In Gedenken an Peter Gingold

Antifa 31.10.2006 01:44 Themen: Antifa
In Gedenken an Peter Gingold.
Ein antifaschistischer Kämpfer lebt nicht mehr

Peter Gingold, antifaschistischer Widerstandskämpfer, Kommunist aus jüdischem Elternhaus, Internationalist starb am 29. Oktober in Frankfurt/M. im Alter von 90 Jahren.

Für Peter Gingold steht ein Motto "Résistance = Widerstand - ein Leben lang!" Geboren am 8. März im Kriegsjahr 1916 erlebte er in der Weimarer Zeit die Realität der sozialen Not und des Antisemitismus. Politische Überzeugung und Handeln war für ihn eines. So organisierte er sich schon früh in der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung und engagierte sich vor 1933 und nach der Machtübertragung an die NSDAP im antifaschistischen Kampf.
Verhaftet im Juni 1933 wurde er von den Nazis zur Emigration gezwungen. Er ging nach Paris, wo bereits seine Eltern und Geschwister lebten. Dort setzte er seinen antifaschistischen Kampf fort. Er gehörte zu den Gründern der überparteilichen "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) und wurde Mitglied der KPD. Hier lernte er auch Ettie Stein-Haller kennen, die er 1940 heiratete. Über sechzig Jahre lebten sie zusammen und haben sich gegenseitig in ihrer politischen Arbeit und Überzeugung gestützt und gestärkt.
Nach dem faschistischen Überfall auf Frankreich arbeiteten beide in der französischen Résistance. 1943 geriet Peter in die Fänge der Gestapo. Ihm gelang jedoch die Flucht. Im August 1944 nahm er am Aufstand zur Befreiung von Paris teil. Den 8. Mai 1945, "das Morgenrot der Menschheit", erlebte er bei den italienischen Partisanen in Turin.
Zurückgekehrt nach Frankfurt gehörten Peter und Ettie zu den Gründern der hessischen VVN und wirkte politisch in der KPD. Doch während Peter für seine antifaschistische Arbeit in Frankreich und Italien geehrt wurde, erlebte er in Deutschland lange Jahre gesellschaftliche Ausgrenzung. Als Widerstandskämpfer und Kommunist wurden ihm und seiner Frau viele Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. In Gefolge des KPD-Verbots musste Peter zeitweilig wieder in die Illegalität gehen. Später musste er erleben, dass man seine Tochter Sylvia wegen ihrer politischen Überzeugung mit Berufsverbot belegte.

All das hat ihn nicht abgehalten, sich für seine Vision von einer sozialen und menschenwürdigen Gesellschaft, frei von Krieg und Ausbeutung einzusetzen. Dass man dazu einen sehr langen Atem brauche, auch Rückschläge verkraften müsse, vermittelte er in zahllosen Gesprächen und Vorträgen, besonders gegenüber jungen Zuhörern. Und er forderte die jungen Leute auf, selber aktiv zu werden gegen Neofaschismus, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Dabei ging er mit gutem Beispiel voran bei zahllosen Aktionen gegen alte und neue Nazis, ob in Mittenwald, in Wunsiedel, in Frankfurt oder Berlin.
Peter Gingold war ein viel gefragter Redner, Gesprächspartner und Zeitzeuge, der politisch reflektiert, engagiert und persönlich authentisch historische Zusammenhänge vermitteln konnte. Er wurder eingeladen von Gewerkschaften oder der autonomen Antifa, von Universitäten oder der DKP und natürlich von der VVN-BdA, für die er in den letzten Jahren als Bundessprecher politisch aktiv war. Nicht zu vergessen seine Aktivitäten im Auschwitz-Komitee der BRD, gegen die Profiteure der Kriegsverbrechen - die IG-Farben in Abwicklung oder für den Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung 'Freies Deutschland' e.V. (DRAFD).
Hier - und das zeigte eindrucksvoll die Feier zu seinem 90. Geburtstag im Frankfurter DGB-Haus - erlebte er die Anerkennung, die ihm die bundesdeutsche Gesellschaft verweigert hatte.

Ulrich Schneider VVN-BdA e.V.

