Transnationaler MigrationsAktionsTag in Köln

AutorIn des Beitrags 11.10.2006 01:42 Themen: Antirassismus
Rund 600 Teilnehmer versammelten sich am Freitag, 7. Oktober, in Köln zu einer landesweiten Demonstration für das Bleiberecht von Flüchtlingen – organisiert von „Kein Mensch ist illegal“ und dem Rom e.V. Auch verschiedene Kölner Musiker wie Clan Destino, die Microphone Mafia und Fulani bekannten Klangfarbe und riefen zu einem Stopp der Abschiebungen auf.
„Genau ein Jahr nachdem unzählige Flüchtlinge verzweifelt versucht hatten, die meterhohen Zäune von Ceuta und Melilla zu überwinden, um nach Europa zu gelangen…auf sie wurde geschossen, elf Menschen starben, viele wurden verletzt und unzählige wurden in die Wüste deportiert…vor diesem Zaun demonstrieren genau jetzt spanische und marokkanische Antirassisten...“ Mit diesen Worten eröffnete eine Sprecherin von „Kein Mensch ist illegal“ die Demonstration auf dem Rudolfplatz. Menschen aus verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens – darunter viele Kölner Roma – waren zusammengekommen, um gegen die europäische Flüchtlingspolitik, neue Mauern und Zäune an den „Grenzen EU-ropas“ und die Abschiebepraxis in der Bundesrepublik zu demonstrieren.

In den letzten Wochen häufen sich in Deutschland die Abschiebungen von langjährig geduldeten Flüchtlingen. Das liegt kurioser Weise daran, dass im November die deutschen Innenminister zu ihrer alljährlichen Konferenz zusammentreffen werden. Im Vorfeld hatten sich die Flüchtlingsräte und sogar Bundesinnenminister Schäuble für eine bundesweite Bleiberegelung von Flüchtlingen ausgesprochen. Allerdings veranlasst das viele „Ausländerbehörden“, vorher noch Flüchtlinge und ihre Familien abzuschieben, solange sie selbstherrlich darüber entscheiden dürfen.

Einige Länder wie Berlin und Schleswig-Holstein hatten sich für einen Abschiebestopp bis zum Beginn der Konferenz entschlossen und dementsprechende Regelungen erlassen – Nordrhein-Westfalen nicht.
In Deutschland leben rund 250.000 Menschen mit dem „Status“ einer Duldung: Alle drei Monate müssen sie auf dem „Ausländeramt“ um eine Verlängerung ihrer Duldung betteln. Seit Anfang letzten Jahres bekommen die „Geduldeten“ oft keine Arbeitserlaubnis mehr. Das einzige Recht, das der- oder diejenige hat, ist, nicht abgeschoben werden zu können – bis auf Widerruf der Behörden. Familien, deren Kinder in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind, müssen dann oft in ihre ihnen mittlerweile völlig fremde „Heimat“ zurückkehren.
Dass Aussetzung von Abschiebung, Duldung oder gar Einbürgerung überhaupt kein Thema sein müssen, bewies der sonst für seine restriktive Einwanderungspolitik bekannte NRW-Innenminister Ingo Wolff: Oksana Tschusowitina erhielt ihre Einbürgerungsurkunde durch direkte Zustimmung des Ministers schon nach drei Jahren. Aber, die amtierende Vize-Weltmeisterin im Turnen wird für die Olympiaqualifikation der deutschen Mannschaft auch „dringend gebraucht!“


weitere (leider auch nicht so tolle) Fotos gibts hier:
 http://de.indymedia.org/2006/10/158541.shtml
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Interview

Name 11.10.2006 - 03:03
nterview mit Kerstin Engelhard von „Kein Mensch ist illegal“ und Rom e.V.
„Man schafft bewusst Hürden...“
Von Carl H. Ewald

Nach der Kölner Demonstration für das Bleiberecht von Flüchtlingen führte Carl H. Ewald ein Interview mit Kerstin Engelhard von „Kein Mensch ist illegal“ und dem Rom e.V. Den Bericht über die Demo finden Sie unter dem Titel „Hier geblieben!“ Die Redaktion.

Carl H. Ewald: Frau Engelhard, warum ist es wichtig, für Bleiberecht von Flüchtlingen zu demonstrieren?

