Oaxaca nach dem ersten Tag des Angriffs

Direkte Solidarität mit Chiapas 30.10.2006 12:54 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Aktuelle Zusammenfassung der Lage in Oaxaca, Mexico
Tickerergänzung 1 Uhr 30.10.2006 (8 Uhr MEZ)

Die Sicherheitskomision der APPO hat Folgendes live über das Radio des Volkes Radio Universidad gemeldet:

- 60 Verhaftete, 30 Verschwundene, mindestens 2 Tote, viele Verletzte, Verhaftete werden verschleppt und gefoltert

- In vielen Ortschaften und Gemeinden diskutieren die LehrerInnen, ob sie den Schulunterricht nun trotzdem nicht aufnehmen, in Anbetracht der massiven Repression durch die Sicherheitskräfte in Oaxaca Stadt

- 3'000 Barrikaden in Oaxaca Stadt und im ganzen Staat Oaxaca

- 25'000 Personen sollen heute um 12h Mexico Zeit vom Distrito Federal in einer grossen Karavane nach Oaxaca aufbrechen

- Verhandlungen der APPO mit dem Innenministerium sollten wieder anlaufen - die APPO Delegeation macht aber zur Vorbedingung zur Wiederaunahme der Verhandlungen, dass die Fox-Regierung die PFP sofort aus Oaxaca zurückzieht

- Der Tyrann-Gouverneur Ruiz, der gerade in den Medien behauptete, er sei die ganze Zeit in Oaxaca und beobachte die Situation, wurde in der Hauptstadt Mexiko City von mehreren Tausend DemonstrantInnen aus einem Hotel vertrieben, in dem er sich versteckt hielt. Er konnte von den Demonstrierenden nicht verhaftet werden sondern konnte unter dem massiven Schutz der Polizei flüchten.

- Die nationale und internationale Mobilisierung läuft an, es gab schon eine Megamarcha in Caracas, heute ist ein internationaler Tag gegen die Repression in Oaxaca.

Dritte Tickermeldung zur Verteidigung der Stadt Oaxaca 29-10-2006 -19:30 (Mx)

Radio Universidad ist wieder auf Sendung. Grund des Sendeunterbruchs war ein Stromausfall. Es ist nicht klar ob dieser provoziert worden war oder eine „natürliche“ Ursache hatte. Der Strom wird jetzt mit einem mobilen Generator auf Benzinbasis geliefert und Radio Universidad rief den staatlichen Elektrizitätslieferanten CFE auf, die Stromversorgung wieder zu garantieren, weil eine mutwillige Abschaltung gesetzeswidrig sei. Es scheint so, als könnte der Strom tatsächlich abgeschaltet werden, weil an verschiedenen Orten, auch in Aussenquartieren und Vororten, in den letzten Stunden schon mehrmals kurze Stromausfälle stattgefunden haben, obwohl kein Gewitter tobte.

Die vorläufige und traurige bisherige Bilanz des Polizei- und Militäreinsatzes: Mindestens vier Tote. Darunter ein 12-14 jähriger, dessen Namen bisher noch nicht bekannt ist. Dieser wurde von Schüssen getroffen und ist seither verschwunden. Es ist nicht klar ob er von der PFP weggeschafft wurde oder von der APPO geborgen werden konnte. Einer der Toten, José Lopez Hernán, wurde durch eine Tränengasbombe der PFP umgebracht. Die Namen der anderen beiden Toten, darunter ein Sanitäter, sind bisher nicht bekannt geworden. Die Zahl der Verhafteten ist bisher nicht klar, es dürften aber viele sein. Auch die Anzahl der Verletzten ist nicht genau bekannt, es muss aber mit einer grossen Zahl gerechnet werden, darunter einige Schwerverletzte.

