Hannover: Antifa AG verabschiedet sich
Zum letzten Mal
Die AntiFa AG der Uni Hannover löst sich auf
Faktisch sind wir gut 17 Jahre nach unserer Gründung im Mai 1989 - gemessen an unseren Ansprüchen - nicht mehr arbeitsfähig.
Die AntiFa AG der Uni Hannover löst sich auf
Faktisch sind wir gut 17 Jahre nach unserer Gründung im Mai 1989 - gemessen an unseren Ansprüchen - nicht mehr arbeitsfähig.
Es wäre unverantwortlich, nach außen hin die Illusion zu verbreiten, dem wäre nicht so. Auch wenn es unsere Widersacher kurzfristig freuen wird, müssen wir den Mut haben einzugestehen, dass die hohe Arbeitsintensität in der Lohnarbeit bei den Meisten von uns ihren Tribut fordert: Neben großen inhaltlichen Gemeinsamkeiten gibt es mittlerweile auch inhaltliche Differenzen in wesentlichen Fragen, die sich unter anderem aus Zeitmangel nicht ausräumen lassen.
Als wir vor mittlerweile gut vier Jahren - eher zufällig - begonnen haben, aktiv in die Auseinandersetzung mit den so genannten Antideutschen zu intervenieren, war uns noch nicht bewusst, wie symptomatisch dieser Konflikt die desolate Lage der Post-68er-Linken auf den Punkt bringt: In den folgenden vier Jahren mussten wir lernen, dass diese Ideologie eine hervorragende Basis bietet, um die Reste der Linken wieder in das bürgerliche System zu integrieren - und dabei gleichzeitig den kulturellen Gestus des Kritischen und Rebellischen zu erhalten. Überraschend in diesem Zusammenhang war allerdings die Radikalität und die Durchschlagskraft der geistig moralischen Wende: Begriffe und Denkschemata wie "Kollektiv" und konkreter Antikapitalismus wurden genauso über Bord geworfen wie die Standards der Aufklärung und der wissenschaftlichen Diskussion. Statt einer ernsthaften Kritik und Überwindung des Nationalismus hat die antinationale Szene nichts weiter zu bieten als eine platte Umkehrung des Nationalismus. Der Obskurantismus feierte fröhliche Urständ - und die "Volxküchen"-Gemeinde der restlinken Szene saugte dieses Gedankengut auf wie ein nasser Schwamm.
Gleichzeitig ist uns in dieser Zeit etwas schmerzhaft bewusst geworden, dass wir lange Jahre sträflich vernachlässigt hatten: Die Universität ist kein Rückzugsraum linker Politik mehr. Die soziale Zusammensetzung der Studierenden hat sich seit den achtziger Jahren deutlich verändert. Allgemein dominiert die "Ich AG"-Mentalität. In einem solchen Umfeld lässt sich vielleicht noch gutbürgerliche bzw. sozialliberale Anti-Extremismus-Arbeit machen - wie man derzeit leicht sehen kann - linksradikale Politik aber hat in diesem Umfeld keinen Platz mehr.
Immerhin: Galt vor einigen Jahren die Arbeiterklasse noch per se als reaktionäres Subjekt von Übel hat sich im Zuge der Anti-Globalisierungsproteste - bei allen Begrenzungen dieser Bewegung, aber das ist auch eins von diesen Flugblättern, dass wir nie zu Ende geschrieben haben - mittlerweile herumgesprochen, dass die soziale Frage doch eine recht zentrale Sache ist. Selbst ein Wolfgang Thierse (SPD) gesteht mittlerweile ein, dass wir in einer "Klassengesellschaft" leben.
Leider haben jedoch die sozialen Verschärfungen der Schröder-Ära nicht einmal im Zusammenhang mit der nachfolgenden Großen Koalition dauerhafte soziale Kämpfe provoziert. Die kurzzeitig aufgeflammte Bewegung gegen Hartz IV erwies sich als tönern: Die echten Verlierer und armen Schweine sind oftmals gar nicht in der Lage, sich zu organisieren und zu wehren, während die etwas intelligenteren und bewussteren Arbeitslosen es vorziehen, sich individuell durchzuschlagen.
