Chemnitz: Nazis haben Stress

dr. bunsen honeydew 10.10.2006 00:00 Themen: Antifa
Nazis reagieren mit Wurfzettekn au die angekündigte Demonstration der Kampagne "Schöner leben ohne Naziläden" gegen "Backstreetnoise" und "PC-Records". Der Rechtfertigungszwang des Ladeneigentümers mobilisiert die Tränendrüsen und die Nazis zu einem dezentralen Konzept gegen die Antifademonstration.
Am 14. Oktober wird in Chemnitz eine Demonstration der Kampagne "Schöner leben ohne Naziläden" stattfinden (www.stoppnazilaeden.de.vu). In den letzten Wochen häufen sich die Übergriffe von Nazis auf Linke und Alternative in der Stadt. Es scheint als würde sich die Naziszene warmlaufen wollen.

Hendrik Lasch, der Betreiber einer der beiden von der Demonstration aufs Korn genommenen Naziläden, versucht in der Zwischenzeit sein Image im Viertel zu retten. Vor zwei Jahren ging er ganz anders mit dem antifaschistischen Engagement um: Er lud sich 200 gewaltbereite Nazis zu Sonderverkauf und Würstchen vor seinen Laden. Die Antifademonstration wurde mit Latten und Steinen angegriffen. In der letzten Woche startete er nun eine Briefkastenaktion, in der er unter dem Slogan "Nein zu Chaoten" seine Unschuld beteuert. Anlass der Demonstration seien "haltlose, aus der Anonymität heraus gestreute Anschuldigungen, in meinem Geschäft würden rechtsradikale Bekleidungsgegenstände vertrieben." Lasch fragt sich, ob durch die Demonstration "womöglich die Existenz eines Kleinunternehmens gezielt zerstört" werde und stellt sich als Opfer dar. Wer gnädig ist mag denken, Lasch hatte vielleicht einfach zu viel Stress in der letzten Zeit, denn Stress verursacht neueren Untersuchungen zufolge Erinnerungslücken ( http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Vergessen.shtml).

Hat Lasch vergessen, dass ihm das Bundesvermögensamt wegen seines Handels mit Naziwaren den Mietvertrag kündigte? Dass die von ihm vertriebene Marke "Thor Steinar" als Nazimarke bekannt ist? Dass aufgrund der Ähnlichkeit des Logos mit verbotenen NS-Symbolen Verbote und Beschlagnahmungsbefehle seitens der Justiz erfolgten und die Firma ihr Logo deshalb änderte und das die Verbindungen in die rechte Szene mittlerweile belegt sind (PM vom 08.04.06,  http://www.stop-thorsteinar.de.vu/)? Hat Lasch beim zusammenstoppeln des Flugblattes mit dem Slogan "Nein Zu Chaoten" vergessen, das er selbst früher häufig mit einem "Chaos 88" - T-Shirt in seinem Laden stand, oder war ihm das "88" immer schon bedeutend wichtiger als das "Chaos"? Schließlich kommte er ja aus einem Stall namens CC 88, einem Zusammenhang von Naziskins, die unter dem Label "Chemnitz Concerts 88" ab Mitte der 90er Jahre Konzerte mit Nazibands organisierten.
Weniger gnädig sondern mehr analytisch gesehen, fällt auf, dass Lasch wie so vielen Nazis die in ihrer Szene stets floskelhaft hochgehaltene Kameradschaft offensichtlich einen Dreck wert ist. Denn während er großspurig Unschuldsbekundungen in Briefkästen stopft, muss sich sein Freund Ives bibbernd im Hinterkämmerlein des Ladengeschäfts verschanzen und hoffen, das niemand vorbeikommt und die CDs mit stahlhelmtragenden
Männern und so eindeutigen Namen wie "Blitzkrieg" oder "Schwarzer Orden" sieht. Lasch versucht auch mit seinem Flugblatt die Existenz von Ives Rahmels Geschäft zu verheimlichen, indem er das "gegen PC-Records" aus dem Faksimile des Kampagnendemo-Banners herausretuschiert. Ob Ives das passt? Aber als Mieter bei Lasch sitzt er dann doch nur am Katzentisch. Sicherheitshalber hat Ives an seiner Ladentür kürzlich ein Schild angebracht, in dem er Polizei und Presse nur unter vorheriger Anmeldung Zutritt gestattet, alles andere gelte ihm als Störung seines Hausfriedens.

Das Wechselspiel zwischen Naziszene und bürgerlicher Akzeptanz gerät immer mehr zum schizophrenen Akt. Nur merkt es in Chemnitz niemand, denn der Umgang mit dem Naziproblem ist in dieser Stadt ebenso schizophren. Schließlich hat es die Stadt geschafft, dem Naziladen sogar die "Gute Fee" zu verleihen, ein Aufkleber der Hilfe für Kinder signalisieren soll.

