Oaxacas Gouv. Ruiz: "Die wollen uns ficken."

homebase 13.10.2006 16:54 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Verhandlungen mit föderaler Regierung
Senatskommission in Oaxaca
Schießerei mit 4 Verletzten
Gespaltene Meinungen zum "verschinden der konstituionellen Gewalten"
Erste Erklärungen aus Oaxaca
nach Nachrichten der "Jornada" der letzten Tage:
Verhandlungen über "Plan por Oaxaca"

Der für die Föderation Mexiko zuständige Secretario de Gobernación Carlos Abascal (eine Art Innenminister, für die Sicherheit besteht aber ein eigener Secretario) verhandelt sowohl mit den Vertretern der APPO (Oaxaca), den LehrerInnen und Gewerkschaftlern, aber auch weiterhin im Rahmen der Mesa de Concordia" (Tisch der Eintracht) vornehmlich mit den Unternehmern und PRI-Funktionären das Staates Oaxaca.

Dabei gibt es relativ weitreichende Angebote der Zentralregierung an APPO etc., die den größeren Teil von deren Forderungen umfassen: zunächst Organisationsänderungen und mehr Geld im Bildungswesen, dann die Überprüfung der staatlichen Administration und der öffentlichen Aufträge in Oaxaca durch die Regierung Ruiz (PRI) und deren Vorgänger sowie Redewendungen über mehr "partizipative Demokratie" und bessere Kontrolle der Exekutive, ebenso wie die Beschränkung der Eingriffsrechte der Polizei, an denen sich viel Protest entzündet hatte. Der "Plan für Oaxaca" soll mit dem aktuellen und dem künftigen Präsidenten, Fox und Calderón, abgestimmt sein; er soll von einem "kollegial besetzten Gremium überwacht und evaluiert werden; er sieht allerdings keinerlei konkrete Maßnahmen zur Reorganisation der staatlichen Verwaltung, der Sicherung der Menschenrechte und den rechtlichen Maßnahmen zu solchen Änderungen vor.

Senatskommission nach Oaxaca gesandt

Währenddessen hat der Senat drei Senatoren (je einer PRI, PAN, PRD) nach Oaxaca gesandt, wo sie gestern ankamen. Sie sollen den Senat über die Lage informieren, wenn dieser kommende Woche über die "desaparición de los poderes", die "Unregierbarkeit", also das Nichtfunktionieren der öffentlichen staatlichen Verwaltung entscheiden soll. Dieser Zustand wird von APPO etc. angestrebt, weil er die Ausschaltung/Umgehung der bekämpften staatlichen Regierung unter dem Gouverneur Ulises Ruiz durch die mex. föderative Regierung ermöglichen würde. Der Senat will am kommenden Mittwoch darüber befinden.

Schüsse in Oaxaca am Mittwoch

In diesem Zusammenhang haben APPO etc. auch ihre (symbolischen) und friedlichen "Besetzungen" öffentlicher Einrichtungen durch mobile Brigaden wieder forciert: es werden Kundgebungen durchgeführt, Forderungen mitgeteilt und an die Wände der Gebäude geschrieben. Bei einer solchen Aktion kam es vor der Secretaría de Protección (Abteilung für Schutz/Sicherheit) der staatlichen Verwaltung in Oaxaca zu einer Schießerei. Etliche Polizisten in Zivil und Angeghörieg "parapolizeilicher Einheiten" seien mit Schlagstöcken, Messern und Schusswaffen ausgerüstet aufgetaucht und hätten das Feuer eröffnet auf APPO-Mitglieder und Studenten, die die Wände mit Parolen bemalten und über die Sprechanlage mit der Hausbesatzung zu kommunizieren versuchten. Nach verschiedenen Meldungen seinen um die 30 bzw. 60-80 Schüsse abgefeuert worden, 4 Zivilisten auf Seiten der APPO etc. seien verletzt worden, 2 durch Beinschüsse, zwei durch Kugeln in Oberkörper und Rücken. Nach einer kurzen Flucht hätten die APPO-Leute versucht, sich mit Steinwürfen und Steinschleudern zu verteidigen, die Polizisten und Agenten hätten sich zurückgezogen.
"Innenminister" Abascal und der Gouverneur Ruiz wollten sich "mangels belastbarer Informationen" gestern nicht weiter zu dem Vorfall äußern, sinngemäß äußerten aber beide, dass "durch gewalttätige Aktionen und Provokationen versucht würde, eine Einigung zu verhindern".

