Bitterfeld – Naziaufmarsch und Gegendemo

autonome antifa l.e. 29.10.2006 15:49 Themen: Antifa
Der 28.Oktober 2006 kündigte sich bereits Wochen vor dem eigentlichen Datum als ereignisreicher Tag für Polizei, Antifaschisten und Neonazis an.
Ursprünglich planten Nazis aus ganz Deutschland in Göttingen zu demonstrieren, die Gerichte haben ihnen jedoch lediglich eine stationäre Kundgebung gestattet, auch ein Ausweichen nach Celle (Niedersachsen) wurde durch Gerichte und Stadtverwaltung untersagt bzw. durch die Nazis wieder abgesagt. So blieb also nur noch Bitterfeld als einzige erlaubte „richtige“ Demonstration, angemeldet durch die regionalen NPD Strukturen, verlautete bereits die Ankündigung diverser NPD Größen z.B. den Vorsitzenden Udo Voigt, hohe Beteiligung an dieser Veranstaltung.
Weit gefehlt kann man abschließend sagen, gerade einmal 150-180 Nazis fanden den Weg nach Bitterfeld, nimmt man die gut 200 Nazis aus dem Polizeikessel in Göttingen dazu, zeigt dies erhebliche Mobilisierungsprobleme. Tatsächlich sieht es aber auch nach enormen Unstimmigkeiten und Streitereien zwischen z.T. ehemals freien und jetzt parteitreuen Nazis sowie den immer noch als „frei“ geltenden Nationalisten aus, belegen tut dies u.A. die Spaltung des in Sachsen-Anhalt und Sachsen operierenden Netzwerkes „Nationaler Beobachter“.
Doch nun zu Bitterfeld. Bereits am frühen Morgen hatten einige Nazis Probleme zum Aufmarsch zu gelangen, so mussten bis zu 10 potenzielle Teilnehmer im Zug kurz nach Leipzig wieder aussteigen, dank dem antifaschistischen Reiseservice. In Bitterfeld angekommen wurde man zunächst durch zahlreiche Polizisten begrüßt, der Bahnhof war jedoch leer, d.h. außer Team Green war Niemand anwesend. Nachdem es einige Schwierigkeiten gab den Auftaktort der antifaschistischen Demonstration zu finden, Gott sei Dank half die Polizei per Wegbeschreibung, ging es zunächst zu dem angekündigten Stadt- und Bürgerfest. Hier bot sich das gewohnte Bild, es gab Stände von PDS, SPD und Gewerkschaften bis hin zur CDU. Natürlich waren auch die obligatorischen Bratwurst- und Bierstände anwesend. Auf der Bühne begann bereits eine Blasskapelle zu spielen. Man kann also sagen, optimale Bedingungen um sich den Nazis in den Weg zu stellen bzw. deutlich ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus zu zeigen. Später sollte dann auf dem Robert-Schuhmann-Platz die Gegendemo starten, diese verzögerte sich etwas, ging dann aber lautstark und mit fetziger Musik los. Ungefähr 200 Antifaschisten zogen unter Sprüchen wie „Gebt den Nazis die Straße zurück – Stein für Stein“ oder „Nazis gibt’s in jeder Stadt – bildet Banden, macht sie platt“ durch den als antifaschistisch erklärten Stadtteil Bitterfelds. An diesem Tag wurden die Stadt durch Team Green zweigeteilt, die Nazis bekamen einen Teil und die Antifaschisten den anderen, so sollte verhindert werden dass beide zusammenstoßen. Es gab mehrere Zwischenkundgebungen, hier wurde u.A. auf das Thema des Naziumzuges „Gegen Hartz4 - Das Volk sind wir“ eingegangen. So wurde versucht aufzuzeigen dass Nazis nicht antikapitalistisch sind und die Verlierer des kapitalistischen Systems (z.B. Hartz4 Empfänger) lediglich für ihre Zwecke benutzt werden. Verschwiegen wurde z.B. in diesem Redebeitrag dass es nicht nur Kapitalisten waren die der NSDAP zum Sieg verhalfen sondern auch zum großen Teil das Deutsche Proletariat. Es ist also absolut falsch zu behaupten dass Nazis keine Antikapitalsten seien, der nationale Sozialismus stellt natürlich ein Gegenpol zum Kapitalismus dar, eine solcher, welcher für viele Arbeiter eine Alternative darstellt(e), viel eher als die kosmopolitische, emanzipierte Gesellschaft.
