Stellungnahme zum Polizeieinsatz in S

subversiver 26.10.2006 19:10
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Zum Polizeieinsatz bei der Demo gegen Sozialabbau am 21. Oktober 2006 in Stuttgart

26 Festnahmen // Hausdurchsuchung im „Subversiv“- Soziales Zentrum Stuttgart und dem Infoladen Stuttgart //
Ermittlungen wegen „Landfriedensbruch“, „Sachbeschädigung“ und „versuchter schwerer Brandstiftung“ u.a.
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Zum Polizeieinsatz bei der Demo gegen Sozialabbau am 21. Oktober 2006 in Stuttgart

26 Festnahmen // Hausdurchsuchung im „Subversiv“- Soziales Zentrum Stuttgart und dem Infoladen Stuttgart //
Ermittlungen wegen „Landfriedensbruch“, „Sachbeschädigung“ und „versuchter schwerer Brandstiftung“ u.a.

Der Ablauf der Ereignisse:
Am 21.Oktober 2006 fanden in fünf deutschen Städten von den Gewerkschaften initiierte Demonstrationen gegen den Sozialabbau statt. In Stuttgart beteiligten sich an der Demonstration 40.000 Menschen. An einem antikapitalistischen Block beteiligten sich 200-300 Menschen. Kurz vor Abschluss der Demonstration auf dem Schlossplatz wurde die dort ansässige Filiale der Commerzbank angegriffen. Die Polizei spricht von geworfenen bengalischen Fackeln, die zudem dazu genutzt worden seien, eine weitere, in einer Flasche geworfene Flüssigkeit zu entzünden. Die Aktion hinterliess Farb- und Brandspuren an der Fassade des Bankgebäudes, laut Polizeiangaben konnte alles schnell gelöscht werden.
In der Folge dieser Aktion machten uniformierte Trupps der Cops Jagd auf vermutliche TeilnehmerInnen des antikapitalistischen Blocks und kesselten ca. 20 Personen ein. Nacheinander wurden die Personen gegen den Protest anwesender aussenstehender DemonstrantInnen festgenommen und mit dem Gefangenentransport in die Hauptwache auf dem Pragsattel/Hahnemannstrasse gebracht.
In der Folgezeit kam es zudem zu Aktivitäten gegen die SPD- Landeszentrale, die mit Farbe beworfen wurde. Daraufhin wurden fünf weitere Personen festgenommen, die sich in der Nähe im Stadtgebiet aufgehalten haben sollen.
ommentare Die Festgenommenen waren grösstenteils Minderjährige, der Jüngste ist 14 Jahre alt. Den Betroffenen wurden auf der Wache die ihnen zustehenden Telefongespräche verwehrt, nur wenige bekamen etwas zu trinken, zu essen gab es nichts. Es wurde massiver Druck ausgeübt, indem Beamte die Betroffenen über ihren Verbleib täuschten oder die Auskunft verweigerten, sie zudem direkt des Werfens von Brandsätzen bezichtigten. Die Minderjährigen mussten fast ausnahmslos von ihren Eltern abgeholt werden. Diese wurden jedoch in der Regel nicht von den Cops selbst informiert, sondern mussten von GenossInnen benachrichtigt werden. Zumindest der Grossteil der Festgenommenen wurde erkennungsdienstlich behandelt (Gewicht, Fingerabdrücke, Fotos). Die bislang verlautbarten juristischen Vorwürfe gegen die Festgenommenen sind „Landfriedensbruch“ und „Sachbeschädigung“.
Personen, die sich bereits nachmittags zu einer Spontankundgebung vor der Wache sammelten, um auf die Gefangenen zu warten, wurden kontrolliert und abgefilmt. Die festgenommenen Personen wurden ab ca. 22 Uhr bis um 00:30 Uhr freigelassen.
Zumindest bei einem Betroffenen, dem mit 14 Jahren jüngsten, wurde in Ulm bereits am Folgetag eine Hausdurchsuchung durchgeführt.

