Stuttgart: erneut Student aus FR verurteilt

Freunde Golls und Volkers Justiz e.V. 21.09.2006 19:55 Themen: Bildung Repression
Oder: Wie sich eine Gesellschaft reproduziert
Am 19. September lief der zweite Prozeß (siehe  http://de.indymedia.org/2006/09/157246.shtml) gegen einen Studenten aus Freiburg wegen Beleidigung dreier Polizisten.
Hintergrund des Verfahrens:

An der Demonstration am 30. November 2005 [  http://streikblog.de/] hatten sich über 8000 Studierende beteiligt. Hunderte hatten dabei die Bannmeile des Landtages gestürmt, einige waren in das Gebäude selbst eingedrungen. Es war zu Tumulten mit ernsthaften Verletzungen seitens der DemonstrantInnen gekommen. Auch die Polizei schaffte es trotz der friedlichen Demonstranten das Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen: Ein reitender Polizist viel beim durch die Menge reiten von seinem Ross und ein anderer wurde vom Hund seines Kollegen gebissen…

Der Prozess:
Der Gerichtssaal stellte sich dar wie eine KiTa für angehende Staatsdiener. Neben der Richterin und Ihrem Prottokollanten als nette Tanten und Onkels waren noch die gerade aus der Schule entlassene Staatsanwältin im Refendariat Faber, 5-6 weitere angehende Staatsdiener im 6 Semester (eine davon sollte sich später rausstellen war tatsächlich schon fertige Staatsanwätin), die PM'in (PM=Polizi MeisterIN/POK = Polizei Ober Kommissar) Ruf (23) im Used-Jeans-Look, und eine Praktikantin der Richterin anwesend. Noch vor dem Prozessbeginn konnte die Richterin die ersten Geschenke verteilen und bat ihre Praktikantin mit an den Richtertisch ... Kinder bei der Bescherung sind Gäste auf der Beerdigung der eigenen Oma dagegen ...
Der Prozess nahm dann erstmal den üblichen Verlauf: Verlesung der Anklageschrift, Befragung des Angeklagten J. zu seinen persönlichen Verhältnissen, Befragung des Angeklagten zur Sache, er leugnet sich der ihm vorgeworfene Tat der Beleidigung (“Ohne Bildung ... ich Polizist”) schuldig gemacht zu haben, Befragung der Zeugin Ruf (noch nicht wegen Meineids vorbestraft!), die sich an nichts konkretes erinnere , und dann ....
Der Schock:
Mama Jessberger (POK) und Mama Hald (PM) hatten vergessen ihren Sprößlingen das Pausenbrot rechtzeitig zu richten, oder leiden diese gar an einer Erkältung, oder haben sie schlicht verschlafen ... Auf jeden Fall sind sie nicht pünktlich zur ersten Stunde da ... Was nun? Erstmal weitere Verlesung von Strafanträgen! u.a. den Strafantrag des Dienstvorgesetzten der schwer Ehr-herabgewürdigten Pozilisten Stumpf!
Und dann endlich die weiteren Zeugen kommen ... "der Verkehr" ...
POK Jessberger (30, quasi schon ein Opa in dieser Training für zukünftige Staatserhalter - Veranstaltung) kann sich zum Glück an mehr erinnern: "die markanten Gesichtszüge, die eingefallenen Augen, diese Wangenknochen, der Bart ... eindeutig der Angeklagte!" und befragt nach der angeblichen Tat des Angeklagten: "Er hat 'Ohne Bildung werd ich Polizist' gesungen, nein mehr skandiert, mit ner Melodie, also ich kann das jetzt nicht nachmachen, ... ich kann auch nicht wirklich singen ... , na ja Ohne Bildung werd ich Polizist!" [der letzte Satz ist gesungen]
PM Hald (26) hingegen war wieder keine Hilfe, ausser, dass er sich wie seine beiden KiTa-Kameraden durch das Verhalten des Angeklagten in der Ehre herabgewürdigt gefühlt habe.
Ende der Beweisaufnahme. Kleine Pause, die angehende Staatsanwältin braucht ne Auszeit! Ihre Anleiterin flüstert ihr das Plädoyer. Und ohne Gong, aber mit Aufstehen geht’s weiter. 35 Tagessätze a 15€, böse, böse, böse. Der Angeklagte fordert Freispruch, aber nutzt nichts: Den das Volk in Person der Oberkindergärtner spricht: 35 Tagessätze a 10€.
Naja, alles in allem ganz erfolgreich: Die Oberkindergärtnerin und ihr Protokolant brauchen sich keine Sorgen machen, für Nachfolge ist gesorgt, die Pension wird bezahlt. Die Gesellschaft reproduziert sich!

