Demo in Stuttgart 21.10. - Bilder und Bericht

christian 22.10.2006 17:57 Themen: Soziale Kämpfe
Hier ein paar Bilder und ein kurzer Bericht zur Demonstration in Stuttgart am 21. Oktober gegen die aktuelle Regierungspolitik. Es waren etwa 40 000 bis 45 000 Menschen auf der Straße, ca. 200 bis 300 davon im antikapitalistischen Block und noch viele weitere präsent die ebenfalls für kämpferische Proteste und eine antikapitalistische Perspektive sind. Es gab ein paar militante Aktionen und Rangeleien mit den Cops. Leider auch Festnahmen und eine Hausdurchsuchung im Sozialen Zentrum in Stuttgart...
An den Demonstrationen am Samstag, den 21. Oktober gegen die aktuelle Politik der Regierung beteiligten sich in Stuttgart mehrere zehntausend Menschen. Zwei Demonstrationszüge, einer von Stuttgart-Nord einer von Stuttgart-Süd aus trafen sich am Schlossplatz. Etwa 200 bis 300 Menschen beteiligten sich an einem antikapitalistischen Block auf der Demonstration. Viele weitere machten mit Transparenten und Sprechchören ebenfalls deutlich, dass es ihnen nicht darum geht, mit einer Demonstration nur Dampf abzulassen, sondern dass es notwendig ist entschlossen gegen die Regierungspolitik zu kämpfen und das kapitalistische System grundlegend in Frage zu stellen.
Ein versuchtes abweichen des antikapitalistischen Blocks von der Demonstrationsroute durch die Innenstadt gelang zunächst nicht. Am Schlossplatz kam es zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen DemonstrationsteilnehmerInnen und der Polizei. Das Gebäude der Commerz Bank wurde mit Farbflaschen und Molotow Cocktails angegriffen. Die Commerzbank ist eines der Unternehmen, die trotz großer Gewinne Ausbildungsplätze streichen und steht daher symbolisch für die gängige Praxis der Unternehmen, die ihre Profite auf Kosten der Lohnabhängigen steigern.
Nach weiteren Rangeleien nahm die Polizei am Schlossplatz etwa 20, überwiegend minderjährige DemoteilnehmerInnen fest. Zahlreiche Menschen protestierten gegen das Vorgehen der Polizei, worauf diese Schlagstöcke gegen die Protestierenden einsetzte und mehrere Menschen leicht verletzte. Die Festgenommenen wurden erst am späten Abend wieder aus der Haft entlassen.
Offenbar im Anschluss an die Demonstration fand in der Innenstadt ein weiterer Farbanschlag auf das Büro der SPD statt.
Am Nachmittag fuhr die Polizei massiv in Stuttgart-Heslach, rund um das Subversiv (Soziales Zentrum) auf und führte zahlreiche Personenkontrollen inkl. Abfotografieren der Betroffenen durch. Gegen Abend stürmte ein größeres Polizeiaufgebot das Subversiv, nahm die Personalien der dort anwesenden etwa 10 Personen auf, fotografierte diese ebenfalls und durchsuchte sämtliche Räume. Dabei wurden Gegenstände wie Computer, Transparente und Flugblätter beschlagnahmt - eine ausführliche Stellungnahme des Subversiv dazu wird sicher in den nächsten Tagen folgen.

Mehr dazu und auch noch ein paar Bilder gibt es hier:
www.revolutionaere-aktion.de.am
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Ergänzungen

Aufruf für den antikapitalistischen Block

Beatrix 22.10.2006 - 18:08
Den Widerstand gegen die Reformen der Regierung organisieren. Eine andere Welt aufbauen.
Wir wollen alles!

Am 21. Oktober finden bundesweit in fünf Städten Großdemonstrationen gegen die aktuelle Politik der Regierung statt. Initiiert von den Gewerkschaften, mit Unterstützung verschiedener anderer Organisationen und Initiativen und sicher mindestens einigen zehntausend TeilnehmerInnen. Es verwundert kaum, dass die sog. "Reformen" zu Lasten eines Großteils der Bevölkerung nicht stillschweigend hingenommen werden und selbst die Gewerkschaftsführung sich genötigt sieht einen "heißen Herbst" anzukündigen. Von der Heraufsetzung des Rentenalters, weiteren marktorientierten Umstrukturierungen im Gesundheits- und Bildungswesen, immer heftigeren Einschnitten im Sozialsystem, bis hin zu direkten Angriffen auf Löhne und die Rechte am Arbeitsplatz - zu weitreichend und zu offenkundig ausschließlich nach Kapitalinteressen orientiert ist die Politik der Regierung. Unmut und Protest zumindest eines - sich der Situation auch nur im geringsten bewussten - Teils der Betroffenen ist daher zunächst die logische Konsequenz.
Ob es in den nächsten Monaten aber tatsächlich ernsthafte und kontinuierliche Aktivitäten gegen weitere Einschnitte gibt, ist damit aber noch nicht ausgemacht. Es bleibt auch die Frage welche Strategie die die Gewerkschaftsführung mit der Mobilisierung verfolgt. Ebenso ist es notwendig den Ursachen der aktuellen Regierungspolitik auf den Grund zu gehen und dementsprechend Perspektiven zu entwickeln, die nicht bei oberflächlichen Makulaturen stehen bleiben und sich nicht in hoffnungslosen Betteleien bei den Protagonisten der aktuellen Politik erschöpfen.


Andere Politiker braucht das Land?