Die Trauerfeier zu Ehren von Peter Gingold soll im November in Frankfurt/M. stattfinden. Er selbst wird in Paris, im Familiengrab bei seiner Frau Ettie beigesetzt werden.
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Ergänzungen

sehr schade

trauergast 31.10.2006 - 11:24
es ist sehr schade, dass er tot ist, er war ein glänzendes vorbild für uns alle und hat den kampf nie aufgegeben. er ist immer umher gefahren und hat seine geschichte erzählt und hat damit vielen leuten die augen geöffnet oder die anderen wieder motiviert weiter zu machen.
Danke Peter Gingold

Ein großartiger Mensch ist gestorben

Heinrich 31.10.2006 - 14:16
Ich kann meonem Vorredner nur zustimmen. Peter Gingold wurde niemals müde im Kampf gegen Antifaschismus und Kapitalismus. Er war trotz seines hohen Alters auch Geistig immer noch sehr fit und wusste mit seinen Zeitzeugenberichten die Menschen für seinen Kampf zu gewinnen.

Ich bin stolz....

Borkenarrow 31.10.2006 - 14:18
.... ihn gekannt zu haben. Sein Kampf für eine bessere Welt sollte uns allen Vorbild sein!

Trauer und Bestürzung

Karlsruher 31.10.2006 - 14:36
Auch in Kalrsruhe wurde die Nachricht über den Tod des Genossen Peter Gingold mit Trauer und Bestürzung aufgenommen.

Wie von den vielen anderen Gruppierungen und Einzelpersonen bereits geschrieben wurde, können und wollen wir ebenfalls nur positiv über Peter Gingold sprechen und schreiben.

Ein Kämpfer bis zuletzt, so hat er in seinen Reden stets Verständnis, nein, sogar Respekt und Bewunderung für "seine jungen antifaschistischen Genossen und GenossInnen aus dem schwarzen Block" geäußert welche sich "auch handfest mit der faschistischen Brut auseinandersetzten". Und damit hat er, völlig zurecht, den anwesenden SPD, DGB, DKP MitgliederInnen die Schamesröte ins Gesicht getrieben.

Unvergessen bleibt mir auch der Anblick Peter Gingolds in der ersten Reihe im schwarzen Block. Er lief mit entschlossenem Blick und seinem nie erloschenem Kampfeswillen demonstrativ mit uns - den sonst so von allen so geschmähten Autonomen, und düpierte somit die "aufständischen Anständigen"

Dank dir Peter für alles was du uns gegeben hast.
Wir versuchen Deinem Beispiel zu folgen, mehr bleibt uns nicht zu sagen... ausser vielleicht

... die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wuzeln bleibt unser Ziel...

wir alle

hesse 31.10.2006 - 17:26
wir alle sollten auch anlässlich seines todes noch einma l erflektieren, was er darstellte: nämlich eine richtige prioritätensetzung. mit mut, verstand und herz hat er die wirklichen probleme nie aus den augen verloren, ohne dabei der diskussion abzuschwören. angesichts der szenedümpelei und den gravenkriegen der linken erscheint er als ein vorbild, als einer, der auch aufgrund seiner menschlichkeit das große gemeinsame ziel und den Optimismus nie verloren hat. wir könne uns nur ein beispiel an seiner person nehmen und versuchen, auch unseren kampf auf seine prioritäten zurück zu führen:menschlich zusammen für eine bessere welt.

haGalil: Zu Peter Gingolds Tod

Trauer 31.10.2006 - 17:34
Bei haGalil-online gibt es anläsßlich des Todes von Peter Gingold mehrere Artikel:
- Ein Nachruf von Jörg Fischer,
- ein Interview von Tjark Kunstreich mit Peter Gingold,
- Redetexte von Peter Gingold.

 http://www.hagalil.com

...

vanilla 31.10.2006 - 18:17
Ich stimme den obrigen Beiträgen zu, auch ich bin sehr traurig über den Tod dieses großartigen Menschen. Er wird leider nicht der letzte Zeitzeuge sein,der seine Geschichte und Botschaft den Menschen nicht mehr mitteilen kann. Umso mehr müssen wir dafür sorgen,dass diese Menschen, WiderstandskämpferInnen,ZeitzeugInnen,KZ-Überlebende (und natürlich die Toten) niemals vergessen werden.