Doch zurück zur Demo, diese zog weiter durch diverse Wohngegenden, oftmals zeigten sich eher ältere Menschen an den Fenstern, die Sprüche „Oma, Opa und Hans Peter – keine Opfer sondern Täter“ oder „Schwarz war die Nacht, rot war der Schnee – von allen Seiten die rote Armee“ sollten diese erinnern dass sie, als Angehörige der Erlebnisgeneration, vermutlich maßgeblich (ausgenommen der Angehörigen des Widerstandes während des Nationalsozialismus) den Deutschen Wahnsinn 1933-1945 mitzuverantworten hatten.
Als die Demo in der Nähe der Naziroute angelangt war, gab es einen kurzen Durchbruchversuch, dieser, obwohl einiger weniger Ausgebrochener, scheiterte am Einschreiten der Polizei. Es ging nun zurück zum Robert-Schumann-Platz, nach der Ankündigung dass die Demo aufgelöst sei, stürmten alle los, die Polizei hatte zunächst Mühe ihre Taktik zu finden. Später gelang es jedoch ziemlich gut die Straßen so abzusperren, dass die räumliche Trennung aufrechterhalten wurde. Einzelne Scharmützel lieferten sich Polizei und Antifaschisten wobei es den meisten nicht gelang diese auszutricksen und an die Nazis ranzukommen, als Erfolg musste man es werten wenn wenigstens die Sichtweite erreicht wurde. Als abzusehen war dass die Nazis laufen konnten und weitere Blockaden nicht möglich sein würden zog es die meisten Richtung Bahnhof. Die Polizei kesselte hier jedoch viele ein und setzte bis zu 100 Antifaschisten fest. Während die Nazis noch in der Stadt waren besetzten Antifaschisten den Bahnhof um den deren Transport (Zitat eines Polizisten „um den Reiseverkehr zu gewährleisten“) zu verzögern. Die Polizei räumte noch Ankündigung, z.T. auch unter starker Gewaltanwendung. Die Antifaschisten wurden an einer Bahnhofsseite festgehalten während die Nazis Bahnhof und Gleise betraten. Als Antifaschisten und Nazis Sichtkontakt bekamen lieferten diese sich Wortgefechte, obwohl der Bahnhof längst geräumt war, schritt die Polizei ein und drängte die Antifaschisten zurück, z.T. sehr nervös und gewalttätig, bis zu 30 Menschen wurden auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnhofs eingekesselt. Als sich die Lage beruhigte und die Nazis Bitterfeld längst verlassen hatten, gab es wieder „Reisefrei“ für die Antifa, alle traten den Heimweg an, einige gingen noch in die „Festung“ (AJZ) um auszuspannen oder zu feiern.
Fazit des Tages.
1. Trotz der Prominenz des Vorsitzenden Udo Voigt zog es nur 150-180 NPD Anhänger nach Bitterfeld, gemessen an zahlreichen früheren Sachsen-Anhalt-weiten Demonstrationen und der Tatsache dass lediglich 200 Nazis in Göttingen waren, eine erhebliche Mobilisierungsniederlage.
2. Mehr als 200 Antifaschisten auf der Gegendemo und noch ein bisschen mehr im Stadtgebiet kann man als kleinen Erfolg werten, da es a) mehr als Nazis waren und b) an diesem Tag deutliche Zeichen und Laute gegen Neonazis und deren nationalen Sozialismus auf Bitterfelds Straßen zu sehen waren.
3. Team Green sorgte mittels 500 Polizisten für „Ruhe“, man muss leider sagen dass es der Polizei gelang den Naziaufmarsch abzuschirmen.
4. Das Stadt- und Bürgerfest, gleichwohl es wichtig ist, war ein Armutszeugnis, erstens wurde dieses kaum besucht und zweitens kann das Konzept lediglich als Scherz und nicht als Antifaschismus oder bürgerliches Entgegentreten gewertet werden.

