„Apolda: Bedrohung des Reichspogromgedenkens“
Wie vordem Hintergrund einer Aktion zur Ausstellung „11.000Kinder“dieApoldaer Nazis erneut ihr wahres Gesicht zeigen.
Der Gedenktag zur Reichspogromnachtbegann in Apolda mit einer Ankündigung der örtlichen Naziszene zur Hetze aufAntifaschistInnen. Auf der Treppe des Bahnhofs war - in dutzende Hakenkreuzegerahmt - zu lesen: “Antifa hunting season 09.11.“ mit der Abkürzung G.N.L.S. -„good nigh left side“. Der Hintergrund war eine Aktion vor dem Bahnhof, die dieAusstellung „11.000 Kinder“ zeigte.
DieörtlicheAntifagruppe AGAP ließ sichtrotz der Ankündigung,dass Jagd auf sie gemacht werden sollte, nicht von ihrem Vorhaben abbringen.Zusammen mit dem Aktionskomitee „ElftausendkinderWeimar“ undsolidarischen AntifaschistInnen des Umlandes wurde der Infostand aufgebaut.Hierbei ist zu erwähnen, dassdie Bahn den Platz vor dem Bahnhof nicht zur Verfügungstellte. Die Stadt bewilligte eine Parkbucht in der Nähe desBahnhofs an einer viel befahrenen Straße.
Trotz des schlechten Wetters wurdenzahlreiche Flyer über die Ausstellung interessierten BürgerInnen ausgehändigt.Kurze Zeit nach dem Aufbau des Standes wollte die Kameradschaft Apolda ihreDrohung in die Tat umsetzen. Angeführt von Sandra Ziegler machten sich ihrBruder Gered Ziegler, samt Anhängsel Michael Funk, Marcel Buhe, SilvioRöppenack, Markus Höppel, Michael Hoyer und weiteren Kameraden (circa 20) auf, das Gedenken zu stören.Zweifelsfrei bewiesen die Nazis, was von ihnen zu halten ist. An einem solchenTag zur Jagd auf Menschen aufzurufen – dies bedarf keiner Erörterung. Nicht nurder geistigen Ideologie der Nazis schließen sich diese Menschen an, sondern siepraktizieren auf ihre Weise den gleichen Terror wie die Mörderbanden zur Zeitihrer Großväter. Der stark vermummte Mob der Rechtsextremisten wird von derPolizei gestoppt.
Wiebereits zur Infoveranstaltung im Sommer (http://de.indymedia.org/2006/07/153117.shtml), bei der die Polizei völligversagte, wurden wieder eklatante Fehler begangen. Es wurden keine Personalienaufgenommen, die Begründung– allePersonen sind polizeilich bekannt. Die Vermummung wurde nicht unterbunden, sodass die Nazis mit ihrem martialischen Bild BürgerInnenverängstigten.Nachdem die Gruppe der Rechtsextremisten in eine andere Richtung abzog wurdekeine Polizeieskorte mitgeschickt, so kam es, dass die selben Personen kurzeZeit später voneiner anderen Richtung die Ausstellung stürmenwollten. Dem Einsatz der AntifaschistInnen ist es zu verdanken, dass die Nazisim Verlauf der Aktion an Selbstbewusstsein verloren, da ihren Angriffsversucheneine drastische Gegenwehr folgte. So wurde die Ausstellung zu einem deutlichenSymbol – wirlassen uns nicht einschüchtern!Die Redebeiträge desAktionskomitees und der AGAP machten den rechtsextremen Zuschauern zudem klar,wo sie hingehören - inden Straßengrabender Geschichte!
Gegen16:30 Uhr wurde die Ausstellung abgebaut. Die Nazis lies mensch links liegen unddie Gruppe machte sich auf den Weg zu einer kraftvollen Spontandemo durchApoldas Innenstadt.
Die „11.000 Kinder“ Ausstellung war nichtdas einzige Gedenken an diesem Tag. Um 17 Uhr versammelten sich engagierteBürgerInnen der Stadt vor einem ehemaligen jüdischen Wohnhaus um dendeportierten Menschen zu gedenken. Kränze wurden niedergelegt, Reden verlesen,ein Lied zur Andacht gesungen. Anschließend wurde im Stadthaus eine Ausstellungdes örtlichen Gymnasiums über das Konzentrationslager Buchenwald gezeigt. DieGeschichtswerkstatt stellte ein Buch vor, indem das jüdische Leben der StadtApolda vor- und während der NS- Herrschaft dokumentiert wird. Den emotionalenHöhepunkt des Abends stellte eine Rede einer Zeitzeugin über den Terror gegenJüdinnen und Juden zur Zeit des Dritten Reiches dar. Sie sprach aus, was vielevergessen zu haben scheinen. Ein jeder hat die Pflicht sich gegen dieunmenschliche Ideologie der Neonazis zu behaupten. Gerade die junge Generationmuss die Geschichte der Verfolgten weitergeben, gerade die junge Generation darfnicht auf die Demagogen dieser Zeit hereinfallen, so ihre abschließenden Worte.
