Demokratie: An oder Aus?

Neemaschine 21.10.2006 17:58 Themen: Kultur Netactivism
Inzwischen haben auch in Deutschland 'Wahlmaschinen' Einzug gehalten. Es ist zu befürchten, dass sie aufgrund massiver Lobbyarbeit der Hersteller und der Sparwut der Politik, der eine angeblich günstige Wahl wichtiger zu sein scheint als die Korrektheit des Wahlergebnisses und der Fortbestand der letzten Reste demokratischer Grundlagen. Denn diese 'Wahlmaschinen' sind leider alles andere als sicher. So sind die Ergebnisse die sie ausspucken bei den meisten Geräten durch niemanden (auch nicht durch Wahlhelfer oder Gerichte) nachvollziehbar - eine Kontrollmöglichkeit fehlt also gänzlich - und über die in Deutschland bereits eingesetzten Geräte abgegebene Stimmen können auch noch aus mehreren Metern Entfernung ausgelesen werden. Aber das sind nur einige der vielen Probleme, die Wahlcomputer mit sich bringen und sie vollkommen untauglich für dieses Einsatzgebiet machen.

Bis 28.11.: Petition gegen Wahlcomputer | Petition gegen Wahlmaschinen unterstützen!

Wahlcomputer müssen sterben! | Funktionsweise von Wahlcomputern | Wir vertrauen Wahlcomputern nicht | Sicherheitsanalyse von Nedap Wahlcomputern (en) | Chaosradio: Wahlcomputer | Wahlcomputer müssen sterben | Automatisierte Wahlen | Wahlcomputer sind unsicher und gehören verboten
Update: Cottbus behindert Überprüfung der öffentlichen Wahl | CCC: Wahlbeobachtung in Cottbus
Was bisher geschah - Versuch einer Zusammenfassung

Prüfungen vollkommen unzureichend

Das Genehmigungsverfahren zum Einsatz neuer Gerätetypen bei Wahlen läuft bisher so ab, dass die Geräte bisher ausschließlich auf der Basis der Einschätzungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zum Einsatz zugelassen werden. Doch die ist ganz offensichtlich mit dieser Aufgabe überfordert - schließlich sind die dort überwiegend tätigen Ingenieure für die Beurteilung der Sicherheit von Software nicht der nicht hinreichend ausgebildet - und die ihr vorgelegten Prüfungskriterien sind ni großen Teilen ungeeignet die Manipulierbarkeit der Geräte zu überprüfen.

Es ist schon bezeichnend, dass die Geräte von den deutschen Behörden fast immer als 'Maschinen', nicht als 'Computer' bezeichnet werden, was sie de facto sind. Mit 'Maschinen' verbindet man heute in der Regel Anlagen, die einem fest definierten Zweck dienen und, wenn nicht umfangreiche manuelle Eingriffe erfolgen, nur diesem dienen können, nicht aber Systeme, deren Kernfunktionalität durch programmierbare Software gesteuert wird. Letzterer Klasse sind aber alle im einsatz befindlichen Wahlgeräte zuzurechnen.

Manipulation ist realisier- und finanzierbar

Eine Überprüfung der einzelnen bei Wahlen zum Einsatz kommenden Geräte erfolgt nicht. Damit sind der Manipulation solcher Geräte Tür und Tor geöffnet. Einer der in Deutschland bereits eingesetzten Wahlcomputer der Firma Nedap, die auch in den Niederlanden eingesetzt werden, wurde durch einen niederländischen IT-Spezialisten kürzlich innerhalb von wenigen Minuten (etwa solange wie eine Wahlabgabe in einer der sichtgeschützten Wahlkabinen dauert) in ein Schachgerät umgewandelt. Alles was er dazu tun musste, war das Gehäuse an einer Seite aufzuschrauben und zwei Chips durch zuvor von ihm präparierte, in der Hosentasche unauffällig transportierbare, Chips auszutauschen. Die Manipulation des Geräts war anschließend von außen nicht ersichtlich. Statt eines Schachprogramms hätte natürlich auch einfach eine manipulierte Version der derzeit verwendeten Wahlsoftware installiert werden können, die eine veränderte Auszählung der Stimmen ermöglicht.

Die Produktion derart manipulierter Chips in großen Stückzahlen ist mit durchaus erträglichem finanziellem Aufwand verbunden. Der Austausch der Chips in den Wahlgeräten selbst kann ebenso durch Laien erfolgen. Einer Manipulation von Wahlergebnissen, die mangels Kontrollmöglichkeiten nicht entdeckt werden kann, ist damit Tür und Tor geöffnet.

