EU Richtlinie für Monsanto & co

Sebastian Kirchner 14.10.2006 23:57 Themen: Biopolitik Globalisierung Kultur Netactivism Repression Weltweit
Saatgutdissidenten müssen EU-Gefängnisstrafen fürchten. Monsanto, den Saatgut-Konzern, strebt auch auf den europäischen Markt eine Monopolstellung an. Die EU-Kommissar Frattini hat eine Richtlinie vorgelegt, die es Monsanto erlauben wird sich gegen europäische Bauern mit dem Strafrecht durchzusetzen. Empfindlichen Gefängnisstrafen für "Saatgutpiraten" und weitere Sanktionen sind vorgesehen. Derzeit berät der Rechts- und der Industrieausschuss des Europaparlamentes den Vorschlag. Strafrechtsexperten sind gar nicht "amused".
Im Jahr 1998 fanden von Monsanto-Ermittler auf den Feldern des Kanadier Percy Schmeiser Raps der Marke "Roundup Ready", auf den Monsanto ein Patent hält. Saatgutdissident Schmeisser betonte, dass er nie Saatgut des Konzerns gesät hat. Vielmehr seien seine Felder durch Pollenflug kontaminiert worden mit den Unkrautvernichtungs-Genen des Konzern. Es entspann sich ein Kampf David gegen Goliath, den Percy Schmeisser vor dem höchsten Zivilgerichtshof verlor. Zahlen musste er aber nicht. Internationale Beobachter waren empört über Monsanto, so z.B. Greenpeace: "Ohne die Kontamination verhindern zu können, sollen Bauern plötzlich Gebühren für Gen-Pflanzen bezahlen, die sie nie auf ihren Äckern haben wollten.".

Greenpeace-Patentexperte Christoph Then erläuterte dem Netzmagazin Telepolis die besondere Problematik der Saatgutkonzentration"[Saatgutpatente ermöglichen] Zugriff auf die Besitzrechte, und damit Monopolstellungen, die in diesem Umfang bislang nicht vorstellbar waren. In Deutschland und Europa gibt es noch mittelständische Züchtungen und damit Austausch und Konkurrenz. Aber international ist alles aufgekauft, und dieses Schicksal droht auch den europäischen Züchtern."

Soll es nach dem EU-Kommissar Frattini gehen, dann werden demnächst alle Landwirte, die das geistige Eigentum von Agrarkonzernen verletzen, als Kriminelle verfolgt. In Kanada musste Monsanto noch zu dem Zivilrecht gegen Percy Schmeisser greifen, was auch in Europa bei Rechtsverletzungen üblich ist. Mit der neuen Richtlinie greift nun aber Strafrecht in ganz Europa bei "Verletzungen des Geistigen Eigentums". Das ist praktisch für die Konzerne, weil der Staat die Kosten des Verfahren trägt und das Abschreckungs- und Einschüchterungspotenzial erheblich höher ist, wenn Gefängnisstrafen anstehen. "Rechtsverletzer" werden zu Kriminellen.

Die Richtlinie sieht sogar vor, dass Vertreter von Saatgutkonzernen gemeinsam mit den Strafverfolgern in sogenannten "Gemeinsamen Ermittlungsgruppen" gegen Bauern vorgehen, die im Verdacht stehen Patente und Pflanzenvielfaltsrechte eines Konzerns zu verletzen. Das ist eine für die Strafverfolgung sehr ungewöhnliche Praxis.

Die Vorlage der Kommission drückt die besondere Sorge von Gesundheitsgefährdungen durch ungeschütztes Saatgut aus. Im Falle des Auftretens von gesundheitlichen Schädigungen soll das Strafmaß der rechtsverletzenden Landwirte noch erweitert werden. In der Praxis könnte sich die IPRED2 möglicherweise zum Bumerang für die Konzerne entwickeln. Durch Gensaat der Konzerne fühlen sich viele Bürger bedroht..

Nicht allen ist das Vorgehen der Kommission geheuer. Der IP-Spezialist Tom Vinje von Clifford Chance etwa beklagte sich in Brüssel, dass die Kommission für die Richtlinie nur eine Seite zur Rechtfertigung vorgelegt hat, auf der stehe, dass Produktfälschung und Piraterie ein Problem seien. Ganz ähnlich ein anerkannter Fachmann vom Max-Planck-Institut: Reto Hilty hielt von dem ganzen Projekt einer Richtlinie wenig. Im rechtswissenschaftlichen Fachblatt GRUR International riss er den IPRED2-Entwurf der Kommission in Fetzen.

Obwohl ein Strafverfahren die meisten Landwirte ohnehin den Betrieb kosten würde, sieht die Richtlinie sogar vor, dass das gesamte Vermögen beschlagnahmt werden kann, und die Ernte vernichtet wird. Das wird in Deutschland schwerlich grundgesetzkonform sein.

Was das Europäische Parlament mit dem Vorschlag machen wird ist sehr unsicher. Im Industrieausschuss feilt schreibt der eurogrüne Spanier Hammerstein am Bericht für seie Ausschusskollegen. Im Rechtsausschuss (JURI) liegt die Richtlinie in den Händen des Italieners Zingaretti. Lobbyisten der Agrarkonzerne umschwärmen die Abgeordneten des Ausschusses. Gegenwind gegen Agro und Pharma kommt von der ICT-Industrie, die geschlossen gegen die IPRED2-Richtlinie eingestellt ist. In der nächsten Woche wird eine Abstimmung in den beiden Ausschüssen erwartet.

Percy Schmeisser ist in Kanada mit einem blauen Auge davon gekommen. Ob sich jetzt die europäischen Bauern gegen die Saatgutkonzerne durchsetzen, hängt von der Fähigkeit der betroffenen Landwirte ab eine druckvolle Opposition gegen die Saatgutlobbyisten im europäischen Parlament aufzubauen.


Richtlinienentwurf ("IPRED2") von der EU-Kommission: "Richtlinie ... über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, KOM(2006) 168"
 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0168de01.pdf

Wer im Rechtsausschuss verantwortlich ist:
 http://www.europarl.europa.eu/activities/expert/committees/allMembers.do?committee=1247&language=DE

Wer im Industrieausschuss verantwortlich ist:
 http://www.europarl.europa.eu/activities/expert/committees/allMembers.do?committee=1240&language=DE
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