OAXACA: Ultimatum / TABASCO: Folter

homebase 14.10.2006 19:56 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Oaxaca:
- Ultimatum an die LehrerInnen
- Überlegungen zur Entsendung von Bundespolizei
- Angebote an die LehrerInnen
Tabasco:
- Repression vor den Wahlen
- Folterung von PRD-Wahlkämpfern
- Stelungnahmen zur gespannten Lage in Mexico
OAXACA: Ultimatum an die LehrerInnen

Das föderale Innenministerium (Secretaría de Gobernación) hat den LehrerInnen aus Oaxaca ein Ultimatum gestellt: am Montag müsse der Lehrbetrieb wiederaufgenommen werden, sonst ziehe man die Zugeständnisse wieder zurück und werde zu "anderen Mitteln" greifen.

Dieses Ultimatum erging, nachem die föderale Regierung die Entscheidung der Sektion 22 der BildungsarbeiterInnengewerkschaft vom Mittwoch zur Kenntnis genommen hatte: diese hatte sich mit 371 zu 296 Stimmen dafür entschieden, erst nach der Entscheidung des föderalen Senats über die "Unregierbarkeit" (Desaparición de poderes) in Oaxaca Stellung zu den Vorschlägen der Regierung zu nehmen.
Die Sektion 22 zeigte sich gepalten zwischen denen, die den Unterricht wiederaufnehmen und parallel dazu den Kampf der APPO gegen den Gouverneur Ruiz zu unterstützen und denen, die nicht in die Klassen zurückkehren wollen.Auch deshalb zeigte sich der stellvertretende Innenminister Arturo Chávez Chávez zuversichtlich, bis zum Ende der Wohe eine positive Antwort zu bekommen: der Deal sei schon gemacht.
Aufgrund der andauernd gespannten Situation mit den Gewalttätigkeiten vom Mittwoch denke man zunehmend über das Thema der "Gewalt der Ordnung" (so wörtlich: "la fuerza del orden") nach, da der beklagenswerte Zustand schon so lange andauere. Die Anwendung von Gewalt sei "das letzte Mittel der Politik." Dann könne man sich wieder zusammensetzen und über die (Sozial-)Leistungen verhandeln, die auf dem Tisch lägen.

Unterdessen ist bekannt geworden, dass die föderale Regierung angeboten hat, Bundespolizei zur "Wiederherstellung der Ornung" nach Oaxaca zu entsenden, sobald ein Pakt für die Regierbarkeit geschlossen würde, desen Kern eine "integrale Reform des Staates" (von Oaxaca) sein soll. Die APPO schlug vor, ein föderaler Funktionär im Range eines stellvertretenden Ministers solle den Oberbefehl über alle Polizeikräfte in Oaxaca übernehmen.

Vor der Pause für die Lehrer, um eine kurze Antwort zu formulieren, stellte der stellv. Minister Chávez klar, dass "andere Alternativen danach entschieden werden". Jedenfalls müsse eine grundlegende Lösung auf dem Weg des Dialogs und des Einverständnisses erreicht werden.
"Den Einsatz von Gewalt haben wir niemals als Resultat des Scheiterns von Verhandlungen gesehen. Wir sehen ihn als ein Mittel, vielleicht das letzte Mittel der Politik, aber ohne Zweifel ist er etwas, das wir immer erwogen haben", sagte Chávez.