Trotz des massiven und äusserst aggressiven Vorgehens der PFP konnte diese die Stadt bisher nicht unter ihre Kontrolle bringen. Die Barrikaden rund um den Zocalo wurden zwar teilweise geräumt und die PFP ist am Zocalo präsent. Nach wie vor harren aber Leute der APPO aus und leisten Widerstand. Die Barrikaden sind teilweise aufgegeben oder verschoben worden, aber die PFP hat die strategischen Punkte bisher nicht unter Kontrolle gebracht. Die APPO ruft auf, die ganze Nacht über Widerstand zu leisten und der PFP eine lange Nacht der Albträume zu bescheren. Für morgen sind mehrere Mobilisationen angekündet worden. Der PFP soll der Aufenthalt in Oaxaca so schwer wie möglich gemacht werden, mit dem klaren Ziel, dass diese schlussendlich abziehen muss.

Bisher sind sehr wenige Meldungen über Widerstandsaktionen auf dem Land bekannt geworden. Es wurden einige Hauptverkehrsachsen lahmgelegt. Die Internetausgabe der Zeitung Milenio meldete, dass in Miuhatlan 12 Soldaten von der APPO festgenommen und verhört wurden, weil diese der Spionage gegen die Volksbewegung bezichtigt werden. Was nach dem Verhör mit den 12 Männern geschehen ist, sei nicht bekannt. Der Wahrheitsgehalt dieser Meldung ist nicht klar.

Der Innenminister Abascal, der noch gestern angekündet hat, dass der Polizeieinsatz friedlich verlaufen werde und ausschliesslich dazu dienen soll, den Rechtsstaat wieder herzustellen, war heute für die APPO nicht zu sprechen. Dies, obwohl er versichert hat, dass parallel zum Polizeieinsatz permanente Verhandlungen mit der APPO stattfinden sollen. Wahrscheinlich wollte sich der fanatische und ultrarechte Katholik nicht bei seinem sonntäglichen Kirchenbesuch stören lassen.

Jetzt wissen wir genau, was das Innenministerium der Regierung Fox unter friedlichem Polizeieinsatz versteht: Mord, Verletzte, Verhaftungen und Folter! Dieser Punkt ist wichtig. Gerade darum, weil die Regierung Fox versicherte, keine Gewalt anzuwenden, sondern nur Schutz für das Volk herzustellen, wird sich diese Regierung öffentlich erklären müssen. Der einzige Weg dies zu tun, ist, öffentlich zu erklären, dass sich die PFP mit radikalen Gruppen konfrontiert sah und darum Gewalt anwenden musste. Es ist jetzt schon klar, dass die nationalen Fernsehketten, Televisa und Tele Azteca diese Linie unterstützen werden, obwohl dies nicht wahr ist. Speziell der Sender Tele Atzteca forderte seit Tagen den Einsatz von Repressivkräften und ist darum mitverantwortlich für den Tod der erwähnten Aktivisten. Es ist darum wichtig, möglichst viel authentische Information zu verbreiten, vor allem auch im Ausland.

Die internationale Solidarität ist gross, in verschiedenen Ländern Lateinamerikas fanden spontane Mobilisierungen statt. In den USA haben sich verschiedene Organisationen eingeschaltet, allen voran einige Organisationen mexikanischer Migranten. Da wurden beispielsweise 30’000 Unterschriften für ein Protestschreiben gesammelt. Auch aus Europa sind aus verschiedenen Ländern Solidaritätsaktionen gemeldet worden.

Zweiter Zwischenbericht der Verteidigung der Stadt Oaxaca - 29.10.2006 18 Uhr Lokalzeit

Die Demokratie in Mexiko hat nie existiert, jetzt ist auch die demokratische Fassade, die Präsidenten Fox der internationalen Öffentlichkeit sechs Jahre lang vorgaukelte, definitiv zusammengebrochen. Seine Repressivkräfte sind daran, das unbewaffnete Volk von Oaxaca nieder zu prügeln, niederzuschiessen und mit Tränengas auszuräuchern. Der Zocalo im Stadtzentrum wurde mit Tränengas angegriffen und die Barrikaden wurden teilweise mit Schaufelbaggern weggeräumt. An allen wichtigen Orten des Volkswiderstandes greift die Polizei mit massiver Gewalt an. Von Helikoptern aus werden unzählige Tränengaspetarden auf die Massenmobilisierungen geworfen. Es gibt viele Verletzte. Wie schon die Tage zuvor weigern sich einige Spitäler, allen voran das Rote-Kreuz-Spital, die Verletzten aufzunehmen und zu behandeln. Krankenwagen liefern die Verletzten teilweise der Polizei aus, statt diese in die Spitäler zu fahren.