In Stuttgart- Heslach, rund um die Räumlichkeiten des „Subversiv“- Soziales Zentrum und des Infoladens, zogen im Verlauf des Nachmittags Polizeitruppen auf, die sich dort postierten und einzelne Personen kontrollierten. Bis in den Abend hinein wurden Personen auf der Strasse angehalten oder sogar aus der Strassenbahn gezogen. Auch bei ihnen wurden die Personalien festgestellt und sie wurden abgefilmt. Dazu mussten sie sich teilweise von den Polizeibeamten mitgebrachte Sturmhauben überziehen. Jeder Widerspruch wurde mit der Androhung eines längeren Aufenthalts auf der Wache quittiert.
Am Abend schliesslich wurde das „Subversiv“ und der Infoladen Stuttgart von einem massiven Polizeiaufgebot durchsucht. Die ca. 10 anwesenden Personen mussten sich ebenfalls ablichten lassen und ihre Personalien abgeben. Die Räume des „Subversiv“ und des Infoladen wurden ausgiebig gefilmt. Sie wurden von einer Staatsanwältin und mehreren Staatsschützern durchsucht, die behelmten Trupps zogen sich nach und nach zurück. Das ganze fand ohne schriftlichen Durchsuchungsbefehl statt, lediglich von einer mündlichen richterlichen Zusage für einen solchen war die Rede. Als Begründung wurden Ermittlungen wegen „versuchter schwerer Brandstiftung“ angegeben.
Beschlagnahmt wurden u.a. zahlreiche Flugblätter (u.a. 50 verschiedene Einzelexemplare), ein Computer, ein Transparent, Plakate, ein Benzinkanister, zwei Bengalos, sowie das Handy eines Genossen. Nach ungefähr eineinhalb Stunden zogen die Trupps wieder ab.

Einer polizeilichen Erklärung zufolge werde über die benannten Punkte hinaus ebenfalls wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Verstoss gegen das Versammlungsgesetz und gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt.

Eine erste Einschätzung aus der Sicht der Antirepressionsarbeit:
Die Staatsschutzbehörden haben die militanten Aktionen am 21.Oktober offensichtlich zum Anlass genommen, zunächst möglichst breit zu ermitteln und zuzuschlagen. Es wurden zahlreiche Menschen abgefilmt, kontrolliert und festgenommen. Deshalb lässt es sich nicht ausschliessen, dass es neben anstehenden Prozessen und den damit verbundenen Vorladungen als ZeugInnen und Angeklagte zu weiteren direkten Repressionsschlägen in der nächsten Zukunft kommt, was die inzwischen durchgeführte Hausdurchsuchung unterstreicht.
Dies betrifft potentiell einen relativ grossen Personenkreis; unmittelbar sicherlich die Festgenommenen selbst und die im Verlauf des Tages an verschiedenen Orten kontrollierten Menschen.
Mit Vorwürfen wie der „versuchten schweren Brandstiftung“ und der „versuchten schweren Körperverletzung“ verschaffen sich die Staatsschutzbehörden eine entsprechende gesetzliche Legitimierung - sofern diese innerhalb des juristischen Apparates aufrecht erhalten werden können, und davon ist aus Erfahrung bei weit „niedriger“ angesiedelten Vorwürfen auszugehen.
Diese Vorwürfe können von ihnen künftig nicht nur - wie auf der Wache bereits geschehen - zur Einschüchterung herangezogen werden, im Falle der Minderjährigen etwa auch über die Eltern. Vielmehr sind die Staatsschutzorgane darauf aus, die Vorfälle als Anlass zu nehmen, um wie im Rahmen früherer Verfahren bereits geschehen, mit dem „Subversiv“ und dem Infoladen Stuttgart politisch unliebsame Projekte zu diffamieren. Damit verbunden ist der Versuch, auch hier AktivistInnen zu kriminalisieren.
Schliesslich weist die Strategie der StaatschützerInnen prinzipiell zwei Seiten auf. Zum einen sind sie unmittelbar erpicht darauf, fotografisches Material, Informationen u.ä. über die militanten Aktionen selbst zu bekommen. Dafür haben sie z.B. bereits vorort versucht Filme zu konfiszieren.
Egal, was sie zum Anlass nehmen, eine möglichst breite Durchleuchtung der radikalen Linken und ihrer Strukturen ist immer ein Ziel des Staatsschutzes. Hierfür dienen ihm sowohl direkte Informationen, wie auch Szene- Klatsch und Spekulationen im Zusammenhang mit konkreten Aktionen. Auch vordergründig entlastende Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft und der Polizei können zum Bumerang werden und belasten Andere.

Für alle politische AktivistInnen ist es dringend notwendig, sich über das Vorgehen der Repressionsbehörden und über die eigenen Rechte ihnen gegenüber zu informieren.
Studiert die Verhaltenstipps von Antirepressionsorganisationen und redet mit GenossInnen darüber!
Macht weitere Schritte von Justiz und Polizei öffentlich! Anna und Arthur halten´s Maul!

Nehmt als Betroffene oder wenn ihr Fragen habt mit den Roten Hilfe Ortsgruppen oder der Bunten Hilfe Stuttgart Kontakt auf! Unternehmt nichts individuell, denn allein machen sie dich ein!

