Volksverhetzung gegen Kriegsgegner?

B.W. Wegtreten 23.10.2006 19:07 Themen: Antifa Militarismus
Vier Anti-Krieg-AktivistInnen sind am 26. Oktober 2006 vor dem Kölner Amtsgericht u.a. wegen Volksverhetzung angeklagt. Der Aufhänger: Ein Großtransparent mit der Aufschrift „Wir geloben zu morden, zu rauben, zu vergewaltigen“ auf dem Kölner Dom während Rekruten im Rahmen der 50 Jahr- Feier der Bundeswehr am Dom öffentlich vereidigt wurden ...
... Zwei Gästen des vornehmen Dom-Hotels wird vorgeworfen, beim
abendlichen Zapfenstreich an ihrem Zimmerfenster ein weiteres Transparent mit der Aufschrift „Soldaten sind Mörder! K.T.“ angebracht zu haben. Der Vorwurf - ebenfalls Volksverhetzung.


Widerstand gegen die Barbarei des Krieges


"Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Faschismus" lautete der Appell der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Beseitigung des Nazismus und des Militarismus sahen sie als drängendste Aufgaben für die Zukunft. Die Überlebenden und die Nachkommen sollten dafür sorgen, dass "nichts ähnliches geschehe" (Adorno).

Der Schwur von Buchenwald war die Richtschnur für das politische Selbstverständnis der Neuen Linken Auch Konservative, Liberale und Kirchenleute sowie Gewerkschafter machten sich in den 50er Jahren den Schwur der Überlebenden des Konzentrationslagers zu eigen. So wurde die „Ohne – mich – Bewegung“ gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik 1949 bis 1955 von breiten gesellschaftlichen Kreisen getragen. Doch bekanntlich trat die Bundesrepublik 1954 der NATO bei, obwohl achtzig Prozent der Bevölkerung dagegen waren. Der Kalte Krieg eskalierte. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten gründeten den Warschauer Pakt.

Doch der Kampf gegen die Militarisierung ging weiter: Mit der Parole „Kampf dem Atomtod“ protestierten in der zweiten Hälfte der 50er Jahre Gewerkschafter, Sozialdemokarten und unabhängige Friedensgruppen gegen die Verbreitung von Atomwaffen. Mit dem Godesberger Programm verabschiedete sich die SPD bekanntlich aus der Bewegung, um sich auf die Macht in Bonn vorzubereiten.

1960 veranstalteten pazifistische Gruppen erstmals einen Ostermarsch zum Raketen-Übungsplatz Bergen-Hohne. Die Ostermarschbewegung sollte die gesamte Phase des Kalten Kriegs überdauern. Ab Mitte der 60er Jahre rückte der Protest gegen die US-Intervention in Vietnam und der Protest gegen die Notstandsgesetze im Verteidigungsfall in den Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund der antikolonialen Bewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika, dem Kampf gegen die Militärdiktaturen, dem Mai 68 in Paris und unter dem Eindruck des Einmarsches der Sowjetunion in der CSSR 1968 radikalisierte sich die Studentenbewegung in der Bundesrepublik rasch. „Schafft zwei, drei viele Vietnam...“ und „Den Kampf im Herzen der Bestie führen“ (Che Guevara) waren dien zentralen Slogans der Bewegung. Es ging um Solidarität mit den Befreiungsbewegungen und um nicht weniger als die Revolution im eigenen Land. Doch die Revolution kam nicht über Nacht. Viele AktivistInnen der Friedensbewegung, der Studentenbewegung, der Frauenbewegung, aus den Häuserkämpfen und der Anti-AKW-Bewegung zogen den Marsch in die Institutionen der Revolutionierung der herrschenden Verhältnisse vor, machten Karriere oder verabschiedeten sich ins Privatleben.

Die Friedensbewegung rührte sich erst ab 1979 wieder – gegen den NATO-Doppelbeschluss und die Stationierung von Mittelstreckenraketen. Neben Pazifisten engagierten sich auch Autonome gegen das Militär. Beim öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr in Bremen lieferten sich im Mai 1980 Zehntausende Straßenschlachten mit der Polizei. Seitdem konnte das Militär kaum eine Propagandaschau ohne Störungen über die Bühne ziehen.

Der Fall der Mauer und der Zusammenbruch der Sowjetunion blieb auch für die Neue Linke nicht ohne Folgen, im Gegenteil. Trotz ideologischer Distanz großer Teile der Neuen Linken gegenüber dem Staatssozialismus sowjetischer Prägung, ging mit dem Ende des Kalten Krieges auch die Hoffnung auf Befreiung und auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft unter.