Unser Beileid

Autonome Antifa Berlin 31.10.2006 - 20:56
Wir trauern um Peter Gingold!!!
Ein antifaschistischer Widerstandskämpfer hat uns verlassen und wir sollten seinen Platz mit mindestens 10 weiteren ausfüllen, denn er hat uns gezeigt, dass die Front vor unserer Tür liegt und nicht im Nahen Osten . Er hat gezeigt, dass wir so weit nicht schlagen können,
dass wir bei uns erst aufräumen müssen, bevor wir wo anders mit helfen.
Er hat uns gelehrt vor der eigenen Tür zu kehren, dafür danken wir Peter und allen die mit im gekämpft haben.

Antifacamp Vorbrereitungskreis

Mailmaster Antifacamp 31.10.2006 - 22:21

Peter Gingold - Ein großer Widerstandskämpfer gegen den Faschismus ist tot



Wir sind sehr traurig, weil wir erfahren mussten, dass am 29.10.2006 ein langjähriger Freund und Unterstützer des Antifa-Camps von uns gegangen ist.

Peter Gingold war ein konsequenter Kämpfer gegen alte und neue Nazis und ein gern gesehener Gast bei Gewerkschaftsveranstaltungen, Infoveranstaltungen in Schulen oder bundesweiten Demonstrationen gegen Nazis.

Auch in unserem diesjährigen Antifacamp berichtete Peter, trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustandes, wieder gern und ausführlich über sein Leben, welches vom Widerstand gegen den Faschismus geprägt war. Er verstand es, die Zuhörer mit kleinen Anekdoten in den Bann zu ziehen und dann wie beiläufig von den Schicksalsschlägen in seinem Leben zu berichten. Ein Grossteil seiner Familie fielen der politischen Verfolgung aber auch dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer.

Peter Gingold, geboren am 08. März 1916, kämpfte schon früh gegen Antisemitismus und den beginnenden Nationalsozialismus, was dazu führte, dass er im Juni 1933 von den Nazis verhaftet und zur Emigration gezwungen wurde. In Paris angekommen, engagierte er sich sofort wieder im antifaschistischen Widerstand. Er war Mitbegründer der FDJ und Mitglied der KPD. Nach seiner Zeit in der Résistance ging er zu den Partisanen nach Italien, wo er die Befreiung vom Nationalsozialismus erlebte. Doch auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er weiterhin vor allem in der VVN-BdA oder im Auschwitz-Komitee politisch aktiv.

Peter war es wichtig, immer und immer wieder von seinem Leben zu berichten und vor allem seine jüngeren Zuhörer auf die drohenden Gefahren des Neofaschismus hier und heute aufmerksam zu machen und für den gegenwärtigen antifaschistischen Kampf zu gewinnen.



Wir verlieren mit Peter nicht nur einen wichtigen Zeitzeugen und Widerstandskämpfer, sondern auch einen großartigen, sympathischen und liebenswerten Menschen, den wir schmerzlich vermissen werden.



Vorbereitungskreis des „Antifacamps Weimar/Buchenwald“

Weiterer Indy-Beitrag

Linker 01.11.2006 - 09:06
Ein weiterer Indy-Beitrag zum Tod Peter Gingolds mit zahlreichen Beiträgen findet sich unter

 http://de.indymedia.org/2006/10/160442.shtml

Presseerklärung der SDAJ

SDAJler 01.11.2006 - 15:01
Presseerklärung der SDAJ

"Auf daß meine Enkel und Urenkel, Eure Kinder und Kindeskinder in alle Zukunft sich der Blumen und der Sonne erfreuen können, ohne in Angst leben zu müssen, jemals vom Faschismus und Krieg bedroht zu sein."
Peter Gingold

Am 28. Oktober verstarb der antifaschistische Widerstandskämpfer Peter Gingold im Alter von 90 Jahren in Frankfurt am Main. Seinen gesamten Lebensabschnitt als Kommunist, beginnend mit seinem Eintritt 1931 in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands, verschrieb er sich dem Kampf gegen Faschismus und Krieg. Ob als Widerstandskämpfer in den Reihen der französischen Résistance, als Mitbegründer der Freien Deutschen Jugend 1936 in Paris oder als Bundessprecher der Verfolgten des Naziregimes: Immer war es sein Anliegen, Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Militarismus zurückzudrängen.

Wir haben Peter bewundert für seinen Mut, sein unermüdliches Engagement, aber auch für seinen Witz und seine Warmherzigkeit. Viele von uns sind durch sein persönliches Beispiel zu politischen Menschen geworden. Peter Gingolds Wirken vor allem unter der Jugend – sei es als Referent in Schulen oder als Redner auf antifaschistischen Veranstaltungen – war ein entscheidender Beitrag, tausende junge Menschen zu überzeugten Antifaschisten zu machen.