Die politischen Ansätze der bürgerlichen Parteien, der Grünen, Sozialdemokraten, Konservativen und Rechten heben sich tatsächlich in vielen Punkten voneinander ab. Sie haben unterschiedliche Ursprünge, Klientel und Interessen, die Politik ihrer Vertreter hat im Konkreten oft unterschiedlichste Erscheinungen. Gerade aber in grundlegenden Fragen - und dies sind aktuell eben genau die "Reformen" auf Kosten eines Großteils der Bevölkerung gegen die wir auf die Straße gehen - herrscht unter ihnen allen Einigkeit und wird von allen angekündigt genau diese Politik weiter vorantreiben zu wollen. Dies ist weder Zufall, noch lässt sich daraus die tatsächliche Notwendigkeit dieser Politik ableiten.
Es wird vielmehr auch in der BRD immer offensichtlicher, was die "soziale Marktwirtschaft", die kapitalistische Produktionsweise tatsächlich bedeutet: Unabhängig von Parteiprogrammen und Interessen einzelner Politiker- und Kapitalfraktionen, geht es um Verwertung und Profit. Dem werden alle gesellschaftlichen Bereiche untergeordnet. Die Symptome dieses Systems - etwa Armut, Kriege und immer massivere Ausbeutung - können für eine gewisse Zeit immer wieder abgeschwächt und verdeckt, auf einzelne gesellschaftliche Gruppen abgewälzt oder in andere Teile der Welt exportiert werden. Durch den ökonomischen Zwang die Gewinne im stetigen Konkurrenzkampf der Standorte und Unternehmen weiter zu erhöhen, sowie tendenzielle Schwierigkeiten weiter gewinnbringende Investitionsmöglichkeiten zu finden, spitzt sich die Situation aber zwangsläufig immer weiter zu. Konkret: Nach dem Wirtschaftsboom in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, in der das Kapital schier unersättliche, da weitgehend zerstörte Bereiche zur Investition vorfand, deutsches und US-Kapital aus dem Krieg gestärkt hervorgingen und Interesse an einem ruhigen Hinterland BRD hatten, wurde ein zumindest für relativ große Teile der Bevölkerung sozial erscheinendes kapitalistisches Wirtschaftssystem installiert. Nicht zuletzt auch durch die Blockkonfrontation und damit die "Systemkonkurrenz" mit den staatskapitalistischen Staaten (UDSSR etc.) und einer relativ gut organisierten und starken ArbeiterInnenbewegung wurde dem Kapitalismus hier ein sozialer Anstrich verpasst. Dass zeitgleich weltweit Kriege, die Installierung und Unterstützung von Diktaturen, Ausbeutung in Billiglohnfabriken etc. von den gleichen Staaten betrieben wurden, hat zwischen Reihenhaus, eigenem Auto und Farbfernseher nur relativ Wenige interessiert.

Noch in den 70er Jahren wurden aber die ersten Krisenerscheinungen auch hier sichtbar: Privatisierungen und Entlassungen fanden nach Jahren der Vollbeschäftigung wieder statt, wurden aber durch ein soziales Netz abgedämpft oder blieben auf relativ kleine gesellschaftliche Gruppen begrenzt. Durch den Verkauf einst öffentlicher Bereiche an private Unternehmen, durch die Spekulationen an den Börsen und nicht zuletzt durch den Fall der Ostblockstaaten und ihre damit einhergehende Öffnung für das westliche Kapital, konnte die Wirtschaft immer wieder am Laufen gehalten werden. So fiel auch für die Bevölkerung immer noch ein Krümel materieller Wohlstand ab.

Was wir momentan erleben, hat nun nichts mit "ausländischen Heuschrecken" die über unsere "soziale Marktwirtschaft" herfallen zu tun, wie uns Sozialdemokraten und ihre Gewerkschaftsführer vorgaukeln wollen. Die momentane Situation ist vielmehr geprägt von der Aufkündigung des Klassenkompromisses von Seiten des Kapitals und seiner Politiker, von der Abwälzung der Erscheinungen der tendenziellen Krise des Kapitalismus auf die Masse der Lohnabhängigen. D.h. von Angriffen direkt am Arbeitsplatz, sowie in Gesetzesform gegossen, die die Schere zwischen reich und arm, zwischen Kapitalbesitzern und Lohnabhängigen wieder auseinander treiben und auf allen Ebenen die Kapitalverwertung auf Kosten des Großteils der Bevölkerung vorantreiben. Selbst die immensen Profite reichen immer weniger für die Farbe aus um diesem System länger einen sozialen Anstrich zu geben - das einzige was sie noch für uns haben sind schöne Worte und Verblödungskampagnen a la "Du bist Deutschland". Selbst nachdem kürzlich eine von der SPD nahen Friedrich Ebert Stiftung in Auftrag gegebenen Studie die offizielle Entdeckung einer armen "Unterschicht" in der BRD, die mehr als 6 000 000 Menschen umfasst, bekannt gab, haben die bürgerlichen Parteien noch nicht einmal ernsthaft bekundet daran wirklich etwas ändern zu wollen.

Die Gewerkschaftsführung spielt in dieser Situation eine nicht unwesentliche Rolle: An der Spitze eigentlich äußerst mächtiger Organisationen der ArbeiterInnenklasse, verhindert sie genau das, was der eigentliche Zweck der Gewerkschaften wäre, die Interessen der ArbeiterInnenklasse gegen die Kapitalisten durchzusetzen oder wenigstens in Ansätzen zu verteidigen. Stattdessen macht sie das genaue Gegenteil: Sie vertritt, ihrer Verstrickung mit den Unternehmensführungen und den Parteien gemäß, die Interessen des Kapitals innerhalb der ArbeiterInnenklasse - auch ihren je nach Situation teilweise kämpferischen Phrasen zum Trotz. Die unsäglichen offiziellen (!) Bekundungen von DGB Chef Sommer etwa, "der Regierung mit den Protesten nicht schaden zu wollen" bringen es auf den Punkt.




Wenn die Nacht am tiefsten ist…

Die "Reformen" genannten Angriffe sind bekannt, ebenso deren Folgen, die bereits jetzt schon Millionen von Menschen direkt betreffen: Massenarbeitslosigkeit, Zunahme der Armutsprostitution (von 2002 auf 2004 um 60%), Billiglohnjobs und prekäre (unsichere) Arbeitsverhältnisse, Kinderarmut (jedes 4. Kind wächst in der BRD in Armut auf), immer weiter von den Bedürfnissen entfremdete Arbeitsbedingungen, Ausschluss von immer mehr Menschen von den Chancen auf höhere Bildung und eine umfassende Gesundheitsvorsorge etc. Für marginalisierte, weil vom Kapital nicht mehr benötigte gesellschaftliche Gruppen, wie etwa viele MigrantInnen, dies alles in einem noch größerem Ausmaß und der ständigen Bedrohung von Abschiebung. Die Zerstörung der Natur nimmt beängstigende Ausmaße an, Konzepte wie dieser Prozess umgedreht werden kann, spielen zwischen Konkurrenzkampf und Profitsicherung keine ernstzunehmende Rolle.
Zeitgleich wird immer mehr in Rüstungsprojekte investiert und für den Zugang zu billigen Rohstoffen und Märkten Kriege geführt und vorbereitet.
Der Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates wird weiter vorangetrieben und die Interessen der Herrschenden mit Polizei und Geheimdiensten, Gesetzesverschärfungen und "Anti-Terrorkarteien", mit Repression gegen alles was ihnen gefährlich werden könnte, gesichert. Ein aktuelles Beispiel wie diese anscheinend nur gegen "terroristische" Gruppen gerichteten Maßnahmen bei größeren sozialen Protesten zur Geltung kommen liefert die Türkei: Dort wurden in den letzten Wochen hunderte Menschen, GewerkschaftsvertreterInnen, JournalistInnen, DemonstrantInnen und AktivistInnen verschiedener sozialer Initiativen mit dem Vorwurf des "Terrorismus" inhaftiert.