Die aktuellen Übergriffe in Chemnitz und die weitgehende Bestimmung des Straßenbildes durch Nazis zeigen wie wenig sich das Klima in der einstmals unter dem Namen Karl-Marx-Stadt firmierende Industriemetropole noch von dem des Umlandes unterscheidet. Hier werden, wie zum Beispiel in Meerane 15 Kilometer westlich von Chemnitz, politisch andersdenkende Menschen durch Nazis vertrieben, ohne dass sich noch Widerstand "vor Ort" artikuliert ( http://www.amal-sachsen.de/news.php?art=317).

Trotz des zu konstatierenden gesellschaftlichen Konsens, vor dessen Hintergrund das Wirtschaften der Nazis stattfindet, ist es den Organisator_innen der Demonstration "Schöner Leben ohne Naziläden" gelungen ein lasches Statement des Ladenbetreibers hervorzukitzeln. Schon häufig wurde von Insidern der Naziszene bemängelt, dass die Ladenbetreiber jeglicher drohenden Gefahr jammernd und klagend begegnen: wohl auch nur eine Facette gelebter deutscher Opfermentalität.

Die Informationen der letzten Wochen deuten darauf hin, dass sich die Nazis in ihren Geschäften einschließen werden. Anders als vor zwei Jahren, als sich Lasch vor dem Laden unter seine Kundschaft mischte, wäre es ihm diesmal gelegen, wenn es im Umfeld seines neuen Geschäftes zu keinen Angriffen auf die Antifademonstration kommt. Als Eigentümer des Gebäudes ist es, wie sein rhetorischer Kopfstand beweist, viel mehr als damals in seinem Interesse, wenn sich die sonst auf T-Shirts und Tonträgern glorifizierte Gewalt nicht ganz direkt vor der eigenen Haustür abspielt.
Laschs Wurfzettel flankiert in seiner repräsentativen Harmlosigkeit die zu erahnenden Pläne der Nazis, die Antifademonstration nicht in nächster Nähe der Läden, sondern eher mit einem dezentralen Konzept anzugreifen und nimmt dies schon mit einer Entschuldigung vorweg. Lasch zufolge "ist mit Ruhestörungen, evtl. Krawallen, Belästigungen und Parkproblemen zu rechnen."

Weitere Informationen zur Demonstration unter:
 http://de.indymedia.org//2006/09/156230.shtml
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Ergänzungen

Wie wäre es,

wenn 10.10.2006 - 16:05
man direkt auf den Ort hinweisst, wo diese Sachen genäht und produziert werden: am besten mit Ausweisung der nötigen Profimarge, damit der stilbewusste "Kamerad" gleich weiss, wer und wieviel an Ihm verdient wird ???

Ein Vorschlag wäre: "Thor Steinar" made in Turkey (am besten noch mit dem genauen Ort) und dann der entsprechenden Profitmarge angeben. (laut Berliner Zeitung werden diese ja in der Türkei produziert: das lässt sich sicher nochmal genau überprüfen)

ergänzungen

Sachse 10.10.2006 - 19:18
Es muss erstens festgestellt werden, daß Meerane etwa 40km entfernt ist ausserdem gibt es gerade im westlichen Umland von Chemnitz kaum eine rechte Szene. Diese scheint sich inzwischen auf Chemnitz zu konzentrieren.
Umso wichtiger ist eine Teilnahme an der Demo.

Gibt es

Dov Landau 10.10.2006 - 23:21
eine Chronik der Überfälle in Chemnitz?

Frage

udo unholdt 11.10.2006 - 01:08
Gibt es evtl noch eine aktuellere Seite was die "thor steinar" Hintergründe angeht? Finde den flyer der auf der Seite zum download gibt nämlich an und für sich ganz gut, ist nur leider nicht mehr aktuell... es wird dort nämlich noch auf das Logo hingewiesen, welches mittlerweile auf der, in den betreffenden läden zum verkauf gebotenen, kleidung nicht mehr zu finden ist. -da es ja mittlerweile verboten ist.
Ich frage deshalb weil in wilhelmshaven auch ein Laden thor steinar kleidung vertreibt und ich gerne aktuelle fakten zum thema hätte.

Naziläden dicht machen!!!
Kampf dem Nazipack auf allen Ebenen mit allen Mitteln!!!

es ist wichtig , dass Ihr wiederkommt

teilnehmer 25.09.04 11.10.2006 - 10:35
Ich war vor zwei Jahren selbst anwesend, als sich mehr als 200 Rechtsradikale um diesen ominösen Laden versammelt hatten. Sie attakierten die Demonstration und schreckten nicht davor zurück, sogar ältere Demostrationsteilnehmer anzugreifen. Ich war einer dieser älteren Semester und hatte noch Glück. Ich trug nur leichte Blessuren davon. Andere hingegen konnten den Fäusten dieser Tiere oder herumfliegenden Gegenständen nicht ausweichen. Es ist so enorm wichtig, das Ihr auch in diesem Jahr wieder zahlreich erscheint und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam macht, was hier abläuft. Am 25. September 2004 war die Situation schon prikär, seitdem hat sie sich aber nochmals verschärft. Fast täglich kommt einem zum Ohren, dass wieder anders aussehende & denkende Menschen im Raum Chemnitz misshandelt oder verprügelt wurden. Wenn dies nicht bald aufhört, beklagen wir demnächst den ersten Toten!!! Unterstützt deshalb diese Kampagne und helft, ihnen endlich das Handwerk zu legen. Vielen Dank!

