Göttingen: Ein persönlicher Bericht

Ruhrpottler 29.10.2006 00:33 Themen: Antifa
Göttingen war heute vor allem eins: Ein Ausnahmezustand. Grün, Braun und Schwarz- Rot war dominierend. Dieser Bericht soll möglichst ohne Schönfärberei und Polemik wiedergeben, wie meine Eindrücke waren.
Eigentlich wollte ich mal den kompletten Tagesablauf hier rein stellen, aber davon sehe ich jetzt dann doch mal ab. Also erst ab der Zugfahrt, welchte direkt richtung Göttingen ging. Kurz hinter Northeim betätigte jemand die Notbremse, so dass der Zug zum stehen kam. Allerdings waren ausser uns noch ca. 100 weitere Autonome oder Antifas im Zug. Die Polizei betätigte sich als Türsteher und trennte wagen 1- 4 (Antifas) von dem restlichen Zug, in dem sich die Nationalisten befanden. Der Zug setzte sich nach ungefähr 15- 220 Minuten in Bewegung, so dass wir mit ungefähr 30 Minuten Verspätung Göttingen erreichten. Die Bundespolizei machte bereits im Zug die Ansage, dass sich zuerst die "Fahrgäste" aus den vorderen Wagen aus dem Zug begeben sollten. So war es denn dann auch, Zuerst durften wir den Zug verlassen, und wurden in die Unterführung gebracht. Dort angekommen, befanden wir uns für 5 Minuten im Kessel. Dieser Kessel wurde dann in Richtung Hinterausgang geöffnet, so dass sich die Menge eben hintenrum den Weg Richtung Kundgebung bahnen konnte. Also links rum an einem Parkhaus vorbei geleitet in die Arme von tatsächlich gar nicht so unfreundlichen Berliner Polizisten, welche dann rucksack und Tascheninhalt kontrollierten. Schon hier hatte ich den Eindruck, dass Göttingen eher eine grüne Stadt ist. Einige Menschen wurden dann auch ndirekt eingefahren, unter anderem wegen Stahlkappen oder aber Nieten. Wie dem auch sei, diese Hürde konnte man denn dann doch relativ gelassen hinter sich bringen. Dann hinter der Unterführung waren dann allerdings direkt Niedersächsische Polizisten, welche die selbe Prozedur nochmal durchführten. Auch der Hinweis, dass man selbiges vor 5 Minuten ja schon mal getan hätte, führte nicht zu einer gewissen Einsicht. Macht ja nix, was man zu verlieren hatte, hatte man ja bereits verloren. Danach gings zur Bündnisdemo, welche auch gar nicht so einfach zu finden war, wenn man nicht Ortskundig ist. Diese hatte dann auch bereits angefangen, denn leider haben ja nicht nur die Nazis im zug gesessen, sondern auch wir, udn daher hatten auch wir eben die Verspätung. Seis drum. was sofort auffiel, war die zahlreich vertretene Polizei. Die gesamte Demo war ein aus ca. 3000 Menschen bestehender Wanderkessel, wobei sich im antifablöock mindestens 1000 Menschen befanden. Dieser wurde auch von der Polizei mit einem dreireihigen Spalier bedacht, welcher sich vor allem aus Polizisten aus Ba- Wü, Bayern (auch USK) und Meck- Pomm zusammen setzte. Die Anzahl der Teilnehmer, und auch die Stimmung innerhalb der Demo überraschte mich sehr positiv. Immer wieder wurden vom Lauti gute Jingles und Redebeiträge abgespielt, die Musik war der Stimmung entsprechend stark nach vorne gehend und kämpferisch wie auch sehr offensiv. Die Teilnehmer verhielten sich während der Demo, soweit ich das überblicken konnte, ruhig und besonnen und folgten im wesentlichen auch den Hinweisen wie Ketten bilden und zur Seite hin absichern. Die Polizei provozierte hingegen die ganze Zeit, sei es bei den Transpis, sei es mit einer ständigen abfilmerei, oder eben auch schubsen. Hiervon liessen sich die Teilnehmer jedoch nicht provozieren und waren ganz im Gegenteil eigentlich besonnen und selbstbewusst. Nur daran lag es auch, dass es trotz der Provokationen zu keinen Ausschreitungen kam. Zum Ende hin provozierte die Polizei weiterhin dadurch, dass sie sich zwischen den Bündnis- Block und dem autonomen Block drängten und diese abdrängen wollten bzw. auch einfach nicht weiterlaufen durfte. Dieses Recht wurde sich mit Nachdruck erstritten. Diese nicht gerade harmlose Rangelei wurde seitens der Polizei mit aller Gewalt bestritten, was jedoch im wesentlichen durch eben selbstbewusstem, offensiven und besonnenen Handeln durchgestanden wurde und somit die Demo weitergehen konnte. Zum Abschluß am Platz der Synagoge durfte man einigen wirklich schlechten und einem gutem Redebeitrag lauschen. Danach machten sich vereinzelte Gruppen auf den Weg zum Bahnhof. Da war aber auch einfach nicht mehr so viel zu machen, denn es war einfach schon nach 14 Uhr, weshalb die Nazis bereits auf dem Rückzug waren. Auch hier fiel wieder das starke Polizeiaufgebot auf, welches die "Herrenmenschen" bewachte. Echt unglaublich, denn der gesamte Bahnhofsvorplatz war mit Polizeiwannen, Sixpacks und eben Polizisten gefüllt und komplett umgittert.