… ist der Tag am nächsten!

Die ersten richtigen Antworten auf die herrschende Politik wurden bereits gegeben, nicht alle verhalten sich apathisch, desillusioniert, wie das Kaninchen auf die Schlange starrend oder im Glauben, selbst schon irgendwie verschont zu bleiben: Der kämpferische Streik im öffentlichen Dienst Anfang des Jahres, die Streiks bei AEG in Nürnberg, Infineon in München, CNH in Berlin, bei Gate Gourmet in Düsseldorf usw. Dazu die Großdemonstrationen mit mehreren zehntausend bis hin zu mehreren hunderttausend Menschen wie am 3. April 2004, die vielfältigen Proteste der Studierenden, die kleineren und größeren Aktivitäten gegen Krieg und Aufrüstung, gegen die Gipfeltreffen der Herrschenden, für die Rechte von Flüchtlingen und internationale Solidarität etc. All diese Kämpfe hinkten der Entwicklung allerdings hinterher. Sie blieben immer nur auf einzelne Bereiche beschränkt, waren von vorneherein als reine Abwehrkämpfe konzipiert und scheiterten oder wurden sofort beendet, als das Schlimmste verhindert zu sein schien. Eine wirkliche Stärke konnten sie nicht entwickeln. Welche Richtung die Kämpfe einschlagen müssen, dass sie auch militant und im gesamtgesellschaftlichen Bezug zu führen sind, wenn sie erfolgreich sein wollen, konnte jedeR der/die es wissen wollte direkt sehen: In Frankreich wurde durch den gemeinsamen Kampf von SchülerInnen, Studierenden, ArbeiterInnen und Jugendlichen aus den Armenvierteln ein Gesetz gekippt, dass Einschnitte vorsah, wie sie hier in noch schärferer Variante ohne weiteres durchkamen. Der Kampf wurde entschlossen geführt, es kam zu Streiks, Besetzungen an Universitäten, Massenblockaden und regelmäßigen Großdemonstration, dies alles gegen die Angriffe der Polizei und rechter Schlägertrupps und gegen die Hetze in den bürgerlichen Medien.
Jedoch haben auch die verhältnismäßig kleinen und kurzzeitigen Streiks und Aktivitäten hier vieles verdeutlicht. Sie haben gezeigt, dass trotz aller Widersprüche der Beschäftigten, aller Beschwichtigungsversuche, Drohungen und Angriffe von Seiten der Unternehmen und des Staates der Zusammenhalt der Streikenden über mehrere Wochen, teilweise über Monate hielt. Sie haben vielen zu neuen Erfahrungen verholfen, haben viele politisiert und ihnen die Notwendigkeit weiterer Aktions- und Organisierungsformen vor Augen geführt. Und sie lassen erahnen, welche Möglichkeiten und welche Stärke die Verbindung der einzelnen Kämpfe und die Kontinuität dieser - was letztlich ein politischer und kämpferisch geführter Generalstreik bewirken könnte!



Geschichte wird gemacht!

Die unmittelbaren Kämpfe gegen die Symptome des Kapitalismus können aber natürlich nicht alles sein. Es muss auch die Frage nach einem tatsächlichen Ende der aktuellen Politik, nach langfristigen Alternativen und Perspektiven wieder aufkommen.
Im schlechtesten Falle führt das Streben nach Veränderung zu den rechten Hetzern, denjenigen die als Zukunftsperspektive mit wildestem Populismus die rückschrittlichste Barbarei anpreisen, die selbst möglichst weit oben sein wollen und nach unten, gegen die ohnehin marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen treten. Die jüngsten Wahlerfolge der Faschisten zeigen, dass eine Veränderung der Zustände nicht den Dummen und Rückschrittlichen überlassen werden darf.

Zumindest in Ansätzen nach vorne gerichtet ist die "echte Sozialdemokratie", die mit WASG und Linkspartei nun einen anscheinend anderen Weg einschlagen will. Ihre Führung träumt dabei von der Rückkehr der "sozialen Marktwirtschaft" und einem Ende des "neoliberalen Raubtierkapitalismus". Dazu kann vieles angemerkt werden. Zum einen der utopische Charakter des Hoffens auf die Rückkehr einer, nicht zufällig vergangenen, Phase des Kapitalismus. Oder das Sichtbarwerden ihrer realen Sozialpolitik, die Berliner Landesregierung etwa setzt bekanntlich mit den Stimmen der PDS.Linkspartei ihren Sozialkahlschlag durch. Auch die stetigen reaktionären Ausfälle des Millionärs Lafontaine und anderer ihrer Protagonisten, mal die Befürwortung von Folter, mal die platte Hetze gegen MigrantInnen, dürfen nicht kritiklos bleiben. Es gilt dem Reformismus gegenüber aber auch folgendes festzustellen: Mag der Kapitalismus sich auch noch so sozial gebärden, er ist und bleibt ein System, das immer auf entfremdeten Arbeitsverhältnissen, ungleicher Verteilung und irrationaler, weil von wenigen und nach Verwertungsinteressen bestimmter Produktion basiert. Wer also den alten Zeiten hinterher trauert und -rennt, hat nicht begriffen, dass ein paar Krümel Wohlstand längst nicht alles sind wofür es sich zu kämpfen lohnt und es obendrein bald schwerer ist der Kapitalistenklasse diese Krümel zu entreisen, als sie abzusetzen. Wer obendrein im bürgerlichen Staat eine neutrale Instanz sieht und denkt, erst einmal im Parlament angekommen, könne er von dort aus wirklich etwas ändern, sieht sich ganz schnell auf der anderen Seite der Barrikade wieder und verkommt vom Reformer zu einem Verwalter des kapitalistischen Systems.