P.S.: Bereits jetzt stehen erhebliche Kosten ins Haus durch notwendige juristische Schritte etwa gegen die Hausdurchsuchungen.

Bunte Hilfe Stuttgart
Mail:  buntehilfe@gmx.net
Web: www.bunte-hilfe.de.am
Direkt: jeden 1. Dienstag im Monat ab 20 Uhr im „Subversiv“, Benckendorffstr. 4, 70199 Stuttgart- Heslach, U-Bahn U1/U14 „Bihlplatz“
Konto: Postbank Stuttgart, BLZ: 600 100 70, Kto.-Nr.: 37242-702

In der nächsten Zeit sind wir ausserdem werktags von 18-20 Uhr telefonisch direkt erreichbar: 0176 656 16 708.

Das wichtigste in Kürze, für weitere Infos schaut auf folgende Seiten:
- » http://bunte-hilfe.fasthoster.de/rechtshilfe.html
- » http://www.rote-hilfe.de/index.htm?page=/content/rechtshilfetipps.htm&

Zu Hausdurchsuchungen:

- Grundsätzlich gilt: von kriminalisierten Publikationen möglichst nur ein Exemplar zu Hause haben.
- Vor „besonderen“ Ereignissen die Wohnung aufräumen.
- Bevor die Polizei in der Wohnung steht, versuchen Rechtsanwalt(in) oder FreundInnen anzurufen.
- Für Hausdurchsuchungen ist ein richterlicher Beschluss mit „Begründung“ erforderlich. Diesen unbedingt verlangen!
- Mit der Behauptung „Gefahr im Verzug“ kann sich die Polizei auch ohne Durchsuchungsbefehl Zutritt verschaffen.
- Nach dem Grund der Durchsuchung fragen; nach §106 II StOP muss dieser vor Beginn angegeben werden. Nach Namen und Dienstnummer der Beamten fragen, hartnäckig Beschwerde einlegen.
- Du hast das Recht in jedem Raum dabei zu sein, deshalb verlange, dass ein Raum nach dem anderen durchsucht wird.
- Ansonsten: keine Gespräche mit der Polizei!
- Verzeichnis der beschlagnahmten Sachen verlangen und schriftliche Mitteilung über den Grund der Durchsuchung.
Aber: nichts unterschreiben!
- Nach der Durchsuchung: Gedächtnisprotokoll anfertigen, FreundInnen treffen, andere Betroffene und Anti-Repressions-Zusammenhänge informieren; Einschätzung diskutieren.
- Allgemeiner Nachtrag: Computer und Dateien sind besonders interessant. Aktuelle Sicherheitsstandards halten! Überlegen, was man zu Hause macht und hat.

Zu den Cops und Vorladungen:
- Vorladungen der Cops können ignoriert werden, zu solchen Terminen muss man nicht gehen und sollte es nicht; es können sonst nur Nachteile entstehen. Alleine bei Vorladungen von Gerichten oder der Staatsanwaltschaft ist man gesetzlich zum Erscheinen verpflichtet. Spätestens bei einer solchen Vorladung nehmt Kontakt zur örtlichen Antirepressionsgruppe auf und holt euch anwaltliche Hilfe.
- Egal was sie behaupten: Ihr müsst gegenüber den Cops generell über eure Personalien hinaus (Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, ungefähre Berufsbezeichnung [Student/Angestellter...])keine Aussagen machen und solltet es auch nicht. Es gibt nichts, was ihr nicht auch zu einem späteren Zeitpunkt in Rücksprache mit GenossInnen und AnwältInnen zu Protokoll geben könntet. Was sie euch auch versprechen oder womit sie euch auch drohen mögen: es können Euch nur Nachteile daraus erwachsen.

Zum Verfassungsschutz:
- Der Verfassungsschutz geht besonders gern im Zuge polizeilicher Ermittlungen auf Anwerbetour um neue Spitzel zu gewinnen. Besonders betroffen sind davon junge AktivistInnen. Wie die Cops kann er versuchen Druck aufzubauen, indem er euch zuhause oder bei der Arbeit besucht oder bei laufenden Verfahren mit härteren Strafen droht oder Strafminderung verspricht.
Der Verfassungsschutz hat nicht einmal das Recht, eure Personalien zu erfahren. Am besten, ihr brecht das Gespräch sofort ab und macht dem VS deutlich, dass ihr keinerlei Interesse an einer Kooperation habt. Der beste Schutz ist immer noch, Anwerbeversuche öffentlich bekannt zu machen!
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Ergänzungen