Mein Resümee des Tages lautet daher: Es waren sehr viele Menschen auf der Strasse, auch von weiter her Angereiste. Diese zeigten sich sehr entschlossen und kämpferisch, und wäre es zu einer Demonstration der Nazis kommen, hätten diese einpacken können. Denn eine Demoroute ist doch eher wesentlich schlechter zu überwachen als eine stationäre Kundgebung. Dass diese Kundgebung nicht verhindert werden konnte, ist tatsächlich den 5000 Polizisten zu verdanken. Also trotz Kundgebung der Nazis ein durchaus erfolgreicher Tag!
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Ergänzungen

Skinhead - Rash

Ich halt 29.10.2006 - 09:48
Ich wollte noch anmerken das wir , eine gruppe von 6 Skinhead und mir (punk), einfach so durch die gegend laufen konnten und da es geregnet hat und wir abends noch aufm konzi wollten, habn wir und hingesetzt und was gegessen. Als der Demo zug dann vorbei kam, wurde die Polizei mal wieder unruhig. Sie betraten das lokal und gingen direkt auf uns zum und die frage "welche gesinnung hab ihr?" war echt sowas von dumm da 2 von uns ein "Rash" - Red And Anrachist Skinhead shirt an hatten. Aber sie waren echt sehr beorgt um uns da sie erst dachten wir gehoern zur truppe am BHF. da sieht man mal wieder wie viel ahnung sie doch haben nämlich Null.

Och Kinder

... 29.10.2006 - 11:22
Wie naiv muss man sein? GDP ist Deutschlands so ziemlich einzige rechte Gewerkschaft. Eigentlich ist ver.di für Polizeibeamte zuständig, wurde aber von den Polizisten als zu links empfunden. Also gibt es die GDP. Deren Hauptthema ist: absolute Narrenfreiheit für Polizisten und Implementierung eines Law&Order-Staates.

Polizeigewalt und Bürgereinsatz im Bahnhof

Buntesding 29.10.2006 - 11:37
Im Bahnhof...nach dem der kessel geöffent wurde, wollten viele nicht- Demoteilis weiter mit dem Zug fahren und viele Demo-teilis die nazis begrüßen:-). Doch die Bullerei fing gleich an "Achtung hier spricht die polizei bla...und das der ganze bahnhof geräumt werden muss, sonst würden sie mit leichter körperlichen Gewalt dazwischen greifen! Es waren nicht mehr viel Antifas da,aber da hab echt ein sehr erstaunenden, aber sehr erfreulichen Bürger- Einsatz gesehen, Allle fingen an zu brüllen und bildetet ketten, jung und alt! Und die Bullerei?...ging mit unglaublicher Prutalität auf alles ein, schlugen menschen die brille von Kopf, schupsten, schlugen wie man es kennt....doch halt auf alles was sich im bahnhof aufhielt, bis alle vor der tür standen.

Mal wieder nicht so wie es seien sollte/könn!

floony 30.10.2006 - 14:52
aloha

also erst mal möchte ich an dieser stelle einigen göttinger bürgerinnen danken, die an diesem tag eine grosse hilfe waren und uns durch ihre unterstützung gezeigt haben, das es sie noch gibt . . . nette menschen die bereit sind zu den widerstand zu unterstützen!

auch ein kleiner abriss des tages - mir ist doch glatt auch aufgefallen, das die berliner bullen die gechilltesten waren. . .wahrscheinlich wurde das spiel guter bulle böser bulle mal andersrum gespielt, evtl haben einige berliner wohl einen tennisarm vom ewigen böser bulle spielen. . . jaja ein knüppel mit dem namen odin kann schon zu schweren verspannungen führen. dennoch haben sie uns nicht durchgelassen, da ein kumpel stahlkappen anhatte - ein problem das man eigentlich leicht umgehen kann (selbstkritisch an mir runterschau -nee hab keine stahlkappen und hej tut mir leid nur um irgendein "klischee" oder "modefimmel" zu befriedigen stahlkappen zu tragen ist eh etwas plump -ausserdem kann man ohne stahlkappen besser laufen und höher treten äääh springe(r)n meinte ich . . !