Der Vorschlag an die LehrerInnen

Das Innenministerium verspricht, die 17 Punkte der Petition zu bearbeiten, mit der vor 147 Tagen der Konflikt begonnen hat. Das vorgeschlagene Volumen für die Angleichung der Bezüge im ganzen Land (Mexiko) liegt bei wenig mehr als 41 Milliarden Pesos (etwa 3 Mrd. Euro) und soll in den nächsten sechs Jahren verteilt werden. Für Oaxaca, wo es etwa 70.000 BildungsarbeiterInnen gibt,
bedeutet das bis Ende des Jahres etwa 175 Millionen Pesos (12,5 Mio. Euro) zusätzlich zu dem, was in den Verhandlungen vom Mai erreicht worden war. Der Vorschlag beeinhaltet die wirtschaftl. Unabhängigkeit der Sektion 22 (Oaxaca) von der nationalen Bildungsgewerkschaft SNTE, der die Sektion 22 nach eigenen ANgaben bisher etwa 2,1 Mio. Pesos (150.000 Euro) bezahlt, aber nur 10% davon zurückerhalten hat. Die Forderung der LehrerInnen nach 500 zusätzlichen Stellen für Hilfe in der Bildung in Oaxaca soll erfüllt werden, ebenso andere Forderungen. Außerdem soll es Schulbauten, bessere AUsstattung, Instandhaltungen, 10% mehr Geld für das Zentrum für die Entwicklung der Bildung, Stipendien für SchülerInnen aus marginalisierten Gegenden, Gratis-Schuluniformen, Schulmaterialpakete usw. geben.


TABASCO
Festnahmen und Folterungen in Tabasco

Vor den am kommenden Sonntag anstehenden Bürgermeister- und Gouverneurswahlen im Bundesstaat Tabasco verschärft sich die Repression der regierenden PRI-Administration gegen die KandidatInnen des PRD (Partido de la Revolution Democratico, Demokratische Partei der Revolution). Am frühen Morgen des 13.10. präsentierte der Sicherheitsminister von Tabasco ein offensichtlich bearbeitetes Video, in dem sich PRD-Wahlkämpfer zu ihrem Auftrag der "Destabilisierung der Wahlen" und dem geplanten "Verbrennen von Wahlurnen" bekennen. "Wir sind hierher nach Tabasco gekommen, um die Wahlen des Gouverneurs und der Bürgermeister zu destabilisieren", sagt Raudal Mitre Ayala, einer der insgesamt acht Verhafteten (davon sechs PRD-Leute) wörtlich im Video, zwei andere wiederholen die gleichen Phrasen.
Raudal Mitre Ayala ist stellvertretender PRD-Abgeordneter im föderalen Parlament. Er hatte gegenüber PRD-Mitgliedern, die ihn im Gefängnis besuchten, angegeben, gefoltert und erniedrigt worden zu sein. Zivilpolizisten hätten ihn für 48 Stunden gefesselt, mit einer Kapuze über dem Kopf und ohne Essen und trinken festgehalten und damit gedroht, ihm einzeln die Zehen abzuschneiden, bis er dem oben genannten entsprechende Aussgaen gemacht hätte. Sowohl die Festnahme sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt als auch das "Geständnis" auf dem Video ohne das Beisein eines Anwalts, was die verfassungsmäßigen Rechte der Gefangenen verletzt.
Der ebenfalls festgenommene Untersekretär des bundesweiten Exekutivkommitees des PRD, Lucano Herrera Ochoa, taucht nicht auf dem Video auf. Er sei einer der am schlimmsten verprügelten, so habe sich eine Netzhaut von seinem Auge gelöst. Die Festnahme der nationalen Kader des PRD soll wohl dem Ziel der PRI-Regierung dienen, eine landesweite Kampagne des PRD zur gewalttätigen Provokation glaubhaft zu machen.
Offiziellen Angaben zufolge wurden die acht Männer in der nacht zum Donnerstag (auf einen anonymen Hinweis hin) festgenommen, sie sollen "verbotene Objekte" wie Stoßwaffen (Messer o.ä.) sowie Luftdruckwaffen ("armas de diabolo"), einige davon mit dem Kaliber 9 mm (was nicht gerade besonders viel ist, d.Ü.) mitgeführt haben. Außerdem sollen sie Kartons, einen Bildschirm, einen CPU-Prozessor, Toner, einen Drucker, eine Tastatur sowie "Proapaganda einer politischen Partei" mitgeführt haben. Die Aussagen der drie Männer auf dem Video sollen nach offiziellen ANgaben freiwillig gemacht worden sein. Die Männer sollen außerdem überheblich reagiert und versucht haben, die Polizisten anzugreifen; der Verletzte, Lucano Herrera Ochoa, soll vershentlich gestolpert und deswegen geschlagen worden sein, so die amtliche Version. Auf Reporterfragen gab es keine Antwort.