Bleibt zu sagen, dass die Kleinstädte und deren regionale Antifastrukturen immer Unterstützung brauchen, daher ist es immer wichtig neben Göttingen, Leipzig oder Berlin auch rechte Aktivitäten in Bitterfeld und anderswo anzugreifen.
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Ergänzungen

Geschichtsstunde

roter Quatschkopp 29.10.2006 - 17:22
Mal abgesehen davon, dass die Arbeiter noch am Ehesten KPD gewählt haben und den Nazis auch am meisten Widerstand entgegen gesetzt hatten. Zum anderen waren die Nazis nicht antikapitalistisch, sondern haben zwischen raffendem und schaffendem Kapital unterschieden. Die hatten nur andere Vorstellungen davon wie der Kapitalismus funktionieren sollte und wollten keine grundsätzlich andere Gesellschaftsform. Folgerichtig wurden im Dritten Reich die Besitzverhältnisse prinzipiell nicht angetastet. Sondern es wurde einfach behauptet die Juden wären unter anderem mit dem raffendem Kapital identisch und diese wurden dann enteignet, während deutsche Großkapitalisten keine Probleme hatten, und deshalb auch lieber die Nazis unterstützt haben, als das kleinere Übel gegenüber dem Kommunismus.

"Festung" ist AJZ

kpunkt 30.10.2006 - 12:18
"einige gingen noch in die „Festung“ (AJZ) um auszuspannen oder zu feiern." Ist mit diesem AJZ die "Festung Bitterfeld" gemeint. Wenn ja, wäre es doch eigenartig, dass Antifas sich gerade dorthin begeben, um "auszuspannen oder zu feiern". Dort spiel(t)en doch auch eindeutig rechtsextreme/neonazistische Bands aus dem NSBM- und benachbarten, in dieser politischen Richtung agierenden Musikrichtungen. Menhir, Skyforger, Trimonium... Liege ich da falsch, lasse ich mich gerne informieren.

Festung = AKW

blub 30.10.2006 - 12:32
Die Festung gibt es so nicht mehr. Die Rede ist vom AJZ oder besser gesagt AKW. Dieses Haus oder besser gesagt dieses großzügige Gelände wird von Antifaschisten/Innen verwaltet und dort treten garantiert keine rechtsextremen Bands auf.


Auf diversen Faschoseiten kann man neuerdings lesen: "Die Antifademo wurde durch Polizeigewalt aufgelöst, da sich der Mob nicht an die Auflagen hielt!"

-> sehr komisch nur, dass die komplette Demoroute abgelaufen wurde und danach noch dezentrale Aktionen (siehe Bahnhof) stattfanden ...

Alternatives Kulturwerk (A.K.W. ) Bitterfeld

A.K.W.ler 30.10.2006 - 13:56
also hier noch ne kurze aufklärung zum A.K.W.
das A.K.W. ist ein antifaschistisches jugend und wohnprojekt das bis vor ca. 3/4 jahren auch als festung bekannt war.
bis zu diesem zeitpunkt gab es dort auch noch mettal konzerte einer kruppe die sich als united mettal maniacs bezeichnette und nach und nach begann konzerte mit grauzone black mettal zu veranstallten.
diese nach ihrer argumentation "unpolitischen" konzerte waren für die am A.K.W. projekt beteiligten antifaschistischen jugendlichen natürlich nicht tragbar weshalb es auch zu einer trennung mit dieser mettal gruppierung kam die mittlerweile ein eigenes gelände in bitterfeld haben was sie selbst weiter als festung bezeichnen und wo ihre mittlerweile eindeutigen NS-BM konzerte ausser von örtlichen antifas auf wenig widerstand stoßen.

@ recherche

awo 31.10.2006 - 11:06
Bilder des Tages gibt es auf  http://www.jn-stassfurt.de/index.php?sec=aktuelles&menu=1&id=137 , hierbei handelt es sich allerdings um nazibilder.


und es gibt hier auch ein paar bilder, leider kann man nur drei anhängen. weitere bilder sollen eigentlich on gestellt werden unter antifa-wolfen.de.vu

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Falsch — Richtigsteller

Ja ... — Riot

@ Hettstaedter — egal

@ Egal — GanzEgal

@ ganz Egal — egal

Frage nach Bildern — recherche

@ Egal — GanzEgal