Also machten wir erzwungenermaßen kehrt und wechselten die route an der nächsten sperre wurden wir von den staatstürstehern erst garnet reingelassen . . . du kommst hier net rein!also weiter gelatscht -an der nächsten einfallstrasse wurde uns dann ein entgültiges innenstadtverbot für zone I un II (die route war polizeillich in drei zonen eingeteilt, die im endeffekt den gesamten innenstadtbereich umfassten -so das wir es auch schwer hatten uns etwas zu essen zu besorgen! . . . danke dafür BÜTTEL! Naja da links ja bekanntlich kreativ ist fanden wir dann doch noch ein schlupfloch, leider kamen wir natürlich viel zu spät an und konnten nur noch dem bürgerlichen redebeitrag vor dem DGB Haus lauschen - irgendwer muss den leuten doch endlich mal erklären, warum bürgerliche rechtstaatlichkeit und faschismus garnicht soweit voneinander entfernt sind?!?

Hat sich da gerade jemand dazu bereit erklärt???

Die gesamte Zeit über haben wir uns (leider) zurückgehalten, da wir dachten wenn wir jetzt noch einmal kontrolliert werden werden wir wegen verstosses gegen den stadtverweis eingefahren und dadrauf hatten wir dann trotz des miesen wetters keine lust . . . wir machen revolution . . . auch wenn es regnet!

Der Rückweg verlief weitesgehend harmlos, bis auf die auffällig vielen halberstädter wagen mit grossen kurzbehaarten menschen und pittbullaufkleber - damit meine ich die autos nicht die schorfnasen!Diesmal scheint sich das team green verspätet oder zurückgehalten haben, denn ansonsten sind uns immer irgendwo Waf`s aus BS begegnet - na war aber auch schon genug Regen!

In dem Sinne schont eure Kräfte und wir sehen uns alle beim Castor und auf der G8!
(Danke die einzigen blauen Flecken meinerseits kommen aus dem OI Polloi Pogo!)

Bis denne BUSSI!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Sehr gut

echt... 29.10.2006 - 01:25
Sehr guter Beitrag, vielen Dank für die infos, konnte selbst nicht dabei sein...

GdP als antifaschisten?

egal 29.10.2006 - 05:54
bei ndr aktuell (im fernsehen) wurde berichtet, dass die gewerkschaft der polizei sich in zukunft dafür einsetzen will, dass nazidemos nur noch erlaubt werden, wenn der aufwand, den die polizei zur absicherung aufbringen muss, auch im verhältnis zur wichtigkeit der demo steht... auf gut deutsch: dass 6000 bullen 200 nazis schützen soll es nach dem willen der GdP nicht mehr geben! ist doch schon mal ein erfolg

gdp als Antifaschisten, so ein Quatsch

Peter Lustig 29.10.2006 - 10:03
Da jubeln aber wieder Linke, wenn der Staat das Demorecht nur noch nach Wichtigkeit zulässt und eventuell Nazidemos verboten werden. Sehr kurz gedacht. Was ist, wenn die Bullen dies auch bei linken Demos anwenden? Vielleicht ist das ein guter Kompromiss? Wenn Nazidemos verboten werden, dann verzichten wir auch auf unser Demorecht. Vielleicht sollte man noch eine DankesDemo für den Staat, die Demokratie und die sie beschützende Bundeswehr abhalten? Gott sei Dank.

@ egal

auch egal 29.10.2006 - 10:04
naj ich glaube kaum das dies auf antifaschistischem hintergedanken beruht...

GDP?

FritzBrause 29.10.2006 - 10:44
Wer ist die GDP - Hat die was zusagen? - Das interessiert doch die Polizeiführung garnicht!!

GDP

-.- 29.10.2006 - 10:59
also das ist so: GDP = Gewerkstaft der Polizei mehr dazu unter dem link ;)

Link

-.- 29.10.2006 - 11:22

Wo waren die Teilnehmerinnen?

(muss ausgefüllt werden) 29.10.2006 - 12:04
Waren auch Teilnehmerinnen auf der Demonstration?

die kuschelpartner von rechts aussen...