Die LehrerInnen brachen die Verhandlungen über eine von der Regierung angestrebte Wiederaufnahme des Bildungsbetriebs und Beginn des neuen Schuljahres zum kommenden Montag ab, sie wollten erst nach der Entscheidung des mex. Senats über die "desaparición de los poderes" weiterverhandeln.

Erste Erklärungen von der Senatskommission

Gestern waren die drei Senatoren aus D.F., ersten Informationen zufolge getrennt, in Oaxaca unterwegs und führten bereits verschiedene Gespräche, sowohl mit der staatl. Legislative und Judikative als auch mit der APPO und der BildungsarbeiterInnengewerkschaft, über deren Inhalt bislang nichts bekannt ist. Kontakte mit der offiziellen Staatsregierung und deren Behörden gab es bislang anscheinend keine. Legislative und Justiz geben an, weitestgehend zu funktionieren, jedenfalls außerhalb der Hauptstadt Oaxaca. Zum Nachmittag des 12.10. wird eine Pressekonferenz erwartet.

Unterschiedliche Positionen des PAN

Der Vorsitzende der (konservativen) PAN, Manuel Espino, erklärte währenddessen die Erklärung der "desaparición des poderes" für nicht durchführbar; die Senatskommission würde unausweichlich funktionsfähige Regierungsbehörden finden, die Spekulationen über eine "desaparición des poderes" sollten beendet werden. Das komplette "Verschinden der konstitutionellen Gewalten" können nicht einfach dekretiert, sondern müsse tatsächlich festgestellt werden. Eine Möglichkeit, die bedacht werden müsse, sei freilich der Rücktritt des Gouverneurs Ruiz.

Der Fraktions(geschäfts)führer der Partei erklärte hingegen, es sei dringend notwendig, Ruhe und Ordnung in Oaxaca wiederherzustellen, er sehe die Möglichkeit dazu in der Erklärung der "desaparición de poderes". Dem Senat werde "im Interesse von hunderttausenden Familien" nichts anderes übreigbleiben. Das könnte den PAN die Unterstützung des PRI für ihre Reformen kosten. Zugleich kritisierte er die "spielerische" Verhandlungsweise der APPO, die ihre Meinung aus den Verhandlungen dann öffentlich immer wieder änderten.

Der amtierende Präsident Fox hat sich am Mittwoch mit der Gewerkschaft der BildungsarbeiterInnen getroffen, es sei um das nationale Bildungswesen, aber auch um das Problem Oaxaca gegangen.

Am Donnerstag morgen besetzten etwa dreißig Mitglieder der Studierendenorganisationen die Universität Benito Juarez in Oaxaca. Sie versiegelten die Büros (um Plünderungen zu verhindern), brachten schwarz-rote Fahnen und Transparente an, die ihre Unterstützung der APPO ausdrücken.

Gouverneur Ruiz' Versuch der Demonstration seiner Handlungsfähigkeit gescheitert: "Die wollen uns ficken."

"La Jornada" bewertet in ihrer heutigen Ausgabe (13.10.) den Versuch des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz, seine Regierung und Verwaltung als handlungsfähig und normal arbeitend zu demonstrieren, als gescheitert. Der PAN-Senator Alejandro Gonzalez, der Mitglied der Senatskommission in Oaxaca ist, sieht diese Funktionsfähigkeit nicht. Er plädiere für einen Rücktritt der staatlichen Regierung Ruiz, sonst müsse der mex. Senat "die beste Lösung für Oaxaca finden". Eine gewaltsame Lösung mit Blutvergießen halte er - im Hinblick auf die Schüsse und Verletzten vom 11.10. für nicht wünschbar.
Die Sektion 22 der Bildungsgewerkschaft in Oaxaca setzte derweil der föderalen Regierung eine Frist von 5 Tagen, bis die geforderte Entmachtung der Regierung Ruiz erfolgt sein soll, andernfalls müssten andere Mittel zur Absetzung Ruiz' ergriffen werden. Die Forderung nach der Entfernung Ruiz' sei nicht verhandelbar. Ihr Vorsitzender Daniel Rosas forderte vom "Innenminister" Abascal die Benennung der Verantwortlichen für die Schießerei am Mittwoch: dieser hatte von "gewalttätigen Gruppen" gesprochen, ohne diese zu benennen. Rosas erklärte, die Bildaufnahmen bewiesen deutlich, dass es sich bei diesen um Polizisten und Killer im Dienste des Herrn Ruiz gehandelt habe.

