Interview: Class-War-Hiphopper Holger Burner

Wladek Flakin 09.11.2006 19:23 Themen: Medien Repression
Holger Burner kommt aus Hamburg und macht "Class War Hiphop". Sein neues Album, Cypherpropaganda, erschien diese Woche.
Auf vielen Demonstrationen, zuletzt im Jugendblock auf der DGB-Demo in Berlin am 21. Oktober, trittst du als ein rappender Moderator auf. Was ist dein Ziel dabei?

Rap ist eine Kunstform, die man auch sehr gut zur Vermittlung von Inhalten benutzen kann. Man kann damit schon ein etwas breiteres politisches Statement ausdrücken als mit einem Sprechchor. Ich war auch schon selber oft erschreckt, wie Leute am Megaphon so rufen, als würden Zombies demonstrieren.

Aber Demos sind keine Unterhaltungsveranstaltung, sondern etwas, wo gerade Leute, die zum ersten mal da sind, plötzlich sehen: „Ich bin nicht allein, andere haben ähnliche Gedanken wie ich und brüllen sie laut raus“. Deshalb mache ich auch zwischendurch Sprachchöre: das beste Lied ersetzt es nicht, dass die Leute sich selbst einbringen.

Wie kommt dein Rap bei linken Jugendlichen, die eher Ska und Punk als Hiphop hören, an?

Wenn man sich mit den Texten identifizieren kann, ist der Weg zum Rap meist nicht so weit. Natürlich hör ich öfter die Worte „Ich hör ja sonst keinen Rap...“. Aber in der Regel kommt danach: „...aber dein Zeug gefällt mir“. Dogmatismus beim Musikgeschmack begegne ich gar nicht so häufig.

Aber wie kommen deine Texte über Arbeiterkämpfe und Aufstände ("Ich habe von Marx meine Basics") bei traditionellen Hiphop-Fans an? Du übst scharfe Kritik an den großen Stars des Hiphops wie AggroBerlin.

Jein. Die Texte von mir, die sich mit Sexismus oder Männlichkeitsgehabe im Hiphop beschäftigen, stellen nicht AggroBerlin als Verursacher von so etwas dar. In einer kapitalistischen Gesellschaft sollte es keinen von uns wundern, wenn Medien vor allem Tittenvideos pushen, weil das die Klassenspaltung vertieft.Aber es gibt einen Unterschied zwischen den Käufern von Bushido- oder Fler-CDs und im Hiphop aktiven Leuten. Auf Rapbattles ist es oft wirksamer, wenn ich jemanden, der z.B. auf der Bühne homophobe Beleidigungen bringt, einfach inhaltlich alt aussehen lasse, als wenn ich sagen würde „Stoppt die Musik, ich muss hier wohl mal ein Grundsatzreferat zu Sexismus halten“ .

Das ersetzt natürlich nicht, nach dem Rappen mit allen zu diskutieren. Aber für einen Bezug zu meinen Texten muss man nicht das Kapital gelesen haben.


Ein kommunistischer Hiphopper - wie hat sich das überhaupt entwickelt?

Ich finde HipHop hat sehr viel damit zu tun, dass Kids zu arm sind, um ihr kreatives Potential auszuleben – es war schon immer eine Möglichkeit, ohne Geld Kunst zu machen. Zum Rappen braucht man keine Instrumente oder Proberäume; zum Breaken kann man Pappkartons nehmen; zum Sprühen werden die Dosen oft in Baumärkten geklaut. Also Selbstorganisation.

Du kannst Rosa Luxemburg oder Leo Trotzki genauso sehr als Vorbild sehen wie die Last Poest und Talib Kweli – geprägt haben sie mich alle irgendwo.

Gibt es eine linksradikale Hiphop-Szene in der BRD?

Nein, aber es gibt einige linksradikale Rapper (z.B. Chaoze One aus Karlsruhe oder Albino aus Kiel). Die finde ich beide sehr gut. Aber es gibt sehr viele Rapper, die viel progressivere Texte machen als so manches linke Flugblatt.

Trittst jetzt auf bei der Prograffiti-Jam. Aber ist die Graffiti-Szene nicht eher unpolitisch bzw. sogar frauenfeindlich? Wieso unterstützt du Graffiti?

Wir leben in einer sexistischen Gesellschaft – nenn mir eine Szene, die frei davon ist. Männlichkeitsgehabe finde ich in linken Zusammenhängen oft genau so schlimm bzw. ekliger, weil wir ja behaupten, es besser zu wissen.