Kerstin Engelhard: In Deutschland leben seit zehn, fünfzehn oder mehr Jahren Flüchtlinge unter miserablen Lebensbedingungen – eingepfercht in „Flüchtlingswohnheime“, anders kann man es nicht bezeichnen:

Sie haben keine Möglichkeit, sich eine Wohnung zu mieten, sie haben keine Möglichkeit, arbeiten zu gehen – sie bekommen keine Arbeitserlaubnis. Ihre Kinder können, wenn sie die Schule besucht haben, keine Ausbildung machen, nicht studieren... Und diese Menschen haben – obwohl sie seit langem hier leben – keinerlei Perspektive, keinerlei Möglichkeit, sich hier ein neues Leben aufzubauen.

Engelhard
Kerstin Engelhard
Foto: Carl H. Ewald

Uns ist es wichtig, noch einmal Druck auf die Politik auszuüben: Im November findet die Innenministerkonferenz statt, wo wahrscheinlich über ein Bleiberecht entschieden wird... Es ist zu erwarten, dass es relativ restriktiv gehandhabt werden wird, und wir wollen durch diese Demo einfach noch einmal Druck machen.

Wie ist die Haltung des nordrhein-westfälischen Innenministers bei diesem Thema?

Recht restriktiv im Vergleich zu anderen Bundesländern... Zum Beispiel in Berlin oder in der Stadt Brandenburg, ist es so, dass Flüchtlinge, die dort länger als sechs Jahre leben, gar nicht mehr abgeschoben werden, bis eine endgültige Entscheidung über eine Bleiberechtsregelung erfolgt. In Nordrein-Westfalen wird das nicht so gehandhabt, hier wird fleißig abgeschoben!

Der Innenminister des Landes handhabt das sehr restriktiv, das Bleiberecht ist an ziemlich hohe Auflagen geknüpft, zum Beispiel an „gute Deutschkenntnisse“. Was in sofern recht widersinnig ist, weil die meisten Flüchtlinge ohne festen Aufenthaltsstatus gar kein Geld haben, einen Sprachkurs zu besuchen. Die Sprachkurse sind sehr teuer, und man schafft bewusst Hürden, so dass nur ein ganz geringer Teil der Flüchtlinge davon profitieren wird.

Was kostet solch ein Sprachkurs?

Ein paar hundert Euro für drei Monate – genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen. Denn die Klienten, mit denen wir zu tun haben, haben ohnehin nicht das Geld, solche Sprachkurse zu besuchen...

Und dafür gibt es keine Unterstützung?

Nein, es gibt Unterstützung für Flüchtlinge, die einen festen Aufenthaltsstatus haben. Die sind ja sogar gezwungen, an so genannten „Integrationskursen“ teilzunehmen. Das ist an sich ja auch sinnvoll, nur müsste man eben auch anderen Flüchtlingen, die hier leben, die sich hier eine Perspektive aufbauen wollen, erst einmal die Möglichkeit geben, Deutsch zu lernen.

Ich arbeite hauptamtlich auch beim Rom e.V., einem Verein zu Unterstützung von Roma-Flüchtlingen, und gerade diese sind davon ganz besonders betroffen. Denn sie sind zu großen Teilen Bürgerkriegsflüchtlinge, kommen oft aus den unteren Schichten, können vielfach nicht lesen oder schreiben und haben hier ganz große Schwierigkeiten, wenn man ihnen keine Möglichkeiten gibt, sich eben auch zu integrieren, Deutschkenntnisse zu erwerben, sich eine eigene Wohnung zu nehmen...

Gerade diese Flüchtlinge sind oft schon seit sehr langer Zeit hier, leben in Wohnheimen, kommen schon mit psychischen Krankheiten, traumatisiert durch ihre Bürgerkriegserlebnisse, hierhin. Sie müssen dann auf engstem Raum, unter den unmenschlichsten Bedingungen in den Flüchtlingswohnheimen leben. Anstatt dass diese Traumatisierung dann behandelt und geheilt wird, werden sie oft dadurch noch auf andere Art und Weise psychisch krank...

