es gewesen, „aktuelle Entwicklungen nicht zu verschweigen und angemessen zu berichten“. Anspruch sei es außerdem demokratische Berichterstattung zu leisten – die sich eben auch mit extremistischen Tendenzen beschäftigen müsse. Ergebnis sind solche leichtsinnigen, sensationserregenden Aktionen, welche die sehr gewählten Worte eines ausgebildeten Neonazi – Kaders unreflektiert auf Seite Eins stehen lassen. Offensichtlich wird damit wieder einmal, dass eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus viel mehr braucht, als eine oberflächliche und scheindemokratische Diskussion. Die unprofessionelle Einstellung zu dieser Thematik völlig unerfahrener ProvinzjournalistInnen wird deshalb von geschulten Neonazi- Kadern wie Sebastian Richter immer wieder ausgenutzt.

Ohne weitere Nachfragen seitens der Redakteure äußerte Sebastian Richter „wir [die JN] erkennen die Unterschiede der Völker an, sehen aber Stärken und Schwächen“, meinte jedoch zu vor noch “Wir haben auch schon Jugendliche wegen plumpen Rassismus rausgeschmissen“? Soll dies bedeuten „plumper Rassismus“ wird abgelehnt, aber die Erkennung von „Stärken und Schwächen“ zwischen den „Völkern“, also die Einteilung der Menschen in stärkere und schwächere Rassen, von den JN Mitglieder anerkannt? Jene Einteilung geschah auch schon zur Zeit des Nationalsozialismus, unter Heranziehung der Rassenlehre von Darwin, die jedoch lediglich für die Tierwelt als geltend anerkannt wurde.

Interessant war auch der Satz Sebastian Richters „Feind ist das System und nicht der einzelne Ausländer“. Nur erweist sich doch schnell ein Widerspruch dieser pseudotoleranten Aussage mit Blick auf eines der Ziele der JN: den „nationalen, sozialistischen Volksstaat“ – das unter diesem „nationalen Volk“, welches den Staat begründen solle, sicher für Nicht – Deutsche kein Platz ist, muss nicht weiter erläutert werden. Somit ist vielleicht im Moment „der einzelne Ausländer“ nicht der Feind, aber doch „die Gemeinschaft aller (einzelnen) Ausländer“, denn sie gehören nicht zum „nationalen Volk“ der Deutschen.

Sebastian Richter präsentierte sich gegenüber den Redakteuren des „Hoyerswerdaer Tageblattes“ als typischer „Neu – Rechter“, moderater Neonazi moderner Strömung. Beispielhaft dafür steht seine verkürzte Kapitalismuskritik. So äußerte er: „Wir streben eine antikapitalistische Politik an“ und wenig später „Das Hauptübel Zinswirtschaft muss abgeschafft und die Arbeiter am Gewinn beteiligt werden“. Diese Kritik am Kapitalismus fand bereits im Nationalsozialismus Anwendung. Dabei wird nicht der Kapitalismus als eine Herrschaft ohne Herrschende verstanden (die wenn, dann als Gesamtes abgeschafft werden muss), sondern unterschieden zwischen „ehrlich schaffendem“ und „raffendem“ Kapital. Das „raffende“ Kapital herrscht somit als personifizierte Gruppierung über das „ehrlich schaffende“ und wurde zur NS - Zeit traditionell den Juden zugeordnet (die Aufgrund mittelalterlicher Rollenverteilungen immer mit dem Vorurteil der Raffgier in Verbindung gebracht wurden). Die verkürzte Kapitalismuskritik von Sebastian Richter und seinen “nationalen Sozialisten“ entpuppt sich also als antisemitisch – war aber unkommentiert im „Hoyerswerdaer Tageblatt“ abgedruckt worden.

Die Redakteure des „Hoyerswerdaer Tageblattes“ der „Sächsischen Zeitung“ haben sich trotz der Betonung eines demokratischen Standpunktes bei ihrer Auseinandersetzung mit „extremistischen Tendenzen“ auf eine Diskussion mit einem bekennenden Antidemokraten eingelassen. Dabei wurde jedoch verkannt, dass es mit Rassisten, Nationalisten und Antisemiten keine Basis zur Diskussion gibt, dass lediglich ihre Argumentationsstrukturen und Ziele klar und verständlich aufgedeckt werden müssen.