Zugegeben, eine andere Gesellschaftsordnung scheint in endloser Ferne. Der Graben zwischen der offensichtlichen Destruktivität und Barbarei des Kapitalismus sowie den Möglichkeiten die seine Überwindung bieten würde und dem Bewusstsein derjenigen, deren Interesse es wäre eine andere Gesellschaftsordnung umzusetzen und deren Bereitschaft ernsthaft dafür einzustehen, war kaum jemals so groß wie heute. Kürzer formuliert: Der Widerspruch zwischen den objektiven Verhältnissen und dem subjektiven Bewusstsein des Großteils der Bevölkerung klafft schier unendlich weit auseinander.
Die bürgerliche Ideologie vom Kapitalismus als dem Ende der Geschichte ist, wenn nicht als Segen, so doch als vermeintlich unveränderbare Tatsache anscheinend unauslöschlich nach wie vor in den allergrößten Teilen der Bevölkerung präsent und reicht bis hinein in die Linke. Für die einen dient diese Sicht als Rechtfertigung ihres politischen Desinteresses, für andere dafür nur nach kleinen Verbesserungen im Rahmen des Systems zu streben, für die scheinbar Radikalsten der Bürger dazu, sich in, das Weltgeschehen kritisch begleitende, Theoriezirkel oder eine linke Subkultur zurückzuziehen.

Jahrzehnte des gutorganisierten Antikommunismus in der BRD, der vor fast genau 50 Jahren die KPD verbot und zerschlug, der mit direkten Kampagnen und stetigen unterschwelligen Artikeln, Fernsehsendungen und Zeitungsmeldungen alles was auch nur in Richtung Kommunismus deutet als das böse schlechthin erscheinen lässt, sind natürlich nicht ohne Folgen geblieben. So ist es weitgehend geglückt, die ersten geschichtlichen Versuche des Aufbaus einer kommunistischen Gesellschaftsordnung, etwa in der Sowjetunion oder in China, mit Horrorgeschichten gleichzusetzen. Die Ansätze, die nie über ein Anfangsstadium hinauskamen, die den Angriffen von außen und der alten herrschenden Klassen, sowie den Problemen der kaum entwickelten Produktivkräfte nicht standhielten und sich letztlich in (staats)kapitalistische Systeme regenerierten, sind heute für die meisten ausschließlich warnendes Beispiel dafür, dass der Kommunismus unmöglich wäre.
Dabei waren es diese Revolutionen, die nicht nur ohne weiteres sichtbare Verbesserungen mit sich brachten, die Beendigung des 1. Weltkriegs etwa durch die Oktoberrevolution, die Abschaffung des Feudalismus in China und das Ende der dortigen imperialistischen Besatzung durch Japan etc. Sie haben auch unzählige weitere Fortschritte mit sich gebracht: Es wurde die Gesundheitsversorgung und Bildungsmöglichkeiten für die gesamte Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit auf einen Stand gebracht, den manche kapitalistischen Staaten selbst heute noch nicht erreicht haben, es wurden - wohlgemerkt in Ländern die in diesen Punkten selbst für die damalige Zeit noch rückständig waren - Frauenrechte, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und soziale Rechte eingeführt, die auch heute, in einer nahezu komplett kapitalistisch geprägten Welt in vielen Staaten nicht existieren.
Aus diesen Ansätzen gilt es zu lernen und auf ihnen aufzubauen, was sicher nicht gleichbedeutend sein kann, mit ihrem kritiklosen Bejubeln oder ihrer Kopie. Nur die Beschäftigung mit ihnen, das kritisieren der Fehlentwicklungen ohne die guten Ansätze zu ignorieren und das aufbauen auf den gemachten Erfahrungen, ohne die Fehler zu verschweigen, kann der richtige Umgang sein.

Und nicht nur die historischen Versuche zeigen auf, dass eine andere Gesellschaftsordnung denk- und machbar sein kann. Der Kapitalismus selbst führt seine angebliche Alternativlosigkeit ad absurdum. Warum sollte die Kontrolle über die Produktion und alle gesellschaftlichen Bereiche einer Minderheit überlassen werden, die sie nur nach ihren Interessen organisiert. Den Hartz, Ackermann und Schröder die sich noch nicht einmal an ihre eigenen Gesetze halten, sondern mit Korruption und Vetternwirtschaft agieren. Was spricht dagegen, die Produktion unter Kontrolle derer zu stellen, die sie jeden Tag am Laufen halten, die die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen und damit als einzige auch die Interessen der gesamten Bevölkerung vertreten können. Warum sollte der geschaffene Reichtum nicht in Bildung, Gesundheitsvorsorge und bessere Arbeitsbedingungen, statt in Aufrüstung und Kriege investiert werden. Warum die Arbeit nicht so organisiert werden, dass nicht durch das Chaos des kapitalistischen Konkurrenzkampfes sinnlose Arbeiten anfallen, sondern nur die wirklich notwendige geleistet werden muss und diese unter allen gleich verteilt wird, ohne dass Millionen von Arbeitslosen davon ausgeschlossen werden, während andere Überstunden leisten müssen.
Wie kann letztlich ernsthaft behauptet werden, ein System, dass den sich täglich entwickelnden Fortschritt ausschließlich zum Wohl der Kapitalistenklasse verwendet und für diejenigen die die Mehrheit der Bevölkerung stellen und den gesamten Reichtum schaffen, die Lage immer schlechter werden lässt, wäre alternativlos?!

Das kapitalistische System birgt nicht nur die Widersprüche in sich, die seine Überwindung notwendig machen, sondern auch die die seine Überwindung möglich machen. Tatsächlich ist die Klasse der Lohnabhängigen, derer die kein Kapital (Produktionsmittel wie Fabriken, sowie Grundstücke etc.) besitzen, sondern täglich ihre Arbeitskraft verkaufen müssen die eigentlich mächtigste Klasse. Sie stellt nicht nur die absolute Mehrheit der Bevölkerung dar und schafft den gesamten Reichtum durch ihre Arbeit, sie hat auch die Möglichkeit die Kontrolle über die Produktion sowie die Verteilung und damit über die gesamte gesellschaftliche Organisierung zu übernehmen und so im Interesse aller umzugestalten.