Als relativ kleiner Trost mag da gelten, dass der Gegner keineswegs so allmächtig ist, wie viele Linke gerne glauben. Ob global (gescheiterte Doha-Runde) oder lokal (Gesundheitsreform): die herrschende Klasse wurschtelt sich bestenfalls durch und erleidet - wie im Fall der EU-Verfassung, der Bolkenstein-Richtlinie, des CPE-Einstellungsvertrages in Frankreich oder des Irak-Krieges - des öfteren schwere Rückschläge.
Zu meinen, damit stünde eine neue antikolonialistische Bewegung, eine Globalisierung der Klassenkämpfe und damit eine Renaissance des Internationalismus auf der Tagesordnung, wäre jedoch verfrüht. Eine Besserung der politischen Lage, eine neue soziale Bewegung, und damit auch eine personelle Neubelebung unserer Gruppe, ist in den kommenden zwei, drei Jahren nicht in Sicht.
Der fortschreitenden Entpolitisierung und dem allgemeinem Rückzug ins Privatleben - wir nennen das noch immer gerne Neo-Biedermeier - zum Trotz haben wir versucht, Essentials linker Politik am Leben zu erhalten. Eine linke Politik, die soziale Kämpfe als wesentlichen Kern gesellschaftlicher Auseinandersetzungen begreift. Die aktuelle Vorbereitung auf den G8-Gipfel in Heiligendamm zeigt jedoch, dass man sich heutzutage in der Szene nicht mal mehr sicher sein kann, im Kapitalismus und Imperialismus einen gemeinsamen Gegner zu haben.
Zuletzt noch ein Wort an diejenigen, die uns in all den Jahren immer wieder "ätzende Kritik", "schlechten Diskussionsstil" und "beißende Polemik" vorgeworfen haben: Wir haben die politische Auseinandersetzung nie als Selbstzweck begriffen - das ist kein Sandkasten für die adoleszente Persönlichkeitsfindung. Oder besser, das sollte kein Sandkasten sein. Uns ist es immer darum gegangen, dass sich in der Diskussion die besten Argumente durchsetzen und Fehler nicht immer wiederholt werden. Denn wir wollen den Kapitalismus noch immer lieber heute als morgen zu Gunsten einer Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung und ohne Unterdrückung (man nennt es auch Sozialismus) abschaffen. Das bleibt auch als "Einzelpersonen" unser Ziel. Also sollten sich einige Zeitgenossen nicht zu früh freuen! Unser Motto bleibt auch weiterhin:
Friede den Hütten, Krieg den Palästen!
AntiFa AG Uni Hannover, 25.10.2006
P.S.: Der Besuch auf unserer Website wird sich allerdings auch in Zukunft lohnen, da dort weiterhin regelmäßig Übersetzungen (vor allem aus dem Italienischen) zu den Themen "Klassenkämpfe und "Linke Politik in Europa", "Soziale Bewegungen", "Imperialismus und Krieg" (unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Palästina) ... erscheinen werden. Dann allerdings nicht mehr im Namen der Antifa Uni, sondern erstellt und eingeleitet von einem Mitglied unserer Gruppe bzw. vom Gewerkschaftsforum Hannover.
Als wir vor mittlerweile gut vier Jahren - eher zufällig - begonnen haben, aktiv in die Auseinandersetzung mit den so genannten Antideutschen zu intervenieren, war uns noch nicht bewusst, wie symptomatisch dieser Konflikt die desolate Lage der Post-68er-Linken auf den Punkt bringt: In den folgenden vier Jahren mussten wir lernen, dass diese Ideologie eine hervorragende Basis bietet, um die Reste der Linken wieder in das bürgerliche System zu integrieren - und dabei gleichzeitig den kulturellen Gestus des Kritischen und Rebellischen zu erhalten. Überraschend in diesem Zusammenhang war allerdings die Radikalität und die Durchschlagskraft der geistig moralischen Wende: Begriffe und Denkschemata wie "Kollektiv" und konkreter Antikapitalismus wurden genauso über Bord geworfen wie die Standards der Aufklärung und der wissenschaftlichen Diskussion. Statt einer ernsthaften Kritik und Überwindung des Nationalismus hat die antinationale Szene nichts weiter zu bieten als eine platte Umkehrung des Nationalismus. Der Obskurantismus feierte fröhliche Urständ - und die "Volxküchen"-Gemeinde der restlinken Szene saugte dieses Gedankengut auf wie ein nasser Schwamm.