Hintergrund aller Auseinandersetzungen waren Diskussionen um den 15. Jahrestag von rassistischen Pogromen gegen AsylbewerberInnen- und MigrantInnenwohnheime in Hoyerswerda. Zwei Gedenkstelen der Stadt erinnerten nicht etwa an die rassistischen Pogrome von Neonazis und BürgerInnen, sondern an die Opfer „extremistischer Gewalt“. Von Seiten verschiedener Antifa –Gruppen wurde eine antirassistische Demonstration organisiert. Die Route der Demo, die nur dem Ordnungsamt bekannt war (!), gelangte jedoch in die Hände von Neonazis um den oben erwähnten Sebastian Richter. Sein JN -Stützpunkt Hoyerswerda und das „Lausitzer Aktionsbündnis“ riefen auf ihrer Internetseite, auf welcher die Demoroute abgebildet war, zu „kreativen Störaktionen“ der Antifa Demo auf. (Bericht zu Antifa Demonstration  http://de.indymedia.org/2006/09/157836.shtml )

Von jenem JN –Stützpunkt Hoyerswerda und dem „Lausitzer Aktionsbündnis“ unter Sebastian Richter wurde außerdem für den 30.09. eine Neonazidemo angemeldet. Von Seiten der Stadt wurde nicht einmal der Versuch unternommen, diese zu verbieten - obwohl sich in dem Aufruf der Neonazis eindeutig positiv auf die Ereignisse vom September 1991 als „kleinen Volksaufstand“ bezogen wurde. Außerdem konnte auf der Mobilisierungsseite der OrganisatorInnen das Hitlerjugendlied „Ein junges Volk steht auf zum Sturm bereit“ heruntergeladen werden, welches auch auf der Demonstration gesungen wurde. Demoplakate der Neonazis durften mit offiziellem Genehmigungsstempel von Seiten der Stadt aufgehangen werden. Vor Beginn der Demo kam es zu einer Sitzblockade auf der Demoroute durch ca. 60 AntifaschistInnen. Die friedliche Blockade wurde gewaltsam aufgelöst, alle (!) TeilnehmerInnen wurden in Gewahrsam genommen. Im völlig überfüllten Hoyerswerdaer Polizeirevier herrschten chaotische Zustände, einige Festgenommene wurden in Garagen auf dem Polizeirevier untergebracht.

Trotz aller Umstände zeigt die aktuelle Diskussionen und die Bemühungen lokaler AntifaschistInnen auch erfolgreiche Ansätze – so wurde von bürgerlicher Seite u.a. der R(egionalen)A(rbeitstelle für)A(usländerfragen und Jugendarbeit) und dem VVN –BdA eine Initiative gegen Rechtsextremismus gegründet. In wie weit von Seiten dieser neuen Gruppierung fruchtbare Arbeit geleistet werden kann, wird sich zeigen...

 http://aag-hoyerswerda.sytes.net
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Ergänzungen

Provinzjournalist

Thomas Mielke 21.11.2006 - 16:16
Ich habe mit dem Artikel erreicht, was ich erreichen wollte: Die Aktivitäten der JN/FAH sind öffentlich geworden und haben einen Aufschrei verursacht. Vielleicht leiten verantwortungsbewusste Menschen die richtigen Schlüsse daraus ab.

Thomas Mielke
Redakteur SZ/Hoyerswerdaer TAGEBLATT (der übrigens gern in der Provinz arbeitet, dafür ein Hochschulstudium absolvieren musste und sich seit mehr als zehn Jahren mit der Thematik Rechtextremismus befasst)

@Provinzjournalist - Thomas Mielke

miese katze 25.11.2006 - 15:54
Herr Mielke hat es zwar geschafft, mit diesem Interview mal die kranken Sicht- und Handlungsweisen der JN Hoyerswerdas und des LAB´s der Öffentlichkeit darzubieten, jedoch muß er sich vorwerfen lassen, das ganze durch einen wirklich unprofessionellen Journalismus getan zu haben, der sich auch nicht in der"Provinz-Presse" rechtfertigen lässt; den BürgerInnen von Hoyerswerda hat er schlichtweg unkommentierte Nazipropaganda frei Haus geliefert.
Sein Interview war insgesamt ein Schuss, der nach hinten los ging. Einen Aufschrei hat er dadurch nur bei den Wenigsten verursacht, denn "verantwortungsbewußte Menschen" gibt es in Hoy leider einfach zu wenig, SCHEIßPROVINZNEST!

Keinen Fußbreit den Faschisten, weder in Hoyerswerda, noch anderswo( und erst recht schon gar nicht in der sogenannten 'Bürgerpresse')! NIE WIEDER DEUTSCHLAND!

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