Alles notwendige für eine wirkliche Umgestaltung der Verhältnisse ist konkret bisher in Ansätzen vorhanden: Gewerkschaftliche Gruppen die in den Betrieben tatsächlich die Interessen der Beschäftigten vertreten und sich weder von der Gewerkschaftsspitze noch von Unternehmerseite daran hintern lassen. Initiativen die Arbeitslose organisieren und für ihre Rechte eintreten. Organisierungen von Flüchtlingen, die gegen ihre staatliche Diskriminierung aktiv sind. Organisierungen gegen die faschistische Gefahr, gegen staatliche Repression, gegen Aufrüstung und Kriege, gegen Umweltzerstörung, weitere Verschlechterungen an Schulen und Universitäten, für die Rechte von Frauen, für linke und selbstverwaltete Freiräume und Medien, militante Gruppen usw. Jegliches organisieren, das unabhängig von staatlichen Institutionen stattfindet und Menschen zusammenbringt die selbst aktiv werden ist ein Schritt in die richtige Richtung und muss verteidigt und ausgebaut werden. Es müssen langfristig Strukturen entstehen, die die kapitalistischen Institutionen ersetzen und alle an den Entscheidungsprozessen teilhaben lassen.
Ebenso muss aber auch die politische Organisation geschaffen werden, die die einzelnen Kämpfe auf einen gemeinsamen Nenner bringt, die die politische Macht der Kapitalistenklasse zerschlägt und damit erst die Grundbedingungen einer befreiten Gesellschaftsordnung schafft. Diese Organisation muss die aktivsten Teile der Klasse der Lohnabhängigen zusammenführen, sie kann daher momentan - entsprechend der noch nicht sehr weit entwickelten Klassenkämpfe - nur in Ansätzen existieren. Sie wird sicher nicht aus einer der unzähligen kleinen Gruppierungen und Parteien, die sich als die "Avantgarde des Proletariats" proklamieren und dabei nicht über dogmatische Phrasen hinauskommen und selbst nicht wirklich Teil der Kämpfe sind, hervorgehen - diese können mit ihren Erfahrungen und ihrer Infrastruktur allerdings sicher vieles dazu beitragen. Die Schaffung dieser Organisation muss von allen Organisierungen und revolutionären AktivistInnen konkret diskutiert und vorangetrieben werden und auf den historischen und internationalen Erfahrungen aufbauen, ohne diese lediglich kopieren zu wollen.



Das Fazit

Eine Mobilisierung wie am 21.10. ist nicht das letzte Mittel das gegen die herrschende Politik in Anschlag zu bringen ist. Massendemonstrationen sind immer nur Gradmesser und höchstens der Beginn oder temporärer Höhepunkte eines - notwendigen - kontinuierlichen und auf allen Ebenen sowie mit verschiedenen Mitteln stattfindenden Kampfes gegen die Angriffe von Regierung und Kapital. Die nächsten Aktivitäten sind mit aller Entschlossenheit und Weitsicht zu organisieren - etwa wenn es darum geht die "Gesundheitsreform" durch große Mobilisierungen zu kippen, gegen Entlassungen und weitere Einschnitte in den Betrieben zu streiken, an den Schulen und Unis für das Recht auf freie Bildung zu kämpfen, symbolisch gegen die Gipfeltreffen der Herrschenden wie im Frühjahr 2007 gegen den G8 aktiv zu sein usw.
Damit der Widerstand überhaupt Kontinuität und Stärke entwickeln kann, müssen aber Strukturen und Organisierungen auf- und ausgebaut werden, die ihn breit verankern, die richtige Stoßrichtung geben und dafür sorgen, dass er nicht wieder zusammenbricht.
Diese zu schaffenden Strukturen und die Kämpfe dürfen sich letztlich nicht nur auf den Widerstand gegen weitere Verschlechterungen beschränken, sie müssen Teil eines Aufbauprozesses auf verschiedenen Ebenen hin zu einer befreiten, klassenlosen Gesellschaftsordnung sein.

Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.
Den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte. Für den Kommunismus.





Anhang: Es tut sich was…

Ein Blick in andere Teile der Welt zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen und Brecht`s Worte "das Sichere ist nicht sicher, so wie es ist bleibt es nicht" nach wie vor Gültigkeit haben. Die beiden unten stehenden Beispiele werden in der bürgerlichen Presse entweder verschwiegen oder falsch dargestellt. An dieser Stelle ist nur Platz für ein paar wenige Stichwörter, die den komplexen und wichtigen Prozessen sicher nicht gerecht werden können, aber zu einer weiteren Beschäftigung damit anregen sollen (mehr Infos dazu z.B. auf den auf der Rückseite angegebenen Internet-Adressen):

In Oaxaca, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates in Mexiko findet sein mehreren Wochen ein bemerkenswerter Volksaufstand statt: Nachdem dort die Streikposten eines Streiks der LehrerInnen für bessere Arbeitsbedingungen und soziale Veränderungen im Schulsystem von der Polizei geräumt wurden, wurde innerhalb kürzester Zeit der Großteil der Bevölkerung mobilisiert. Das geräumte Camp der Streikenden und die gesamte Innenstadt wurden in Straßenkämpfen zurückerobert und die Polizei vertrieben. Massendemonstrationen an denen sich bis zu zwei Drittel der gesamten Bevölkerung des Bundesstaates, mehrere Millionen Menschen, beteiligten fanden statt. Angriffe von Polizei, Militär und rechten bewaffneten Gruppen auf freie Radiostationen wurden mit der Besetzung fast sämtlicher staatlicher Rundfunkstationen beantwortet. Die Stadt wird von den Bewohnern, die hunderte Barrikaden errichteten, gegen den drohenden Angriff des Militärs geschützt. Der Gouverneur und sein Anhang mussten flüchten und können sich selbst mit bewaffneten Eskorten nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegen. Mehrere tausend Menschen haben sich mit einer Demonstration zu Fuß, unterwegs unterstützt von tausenden AktivistInnen auf den Weg nach Mexiko-Stadt begeben um dort ihre Forderungen mit der Regierung zu verhandeln und die Bevölkerung, gegen die Hetze in den Medien, von ihren Anliegen zu unterrichten. Hunderte sozialer Initiativen, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Stadtteilversammlungen etc. haben sich zusammengeschlossen um den Kampf und die verschiedenen gesellschaftlichen Belange zu organisieren.