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Es folgen die Redebeiträge desAktionskomitees und der AGAP, welche mehr auf die inhaltlichen Aspekte derAusstellung „11.000 Kinder“ und dessen gesellschaftlichen Nutzeneingehen.
Redebeitrag des „AktionskomiteesElftausendkinder Weimar“:
60 Prozent der Deutschen fröhnen sich derAnsicht, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland, 37 Prozent finden esekelhaft, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen, 62 Prozent wollenvon den Naziverbrechen nichts mehr hören, 44 Prozent sagen, dass es ihnenaufgrund der Politik Israels verständlich sei, warum Juden gehasst werden.Übergriffe auf Juden, oder Menschen, die dafür gehalten werden, haben sich indiesem Jahr über die Hälfte verdoppelt, dies ergeben besorgniserregende Umfragenund Statistiken.
Es ist unverständlich, wenn trotz dieserZahlen in den Medien ein neues Deutschlandgefühl propagiert wird, wenn derSpiegel- Kulturchef meint, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte dassensibelste Volk sind. So sensibilisiert, dass es in Deutschland über zwei Jahredauert, bis es zu Verhandlungen kommt, eine Ausstellung an deutschen Bahnhöfenzu zeigen, die zuvor an französischen Bahnhöfen gezeigt worden war - eineAusstellung, die sich sensibilisiert mit der deutschen Vergangenheitbeschäftigt.
Im Nationalsozialismus wurden unzähligeFamilien in Frankreich in Viehwaggons gesteckt und auf eine qualvolle Reise nachAuschwitz geschickt. Unter ihnen waren auch 11.000 Kinder. Viele wurden auf derFahrt von ihren Eltern getrennt, davon sahen die meisten ihre Eltern nie wieder.In Auschwitz wurden die Kinder fast ausnahmslos vergast, da sie für die Naziskeinen effektiven Nutzen hatten. Die zum größten Teil jüdischen Kinder warennicht nur französischer Herkunft, sondern es waren auch die Töchter und Söhnevon deutschen MigrantInnen, die aus Nazideutschland geflohen waren, weil sie ausrassistischen oder politischen Gründen verfolgt worden waren und sich inFrankreich sicher wähnten. Auf dem deutschen Schienennetz, führte der Weg vorbeian den Bahnhöfen vieler deutscher Städte. Über die Gleisanlagen bei Saarbrücken,Fulda,Erfurt, Weimar, Apolda, Halle, Leipzig und Görlitz.
Und deshalb wollte die französischeOrganisation „Söhne und Töchter der deportierten jüdischen Kinder“ ihreAusstellung, die zuvor in Frankreich an 18 Bahnhöfen gezeigt worden war, mitBildern und Briefen der deportierten Kinder auch auf deutschen Bahnhöfen zeigen.Es sollte an die Kinder, welche 60 Jahre lang vergessen waren, erinnert werden,auch an den deutschen Bahnhöfen, an den Heimatorten vieler deportierter Kinder.Es sollte den Kindern mit der Ausstellung ihr Gesicht und ihre Würdewiedergegeben werden, was in Frankreich längst geschehen ist. Aber die deutscheBahn, als rechtliche Nachfolgerin der Deutschen Reichbahn, die damals für dieDurchschleusung der Kinder verantwortlich gewesen war, weigerte sich. Inzwischenbenutzt der millionenschwere Konzern nicht mehr die fadenscheinige Lüge, er habekein Geld, sondern denkt sich neue Argumente aus. Herr Mehdorn, der Konzernchefmeinte vor Kurzem in einem Interview, dass auf Bahnhöfen keine tiefgehende undseriöse Befassung mit seinem solchen Thema möglich wäre. Das dies auf einmal,nach zwei Jahren Blockade und anderen fadenscheinigen Ausreden auftaucht,beweist nur einmal mehr, dass sich Herr Mehdorn ein Gedenken vom Hals haltenwill.