'Wahlmaschinen' ermöglichen Wahlfälschungen im großen Stil

Die derzeit erhältlichen Wahlcomputer sind leider allesamt nicht ausreichend genug gegen Missbrauch abgesichert, um damit Wahlen durchzuführen zu können. Leider existieren bisher auch keine von staatlicher Seite vorgegebenen Spezifikationen, die eine ausreichende Sicherung aller Komponenten solcher Geräte erzwingt. Deswegen ist es unbedingt notwendig, dass die Politik den Einsatz solcher Computer umgehend untersagt, bis eine Lösung gefunden ist, die die Manipulierbarkeit solcher Geräte generell auszuschließen in der Lage ist - falls eine solche überhaupt existiert.

Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass Wahlcomputer von profitorientiert arbeitenden Unternehmen hergestellt werden, deren Ziel es natürlicherweise ist, ihre Umsätze zu steigern. Wie wir alle wissen, nimmt das leider nicht selten auch moralisch verwerfliche und mitunter auch illegale Züge an. Es steht also zu befürchten, dass eines Tages auch einer der Hersteller von Wahlcomputern, die zur Zeit (wie oben erwähnt) die einzigen sind, die zumindest bis zum Zeitpunkt der Auslieferung die Kontrolle über alle im Einsatz befindlichen Geräte haben, der Profitgier erliegt und im Auftrag entsprechender Interessensgruppen seine Geräte mit einer Hintertür ausstattet, die nur denen, die diese kennen, eine Manipulation der Ergebnisse erlaubt.

Wahlcomputer sind deshalb auf dem aktuellen Stand und unter den aktuellen Rahmenbedingungen generell nicht einsetzbar. Leider scheint der Politik das noch nicht vollkommen bewusst zu sein. Lobbyisten bemühen sich schon jetzt, die massenhaften Schwächen der Geräte und des Systems an sich herunterzuspielen und die Politik vom weiteren und ausgeweiteten Einsatz der Geräte zu überzeugen. Das darf nicht passieren, zumindest wenn dieser Staat eine Demokratie oder ohne vorheriges vollständiges Scheitern irgendwann wieder werden soll (ob das mögich ist, sei hier mal dahingestellt).

Flächendeckenden Einsatz verhindern

Eine entsprechende Petition soll deshalb demnächst in den Bundestag eingebracht werden und kann von jedem/r Wahlberechtigter/m unterzeichnet werden. Warum diese Petition nicht über dem Server bundestag.de liegt, wird auf einer eigenen Seite erlärt.

Petitionen sind natürlich nur eine von vielen möglichen Wegen zu verhindern, dass die massenhafte Fälschung von Wahlen in Deutschland in Zukunft ermöglicht wird. Viele andere Wege sind möglich und teilweise sicherlich erfolgreicher als die Hoffnung auf die Gutmütigkeit der Politik. Beteiligt Euch also an Aktionen, Offline- und Online-Demos, unterstützt die Computerkids dabei, richtige Demos auf die Beine zu stellen und erklärt Ihnen wie man Kommerzmedienwirkung erzielt ohne seine Ziele und Überzeugungen aus dem Auge zu verlieren und zu verraten.


Weitere Informationen zum Thema:

Chaos Computer Club (CCC) Berlin: Hintergrundinformationen zu Wahlcomputern

Niederländisches Bündnis "Wir vertrauen Wahlcomputern nicht" zum Nedap-Wahlcomputer

Interview von netzpolitik.de mit Andreas Bogk vom Chaos Computer Club (CCC).

Thema "Wahlcomputer müssen sterben!" auf de.indymedia.org

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Ergänzungen

Sparwut? - Eher das Gegenteil

Anm. 21.10.2006 - 18:18
Der Einsatz der Wahlmaschinen ist wesentlich teurer, als das herkömmliche Wahlverfahren. Die Kosten allein für den Erwerb liegen bei 270.000 Euro. Pro Gerät pro Wahl kommen noch mal Kosten für Gerätebeschriftung (13-16 Euro) dazu, und pro Jahr pro Gerät für einen Wartungsvertrag (für Softwareupdate) 5 Euro pro Stimmbezirk.
Posten "II-025/06": "Erwerb von 74 elektronischen Wahlgeräten"
 http://cottbus.avc-online.de/abfrage/senator/index.pl?G_CONTEXT=_xvMgaTNxNLMDNydS7RqFw&G_ID=0:Vorlage:2431
Dem gegenüber stehen z.B. 2000 Euro Druckkosten für Wahlzettel.

Den Wunsch auf künftig kontrollier- und korrigierbare Wahlergebnisse um die Macht zu sichern ist der Politik also ein bischen was wert. Sparwut kann ich hierbei nicht erkennen.