Gleichzeitig ist uns in dieser Zeit etwas schmerzhaft bewusst geworden, dass wir lange Jahre sträflich vernachlässigt hatten: Die Universität ist kein Rückzugsraum linker Politik mehr. Die soziale Zusammensetzung der Studierenden hat sich seit den achtziger Jahren deutlich verändert. Allgemein dominiert die "Ich AG"-Mentalität. In einem solchen Umfeld lässt sich vielleicht noch gutbürgerliche bzw. sozialliberale Anti-Extremismus-Arbeit machen - wie man derzeit leicht sehen kann - linksradikale Politik aber hat in diesem Umfeld keinen Platz mehr.
Immerhin: Galt vor einigen Jahren die Arbeiterklasse noch per se als reaktionäres Subjekt von Übel hat sich im Zuge der Anti-Globalisierungsproteste - bei allen Begrenzungen dieser Bewegung, aber das ist auch eins von diesen Flugblättern, dass wir nie zu Ende geschrieben haben - mittlerweile herumgesprochen, dass die soziale Frage doch eine recht zentrale Sache ist. Selbst ein Wolfgang Thierse (SPD) gesteht mittlerweile ein, dass wir in einer "Klassengesellschaft" leben.
Leider haben jedoch die sozialen Verschärfungen der Schröder-Ära nicht einmal im Zusammenhang mit der nachfolgenden Großen Koalition dauerhafte soziale Kämpfe provoziert. Die kurzzeitig aufgeflammte Bewegung gegen Hartz IV erwies sich als tönern: Die echten Verlierer und armen Schweine sind oftmals gar nicht in der Lage, sich zu organisieren und zu wehren, während die etwas intelligenteren und bewussteren Arbeitslosen es vorziehen, sich individuell durchzuschlagen.
Als relativ kleiner Trost mag da gelten, dass der Gegner keineswegs so allmächtig ist, wie viele Linke gerne glauben. Ob global (gescheiterte Doha-Runde) oder lokal (Gesundheitsreform): die herrschende Klasse wurschtelt sich bestenfalls durch und erleidet - wie im Fall der EU-Verfassung, der Bolkenstein-Richtlinie, des CPE-Einstellungsvertrages in Frankreich oder des Irak-Krieges - des öfteren schwere Rückschläge.
Zu meinen, damit stünde eine neue antikolonialistische Bewegung, eine Globalisierung der Klassenkämpfe und damit eine Renaissance des Internationalismus auf der Tagesordnung, wäre jedoch verfrüht. Eine Besserung der politischen Lage, eine neue soziale Bewegung, und damit auch eine personelle Neubelebung unserer Gruppe, ist in den kommenden zwei, drei Jahren nicht in Sicht.
Der fortschreitenden Entpolitisierung und dem allgemeinem Rückzug ins Privatleben - wir nennen das noch immer gerne Neo-Biedermeier - zum Trotz haben wir versucht, Essentials linker Politik am Leben zu erhalten. Eine linke Politik, die soziale Kämpfe als wesentlichen Kern gesellschaftlicher Auseinandersetzungen begreift. Die aktuelle Vorbereitung auf den G8-Gipfel in Heiligendamm zeigt jedoch, dass man sich heutzutage in der Szene nicht mal mehr sicher sein kann, im Kapitalismus und Imperialismus einen gemeinsamen Gegner zu haben.
Zuletzt noch ein Wort an diejenigen, die uns in all den Jahren immer wieder "ätzende Kritik", "schlechten Diskussionsstil" und "beißende Polemik" vorgeworfen haben: Wir haben die politische Auseinandersetzung nie als Selbstzweck begriffen - das ist kein Sandkasten für die adoleszente Persönlichkeitsfindung. Oder besser, das sollte kein Sandkasten sein. Uns ist es immer darum gegangen, dass sich in der Diskussion die besten Argumente durchsetzen und Fehler nicht immer wiederholt werden. Denn wir wollen den Kapitalismus noch immer lieber heute als morgen zu Gunsten einer Gesellschaft ohne Klassen, ohne Ausbeutung und ohne Unterdrückung (man nennt es auch Sozialismus) abschaffen. Das bleibt auch als "Einzelpersonen" unser Ziel. Also sollten sich einige Zeitgenossen nicht zu früh freuen! Unser Motto bleibt auch weiterhin:
Friede den Hütten, Krieg den Palästen!
