Ermittlungen gegen Nazis vor Einstellung

aib_rlp 15.09.2006 16:06 Themen: Antifa Antirassismus
Ermittlungen zu zwei Fällen in der Südpfalz (Brandstiftung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung) drohen ungelöst eingestellt zu werden - Rechtsextremer Hintergrund kann in beiden Fällen nicht ausgeschlossen werden
Die polizeilichen Ermittlungen zu zwei der schwersten Straftaten mit möglicherweise rechtsextremistischem Hintergrund der letzten Jahre in der Südpfalz bleiben weiterhin ohne Ergebnis. Vor drei Jahren wurde in der Kleinstadt Kandel ein Brand in einem Wohn- und Geschäftshaus gelegt, bei dem zwei Griechen ums Leben kamen. Nach einem Open-Air-Konzert im Juli letzten Jahres in Vorderweidenthal bei Dahn wurde ein Jugendlicher von Unbekannten so traktiert, dass er wohl den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen muss. In beiden Fällen wiesen Spuren und Zeugenaussagen auf Personen der rechten Szene hin, denen aber bisher keine Täterschaft nachgewiesen wurde.

In der Nacht zum 06. Dezember 2003 gegen 04:00 Uhr wurden an zwei gegenüberliegenden Stellen in der Kandeler Hauptstrasse Brände gelegt. Während das eine (mit aus einem nahen Tabakladen entwendeten Zeitungen entfachte) Feuer vor einem Dönerladen von einem Passanten (entdeckt und) gelöscht werden konnte, gelang es der Feuerwehr erst nach knapp vier Stunden den Brand in einem Wohnhaus mit einer griechischen Gaststätte im Erdgeschoss auf der anderen Straßenseite unter Kontrolle zu bekommen. Zwei junge Griechen im Alter von 22 und 23 Jahren konnten sich nicht mehr retten und erstickten in den Flammen. Zwei weitere in dem Haus lebende Familien mit Kindern retteten sich über den Balkon. Ein Zeuge beobachtete am Tatort einen 22-Jährigen, der noch in der gleichen Nacht festgenommen wurde. Er stand laut Polizei unter dringendem Tatverdacht zumindest die versuchte Brandstiftung (in der Nähe des Dönerladens) begangen zu haben.

Seither gaben Polizei und Staatsanwaltschaft keine weiteren Informationen mehr an die Öffentlichkeit. Aus dem Umfeld gab es zwei wesentliche Hinweise und Vermutungen. Zum einen wurde dem Eigentümer des Hauses ein versuchter Versicherungsbetrug nachgesagt, zum anderen gab es Hinweise, dass sich der verdächtige 22-Jährige Stephan R. im Umfeld der rechten Szene bewegen solle. Im Zusammenhang mit dem Brand sollen zudem auch zwei Mitglieder der rechtsextremen Vereinigung "Nationaler Widerstand Kandel" von den Ermittlungen betroffen gewesen sein. Der leitende Oberstaatsanwalt Dr. Detlef Winter gab sich zum derzeitigen Stand der Ermittlungen zurückhaltend und konnte nicht in Aussicht stellen, dass die polizeilichen Untersuchungen zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den oder die Verdächtigen führen werden. Nach seinem Bekunden werden die Ermittlungen jedoch so oder so Ende September abgeschlossen werden.

Dem Fall in Vorderweidenthal droht aus heutiger Sicht ein ähnliches Ende. Auch ein Jahr nach dem brutalen Überfall auf einen 21-jährigen alternativen Jugendlichen reichen der Staatsanwaltschaft die bisherigen Ermittlungen für die Einleitung eines Strafverfahrens noch nicht aus. Auch hier ist der Tathergang noch nicht vollständig rekonstruiert worden. Bisher steht fest, dass das Opfer nach einem Open-Air-Konzert am 16. Juli 2005 um 02:00 Uhr gemeinsam mit seiner Freundin zu seinem Auto ging, um dort zu schlafen. Zwei Stunden später wurde er von anderen Konzertbesuchern mit Schleifspuren am Rücken sieben Meter von seinem Auto entfernt am Boden liegend aufgefunden. Er wurde durch Schläge und Tritte so malträtiert, dass er zeitlebens querschnittsgelähmt bleiben wird. An den Angriff hat das Opfer keine Erinnerung. Auch durch die prompten Aufräumarbeiten wurde ein Großteil der Spuren verwischt.

Trotzdem hatte die Polizei einige Tage nach der Tat Hinweise, die den Verdacht gegen drei 18- bis 20-jährige bekannte Rechtsextreme erhärteten und zu Hausdurchsuchungen bei dem Trio führten. Vielen Zeugen sind die drei Verdächtigen am Abend insbesondere durch eine verbale Auseinandersetzung mit dem späteren Opfer auffällig geworden, bei der es um sein antirassistisches Armband mit der Aufschrift "respect" ging. Für die Tat selbst gibt es laut Oberstaatsanwalt Winter keine brauchbaren Zeugenaussagen. Jedoch wollte er nicht dementieren, dass zwei Zeuginnen ihre Aussagen und Täterbeschreibungen nach kurzer Zeit zurückgezogen haben. Dem Antifaschtischen Informationsbüro Rheinland-Pfalz liegen Hinweise vor, dass die beiden dabei von Rechtsextremisten unter Druck gesetzt wurden. Winter sieht auch daher die Chancen die Täter zur Rechenschaft zu ziehen als „relativ gering“ an. Eine letzte Hoffnung auf die Lösung des Falles sind wohl die noch ausstehenden Auswertungen von Haar- und Textilspuren. Diese warten nun schon seit mittlerweile einem Jahr im zuständigen Labor in Mainz. Laut Winter ist dies darauf zurückzuführen, dass das Labor mit dringenderen Fällen überlastet sei.

Andreas Langer vom Antifaschistischen Informationsbüro Rheinland-Pfalz will nicht akzeptieren, dass die beiden Fälle mit zwei Toten und einem Schwerverletzten ungelöst in der Schublade verschwinden und fordert Polizei und Staatsanwaltschaft auf, die vorhandenen Hinweise und Spuren intensiver zu prüfen sowie die Öffentlichkeit nicht mit ihren Vermutungen alleine zu lassen. "In beiden Fällen äußert das Umfeld immer wieder klare Schuldzuweisungen in bestimmte Richtungen, für Viele stehen die jeweiligen Täter, vor allem im Fall Vorderweidenthal, fest. Die Polizei muss ihre zurückhaltende Informationspolitik aufgeben und besonders im Kandeler Fall klar machen, welcher Tathintergrund auszuschließen ist." Langer kann nicht verstehen, warum die Spuren des Überfalls in Vorderweidenthal immer noch nicht ausgewertet wurden: "Mir ist unbegreiflich, warum es in mehr als einem Jahr für das Labor nicht möglich war, Spuren zu untersuchen, die möglicherweise die entscheidenden Hinweise erbringen können, um die Angreifer zu ermitteln, die das Leben eines jungen Menschen zerstörten."
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macht schon wütend

Elefant 16.09.2006 - 20:01
Sind Namen und andere zur eindeutigen Identifizierung der verdächtigen Nazis geeignete Merkmale bekannt? Sollte nicht in Vergessenheit geraten... never forget, never forgive!