Rainer Schlackrau
54 Jahre
Chemnitz

@ udo unholdt

Carlo Hagen 11.10.2006 - 12:28

@teilnahmewilligeR

blub 12.10.2006 - 14:38
Ich nehme an das vom Kundgebungsort (in der Innenstadt) eine antifaschistische Fahrgemeinschaft mit der Straßenbahn zum Demostart (am Stadtrand) fährt.

ZEITEN UND ORTE

kundiger 12.10.2006 - 21:04
12 Uhr Kundgebung in der Innenstadt, Augustusburger Straße/Ecke Bahnhofstraße

13 Uhr Demobeginn Wladimir-Sagorski-Straße/Ecke Stollberger Straße

übrigens stand das schon in einer älteren meldungen auf indymedia

nazis in westsachsen

daniel 31.07.2007 - 11:34
Ich wuerde nich allenernstes behaupten,dass es keine Naziaktivitaeten im Umland von Chemnitz gibt.In den letzten Jahren wurden beispielsweise in Glauchau(Chemnitzer Land)schwarze Listen angefertigt.Vor einigen Jahren wurde in Hohenstein-Ernstthal ein Punk auf dem Weg nach Hause so schwer verletzt,dass er auf dem Weg ins Krankenhaus starb.Sein begleiter kam mit Verletzungen ins Krankenhaus.Eins ist sicher,dass es seit einigen Jahren wieder verstaerkt Naziaktivitaeten in Chemnitz gibt.Vor allem beim CFC.

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mißlungener

rhetorikspagat 10.10.2006 - 13:33
vielleicht sollten einige weniger an ihrer künstlerischen ader auf weißem papier auf dieser modernen plattform arbeiten,sondern eher in den postmodernen plattenbauten der karl-marx-stadt für aufklärung sorgen!vielleicht sollte man sich dann hier vor ort auch mit dem problem auseinandersetzen und nicht nur eine reihe von fakten nennnen.

das problem an der wurzel bekämpfen - nicht aus der vergangenheit heraus!

selbst

aktiv werden 10.10.2006 - 13:51
habt ihr schonmal daran gedacht geneu DIESEN bericht mit angehängten informationen in die briefkästen der anwohner zu werfen, anstatt ihn nur auf indymedia zu veröffentlichen?
ich glaube kaum das die gesamte nachbarschaft indymedia kennt/nutzt;)

(wer rechtschreibfehler findet darf sie behalten - aber jeder nur einen!)

a

a 10.10.2006 - 13:52
a

(muss ausgefüllt werden)

(muss ausgefüllt werden) 10.10.2006 - 19:13
in der türkei gibt es ts pullover für 5 euro:-) aufm polenmark sicherlich für noch weniger:-)

Nieder dem Kapital

Hettstedter 11.10.2006 - 12:09
(muss ausgefüllt werden)
(muss ausgefüllt werden) 10.10.2006 19:13
in der türkei gibt es ts pullover für 5 euro:-) aufm polenmark sicherlich für noch weniger:-)


was wird nicht alles in anderen ländern vertrieben...
und addidas mit vierstreifen hehe oder sogar 2 hehe Jeansmarken super gefälscht.


Mittelstand fördern und nicht weiter ausbeuten ...

Nieder den Kapital,
die Wurzel allen übels bekämpfen befor man die kleinen Fische fängt

Selbst einen Flyer

egal 11.10.2006 - 12:33
Mmmh, die im Artikel genannten Infos sind doch gerade in dieser rhetorischen Fragestellung äußerst gut geeignet, um sie auf einen "Gegen"flyer zu bringen.

Ansonsten sehe ich nur wieder : Nein zu Chaoten beim Bürger im Briefkasten und dann wieder eine martialisch auftretende Antifa-Demo (am besten noch mit Bomber Harris Sprechchören) mit den Mackertypen in den ersten Reihen, die ja, wie auch ich weiß, etwas vernünftiges Bewirken will, allerdings eine Außenwirkung hat, die beim Bürger als abschreckend angesehen wird.

Sommerfest

von Faschos 11.10.2006 - 12:40

wichtige nachfrage

teilnahmewilligeR 12.10.2006 - 13:44
Hallo,

ich würde gern an der Aktion teilnehmen, aber mir ist nicht ganz klar, wann und wo sie nun genau beginnt. Der Kundgebungsort ist ja doch ein ganzes Stück vom Anfangspunkt der Demo entfernt.

Antifaschistische Grüße,

ein Mensch von außerhalb