Für uns sind Bahnhöfe sehr wohl würdigeOrte an 11.000 deportierte Kinder zu erinnern. Denn in diesem Fall ist derBahnhof ein historischer Ort. Reisende sollen darauf hingewiesen werden, dass anden Bahnhöfen vorbei, die sie heute selbstverständlich benutzen, MillionenMenschen deportiert worden sind. Einem Vergessen und Verdrängen soll damitentgegen gewirkt werden. Dies kann selbstverständlich nur ein kleiner Teil vonGedenk- und Erinnerungsarbeit sein. Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mitdem Thema muss darüber hinausgehen. Ihr Gesicht und ein Teil ihrer Würde wäreden 11.000 Kindern mit einer Ausstellung an Bahnhöfen aber auf jeden Fallzurückgegeben.
Wir demonstrieren heute hier für dieDurchsetzung der Ausstellung auf den betroffenen Bahnhöfen in Deutschland undfordern den Verkehrsminister, die Konzernleitung der Deutschen Bahn und dieeinzelnen Bahnhofsdirektionen dazu auf, die Ausstellung endlich durchzusetzenund den Ausstellungsboykott der Bahn zu brechen.
Die blauen Koffer, die symbolisch für diegesichtslosen Opfer der Nationalsozialisten stehen, für unschuldige Opfer, diein Viehwaggons in den Tod transportiert wurden und heute immer noch ohne Gesichtsind, sind mit den Namen der Konzentrationslager Auschwitz, Belzyce und Theresienstadt beschriftet. Koffer,die eigentlich für Hab und Gut stehen, sind hier ein Symbol fürEntmenschlichung, denn nichts haben die Nazis ihren Opfern gelassen. Auschwitzsteht hierbei für den Deportationsort von Juden überhaupt. Hauptsächlich nachBelzyce und Theresienstadt wurden die Juden aus Thüringen deportiert. Daraufwollen wir insbesondere hinweisen und gegen ein Vergessenarbeiten.
Schluss mit den Ausstellungsboykott derDeutschen Bahn! Ein würdiges Gedenken an die Deportationsopfer ist erst möglich,wenn ihre Gesichter an den betreffenden Bahnhöfen als historische Orte gezeigtwerden.
Gegen jede Form vonGeschichtsverdrängung!
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Redebeitrag [AGAP] – zur Ausstellung11.000 Kinder am Apoldaer Bahnhof
Die Rolle der Deutschen Reichsbahn istexemplarisch für die zivile Schuld der deutschen Bevölkerung. Die Art und Weise,wie die logistische Aufgabe des Transports von Millionen Opfern bewältigt wurde,zeigt, dass nicht nur die Parteikader der NSDAP Schuld tragen und verantwortlichsind. Es waren Menschen – ein Mensch wie der Beamte Eichmann, der dieOrganisation übernahm – Menschen in der Wirtschaft, die an den Deportationenverdienten und Mitarbeiter großer Betriebe, welche die Vernichtung von Menschenstillschweigend hinnahmen.
Wirmüssen unsimmer wieder der Frage stellen, wie es dazu kommen konnte? Welche Faktoren dieMenschen zu solchen Verbrechen motivierte. Auf welche Art und Weise jedereinzelne Mensch in diesem Gefüge zumTäter werdenkonnte.
Genau hier- im Menschsein - liegt die Verknüpfung zumHier und Jetzt. Es ist der Mensch, der diese Verbrechen beging. Es ist derMensch, der sie wieder begehen wird, wenn wir nicht in der Lage sind– jedereinzelne muss dazu in der Lage sein – Unrechtzu erkennen. Wir müssenunseren Teil dazu leisten, dass die simpelsten Werte der Menschlichkeit einegesellschaftliche Allgemeingültigkeiterlangen.
Die einoder anderen werden sich denken, dass wir diese Werte unlängst inunserer Gesellschaft verankert haben, dass es nicht mehr lohntüberVergangenes zu reden. Dies ist der Angriffspunkt der Demagogen unserer Zeit. Dasist das Problem - wenn sich das Vergessen einschleicht - vielleicht sogar dasVergessen wollen – ist derWeg nicht mehr weit, dieselben Fehler ein zweites Mal zubegehen.