In diesen Momenten ist Radio Universidad angegriffen und abgeschaltet worden. Damit verliert die Bewegung ein sehr wichtiges Koordinations- und Kommunikationsmittel und der Desinformation der Medien wird damit wider Tür und Tor geöffnet. Jetzt ist es wichtig sich über Internet zu informieren.Die PFP hat angefangen, gezielt und massiv Hausdurchsuchungen zu machen und Leute zu verhaften. Diese werden mit Helikoptern verschleppt. Das Volk versucht nach wie vor gegen die Polizei Widerstand zu leisten. Internationaler Druck auf allen Ebenen ist dringend notwendig.

(übernommen von Direkte Solidarität mit Chiapas)
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Ergänzungen

radio

hans 30.10.2006 - 13:52
am ende des artikels steht dass der radio abgeschaltet wurde;
allerdings kann man auf chiapas.ch noch appo radio hören.
geht der radio also wieder oder sind es zwei verschiedene sender?

Oaxaca: Älterer Bericht über Folter

tierr@ 30.10.2006 - 20:53
Am 14. August 06 veröffentlichte die Internationale Untersuchungskomission der Internationalen Föderation für Menschenrechte in Oaxaca, die Zeugenaussagen der gefolterten Lehrer Elionai Santiago und Juan Gabriel Ríos...
Auch wenn dieser Bericht schon älter ist, kann er das vor Augen führen, was den vielen Verschwundenen der aktuellen Repression an Brutalität drohen kann und die Dringlichkeit untersteichen, daß das was in Oaxaca geschieht, nicht geduldet werden darf... Einen Protestbriefentwurf und Adressen gibt es unter: www.gruppe-basta.de

INTERVIEW MIT ELIONAI SANTIAGO SÁNCHEZ + JUAN GABRIEL RÍOS

Was waren Eurè Anklagen auf der Pressekonferenz, die ihr gerade gegeben habt ?

Elionai Santiago (ES): Ich bin Volksschullehrer; ich habe meine Zulassung erhalten und unterrichte derzeit die zweiten Klassen in der Gemeinde von Santo Domingo de Teohomulco. Außerdem bin ich Mitglied der Nationalen Gewerkschaft der Lehrkräfte, Sektion 22 von Oaxaca.

Am Dienstag dem 09. August hielten wir eine gesonderte Gesprächsrunde über die Aktivitäten unserer Gruppe ab: Wir suchten nach ein paar Compañeros die verschwunden waren. Es hatten uns Gerüchte erreicht, daß sie in irgendeiner Straße oder Klinik zurückgeblieben waren. Als wir in die Colonia de San Felipe kamen, wurden wir von einem Auto aufgehalten, aus dem vielleicht drei Personen stiegen, die mit Gewehren bewaffnet waren und Zivilkleidung trugen. Sie drohten uns mit den Waffen und sagten, daß wir in den Wagen einsteigen sollten. Sie durchsuchten mich und nahmen mir die Brieftasche und das Handy ab, meine Hausschlüssel sowie die Schlüssel des Klassenzimmers, sämtliche Papiere, Karten und andere Dokumente; kurz alles, was sie in meiner Brieftasche fanden. Dann griffen sie mich an und schnitten mir ein Ohr ab. Ich nehme an, mit einer Scherbe, denn ich hörte, wie sie eine Flasche zerschlugen. Sie versuchten mich zu erwürgen; ich denke, mit demselben Strick, mit dem sie mir dann die Striemen auf dem Rücken verpaßten. Sie schlugen mich ins Gesicht und auf die Lippen, so daß mein ganzes Gesicht anschwoll.
Sie verschleppten mich in eine menschenunwürdige Zelle die voller Fäkalien und vielen Fliegen war, die sich auf die Wunde des fehlenden Ohres setzten, die immer noch blutete.
Es dauerte 24 Stunden bis mir gesagt wurde, daß ich des unerlaubten Waffenbesitzes beschuldigt wurde, wozu ich die Erklung abgab, daß dies absolut nicht der Wahrheit entsprach. Ich habe noch niemals irgendeine Waffe besessen und erst recht keine der Armee. Tatsächlich habe ich solche Waffen nur auf den Fotos gesehen, die sie mir vorlegten.
Ich bin hierher gekommen um klarzustellen, daß alle ihre Anschuldigungen gegen mich falsch sind. Und ich war auch in keine Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Vandalen verwickelt gewesen ( die Polizei hatte behauptet, daß die Verletzungen von einer solchen herrühren würden). Meine Angreifer waren Personen in Zivil, die Waffen trugen, wie nur die Polizei, die Armee oder irgendwelche Repressionskräfte gegen die Bevölkerung von Oaxaca sie haben. Deshalb ist der Regierende von Oaxaca, Ulises Ruiz, verantwortlich für die Erfindung dieses Delikts, das uns untergeschoben wird.