[iskra] 29.10.2006 - 12:45
bei derartigen einsätzen, 6000 bullen für 200 nazis, wird einem echt klar, wie wichtig es für bestimmte stellen ist ihren kuschelpartnern von ganz recht aussen, regelmässig ein paar erfolgserlebnisse zu spendieren und ein wenig wirbel in einer "linken hochburg " zu machen!

thx

augenkrebs 2017 29.10.2006 - 13:47
hey, danke für den bericht, konnte leider nicht da sein. und ich will auch gar nicht nörgeln, aber ein paar mehr absätze hätten das lesen doch sehr erleichtert. ich hab's aber trotzdem alles brav gelesen.. ;)

Teilnehmerinnen

29.10.2006 - 15:13
Wenn ich sowas schon wieder lese..."gab es auch teilnehmerinnen?"

hört doch auf euch selbst zu diskriminieren^^

Demo

Rowi 29.10.2006 - 23:47
*klugscheiss* es waren 6000 Bullen. Du musstest nur durch 2 Polizeikontrollen? Dann hatteste aba echt Glück. Ich weiss nich mehr durch wieviele wir durch mussten, hab irgendwann aufgehört zu zählen *ätzend* Aba ansonsten war die Demo echt kuhl^^

@buntesding

tarnung ist alles 29.10.2006 - 23:55
kann dir sagen, dass das ganz sicher keine bürgis waren... nach meinen infos sind mehrere personen in zivi-kleidung in den Bahnhof und haben sich das ganze mal näher betrachtet.
Die cops hatten anscheinend größere Probleme festzustellen wer jetzt zu welcher partei gehört.

Spiegel Online berichtet:

kost kihh 30.10.2006 - 01:51


Hier noch ein Bericht den ich eben im Spiegel gefunden habe...ich unterlasse jede Wertung über das dort Geschriebene. Entscheidet selbst.


NPD-Geisterdemo legt Göttingen lahm

Von Christian Teevs, Göttingen

Absurde Szenerie: Schon zum dritten Mal in einem Jahr war das Leben in Göttingen am Samstag wie gelähmt - weil 200 NPD-Hanseln in der Stadt aufliefen. Aus Angst vor Krawallen mit Gegendemonstranten war das Polizeiaufgebot so groß, dass sich nun Geschäftsleute massiv beschweren.

Göttingen - Mit einer Mischung aus Faszination, Belustigung und Unverständnis blicken die Göttinger Passanten auf den Demonstrationszuges gegen die NDP-Kundgebung - genauer, auf den schwarzen Block, der mitläuft. 800 Autonome sind es, die sich unter die 4000 Demonstranten gemischt haben. Der Zug geht im strömenden Regen durch die Fußgängerzone der südniedersächsischen Universitätsstadt. Eng umringt von Hundertschaften der Polizei skandieren die Autonomen lautstarke Parolen gegen die NPD und gegen die 6000 Polizisten.

Als ein Polizist in der engen, unübersichtlichen Situation stolpert und zu Boden geht, stockt der Menge der Atem. Die Autonomen schreien laut auf, wie immer, wenn sie einander warnen wollen. Beginnen jetzt die Krawalle? Doch der Mann berappelt sich. Es bleibt vorerst gewaltfrei. Friedlich wäre hier das falsche Wort.
Es sind absurde Szenen an diesem Samstag in Göttingen. 200 NPD-Demonstranten haben sich die Stadt für einen Demonstrationsmarsch ausgesucht - und weil sich daraufhin 800 Autonome als Gegendemonstranten angesagt haben, ist nun mehr Polizei hier, als es überhaupt Demonstranten gibt.

So schaffen es wenige Rechtsextreme, mit einer knapp zweistündigen Kundgebung eine ganze Stadt lahmzulegen - obwohl nur wenige Journalisten und die Polizisten die feixenden Gesichter der NPDler überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Der rechtsradikale Spuk lief weiträumig abgesperrt unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Und trotzdem haben "die Ewiggestrigen", wie sie an diesem Tag oft genannt werden, ihr Ziel erreicht - sie haben die beschauliche Göttinger Innenstadt in eine groteske Szenerie verwandelt.