Die Deutsche Bahn ist der rechtlicheNachfolger der Reichsbahn. Das Gedenken an die Opfer ist nach Aussage des Bahnchefs Mehdornerwünscht, jedoch Zitat: „[...] wir haben das Recht, es so zu machen, wie wirdas in Abstimmungen mit unangefochtenen Experten für richtig halten.“Wahrscheinlich waren es diese so genannten Experten, die Mehdorn zur Äußerunganregten, für die Bahngäste sei die Ausstellung während ihres Aufenthalts imBahnhof unzumutbar. Die Ausstellung im bahneigenen Museum zu beherbergen behagtihm natürlich mehr als an den Originalschauplätzen. Damit wird das Gedenken aufsAbstellgleis geschoben und zur bahneigenen Angelegenheit degradiert. Doch alsöffentliches Verkehrsunternehmen ist diese Angelegenheit nicht bahneigen. KeinUnternehmen mit dieser Vorgeschichte hat das Recht, das Aufarbeiten derVergangenheit totalitär selbst zu bestimmen. Warum scheut sich die Bahn, trotzdes großen Erfolges in Frankreich, die Ausstellung „11.000 Kinder“ in ihrenBahnhöfen zu zeigen? Das Argument der Zumutbarkeit ist an Pietätlosigkeit nichtzu übertreffen. Vielleicht wird demnächst den Kindern und Jugendlichen in derSchule die Zeit des Dritten Reiches erspart, weil es nicht zumutbar ist?
DieEreignisse um diese Ausstellung fügen sichnahtlos ins Zeitgeschehen. Es scheint, dass die Menschen dem Andenkenmüdegeworden sind. In die Zukunft möchte dieGesellschaft blicken - unschöneEreignisse der Vergangenheit vergessen. Nach dem Vergessen kommt derRevisionismus und damit steht neuerlichen Gräueltatennichts mehr im Wege.
Das dieses Vergessen der Vergangenheit,dieser Revisionismus sich unlängst ausbreitet, zeigen die Umtriebe der örtlichenKameradschaft. Vor einem halbem Jahr, am 18. März, versammelten sich rund 25Neonazis auf dem Marktplatz
(http://www.agap.antifa.net/index.php?option=com_content&task=view&id=31&Itemid=37).
Mit derKampagne „Deutschlandschütze deineKinder“ warbendort die Jungen Nationaldemokraten für den NPDWahlkampf. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Menschen die geistigen Enkelder braunen Mörderbandensind, die für den Todvon Millionen Menschen verantwortlich waren, ist es bitterböserZynismus sie heute über denSchutz von Kindern sprechen zu hören. Eswaren Nazis, die hunderttausende Jugendliche zur Zwangsarbeit "ins Reich"
verschleppten. Es waren Nazis, die zehntausende Kinder und Jugendliche inKonzentrations- und Arbeitslager sperrten. Es waren Nazis, die an Kindern undJugendlichen die furchtbarsten Menschenversuche durchführten. Essind Nazis, die heute wieder durch die Straßen laufenund Menschen aus den primitivsten Gründen jagenund tyrannisieren, die heute wieder ihre Hetze betreiben und dieBevölkerungaufstacheln.
Um dem Vergessen Einhalt zu gebieten,unterstützen wir die Ausstellung „11.000 Kinder“. Wir möchten den Opfern Namenund Gesicht geben. Der Zug aus Frankreich hielt auch in Apolda. Eine ganzeStunde konnte die Apoldaer Bevölkerung die Viehwagons sehen. 16:04 Uhr setztesich der Zug langsam in Bewegung – gen Auschwitz. Etwa einen Tag spätererreichte er sein Ziel.
Heute istder 9. November. Heute vor 68 Jahren traf der blinde Hass einer GesellschaftjüdischeMenschen, ihre Synagogen und Geschäfte. Vor68 Jahren war die Reichspogromnacht. Den Opfern wird heute im Bernhard-Prager-Haus, im Stadthaus und hier amBahnhof gedacht.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
leerzeichen?
Sandra Z
Sandra Z.
Den Fehler mit den Leerzeichen können wir uns leider auch nicht erklären. Vielleicht könnte dies noch geändert werden?
wenn gehört der bahnhof
Naziterminologie
es war eine eigenschaft der nazis, ereignisse, personen und dinge mit dem wort -Reich- zu "schmücken".
also entweder mensch benutzt ganz bewusst naziterminologie und sagt "Reichskristallnacht" in "-" oder es wird besser von den
Novemberpogromen
gesprochen (kommt den historischen tatsachen auch näher, da sich eben nicht alles in einer nacht abspielte. vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberpogrome).
also auch mal bei den eigenen aussagen und bezeichnungen aufmerksam sein.
(soll im übrigen keine anpisse sein, sondern konstruktive kritik)
hier ist der artikel mit leerzeichen ;)
http://agap.antifa.net/index.php?option=com_content&task=view&id=71&Itemid=41
---
http://agap.antifa.net
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sandra z — NSST