Bis auf diesen einen Punkt ist das aber ein guter Beitrag!

Wahl nicht überprüfbar

hs 21.10.2006 - 22:20

Nicht nur, dass der Normalwähler die Korrektheit der Wahl nicht selbst prüfen kann und sich auf das Urteil der PTB verlassen muss, er darf noch nicht mal seine verbliebenen Kontrollrechte wahrnehmen.

Versuche, die Bürgermeisterwahl in Cottbus, bei der ausschließlich mittels Wahlcomputern abgestimmt wird, transparenter zu machen, wurden aktiv von der Verwaltung behindert:

Cottbus behindert Überprüfung der öffentlichen Wahl

Vertriebsfirma: Wahlcomputer nie sicher

wus 23.10.2006 - 01:43
Für den deutschen Vertriebspartner HSG Wahlsysteme schreibt Geschäftsführer Herbert Schulze Geiping in einer Pressemitteilung: "Es wird nie ein Wahlgerät geben, das für sich allein manipulationssicher ist." Der Frankfurter Rundschau sagte er: "Verschlüsselungen, die heute als sicher gelten, sind in zwei Jahren wieder geknackt."
 http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/multimedia/aktuell/?em_cnt=993212

Technik und politische Mitbestimmung

G.W. 23.10.2006 - 17:33
Den Punkt im Artikel, wo der Autor darauf hinweist, dass die produzierenden Firmen sich mit Interessengruppen verbinden könnten, halte ich in letzter Konsequenz für überzogen. Da computerisierte Abläufe und ihre Programme von findigen Leuten und Hackern sehr schnell ausgekundschaftet und durchschaut werden, ist eine baldige Aufdeckung des Betrugs wahrscheinlicher als eine rasche Übernahme der Regierung/Herrschaft. Unruhen könnten aber die Folge sein.
Dazu muss man bedenken, dass im Vorfeld der Wahlen von unabhängigen Wahlinstituten Umfragen erhoben und Prognosen gestellt werden. Eine drastische Abweichung fiele sicherlich auf. Wie ist es bei nahezu gleichgewichtigen Entscheidungen/gewählten Parteien?

Bedacht werden sollte auch, dass hier wieder mit einem Gut-Böse-Schema operiert wird. Beim Hacken von Nazi-Seiten stehen die Manipulationen auf der Sympathie-Liste weit oben, bei einem Angriff auf die bisherigen demokratischen Wahlverfahren scheut man sich. Verteidigen wir die Errungenschaften der politischen Mitbestimmung!
Unterhalten wir uns über den Status der Demokratie? Inwieweit gehen wir vorwärts auf dem Weg zur allgemeinen politischen Freiheit?
Dürfen Manipulationen an Wahlcomputern als Aktionsform gegen die Herrschaft verwendet werden?
Eine Diskussion über den Unsinn von diesen Geräten muss meiner Ansicht nach eher bei der Alltagsfunktion von Politik ansetzen. Schließlich ist die Mithilfe bei Wahlen/Auszählungen der Zeitraum, wo auch parteiferne Menschen sich einmal praktisch an politischen Prozessen beteiligen können. Wenn Computer diese Arbeit ersetzen, rückt die aktuell sowieso schon alltagsfremde Politik noch in größere Entfernung. Könnte die Folge eine größere Ignoranz gegenüber den politischen Verhältnissen, Entwicklungen und Bestimmungen sein? Werden wir dann ohnmächtiger gegenüber den Wirkungen, den Anordnungen?


Petition gegen Wahlmaschinen

Psy 23.10.2006 - 21:44

Quellcode von US-Wahlmaschinen im Umlauf

muss ausgefüllt werden 24.10.2006 - 09:26
Meldung von heise online vom 23.10.06, 19:44:

heise online

Link zur heise online-Meldung vergessen

muss ausgefüllt werden 24.10.2006 - 10:00

Spass mit Wahlcomputern

netzpolitik.org 25.01.2007 - 17:26
Einfach Schlüssel nachbauen

Lustig und erschreckend zugleich. Die US-Firma Diebold, bekannt durch ihre Wahlcomputer, hat mal wieder ein kleines Sicherheitsproblem. Und zwar hatte man Bilder des einzigen Schlüssels, der anscheinend alle Wahlcomputer der Firma öffnen kann (!) auf der eigenen Webseite präsentiert. Die hat jemand genommen und anhand des Bildes einfach mal den Schlüssel nachgebaut. Was anscheinend erfolgreich war. [...]

netzpolitik.org

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Nichwähler — Hans

Alle Tage Sabotage! — Saboteur