Auch die Stiftung für kulturelles Erbe und Natur in Oaxaca (Pro-Oax) verkündete, von einem normalen Funktionieren der öffentl. Angelegenheiten in Oaxaca könne nicht die Rede sein - und dies sei noch niemals so gewesen. Das öffentl. Interesse habe sich immer in Geiselhaft befunden. Die Konfrontation, B. hinsichtlich des Transparenz-Gesetzes und sei außerdem Ausdruck der "simulierten und fragmentierten Reformen" in Mexiko.

Unter anderem trafen die Senatoren auch mit Gouverneur Ruiz und seiner Mannschaft zusammen, im "offiziellen" Flughafenhangar in Oaxaca. Dabei konnte sich Ruiz nicht mit der Sichtweise des PAN-Senators Gonzalez anfreunden. Nach der Sitzung sagte er laut "Jornada" zu seinem Finanzsekretär: "Die da wollen nicht weiter sehen. Sie wollen uns ficken."

Die Senatoren zeigten sich auch wenig beeindruckt von Ruiz' Zahlenkolonnen, dicken Akten und Presseausschnitten, die die öffentl. Aktivitäten seiner Regierung belegen sollten. Die Begründung für den Flughafen als Konferenzort war die unmittelbare Rückkehr Ruiz' von einer Reise in den Süden.

Zum Klima des Treffens trug bei, dass der PAN-Senator Gonzalez den staatl. Innensekretär angriff, der am Vortag die Reise der drei Senatoren für abgesagt erklärt hatte, ohne mit ihnen zu sprechen. Das wertete Gonzalez als Boykottversuch.

Bei einem Treffen mit Vertretern der APPO und der LehrerInnen baten diese die Senatoren, nicht nur den physischen Zustand der Regierungsbehörden und auf den Straßen zu berücksichtigen, sondern auch den politischen Kontext. Der PRI-Senator bat die APPO-Leute, ihre mutmaßliche Beteiligung an der Festnahme und Bestrafung mit Schlägen von Rechtsbrechern zu klären, die am Wochenende auf dem Zocalo (von Oaxaca) halbnackt festgebunden worden waren.

Bei einem auf Initiative der Einwohner einberufenen Friedensdialog erklärte der ehem. Bischof von San Cristóbal des las Casas in Chiapas, Samuel Ruiz Garcia, vor 1000 Menschen, Oaxaca sei immer noch in der Falle eines antiquierten politischen Systems gefangen, in Anspielung auf das PRI-System. Die Welt richte ihre Augen auf Oaxaca, das der Bauch des ganzen Landes sei: hier würde etwas neues geboren, ein schmerzhafter Prozess, was aber wegen des zu Erreichenden begrüßt werden sollte.

(Aus den aktuellen Artikeln der mex. Tageszeitung "La Jornada" und anderen Quellen im Netz nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt.)
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Ergänzungen

ein paar links

homebase 13.10.2006 - 18:49
----------zur Schießerei------------
 http://www.jornada.unam.mx/2006/10/12/
(aufs foto klicken)
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 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/balacera-contra-integrantes-de-appo/
(video dazu - reportage, nicht vom Vorfall selbst) (KURZVERSION) 11.10.2006
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 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/balacera-contra-appo-segunda-parte/view
(video dazu - reportage, nicht vom Vorfall selbst) 12.10.2006
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--------Marsch der APPO nach D.F.----
 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/appo-en-valle-de-chalco/
(video - Ankunft des APPO-marsche im Valle del Chalco) 09.10.2006
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 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/manifestacion-de-la-appo-en-el-df/
(video - Ankunft im D.F.) 11.10.2006
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--------Kurzer Wortericht übr den Vorschlag der föd. Regierung ----
 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/propuesta-de-gobernacion-a-la-appo/
(video) 09.10.2006
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-------Zur Ermordung des Lehrers Jaime Rene Calco Garcia ----
 http://www.jornada.unam.mx:8080/ultimas/estatico/asesinato-al-ocaso-en-oaxaca/
(video) 07.10.2006
----------

Photos:
-------viele aktuelle Bilder-----
 http://vientos.info/cml/?q=image/tid/104

-------Photos und Videos-----
 http://oaxacalibre.org/libertad/index.php

-------weitere Photos--------------
 http://www.cuartoscuro.com/agencia/categories.php?cat_id=131

-------Ankunft der APPO in Mexiko D.F.----
 http://mexico.indymedia.org/tiki-browse_gallery.php?galleryId=75

-------Barrikaden in Oaxaca----
 http://mexico.indymedia.org/tiki-browse_gallery.php?galleryId=66

-------diverse Oaxaca-Bilder, nicht allzu neu ---
 http://mexico.indymedia.org/tiki-browse_gallery.php?galleryId=61

-------diverse Videos ----
 http://mexico.indymedia.org/video





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