In Venezuela ist ein anderer, aber sicher nicht weniger aufschlussreicher und unterstützenswerter Prozess im Gange: Seit der Wahl einer neuen Regierung aus linken und kommunistischen Parteien 1998 finden Stück für Stück weitreichende gesellschaftliche Veränderungen statt. Mit der Verdrängung der dortigen, durch Europa und die USA unterstützten herrschenden Klasse von der politischen Macht und den erfolgreichen Kämpfen gegen ihre Putschversuche, wird versucht die kapitalistische Verfasstheit der Gesellschaft zurückzudrängen und ein sozialistisches System aufzubauen. Die dortige Demokratie bietet der Bevölkerung weitreichendes Mitspracherecht, Basisinitiativen und verschiedenste soziale Projekte werden vom Staat unterstützt, Großgrundbesitzer enteignet und das Land an die Bevölkerung verteilt. Gesundheits- und Bildungswesen werden unter Beteiligung der Bevölkerung durch Befragungen und ihrem direkten Einbezug in die Planungen umstrukturiert. Während in der BRD etwa Studienfächer abgebaut und Studiengebühren erhoben werden, werden dort neue Studienfächer eingeführt und die Infrastruktur der Schulen und Unis ausgebaut sowie ärmeren Schichten über staatliche Stipendien der Zugang ermöglicht, während hier im Gesundheitswesen gekürzt wird, wird es dort zum Wohle aller ausgebaut. Außerdem werden in ersten Versuchen Fabriken unter die Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt, ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Energiegewinnung gefördert, der Handel mit anderen Ländern auf einer solidarischen Grundlage vorangetrieben etc. Dieser Prozess ist nur möglich, durch die Verdrängung der Kapitalistenklasse von der politischen Macht und ihrem zurückdrängen in Unternehmen und Institutionen, sowie dem gemeinsamen Agieren unzähliger kleinerer und größerer Organisierungen der Bevölkerung. Dabei wird dort auf die Behauptung verzichtet, der Sozialismus sei in Venezuela schon erreicht, stattdessen wird dies als langfristiges Ziel des Prozesses, der noch viele Hürden zu bewältigen hat angegeben.


Zu den Kämpfen in Mexiko, sowie der Situation in Venezuela wird es in den nächsten Wochen im Subversiv in Stuttgart mehrere Veranstaltungen geben. Mehr dazu unter: www.subversiv-stuttgart.de

Polizeibericht

___ 22.10.2006 - 20:16
Staatsanwaltschaft und Polizei geben bekannt:

Rund 200 Vermummte mischen sich unter Demonstration - Bankfiliale am Schlossplatz mit Brandsatz beworfen - 27 Personen vorläufig festgenommen

(Stand: 21.10.2006, 20.30 Uhr)

Stuttgart: Die Fassade einer Bankfiliale an der Königstraße ist am Samstag (21.10.2006) gegen 12.45 Uhr von Unbekannten mit einer schwarzen Flüssigkeit beworfen und in Brand gesetzt worden. Etwa zwei Stunden später, gegen 14.30 Uhr, bewarfen weitere Unbekannte die Fassade des SPD-Landesverbands Baden-Württemberg am Wilhelmsplatz ebenfalls mit der schwarzen Flüssigkeit. Zu einer Entzündung kam es nicht.
Im Verlauf des Nachmittags haben Polizeibeamte insgesamt 27 Verdächtige, darunter einen 14-Jährigen, vorläufig festgenommen. Die Ermittlungen dauern an.
Unter die in Stuttgart stattfindende Großdemonstration des DGB hatten sich offenbar Angehörige des linken autonomen Spektrums gemischt. Während des Aufzugs vermummten sich zwischen 200 und 250 Personen. Sie spalteten sich während des Aufzugs vom Marienplatz zum Schlossplatz kurzfristig ab, bevor sie dann gegen 12.40 Uhr nach Aufforderung die Vermummung ablegten und sich am Schlossplatz sammelten. Am Ende der Aufzugsstrecke wurde nach bisherigen Erkenntnissen aus dieser Gruppe heraus ein bengalisches Feuer gezündet und in Richtung eines Polizeibeamten geworfen. Der Beamte blieb unverletzt, der Werfer konnte festgenommen werden.
Um 12.47 Uhr meldeten Einsatzkräfte der Polizei, dass Unbekannte die Fassade einer Bankfiliale am Schlossplatz mit schwarzer Flüssigkeit beworfen und anschließend angezündet haben. Wie die vorläufigen Ermittlungen ergeben haben, dürfte die Flüssigkeit, mit hoher Wahrscheinlichkeit Bitumen, mit einem bengalischen Feuer entzündet worden sein. Die alarmierte Feuerwehr hatte das Feuer schnell unter Kontrolle. Verletzt wurde niemand. Im Bereich des Schlossplatzes nahmen Polizeibeamte 22 überwiegend junge und schwarz gekleidete Personen vorläufig fest. Ersten Einschätzungen zufolge sind rund 30 000 Euro Sachschaden entstanden.
Zu einem ähnlichen Vorfall kam es um 14.30 Uhr, als schwarz Bekleidete und mit Sturmhauben Maskierte die Fassade des SPD-Landesverbands am Wilhelmsplatz in der Innenstadt mit Flaschen, in denen sich ebenfalls schwarze Flüssigkeit befand, beworfen haben. Im Zuge einer sofort eingeleiteten Fahndung nahmen Polizeibeamte in einem Hinterhof in der Christophstraße fünf Tatverdächtige vorläufig fest.
Am Abend durchsuchten Einsatzkräfte ein Haus an der Benckendorffstraße in Stuttgart-Süd mit dem Ziel, Beweismittel zu finden. Sie entdeckten unter anderem einen Benzinkanister und zwei bengalische Feuer.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft derzeit, ob die Verdächtigen einem Haftrichter vorgeführt werden. Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, der schweren Brandstiftung, des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und gefährlicher Körperverletzung.
Von den 22 vorläufig Festgenommenen sind 14 männlichen und acht weiblichen Geschlechts. 18 sind Jugendliche.
Im Zusammenhang mit dem Geschehen am Wilhelmsplatz sucht die Polizei eine Zeugin, die sich mit einem roten Zwillingskinderwagen und einem Kleinkind in der Nähe der Wilhelmsstraße 10 aufgehalten hatte. Sie müsste die Tat beobachtet haben und von Teilen des Bitumens getroffen worden sein.

commerzbank

_-_-_-_-_- 22.10.2006 - 20:54
Den Actionfaktor in allen Ehren, aber ein Gebäude anzuzünden, überdem, wie es auf dem Bild den Anschein hat Wohnungen liegen, in denen wahrscheinlich Menschen wohnen halte ich für weder vermittelbar, noch sinnvoll, noch unterstützenswert, sogar eher verurteilenswert.
Naja, wenn der Brandsatz aber ehe nicht geeignet war, das Gebäude in Brand zu setzen, wäre dass verzeihbar. Wären aber Personenschäden von unbeteidigten, gar deren Tod möglich gewesen, lässt sich das nicht mehr unter berechtigter linker Militanz als Mittel der politischen Auseinandersetzung fassen.

