Abschaffung automer Referate an der TU Berlin

alex 02.11.2006 16:54 Themen: Bildung
Das Studierendenparlament der TU-Berlin schafft den Minderheitenschutz an der Hochschule ab. Mehrheitsgesellschaft setzt Minderheiten ihre Vertreter vor.
Bei den Wahlen zum AStA im neuen vom RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten, CDU-Studierendenverbund) dominierten Stupa vom 31.10.2006 wurden auch Vertreterinnen und Vertreter für das Referat für Ausländerinnen und Ausländer, das Referat für Frauen und das Referat für Belange lesbischer, schwuler, bi - und transsexueller Studierender und anderer sozialer Minderheiten in der Studierendenschaft (kurz: queer - Referat) gewählt. Im Rahmen der veränderten politischen Stimmenverteilung setzte sich das StuPa über die Autonomie der Referate hinweg. Bisher wurden der Satzung folgend Referentinnen und Referenten in den Vollversammlungen der jeweiligen Gruppen ermittelt, deren Voten das StuPa laut Satzung folgen soll. Diese Regelung dient der Selbstbestimmung der jeweiligen Gruppen. Auch in diesem Jahr gab es Vollversammlungen(VV) der autonomen Referate. Die Tatsache, dass aus diesen VVs Voten der den jeweiligen Gruppen zugehörigen Studierenden vorliegt, wurde von der Stupa -Sitzungsleitung ignoriert.

Fast schon erstaunlich, dass tatsächlich eine Frau als Frauenreferentin gewählt wurde, der neubestimmte Queerreferent sah sich außerstande, StuPa-öffentlich die Zugehörigkeit zu einer Minderheit zu erklären. Er wurde gegen die aus der queeren Vollversammlung legitimierte Kandidatin als "Gegenkanditat" aufgestellt, obwohl er auf die Frage, ob er einer sozialen Minderheit angehöre, die Auskunft verweigerte - mit dem Hinweis, die Frage sei zu indiskret. Dabei wurde er nicht gefragt, welcher sozialen Minderheit er angehöre. Dieser Kandidat hat sich zuvor schon zu den Stupa - Wahlen aufstellen lassen und dort keine Stimme erhalten. Somit ist festzuhalten, dass dieser durch keine einzige queere Stimme ins Amt befördert wurde. Ebenso wurde die neue Frauenreferentin mit nahezu ausschließlich von Männern abgegebenen Voten ins Amt gehoben.

Die Frage an den kandidierenden queer-Referenten: "David, da es ja im Hinblick auf die ReferentInnen der autonomen Referate einige Unklarheiten gibt, ist meine Frage an dich: Wenn eine, von dir einberufene Vollversammlung, dir nicht das Vertrauen für diese Position ausspricht, wirst du dann selber dieses Amt niederlegen?" beantwortete dieser mit "Es kommt auf die Umstände an." Die durch das StuPa gewählten Vertreter des AusländerInnen- und Frauen-Referates verneinten im Übrigen diese Frage gänzlich.

Es ist nicht nachvollziehbar, woher die neue Stimmenmehrheit im StuPa, das mehrheitlich aus Männern, die keiner Minderheit angehören, besteht, die Legitimation nimmt, Minderheitenvertreterinnen und Minderheitenvertreter einzusetzen. Auch ist nicht einzusehen wie dieser Teil des StuPa Kandidatinnen und Kandidaten, die sich dem Votum einer demokratischen VV zu widersetzen gedenken, mittragen kann.

Desweiteren soll nicht unerwähnt bleiben, dass die RCDS-nahe Stimmenmehrheit nicht müde wurde, mit Geschäftsordnungsanträgen jede inhaltliche Auseinandersetzung im StuPa zu blockieren.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

minderheit?!

carla 03.11.2006 - 00:03
Es ist ja blöd, dass die autonomen Referate an der TU abgeschafft wurden, aber die Minderheit-Argumentation hinkt doch ein bisschen. Welche Minderheit stellen Frauen denn dar? Die mehr als 50% Minderheit? Ein bisschen differenzierter darf die Analyse schon sein.

trotzdem

linker 03.11.2006 - 01:47
es ist doch aber trotzdem so, dass frauen in der brd benachteiligt sind. das ist strukturell und in allen schichten und gesellschaftsteilen fest verankert.
besonders im akademischen bereich gibt es keineswegs gleichberechtigung. die meisten profs sind männer. in den meisten technischen und naturwissenschaften sind die studierenden männlich.
des weiteren muss aber festgestellt werden, dass es drei autonome referate gibt: frauen, ausländer_innen und minderheiten (queer, homosexuelle, menschen mit behinderung).