Peter sagte zuletzt im Juni auf unserem Pfingstcamp, er setze auf eine Jugend, die Ungerechtigkeiten nicht hinnimmt, die höllisch wachsam ist, gegen jede braune Barbarei, die nicht wegsieht und sich Faschisten und Kriegstreibern entgegenstellt.

Wir versprechen, nicht wegzusehen, uns mit allen Mitteln zu wehren und weiterzukämpfen.

Sein Leben und sein Kampf gegen Faschismus und Krieg ist uns Verpflichtung.

>> Pressemitteilung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen
>> Pressemitteilung der Deutschen Kommunistischen Partei
>> Peter Gingold bei Wikipedia

Nachruf

der Antifa Kamen und Antifa Bergkamen 01.11.2006 - 23:44
Peter Gingold ist tot.

Am 29. Oktober starb Peter Gingold, antifaschistischer Widerstandskämpfer und Kommunist, im Alter von 90 Jahren in Frankfurt. Alle, die in kannten werden ihn als unermüdlichen Kämpfer gegen den Faschismus in Erinnerung behalten. Peter, der aus einem jüdischen Elternhaus stammte, wurde als Jugendlicher Mitglied der sozialistischen ArbeiterInnenbewegung und schloss sich 1933 dem antifaschistischen Widerstand an. Die Nazis zwangen ihm im selben Jahr zur Emigration. In Paris gehörte er zu den Gründern der überparteilichen „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) und wurde Mitglied der KPD. Dort lernte er auch seine Frau Ettie Stein-Haller kennen, die er 1940 heiratete. Nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Frankreich kämpften beide in der französischen Résistance. 1943 geriet Peter in die Fänge der Gestapo. Ihm gelang jedoch die Flucht. Im August 1944 nahm er am Aufstand zur Befreiung von Paris teil. Die Nazis ermordeten zwei seiner Geschwister in Auschwitz. Den 8. Mai 1945 erlebte er bei den italienischen Partisanen in Turin. Nach dem Krieg kämpfte er weiter für eine solidarische und freie Gesellschaft, musste in Folge des KPD-Verbotes für kurze Zeit in die Illegalität.

Wir hatten das Glück Peter kennen zu lernen. Eine seiner vielen Vortagsveranstaltungen führte ihm Mai letzten Jahres auch nach Kamen. Seine kämpferische Art motivierte uns damals ungemein. Einige von uns trafen Peter aber auch an anderen Orten, z.B. bei den Protesten gegen das Kriegsverbrechertreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald, wo wir zusammen gegen Neofaschismus und NS-Verherrlichung demonstrierten. Peter war es immer wichtig, über den antifaschistischen Widerstand zu berichten und vor allem Jugendlichen Mut zu machen, sich zu engagieren. In ihrem “Appell an die Jugend“, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, schrieben Peter Gingold und Esther Bejarano:

"Wir hoffen auf Euch, auf eine Jugend, die das alles nicht stillschweigend hinnehmen wird!
Wir bauen auf eine Jugend, die sich zu wehren weiß, die sich nicht dem Zeitgeist anpasst, die ihm zu trotzen versteht, und deren Gerechtigkeitsempfinden nicht verloren gegangen ist. Wir setzen auf eine Jugend, höllisch wachsam gegen alles, was wieder zu einer ähnlichen Barbarei führen könnte; wo Menschenrechte verletzt werden; eine Jugend, die sich in die Tradition des antifaschistischen Widerstandes zu stellen vermag, eine Jugend, die diese Tradition aufnimmt und auf ihre eigene Art und Weise weiterführt."

In Gedenken an Peter Gingold werden wir uns diese Worte zu Eigen machen.


Antifa Kamen
Antifa Bergkamen
31.10.2006

Gespräch mit Peter gingold

bgr 05.11.2006 - 13:16
Am 24.11.2005 Veranstaltete das BgR Aschaffenburg/Miltenberg im Jukuz Aschaffenburg ein Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold. Aus Anlass des Todes von Peter Gingold möchten wir darauf hinweisen, das das Gespräch nach Fragen sortiert als MP3s auf folgender Website heruntergeldaen werden kann:  http://www.attac-aschaffenburg.de/peter_gingold_ist_tot.htm

Verbreitung absolut erwünscht!