Erst am Nachmittag konnten PRD-Abgeordnete die Verhafteten besuchen; diese zerschmetterten die offizielle Version des Vorfalls. Durch die stundenlange Folter hätten sie die ihnen aufgezwungenen Lügen erzählen müssen. Die Leute, die sie gefangenegenommen hätten, hätten sich nicht einmal als Polizisten zu erkennen gegeben, sondern die Männer in dem Glauben gelassen, entführt worden zu sein. Zuerst sei Lucano Herrera weggebracht worden, man habe nicht aufgehört, ihn zu schlagen, Schmerzensschreie und die Geräusche von Scheren seien zu hören gewesen. Später gaben die Polizisten gegenüber den anderen an, sie hätten Herrara die Zehen abgeschnitten und den anderen das gleiche angedroht, in Wirklichkeit hatten sie ihm jedoch zur Provokation der Schmerzensschreie in die Hoden getreten. So sei es dann weitergeangen. So seien die Geständnisse erpresst worden. Ein Emissär der nationalen Kommision für Menschenrechte wird zur Unteruschung der Vorfälle erwartet.

Reaktionen der Parteien:
PRD spricht von "großem Risiko für einen ernsthaften Konflikt", sollten die Angriffe in Tabasco weitergehen

Auch in den vergangenen Tagen gab es schon mehrere Vorfälle ähnlicher Art. Der PRD reklamierte, im Bundesstaat Tabasco herrsche ein Klima der der Gewalttätigkeit, geschürt durch die "Kampagne der Angst" des PRI-Gouverneurs Andrade. Dieser solle seine Finger aus den Wahlangelegenheiten lassen.
Im Gegenzug klassifizierte der PRI die PRD-Anschuldigungen als verzweifelte Manöver, der PRD solle lieber seine kommende Wahlniederlage akzeptieren.
Emilio Ulloa, ein föderaler Abgeordneter, der sich am Wahlkampf in Tabasco für den PRD beteiligt, dementierte alle gewaltsamen Bestrebungen seiner Partei. Die Waffen, die angeblich bei festgenommenen PRD-Wahlkämpfern gefunden wurden, seien von der Polizei untergeschoben worden. Dies sei eine Anordnung des PRI-Gouverneurs Andrade im Angesicht des wachsenden Wählerpotentials des PRD, vor dem Andrade sich fürchte. Ulloa wünscht eine Erklärung der föderalen Regierung, damit die Situation der politischen Anspannung nicht in Gewalt umschlage. Ohne Zweifel seien die Taten vom Vortag Teil einer "Strategie der Angst", um die Wahlen zu erschweren. Auch andere PRD-Leute äußerten sich ähnlich.
Enrique Benitez, der Fraktionssprecher des PRI, erklärte rechtmäßige Wahlen zum Ziel seiner Partei. Die Vorkomnisse seien ein Zeichen der Verweiflung des PRD-Chefs Obrador, der sich zudem als ein Element der Destabilisierung und Gewalt gezeigt habe. Der PRI werde gewinnen, und wenn der Prozess der Wahl nicht am Sonntag vorbei sei, sei seine Partei auf eine Auseinandersetzung vor den gerichten vorbereitet.
Auch die Partei Convergencia und deren Bündnis "Por el Bien de Todos" (Für das Wohl aller) forderte Andrade auf, sich nicht weiter in die Wahlen einzumischen. Für Andrade verdünne sich die Luft, er wisse, dass die Menschen in Tabasco sich bereits für eine andere Richtung entschieden hätten. Wenn Andrade so weitermache, würde er Tabasco in Brand setzen; denn weder der PRD noch die Convergencia noch der PT (Partido del Trabajo, Partei der Arbeit) würden gewaltsam agieren. Auch die Bevölkerung wisse, dass damit einzig versucht werde, Manuel Lopez Obrador zu schaden.
Die PT beschudigte PRI und PAN, alles zu versuchen, um einen Sieg des PRD-Kandidaten César Raúl Ojeda Zubieta zu verhindern. Sie seien nervös, weil ihre Wahlbetrugsmöglichkeiten begrenzt seien, deshalb würden sie versuchen, auf diese weise die Wahl zu manipulieren. Die Situation in Mexiko sei instabil, weil die polit. Kräfte sich nicht an die Spielregeln der Demokratie und des Rechtsstaats hielten, sondern manipulierten. Der Beweis sei der 2. Juli gewesen, und wenn man dazurechne, dass das oberste Wahlgericht die Erklärung über das Ergebnis der Wahl in Chiapas zurückhalte, sei man in einer Situation der Instabilität, die Mexiko durchaus innerhalb der nächsten Tage in einen ernsten Konflikt führen könne.