AntiFa AG Uni Hannover, 25.10.2006
P.S.: Der Besuch auf unserer Website wird sich allerdings auch in Zukunft lohnen, da dort weiterhin regelmäßig Übersetzungen (vor allem aus dem Italienischen) zu den Themen "Klassenkämpfe und "Linke Politik in Europa", "Soziale Bewegungen", "Imperialismus und Krieg" (unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Palästina) ... erscheinen werden. Dann allerdings nicht mehr im Namen der Antifa Uni, sondern erstellt und eingeleitet von einem Mitglied unserer Gruppe bzw. vom Gewerkschaftsforum Hannover.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
bedauerlich
Der noch-link zur Antifa AG: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Schade,
von Betroffenheit und betroffen sein
Heute stellt sich die Frage nach einem revolutionären Subjekt nicht mehr, auch können wir es uns immer weniger aussuchen, wo wir uns denn organisieren wollen:
Wir stecken einfach selber in der Scheiße! Wer jemals ein politisches Inselleben führen konnte, sieht sich jetzt vor Realitäten gestellt, die ihn gar selber betreffen.
Willkommen in der (un-)sozialen Realität!
Natürlich gibt es immer noch Leute mit wohlhabenden Eltern, die sich in "Pelz ist Mord" und "Antisemitismus in der Linken" üben.
Ein Blick auf die eigene Praxis ist doch ganz einfach:
Hindert uns Antisemitismus am gemeinsamen sozialen Kampf? Ja!
Brauchen wir Antideutsche? Nein.
Wir brauchen starke politische Basisgewerkschaften wie die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU-IAA), und die gibt es auch in Hannover.
Wer sich außerhalb des ganzen restlinken Politfirlefanz selbe organisieren möchte, kann dort mal vorbeischauen.
seh sehr schade
Moep es seid dir gesagt das du dich was schämen solltest. Wenn früher Menschen gegen eine Antifa aktiv wurden indem sie Gegenveranstalltungen machten oder diese gar angriffen nannte man das Anti-Antifa-Arbeit....heute nennt man das selbe Antideutsch. Das sich Anti-Antifas in der Linken breit machen können und die Szene von innen heraus zerstören ist traurig.
Es ist immer das selbe Muster: erst werden einzelne Gruppen arbeitsunfähig gemacht oder zerschlagen, dann werden Szenetreffpunkte "übernommen" um sie anschließend zu schließen oder man boykottiert die Treffs damit sie zumachen...nach einigen Jahren gibt es keine relevante linke Arbeit in dem Ort mehr.
Wer sich für Links hält sollte langsam aufwachen und sehen was hier passiert.
Erst neulich stand doch hier auf Indymedia sogar das eine Antideutsche Gruppe in Berlin Mitglieder einer anderen Antifa geoutet hätte. Also, da ist die Anti-Antifa-Arbeit doch offensichtlich.
Hm?
Zur Antideutschen-Frage: Fanatischer Israel-Wahn ist beschissen und an einer damit konform gehenden Aussage möchte ich nicht herummeckern. Eine Karikatur zu posten, die aber jüdische Ratten im palästinensischen Käse darstellt, ist wohl mehr als kritikabel.
Anti-Antifas sind nicht einfach Menschen, die Probleme mit den bösen Autonomen haben und Spaß daran haben die zu ärgern. Genau genommen ist die Anti-Antifa ursprünglich eine Unterorganisation der "freien Kameradschaften" gewesen und pauschal Antideutsche als Kameradschaftler darzustellen relativiert Faschismus doch ziemlich erheblich. Und was hat eine beschissene Aktion durch Antideutsche in Berlin mit einer beschissenen Karikatur der Uni-Antifa Hannover zu tun?
Wer sich für links hält sollte endlich aufwachen und reflektieren. Reflektion über "die eigene Szene" ist dabei wohl ziemlich essentiell.