Königstraße

König v.d. Straße 22.10.2006 - 21:36
Hallo,

das abgebildete Gebäude der Commerzbank in Stuttgart steht in einer Fußgängerzone, in der sich ausschließlich Geschäfts- und Bürogebäude befinden. Gefahren für Anwohner sollten somit nicht bestanden haben, weil es keine gibt.
Auch sehen die "Brandsätze"(?) nicht weiter gefährlich aus. Als symbolische Aktion finde ich das ganze sehr gelungen.

BFE war auch dabei

muss ausgefüllt werden 23.10.2006 - 18:48
Mindestens eine Einheit des BFE war ebenfalls mit von der Partie.

Also, so wie ich das beobachten konnte, entzündete sich das schwarze Zeugs an der Fassade der Commerzbank durch ein Bengalisches Feuer, das meiner Einschätzung nach unabsichtlich genau an die Stelle der Fassade flog, wo die Farbe schon war.

Danach gab's wieder die übliche Knüppelei der Cops. Was mich aufgeregt hat war, dass während der Festnahmen (als die Leute einzeln abgeführt wurden) und danach, als der Polizeitransporter (oberhalb der Treppe) weg fuhr, nur noch wenige Unterstützer/-innen da waren, was ein weiteres Vorgehen gegen die Festnahmen unmöglich machte.

Artikel

Punky 23.10.2006 - 19:59
Auf dieser Seite ist noch ein Bericht was mit den festgenommenen Leuten nach der Gewahrsamnahme passierte:
 http://meat-sucks.blogspot.com/2006/10/krasse-repression-in-stuttgart.html

weitere einschätzung aus stuttgart

tut nix zur sache 31.10.2006 - 10:29

Anmerkungen zur gewerkschaftlichen Großdemonstration und der Rolle des antikapitalistischen Blocks

text entnommen von: seltsamer-zusammenschluss.org

„Was wir momentan erleben, hat nun nichts mit “ausländischen Heuschrecken” die über unsere “soziale Marktwirtschaft” herfallen zu tun, wie uns Sozialdemokraten und ihre Gewerkschaftsführer vorgaukeln wollen. Die momentane Situation ist vielmehr geprägt von der Aufkündigung des Klassenkompromisses von Seiten des Kapitals.“

„Zumindest in Ansätzen nach vorne gerichtet ist die “echte Sozialdemokratie”, die mit WASG und Linkspartei nun einen anscheinend anderen Weg einschlagen will. Ihre Führung träumt dabei von der Rückkehr der “sozialen Marktwirtschaft” und einem Ende des “neoliberalen Raubtierkapitalismus”. Dazu kann vieles angemerkt werden. Zum einen der utopische Charakter des Hoffens auf die Rückkehr einer, nicht zufällig vergangenen, Phase des Kapitalismus.“

„Auch die stetigen reaktionären Ausfälle des Millionärs Lafontaine und anderer ihrer Protagonisten, mal die Befürwortung von Folter, mal die platte Hetze gegen MigrantInnen, dürfen nicht kritiklos bleiben.“

So ist es einen Flugblatt zu entnehmen, welches zur Beteiligung an der gewerkschaftlichen Großdemonstration am 21. Oktober aufruft. Gegenüber solchen, durchaus diskutablen Thesen war die Praxis des „antikapitalistischen Blocks“, zu dem der Aufruf mobilisierte, während jener Demonstration ernüchternd.

Es ist in der Tat wichtig festzustellen, dass das zunehmende Elend großer Teile der Bevölkerung keinen “Heuschrecken” anzulasten ist. Ebenso richtig ist es, die verheerende Rolle der Gewerkschaften in diesem Prozess aufzuzeigen und zu kritisieren. Die Mehrheit in einem Demonstrationszug einer gewerkschaftlich organisierten Demonstration wird mutmaßlich beeinflusst sein von solchen reaktionären Thesen, wie sie, firmierend als „neue Kapitalismuskritik“, zuletzt vermehrt aus Richtung der SPD, Gewerkschaften und WASG zu vernehmen sind.

In diesem Zusammenhang ist es auch und gerade in Hinblick auf den symbolischen Gehalt falsch, kommunistische Kritik anhand eines gegen eine Bank geschleuderten Brandsatzes zu artikulieren. Gerade das tödliche Ressentiment gegen den Zins und für die Ideologie der einfachen Warenproduktion, welches etwa bei Lafontaine allerlei Schnittmengen zum Islam erkennen lässt, findet seinen militanten Ausdruck in solch einer politischen Tat. Perfide Bilder, wie das der Heuschrecke oder dem (mit Zylinder versehenen) Insekt, welches deutsche Fabrikschlote aussaugt, sind unzertrennbar verwoben mit dem Feindbild des Finanzkapitals als parasitär-zerstörerischer Fremdkörper in einer emsig warenproduzierenden Ökonomie. Die Aktion wird beim Gros der Demonstrant_innen und ihren Wortführer_innen auf Ablehnung stoßen, nicht weil die Symbolik mit der Ideologie jener „neuen Kapitalismuskritik“ nicht harmonieren würde, sondern man stört sich dort schlicht an derartig spontanen unkanalisierten Eruptionen.

Zur Erläuterung ist an anderer Stelle zu lesen: „Die Commerzbank ist eines der Unternehmen, die trotz großer Gewinne Ausbildungsplätze streichen und steht daher symbolisch für die gängige Praxis der Unternehmen, die ihre Profite auf Kosten der Lohnabhängigen steigern.“.

