Honduras: Verhaftungswelle gegen Jugendliche

tante tia 18.09.2006 06:48 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Seit einigen Wochen erfolgen in Honduras massive Repressionen gegen Jugendliche, die als Mitglieder von gewaltsamen Jugendbanden (Maras) verdächtigt werden. Die Verhaftungskriterien richten sich rein nach dem äußeren Erscheinungsbild. Aufgrund der hohen Anzahl von Verhafteten sind faire Prozesse und angemessene Haftbedingungen nicht zu erwarten.
Honduras: Verhaftungswelle gegen Jugendliche durch Militär

Aufgrund wachsender Kritik an der Sicherheitslage in der Hauptstadt Tegucigalpa und dem Industriezentrum des Landes San Pedro Sula hat Präsident Mel Zelaya den Einsatz von Militär-Spezialeinheiten in den Städten angeordnet. Gemeinsam mit der Polizei erfolgt seit circa drei Wochen eine massive Verhaftungswelle durch das Militär gegen Mitglieder von Jugendbanden, den sogenannten „Maras“. Die Maras sind in der Tat als äußerst gewaltbereitet einzustufen. Bewaffnete Überfälle auf Zivilisten enden nicht selten mit der Ermordung des Opfers.

Alarmierend an der Vorgehensweise der honduranischen Regierung sind jedoch die Verhaftungskriterien: das Tragen von kurzen Haaren, Schnurrbart, kurzer Hose mit langem Gürtel sowie Tätowierungen reichen bereits aus, dass verdeckte Ermittler das Militär zum Einsatz rufen. In Tegucigalpa wurden laut Militärangaben in den letzen Wochen so 700 (!) Personen verhaftet.

Ein fairer Prozess ist für die Verhafteten nicht zu erwarten. Als pauschale Verhaftungsgründe werden das Tragen von nicht registrierten Waffen herangezogen (privater Waffenbesitz ist in Honduras allerdings legal) oder bloße Tätowierungen. Tätowierungen mit Mara-Motiven, z.B. Grabsteine oder die Nummern 13 oder 18 (Straßennummern in Los Angeles, wo die Gründung der Maras ihren Anfang nahm), stellen seit Beginn der „Operation Freiheit“ (Operación Libertad) gegen die Maras im August 2003 einen Strafbestand dar.

Unklar ist, wie der hochverschuldete Staat die Hunderten von Verhafteten versorgen will. Verhältnisse, wie sie aus den überfüllten Gefängnissen in Sao Paulo und Rio de Janeiro bekannt sind, sind zu erwarten. Das Strafmaß für Jugendliche, denen eine Zugehörigkeit zu einer Mara nachgewiesen kann, beträgt bis zu 30 Jahre.

Mehr Infos zu Maras:

www.rrz.uni-hamburg.de/IIK/brennpkt/jg2004/bpk0405.pdf
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Ergänzungen

Honduras: soziale Säuberungen

nicht neu, aber leider noch aktuell 18.09.2006 - 08:43
Auch 2005 kamen wieder Kinder und Jugendliche unter Umständen ums Leben, die den Verdacht begründen, dass sie Opfer extralegaler Hinrichtungen wurden.

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Kinder und Jugendliche

In den vergangenen acht Jahren starben über 2.800 Kinder und Jugendliche unter 23 Jahren einen gewaltsamen Tod. Auch im Jahr 2005 kamen mehr als 431 getötet. In einigen Fällen ließen die Umstände auf extralegale Hinrichtungen schließen. Obwohl der im Januar 2003 veröffentlichten Bericht Informe Preliminar sobre Muertes Violentas de Niños, Niñas y Jóvenes en Honduras des nationalen Menschenrechtsbeauftragten die Vermutung stützt, es handele sich bei den Mordfällen um "soziale Säuberungen", wurden keine größeren Anstrengungen unternommen, diesem Verdacht nachzugehen. Auch die UN-Sonderberichterstatterin Asma Jahangir war 2002 in ihrem Bericht über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen zu dem Schluss gelangt, dass "Angehörige der Sicherheitskräfte Kinder getötet haben". Lediglich in einigen Fällen hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen. Zu einem kleinen Erfolg hat die im September 2002 vom Sicherheitsministerium einberufene Sondereinheit zur Aufklärung der Tode von 15 Jugendlichen beigetragen. Ihre Arbeit führte im Mai 2004 zu zwei Verurteilungen. Insgesamt leiteten die Behörden entgegen ihren Zusagen aber keine wirksamen Maßnahmen ein, um die Morde an Kindern und Jugendlichen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Die übergroße Mehrheit der Täter blieb damit weiterhin straffrei.

Nachdem am 5. April 2003 bei einem Gefängnisbrand in La Ceiba 69 Menschen unter nicht vollständig geklärten Umständen ums Leben kamen, von denen 61 der Jugendbande "Mara 18" angehörten, starben am 17. Mai 2004 bei einem weiteren Brand 104 Insassen des Gefängnisses von San Pedro Sula. Die meisten von ihnen gehörten der Jugendbande "Mara Salvatrucha" an. Berichten zufolge waren die Sicherheitsbeamten in beiden Fällen wesentlich an der Eskalation der Situation beteiligt. Im Dezember 2004 wurde der Polizist Oscar Sánchez zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er des Mordes in 68 Fällen im Gefängnis von El Porvenir für schuldig befunden wurde.

Am 7. August 2003 verabschiedete das honduranische Parlament eine Strafrechtsreform, bekannt unter dem Namen Ley Antimaras, welche die Mitgliedschaft in gewalttätigen Jugendbanden mit bis zu 12 Jahren Gefängnis bestraft. Jugendliche können bereits aufgrund von Tätowierungen festgenommen und der Mitgliedschaft in einer Bande angeklagt werden. Nach Einschätzung von amnesty international verstößt das Gesetz gegen internationale Abkommen. Menschenrechtsorganisationen gehen juristisch gegen die Neuregelung vor, die sie für verfassungswidrig halten.

aus ai Länderkurzinfo 01.01.2006 HONDURAS 2005
 http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/e745dd351e287352c12571cb00421b29?OpenDocument

Maras:
Zentralamerkia-Sekretariat: Zero Tolerance als kontinentaler Angriff
 http://www.vorwaerts.ch/vorwaerts/texte/041118_maras.rtf