Ein aktueller Fall in einem Wohnheim hier in Köln: Ein Romaflüchtling, ein Familienvater, bekam „Besuch“ von der Polizei, weil wohl seine „Rückführung“ organisiert werden sollte. Er wurde dann von der Polizei äußerst unflätig behandelt: Der Flüchtling fragte nur ganz höflich, ob er nicht seinen Anwalt kontaktieren dürfe, was ihm verweigert wurde. Und dann wurde er dermaßen psychisch in die Enge getrieben, so dass er aus lauter Angst vor seiner Abschiebung aus dem Fenster seiner Wohnung im zweiten Stock sprang. Und als er mit beiden gebrochenen Beinen auf dem Boden lang, haben mehrere Zeugen beobachtet, wie von der Polizei noch auf ihn eingetreten wurde...(Die NRhZ berichtete)

Hat sich die Wahrnehmung der Roma in der deutschen Öffentlichkeit verändert?

Nein, sie tendiert eher zum Negativen hin. Sie gelten immer noch als „Zigeuner“... im letzten und vorletzten Jahr kursierte immer noch recht häufig bei der „Bildzeitung“ und im „Express“ der Begriff „Klaukids“. Aber es ist klar, dass Menschen, die hier unter solchen Bedingungen leben müssen, die von Sozialleistungen leben müssen, die dreißig Prozent unter dem liegen, was ein deutscher Hartz IV Empfänger bekommt... dass solche Menschen auch schon einmal ins Kleinkriminellenmilieu geraten können, finde ich äußerst logisch. Wenn Deutsche unter solchen Bedingungen leben müssten, wäre das genauso!

Und gerade hier in Köln sind die Roma mitunter die größte Flüchtlingsgruppe und die, die unter den miserabelsten Bedingungen leben. Wenn man ihnen keine Möglichkeit zur Integration gibt, ist es klar, dass auch schon einmal Taschendiebstähle vorkommen können. Aber nur diese Seite wird in der deutschen Öffentlichkeit gesehen... Sie gelten als „Zigeuner“ oder als Diebe, aber warum das so ist, darüber denkt niemand nach!

Was würden Sie sich von den deutschen Innenministern wünschen?

Ich würde mir vor allen Dingen wünschen, dass deutsche oder auch andere Politiker gezwungen wären, einmal einen Monat lang in einem Flüchtlingswohnheim zu wohnen! Ich glaube, das würde sehr viel an ihrer Perspektive ändern, und ich glaube, dann hätten wir hier auch eine andere Politik!

Hier das ganze Interview hören.......
 http://www.nrhz.de/flyer/media/bleibe_inter_engel02.mp3

Ende der Demo

rosa_luxemburg_1919@yahoo.de 12.10.2006 - 17:23
Die Demonstration war super nur leider fehlten viele alt eingesessene Organisationen aus Köln fehlten.

Die Demonstration verlief auch sehr leise, nur Vorne wurden vereinzelt Parolen gerufen. Ich habe versucht mit ein paar meiner Kollegen ein bischen Stimmung zu machen, aber leider waren viele der Demonstranten nicht für Parolen zu begeistern, besonders die vermummten Kapuzenträger (Wwieso eigentlich vermummen es gab keinen Grund für sowas, man hatte bei einigen Demonstranten dass Gefühl, das man grade bei einer hoch illegalen aktion dabei wäre).

Das Ende der Demo hätte auch etwas lebhafter verlaufen können, denn als endlich Musik gespielt wurde war mehr als die Hälfte der Demoteilnehmer schon verschwunden. Ich denke man hätte am Ende wesentlich früher ein wenig Schwung in die Sache bringen sollen, so hatte man dass Gefühl das die Leute eher vergrault wurden, besonders die jüngeren Genossen.

bitte autor nennen!

Carl H. Ewald 28.10.2006 - 13:40
Lieber anonymer poster des artikels!

Erstmal danke, dass du meinen artikel hier in indymedia gesetzt hast! Das nächste mal bitte unter der erwähnung meines namens, wann und wo ;-)), wenn es geht, ok?

Der Artikel - von Carl H. Ewald - erschien am 24. Oktober in der Neuen Rheinischen Zeitung - direkt zu finden unter  http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10222

Danke :-P Carlchen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Wer fehlte denn?? — Frager