Graffiti heisst auch: „Wir dürfen in diesem Staat nirgendwo kreativ sein, dann sind wir halt illegal.“ Das ist vielleicht nicht explizit politisch aber sehr wohl eine Aussage.

Was sollen Jugendliche deiner Meinung nach machen, die die Ideen in deinen Songs unterstützen (außer natürlich selbst zu rappen)?

Sich selbst organisieren. Das ist ja die Hauptsache. Ich würde mich freuen, möglichst viele davon auf Demos oder Streiks zu sehen. Und natürlich Freitag in der Köpi.

Holger Burner tritt auf beim der Prograffiti-Jam am Freitag, 10.11, um 21 Uhr in der Köpi, Köpenicker Str. 137, Nähe Ostbahnhof

Interview: Wladek Flakin
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Titel der Ergänzung

Dein Name 09.11.2006 - 21:44
ob es nun hier hin gehört oder nicht läst sich streiten. Ich kenne den Menschen auch nicht.
Einerseits reproduziert jeder der etwas verkaufen will den Kapitalismus, andererseits betreibt er möglicherweise auch eine form der aggitation neue Leute für linke gedanken zu interessieren. Und im HipHop bereich gibt es dort so gut wie gar nichts.
In der Form: "Er bringt übrigens bald ne neue CD raus" gehört es hier glaube ich nicht hin. Das Vorstellen von Personen (wenn sie denn öffentlich bekannt sein wollen) und ihre formen öffentlichkeit zu schaffen kann dagegen schon bei Indymedia richtig sein.

Auch (oder gerade?) Mitglieder von Ton Steine Scherben wollten ihre musik verkaufen und Taten dies auch, trotzdem sind sie heute immernoch in Teilen der Linken sehr beliebt (zumindest einzelne Lieder).

Das Kommentar zum "reaktionären Linksnationalisten" ist leider nicht begründet, entweder man erläutert es warum er das ist oder braucht auch kein Kommentar zu schreiben, auf diese weise ist es erstmal nur eine behauptung.

Ich bins

Holger Burner 09.11.2006 - 22:39
Hallo alle,

erstmal: die Passagen mit dem Album und dem Auftritt könnten meiner meinung nach tatsächlich raus, es verstösst glaube ich auch gegen die Moderationskriterien.
Der Hintergrund: eigentlich hatte der Interviewer geplant, es in der jungen welt unterzubringen, dann wäre es neben den Infos tatsächlich auch noch Propaganda für die Veranstaltung gewesen. Ich finds verständlich das er sich wegen Arbeit mit dem Interview eine alternative Veröffentlichungsform sucht, das ist ja auch n bischen der Sinn von Indymedia.

Mir ist es allerdings langsam auch n bischen peinlich, gerade weil in letzter Zeit so viele Clips vom Freundeskreis Videoclips hier reingestellt wurden und es halt in meinen Texten tatsächlich um Propaganda und nicht um meine Person / mein Pseudonym geht. Deswegen kann ich verstehen, wenn Leute sagen "gehört hier nicht hin", obwohl ich gerade gar keinen Kommentar in die Richtung lesen konnte, bei mir war nur ein Kommentar zu sehen. Deswegen hab ich auch keine Ahnung, wer mich hier als Linksnationalisten beschimpft, derjenige möge doch bitte auf eines meiner nächsten Konzerte kommen und mir das erklären, ich bin Internationalist. Nur halt international und nicht antideutsch, das reicht ja manchmal schon um beschimpft zu werden. Bei den Leuten ist es mir dann aber auch egal, die sollen nicht auf meine Konzerte kommen sondern sich irgendwo gegenseitig erzählen, das alle ausser sie Antisemiten sind, inklusive meiner israelischen GenossInnen. Das Ende konnte ich mir nicht verkneifen, auch wenn es dadurch möglicherweise keine inhaltliche Ergänzung mehr ist.

No Justice No Peace




Video: MC Holger Burner vorm RathausNeukoelln

freundeskreis v i d e o c l i p s 11.01.2007 - 10:33
8 teile

Video: MC Holger Burner beim Schulstreik

freundeskreis v i d e o c l i p s 11.01.2007 - 10:34
4 teile

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

(muss ausgefüllt werden) — (muss ausgefüllt werden)

Aktives Hiphop — Bumbata

dann wieder — Holger Burner

Schöne Sache Holger — rio reiser