Nach Ende der Veranstaltung:
"Wir sehn uns dann um halb zwei!" Staatsanwältin zur Richterin.
"Du brauchst nicht kommen. Die ham ihren Einspruch zurückgezogen." Richterin zur Staatsanwältin (beide mit einem schelmischen Grinsen...)

Für mehr Infos zum Serviceanbieter dieses Verfahrens:

Vizepräsident des Amtsgericht Joachim Saam
Tel.: 0711/921 - 3424
Fax: 0711/921 - 3100
mailto:  saam@agstuttgart.justiz.bwl.de
Amtsgericht Stuttgart
Postfach 106008
70049 Stuttgart

und:  http://amtsgericht-stuttgart.de
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Ergänzungen

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1 Bulle fürn´fuffi oder 116,77 21.09.2006 - 21:41

Kein inhaltlicher Beitrag

Mal was Nettes aus Freiburg 22.09.2006 - 20:51
Badische Zeitung vom Donnerstag, 21. September 2006

Der "Umsonstladen" hat einmal wöchentlich wieder geöffnet

Das alte Konzept ist fast auch das neue: Jeder darf Sachen mitnehmen, die er braucht - von Kleidung über Bücher bis hin zu Geschirr oder Elektrogeräten

Von unserer Mitarbeiterin Beate Beule

Ein halbes Jahr lang war er geschlossen, jetzt hat eine andere Gruppe den "Umsonstladen" im autonomen Zentrum KTS wieder eröffnet. Am Konzept hat sich nichts geändert: Jeder und jede darf mitnehmen, was gefällt - kostenlos und ohne Gegenleistung. Oder kann ausrangierte Gegenstände abgeben. Der Gedanke dahinter: Der Laden richtet sich gegen die Konsumgesellschaft, in der noch brauchbare Gegenstände häufig auf dem Müll landen.

"Jeder hat irgend etwas zu Hause, was er nicht mehr braucht", sagt Joe Werner. Bevor diese Sachen ungenutzt herumständen oder weggeschmissen würden, seien sie im Umsonstladen besser aufgehoben: "Es gibt genug Leute, die die Sachen noch benutzen können." Genau wie seine Mitstreiterin Alex Römische war der 25-Jährige früher selbst oft als "Kunde" im Umsonstladen. "Ich fand es einfach schade, dass der Laden nicht mehr auf hatte", sagt Alex Römische.

Vor einigen Wochen hat sich deshalb eine Gruppe Ehrenamtlicher entschlossen, den Umsonstladen in der KTS wieder zu eröffnen. Die alten Betreiber hatten den Laden im Februar nach zweieinhalbjährigem Betrieb geschlossen, weil einige Dinge nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen waren. Zurzeit basteln sie an einem neuen Konzept. Ob und wann sie den Laden wieder übernehmen, steht noch nicht fest.

In der Zwischenzeit bleibt mit der neuen Gruppe alles beim Alten. Nur eine Sache hat sich verändert: Früher durfte jeder Besucher und jede Besucherin maximal drei Sachen mitnehmen. Diese Regelung wurde abgeschafft. Die neuen Betreiber hoffen, dass auch ohne die Begrenzung niemand auf die Idee kommt, die Gegenstände kommerziell weiter zu verkaufen.

Von Kleidung über Bücher bis hin zu Elektrogeräten und Geschirr: Die Auswahl im Umsonstladen ist vielfältig. An einer Pinnwand hängen Zettel, auf denen große Gegenstände angeboten werden. So muss niemand seinen alten Kleiderschrank in die KTS schleppen. Zumal es dort gar nicht genug Platz gäbe: Schon jetzt sind die beiden kleinen Räume ziemlich voll. Noch nicht zufrieden sind die neuen Betreiber mit der Anzahl der Besucher. "Aber wir hoffen" , sagt Joe Werner "dass es sich bald herum spricht, dass der Laden wieder auf hat."

Umsonstladen: Basler Straße 103 (KTS), Öffnungszeiten: Dienstag 17 bis 19 Uhr, Donnerstag 17 bis 20 Uhr

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 25.10.2006 - 04:35

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