Feixende Gesichter bei der NPD

Sabine Warkentin schüttelt vor ihrem Buchladen "Deuerlich" den Kopf. Die 52-jährige Filialleiterin klagt über Umsatzeinbußen: 70 Prozent ihrer Einnahmen bleiben aus. "Sonnabend ist für uns normalerweise der lukrativste Tag der Woche." 25.000 Kauflustigen besuchen die Innenstadt sonst samstags. "Und am Donnerstag und Freitag hatten wir auch keine gute Bilanz, wegen der Auftaktdemos und der massiven Polizeipräsenz."
Für die Geschäftsleute das Schlimmste: Das alles ist inzwischen traurige Routine. Schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ist die 120.000-Einwohner-Stadt im Ausnahmezustand. Auch vor genau einem Jahr und im Mai war die NPD hier aufmarschiert. Die Stadt strotzte heute deshalb so vor schwer gepanzerten Ordnungshütern und grün-weißen Einsatzwagen, weil die Polizei aus den Erfahrungen vom 29. Oktober 2005 gelernt hatte. Damals hatten die Autonomen zahlreiche Barrikaden in Brand gesteckt und die Sicherheitskräfte mit ihrer "Guerilla-Taktik" (Polizeipräsident Hans Wargel) überrascht. Diesmal wollte die Einsatzleitung Präsenz und Stärke zeigen. Hilflos in Göttingen umherirrende Polizisten aus Bayern und rund 80 Verletzte hatten im Vorjahr Kritik an deren Strategie ausgelöst. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bezeichnete ein Sprecher der Polizei Göttingen den Tag als "mit Sicherheit ruhiger als im vergangenen Jahr, und auch ruhiger als im Mai". Zu gewaltsamen Ausschreitungen sei es nicht gekommen.

Zur Sicherheit wird schon mal der Laden zugemacht

Geschäftsleuten wie Sabine Warkentin hilft das wenig. "Nicht nur dass der Einsatz zwei Millionen Euro an Steuergeldern kostet", schimpft Einzelhandelverbands-Chef Willi Klie, "auch die Göttinger Ladenbesitzer haben durch dieses Wochenende Einbußen von über einer Million Euro." Klie spricht von mindestens 50 Prozent weniger Einnahmen. Jutta Krack, Vizechefin eines Parfümeriegeschäftes, geht noch weiter: "Wir haben höchstens ein Drittel unserer normalen Tageseinnahmen. Die Leute trauen sich einfach nicht in die Innenstadt. Wenn der Demonstrationszug hier vorbeikommt, schließen wir."

Das tut zur Sicherheit auch Michael Krause. Der 40-jährige Inhaber eines Modehauses sagt, dass im Mai die Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Polizei vor seiner Tür begannen. "Die haben gegenüber bei dem Café die ganze Terrasse abgeräumt." Deshalb werde er diesmal sicherheitshalber die Rollläden herunterlassen.

Die Häufigkeit der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen und der Polizei in Göttingen erinnern Sabine Warkentin an die Zeit Ende der achtziger Jahre. "Damals wurde eine junge Autonome, die vor der Polizei floh, auf einer Hauptverkehrsstraße von einem Auto erfasst und so schwer verletzt, dass sie ihren Verletzungen erlag." Danach habe es eine Zeitlang jede Woche gewalttätige Ausschreitungen gegeben. Die Läden mussten verbarrikadiert werden.

Angst vor Zuständen wie in den achtziger Jahren

Der Name des Mädchens - Conny W. - ist in Göttingen immer noch ein Mythos. Zahlreiche Graffitis an Hauswänden zeugen von dem Tod des Mädchens, an dem die Autonomen der Polizei die Schuld geben.

Keiner der Geschäftsleute bestreitet, dass gegen die Neonazis Stellung bezogen werden müsse. Aber darunter leiden wollen sie nicht mehr. So teilen sie die Gemütslage vieler Teilnehmer der Demonstration, die auf einem Plakat zum Ausdruck kommt: "Mein Traum: Göttingen ohne Nazis!"

Um dies zu erreichen, müsse die NPD endlich verboten werden, fordert der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Göttingen, Harald Jüttner, 65. Es könne nicht sein, dass "offenkundige Verfassungsfeinde unter dem Deckmantel der Demokratie ihre menschenverachtende Gesinnung zur Schau stellen dürfen". Jüttner bezeichnet das Verbot der NDP-Kundgebung in Celle mit dem Hinweis auf zu wenig verfügbare Polizeikräfte als "Treppenwitz": "Die Gerichte bedienen sich formaler Hilfskonstruktionen, um rechtsextreme Veranstaltungen zu verbieten. Stattdessen sollten sie sich endlich inhaltlich mit der Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei auseinandersetzen."

Eines sei klar, fügt er hinzu: "Die momentane Situation ist unerträglich."



 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,445256,00.html

Prutalität

Bulle 30.10.2006 - 23:14
Ich war vor kurzer Zeit dienstlich in einer Hauptschule. Die Schüler wussten auch nicht wie man "Prutalität" schreibt. Buntesding, kennen wir uns?