@carla

alex 03.11.2006 - 11:32
Die Verfasserinnen und Verfasser obigen Textes haben diesen Punkt auch schon besprochen. Allerdings sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Frauen an der TU Berlin auch immernoch in der Minderheit sein dürften - leider.

Allerdings: Eine statistik ist mir persönlich nicht bekannt, falls du gegenteilige Zahlen vorweisen kannst, würde mich das natürlich freuen. Der Punkt, dass auch dann immernoch nicht ein männlich dominiertes StuPa, die Frauenreferentin zu wählen hat, bleibt aus meiner Sicht aber bestehen.

@alex

kmt 03.11.2006 - 19:48
mit Stand vom 3. November 2006
für das SS06 36,5% Frauen und 20,6% AusländerInnen

eine längere Statistik findest Du hier:
 http://www.tu-berlin.de/uebertu/zahlen_fakten.htm

Autonomie

zack 04.11.2006 - 01:20
Die Nichtanerkennung des Autonomiestatus der Referate war auch schon in diesem Artikel in Bezug auf die Unis Gießen und FU Berlin thematisiert:  http://de.indymedia.org/2002/01/13734.shtml

VV der Minderheiten

Unabhängiger 03.12.2006 - 23:59
Ich kann ja verstehen, wenn man über diese Entwicklung bestürzt ist. Das löst sich aber schnell auf, wenn man dazu aller Fakten kennt. Während das StuPa noch schwach demokratisch legetimiert ist (die Wahlbeteiligung bewegt sich immer im einstelligen Prozentbereich, deshalb wundere ich mich auch immer, wenn sich Mitglieder des StuPa in einer Rede als die Vertreter der gesamten Studentenschaft bezeichnen, anscheinend sind die gerne wichtig) haben die sogenannten VV der Minderheiten mit Demokratie nichts mehr zu tun.

Auf solchen Vollversammlungen tauchen vielleicht 10 Personen auf. Die Bekanntmachung hängt an einem schwarzen Brett und selbst wenn mehr Studenten davon wüßten bezeifle ich, dass viele dahin gehen würden.

Dann kommen dazu noch andere Probleme. Wie definiert man Ausländer. Ein Deutscher mit schwarzer Hautfarbe ist vielleicht eindeutig deutsch (deutscher Pass, geboren hier) hat aber trotzdem unter der Ausländerfeindlichkeit zu leiden.

Zum Schluß noch schnell die Problematik mit den Homo- und Transsexuellen. Wenn ich Homosexuell wäre würde ich mich auf gar keinen Fall an der TU-Berlin outen. Ausländerfeindlichkeit ist ein Witz verglichen mit dem Schwulenhass, der in Deutschland noch sehr weit verbreitet ist. Auch an der TU Berlin. Abgesehen von ein paar Vorkämpfern wird sicher niemand freiweillig auf so einer VV auftauchen.

In so fern handelt es sich bei diesem "Skandal" wohl doch nicht um eine große Sache. Aber vielleicht will ja hier noch jemand eine Ergänzung schreiben, der auf so einer VV von Ausländern, sozialen Minderheiten oder Frauen war und berichten kann wie dort gewählt wurde.

@ VV der Minderheiten

alex 23.06.2007 - 12:11
Zur Demokratie gehört immer auch der Schutz von Gruppierungen, die gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit ausgesetzt sind.

Die Vollversammlungen finden in einem öffentlich zugänglichen Gebäude statt und waren ebendort auch ausgeschrieben. Darüber hinaus fand eine Bekanntmachung auf der Website und über Plakatierung an diversen uniersitätsöffentlichen Stellen statt. Die Bekanntheit des Referates selbst ist durch Unizeitung, AStA-Kalender, Studienberatung und diverse andere Stellen gewährleistet - wer sich überhaupt dafür interessert, weiß also sehr genau, wann und wo Wahlen stattfinden.

Darüber hinaus hat es einfach mal egal zu sein, wie viele Menschen es interessiert. Einer sache kann man sich gewiss sein: Alle Menschen, welche dort auftauchen sind in irgendeiner Form an der Auseinandersetzung mit gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit interessiert.

Dies finde ich einen deutlich legitimieren Hintergrund, als die Einsetzung von de Vertreterinnen und Vertretern, die einem männlich heterosexuell dominiertem StuPa genehm sind.

Nun, wir haben die Konsequenzen gezogen und treten nun selbst zur StuPA-Wahl an.


alex

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

jaja — egal

@jaja — dr. zoidberg