Die Proteste gegen den Krieg am Golf 1991 waren schwach, die Kritik diffus wie die Parole „Kein Blut für Öl“. Beschränkte sich die Bundesrepublik im 2. Golfkrieg 1991 noch auf ihre traditionelle Rolle als Flugzeugträger der US-Militärpolitik, fand sie im Jugoslawienkrieg ihre neue Rolle als militärische „Ordnungsmacht“. Dass ausgerechnet ein ehemaliger Frankfurter Straßenkämpfer mit „Nie wieder Auschwitz“ die militärische Intervention Deutschlands in Jugoslawien begründete, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Die psychologische Kriegsführung ihren Legitimationsideologien von "humanitären, militärischen Intervention" und vom "gerechten Krieg" konnte Linke nur noch einen Farbbeutel entgegenwerfen, in der öffentlichen Diskussion um die neue Großmachtpolitik blieb sie – trotz der geringen Kriegsbereitschaft – gesellschaftlich marginal.

Als die USA nach dem 11. September 2001 den „Krieg gegen den Terror“ ausriefen und Afghanistan bombardierten, löste das keinen Sturm der Entrüstung aus. Die NATO rief erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall aus (enduring freedom)und die Bundesrepublik ist bis heute mit Militär sowie politischer und wirtschaftlicher Unterstützung dabei. Erst der Krieg gegen den Irak 2003 stieß weltweit, auch in Europa und den USA, auf heftigen Widerstand. Trotz aller Friedensrhetorik unterstützt die Bundesregierung den Krieg. Sie entlastet die USA in Afghanistan und übernahm dort das Oberkommando.

Heute ist die Bundeswehr in 8 Ländern im Einsatz. Bis zu 80000 SoldatInnen sind daran beteiligt. Die Ablehnung des Krieges gegen den Irak 2003 durch die Bundesregierung ist ihrem Bestreben geschuldet, sich als Gegenpol zu den Amerikanern zu etablieren. Denn die Bundesregierung ist ein wirtschaftlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt. Während die Neocons in der US-Regierung einen massiven Krieg wollen, stellt sich Deutschland als die zivile Alternative dar in der „Weltgemeinschaft".

Krieg ist zum zentralen Ordnungsinstrument der kapitalistischen Weltordnung geworden. Mit dem Gerede vom „gerechten Krieg“, vom „Krieg gegen den Terror“, der keinen klaren Anfang und erst recht kein klares Ende hat, sollen wir auf einen permanenten globalen Krieg eingestimmt werden.

Doch nicht nur wenn offiziell "Kriegszustand" herrscht, bedeutet Kapitalismus Hunger, Elend und Armut. Auch in vermeintlich friedlichen Zeiten ist Kapitalismus nichts Anderes, als Ausbeutung und Unterwerfung der Menschen unter die Gesetze des Marktes. Die Mächtigen verkaufen den Krieg, den Tod von Hunderttausenden, die Zerstörung von Städten und die Verseuchung ganzer Regionen als „Kollateralschäden“. Menschlichkeit beweisen die, die sich dem entgegenstellen.

Der Protest gegen das Gelöbnis der Bundeswehr im Spetember 2005 in Köln störte die Ruhe an der „Heimatfront“. Die Kriminalisierung von Kriegsgegnern ist Teil der Kriegsführung. Der Aufruf zu Kriegsdienstverweigerung, Desertion, Blockaden und Sabotage gegen Krieg bleibt gerechtfertig und ist ein Akt der Menschlichkeit gegen die organisierte Unmenschlichkeit.

- DESERTIERT, BLOCKIERT, SABOTIERT DEN KRIEG!
- Unterstützt die Protestaktion am 26.Oktober ab 9Uhr vor dem Kölner Amtsgericht, Luxemburger Str. 101

Prozessbeginn 11 Uhr (Saal 13)

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Kritik an der Aktion

lieber nicht 23.10.2006 - 20:40
An der Aktion muß Kritik geübt werden. Der Dom ist ein Gotteshaus. Der Gebetsraum der Christen. Er ist mißbraucht worden. Der Küster (ganz bestimmt nicht überbezahlt), durfte nachher aufräumen.
2) In Zeiten in denen junge Leute keine Ausbildungsstellen bekommen, ist nun mal für viele die Bundeswehr eine Alternative. Sie als Vergewaltiger zu verunglimpfen, überzeugt ganz bestimmt nicht einen von Ihnen vom Gegenteil.

Schieß auf Gott und scheiß auf dich

verpiss dich 23.10.2006 - 21:19
Also du Ratte mit deinem Gotteshaus dich sollte man erschießen, denn auch Killer brauchen einen Job, ich hoffe du verstehst dies. Wir machen es bestimmt mit ganz viel Hingabe.

@ lieber nicht

Hoho 23.10.2006 - 22:23
Die Kirche hat auch 2002 Anti-Kriegs- und Anti-Bush-Banner an ihre Kirchen gehängt.

Die unsachlichen Äusserungen von "verpiss dich" bringen es in etwa auf den Punkt.

Klar, lasst unsere Kinder doch Zuhälter und Raubmörder werden, hauptsache sie bekommen ihr eigenes Geld.

Die Bundeswehr als Alternative zur Ausbildungsstelle zu bezeichnen ist höchst geschmacklos.

Und Verunglimpfend ist das mit dem Vergewaltiger nicht, es ist wahr!

Denk-mal (Nach)!