Die Stellungnahme, die nahezu wörtlich der IG-Metall Zeitung oder vergleichbaren Organen entnommen sein könnte, illustriert plastisch den immanenten Charakter solcher Interventionen. Die Vernunft, welche im „Chaos des kapitalistischen Konkurrenzkampfes sinnlose Arbeiten anfallen“ sieht und der folglich jede praktizierte Banklehre als Vergeudung menschlichen Potentials zuwider sein muss, scheint in diesen Zeilen nicht zu wirken. Mutmaßlich sind sich die Verfasser_innen aber wohl doch darüber bewusst, dass das auch durch die Commerzbank wirkende Subjekt (das automatische namentlich) die Versorgung der Bevölkerung mit Lehrstellen nicht zu seinen Aufgaben zählt.

Wie das Argument, dass „Hartz, Ackermann und Schröder […] sich noch nicht einmal an ihre eigenen Gesetze halten, sondern mit Korruption und Vetternwirtschaft agieren“ bedeutet die Feststellung solcher Sachverhalte kein unmittelbares Argument für die Abschaffung des Kapitalismus, sondern eine Skandalisierung des Profanen, die sich anbiedert an die populäre Auffassung, der zufolge ein kapitalistisches Unternehmen ein moralisches Gewissen besitzen sollte oder der Grundwiderspruch der politischen Ökonomie in korrupten Eliten liegt. Agitationsversuche wie diese betreiben die Reproduktion von Ideologie, wie die der “ungerechten” Entlohnung, wobei doch gerade jene Ideologien unmittelbar und konsequent zu denunzieren im kommunistischen Sinne nahe läge.

Es fällt nicht leicht nachzuvollziehen, warum eine sich als kommunistisch verstehende Kritik statt dessen solche Anbiederung betreibt. Ein einfacher Grund könnte wohl darin liegen, dass der offensichtliche Makel jener Tendenzen von WASG und Linkspartei.PDS, welche sich allzu unverhohlen reaktionär äußern, apologetisch mit der Bezeichnung „reformistisch“ belegt wird, implizit also lediglich mangelnde Radikalität moniert wird. Wo schlicht altbekannte Thesen der konservativen Revolution artikuliert werden, wird entgegen jeder materialistischen Vernunft eine Anschlußstelle an kommunistische Kritik ausgemacht; ein Ort, von dem man zumindest Richtung Kommunismus abgeholt werden könne.

Zum anderen wird, da eine Gesellschaft jenseits von kapitalistischer Warenproduktion offenbar „in endloser Ferne scheint“, sich darauf verlegt, sich in der Errichtung des hierzu notwendig Klassenbewusstseins zu üben. Angesichts des manichäisch ins Jenseits verlegten Ziels und weil offenbar der „Widerspruch zwischen den objektiven Verhältnissen und dem subjektiven Bewusstsein des Großteils der Bevölkerung […] schier unendlich weit“ auseinander klaffe, gerät jenes geschichtsphilosophisch-deterministisch vorgeordnete Klassenbewusstsein letztlich zum Selbstzweck, zum Klassenfetisch.

Marx schreibt hierzu: „Die Arbeiterklasse ist revolutionär oder sie ist nichts.“ Das Denken, das in der Manifestation von Klassenkämpfen nicht ebenso die gewöhnliche Bewegungsform kapitalistischer Vergesellschaftung und die Kämpfe ihrer Charaktermasken sieht, ihren potentiell normativen Charakter also nicht wahrnimmt, sondern stets und unbedingt die Äußerung revolutionären Handelns erkennen will, ignoriert diese Feststellung. Es sitzt dem Fehlschluss auf, dass die Verwandlung von der strukturell-analytischen Bestimmung und Bewusstmachung der Klasse zur revolutionär handelnden Klasse notwendig stattfinden muss. Dass dem nicht so ist, sollte spätestens belegt sein durch das Beispiel der arbeitenden Klasse, die sich trotz allerlei Zugeständnissen an ihre Affinität zu Volk und Nation nicht kommunistisch vereinnahmen ließ und sich seiner selbst äußerst bewusst die Selbstauflösung in der Volksgemeinschaft betrieb.

Klassenbewusstsein im revolutionären Sinne wäre das Resultat einer Einsicht der eigenen Lage in den gegenwärtigen Produktionsverhältnissen und davon ausgehend die Erkenntnis über deren Unvernunft, statt der moralischen Empörung über den Makel ungleicher Distributionsverhältnisse, welche den Gesamtprozess der kapitalistischen Vergesellschaftung selbst nicht in Frage stellt. Revolutionärer Klassenkampf wird in solchen „antikapitalistischen Blöcken“ aber offensichtlich so verstanden, dass unter Zuhilfenahme von leicht bekömmlicher Demagogik und Empörung das verkümmerte Klassenbewusstsein erst aufgerichtet werden muss.

Bezüglich der Hoffnung, die Marx formulierte, mit der Herrschaft der Bourgeoisie seien die Menschen „endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen“ wirkt diese Praxis verklärend und in Hinblick auf die Konstituierung eines revolutionären Proletariats kontraproduktiv. Sich über die normative Funktion gesunden Klassenbewusstseins offenbar bewusst, hat dies zum Beispiel auch die Arbeitgeberseite anlässlich des tragischen Streiks im öffentlichen Dienst 2006 erkannt, als sie sich letztlich um die Bewahrung der kapitalistischen Verkehrsformen willen gezwungen sah, die völlige Blamage der Gewerkschaft selbst abzuwenden.

Häme wäre angesichts der möglicherweise bevorstehenden Repression unangebracht und bestenfalls infantil, trotz der hier formulierten Differenzen mit dem Spektrum des „antikapitalistischen Blocks“. Die ideologische Unsinnigkeit solcher Aktionen steht selbstverständlich nicht im Verhältnis zu den strafrechtlichen Konsequenzen, welche nun einigen teilweise noch sehr jungen Betroffenen drohen, sollten sie für den Brandsatz-Angriff verantwortlich gemacht werden; die Betroffenen sind in ihrer Abwendung jener Repression jedenfalls zu unterstützen.

Bezug nehmend auf:

http://revolutionaereaktionstuttgart.fasthoster.de/2006_10_21_stuttgart.htm
http://revolutionaereaktionstuttgart.fasthoster.de/2006_10_21_stuttgart_bilder.htm

(Zitate aus beiden Texten sind kursiv gekennzeichnet.)

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