Juan Gabriel Ríos (JGR): Bei mir waren es dieselben Bedingungen. Sie sagten uns noch nicht einmal, weshalb sie uns festnahmen; nur daß wir in das Auto einsteigen sollten, das einmal gewechselt und dann in einen Transporter umgetauscht wurde, indem sie brutal auf uns einschlugen. Sie verlangten keine Auskünfte, nichts. Alles was sie wollten war, uns Verletzungen zuzufügen. Mich zerrten sie am Gesicht hoch und verwundeten mich an einer Augenbraue und dann am anderen Auge. Was jetzt noch davon zu sehen ist, ist nichts im Vergleich zu dem, wie wir aussahen, als sie uns ins Gefängnis brachten. Dort wußten sie nicht, weshalb wir dort waren und wir waren 24 Stunden lang einfach verschwunden. Deshalb erwarteten wir, daß sie uns vielleicht verlegten und wir noch länger einfach verschwunden bleiben würden.

Wurde außer Euch noch jemand eingesperrt ?

(ES): Mein Schwager Ramiro Aragón Pérez wurde ebenfalls inhaftiert. Er ist Biologe und hat auf nationaler und internationaler Ebene gearbeitet. Er hat es nicht nötig solche Waffen zu benutzen, die nur diejenigen einsetzen, die das Volk unterdrücken wollen. Er befindet sich aktuell im Zuchthaus von Zimatlán de Álvarez. Er hat Spuren von ausgedrückten Zigaretten auf der Stirn und von Schlägen auf den Kopf. Er trägt lange Haare und weil die Spuren deshalb kaum zu sehen sind, haben sie es so gemacht. Als wir in das Gefängnis kamen, gingen ihm büschelweise Haare aus. Er wird des illegalen Besitzes einer langen Schußwaffe beschuldigt. Deshalb wird er nicht auf Kaution freigelassen, genauso wie in unserem Fall. Die Behauptung, wir hätten mit solchen Waffen eine Auseinandersetzung geführt, ist lächerlich. Wir hätten wir dann zu solchen Folterspuren kommen können?

(JGR): Wir fordern die Freilassung unseres Compañero und die Einstellung dieses und aller Verfahrens gegen die anderen politischen Gefangenen; wir waren nicht die ersten und wir werden wohl kaum die letzen sein. Die Familie Ramiro´s hat bereits eine Schwester durch diese Straflosigkeit verloren; durch diese Nachlässigkeit jener Personen im Amt der Regierung.

( Quelle:  http://www.espora.org/limeddh/article.php3?id_article=48 )

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Es gibt außerdem von heute die nachricht, daß das radio wieder geht:
 http://ahimsa-radio1.indymedia.org:8300/appo.mp3.m3u
 http://stream.r23.cc:2323/appo.mp3.m3u
 http://compi.ath.cx:8000/appo.mp3.m3u
 http://radio.indymedia.org:8000/appo.mp3.m3u

 http://chiapas.indymedia.org/display.php3?article_id=137404

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