Aufgeheizte Stimmung:

In der Öffentlichkeit herrscht sehr aufgeheizte Stimmung. Insbesondere der PRD-Chef Andrés Manuel Lopez Obrador wird extrem angeriffen und beschimpft.
Die meisten tabascenischen Zeitungen bringen denn auch Artikel über die Verhaftungen der PRD-Leute mit Überschriften wie "PRDistische Agitatoren geschnappt", "PRD-Wühler verhaftet", "Rückschalg für den Destabilisieungsplan" und Bilderklärungen wie "Schaut euch die Fratzen der Verbrecher an! Sie alle und noch viele mehr wollen die ordentlichen Wahlen destabilisieren - auf direkten Befehl Lopez Obradors!". Sowohl hinsichtlich der Propagandamethoden als auch der Einschüchterung und Folter fühlen sich PRD-Leute an die 70er erinnert. "Die Lynch-Stimmung gegen den PRD wächst", titelt denn auch "La Jornada".
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Ergänzungen

aktuell

ebenso 15.10.2006 - 03:49
Oaxaca: Schüsse: ein Mann lebensgefährlich verletzt

Am frühen Morgen des Samstags, 14.10., gegen drei Uhr morgens feuerten mutmaßliche Militärs mehrere Schüsse auf Menschen an einer Barrikade in Oaxaca ab. Der 41jährige Alejandro García Hernández wurde in den Kopf getroffen, ein 19jähriger erlitt beim Versuch der Bergung des Getroffenen einen Schuss in die Schulter.
Garcia Hernández befindet sich nach Aussage des behandelnden Arztes in sehr schlechter Verfassung: er beschreibt "eine Verletzung durch eine Kugel im Schädel ohne Austrittswunde. Seine Verfassung ist schlecht und er befindet sich in Lebensgefahr, wir wollen nicht vorgreifen, aber sein Zustand läßt sehr schlimmes erwarten." Der 19jährige Verletzte war bereits wieder entlassen worden.
Die mutmaßlichen Militärangehörigen waren gegen drei Uhr morgens aus einer Kantine etwa 50 Meter von der Barrikade gekommen, in einem Pick-Up mit verspiegelten Scheiben auf der STraße gefahren und hatten dann Anstalten gemacht, Altreifen, die der Straßenblockade dienen, zu entfernen. Diejenigen, die die Barrikade gebaut hatten, hinderte sie daran, worauf die Militärs wieder einstiegen, losfuhren und auf García Hernández schossen.

Mitglieder der APPO demonstierten am Samstag seit 11h vor einem Fernsehsender in der Hauptstadt Mexiko D.F. gegen die ihrer Ansicht nach tendenziöse und unaufrichtige Berichterstattung des Senders über die Auseinandersetzungen in Oaxaca.