Schülerstreik in Berlin am Mittwoch

Wladek Flakin 12.09.2006 23:16 Themen: Bildung
Immer mehr Schülerinnen und Schüler erreicht der Aufruf der Schülerinitiative "Bildungsblockaden einreißen", am kommenden Mittwoch, den 13.9. um 10 Uhr vor dem Roten Rathaus gegen Bildungsabbau zu demonstrieren. Doch während die Streikvorbereitungen an vielen Berliner Schulen in vollem Gang sind, nehmen die Repressionen von Seiten der Schulleitungen zu.
SchülerInnen, die an der Protestaktion teilnehmen wollen, werden systematisch eingeschüchtert. So wurde am Carl-von-Ossietzky Gymnasium in Berlin-Pankow in einem Schreiben an alle SchülerInnen behauptet, dass es sich bei dem Schulstreik „nicht um eine legale Handlung handelt“. Jeder, der einmal Politikunterricht hatte, dürfte aber gelernt haben, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Grundgesetz verankert ist (Artikel 5) und weder durch Schulpflicht noch durch die Aufsichtspflicht der LehrerInnen unverhältnismäßig eingeschränkt oder gar außer Kraft gesetzt werden darf.
In diesem Schreiben wird die gesamte Protestaktion verleumdet, in dem behauptet wird, den Flugblättern der Schülerinitiative seien keine erkennbaren Forderungen zu entnehmen. Auch diese Aussage ist schlicht falsch. Unsere Forderungen, die auf jedem Flyer abgedruckt sind, lauten: Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit, keine Einführung von Studiengebühren, Einstellung von genügend LehrerInnen, keine Schulschließungen, Einrichtung von ausreichend Ausbildungs- und Studienplätzen und die Abschaffung des drei-gliedrigen Schulsystems. Diese klaren Forderungen sollten auch SchulleiterInnen als solche erkennen und auch unterstützen!
Eine Reaktion dieser Art ist leider kein Einzelfall. An einigen Schulen wurden SchülerInnen Flugblätter aus den Händen gerissen. Die Schülerzeitung der Schiller-Oberschule in Charlottenburg wurde verboten, weil sie einen Streikaufruf veröffentlicht hat.
Lehrkräfte und Schulleitungen verschiedenster Schulen haben mit Strafen gedroht. Diese reichen von Tadeln und Nachsitzen bis hin zu der Drohung, die Klassenzimmer abzuschließen. "Um die Schülerschaft an der Teilnahme an einer legalen politischen Demonstration zu hindern, sind manche SchulleiterInnen offenbar bereit, Brandschutzvorschriften zu missachten und damit das Leben der SchülerInnen zu gefährden" sagt Aimo Belling (19), Sprecher der Schülerinitiative.

Mobilisierung

Trotz der Repressalien läuft die Mobilisierung aber weiter. Am Coppi-Gymnasium in Lichtenberg wurde eine Gesamtschülerversammlung, die zur Diskussion über Bildungsabbau und Proteste dagegen dienen sollte, von der Schulleitung untersagt. Daraufhin fand die Versammlung auf dem Schulhof statt. Alex (18) stieg auf eine Tischtennisplatte und rief den über hundert interessierten MitschülerInnen zu: „Es geht uns nicht darum, die Schule zu schwänzen. Wir wollen zeigen, dass wir die Kürzungen an unseren Schulen nicht mehr hinnehmen werden!“
Vielfach wurden Aushängen der Schulleitungen, die den Streik verbieten, Gegendarstellungen aktiver SchülerInnen beigefügt. Des Weiteren wurden tausende Plakate aufgehängt, die auf die Manifestation aufmerksam machen, und zehntausende Flugblätter verteilt, die über Hintergründe des Bildungsabbaus und Forderungen der Schülerinitiative informieren.
Vergangenen Sonntag trafen sich 70 Schüler von über zwanzig Schulen bei einer Aktionskonferenz, um letzte Vorbereitungen zu treffen. „Die große Resonanz zeigt ja schon, wie unzufrieden die Berliner Schülerschaft mit der Kürzungspolitik ist. Weil keine der Parteien etwas dagegen macht, müssen wir selbst unsere Interessen vertreten!“ sagt Lea (18) von der Schülerinitiative.

Politiker

Die Landesschülervertretung begrüßt in einem Schreiben an Berliner SchulleiterInnen die Initiative zu Protesten, die "momentan frischen Wind in die Berliner Bildungspolitik bringt."
Im Zuge des Wahlkampfes haben diverse PolitikerInnen zu der Schülerprotestaktion Stellung genommen. Wirtschaftssenator Harald Wolf von der Linkspartei beteuerte in der RBB-Sendung „Klipp und Klar“: „Ich finde das gut, wenn Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden“.
Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, sprach sich in einer Podiumsdiskussion an der Rheingau-Oberschule in Schöneberg deutlich für die Schülerdemonstration aus: "ich finde es genau richtig, wenn Schüler sich engagieren." Und selbst der CDU-Abgeordnete Andreas Apelt proklamierte in einer Diskussion an der Schliemann-Oberschule in Prenzlauer Berg, der Streik sei "eine Super-Sache".
Lediglich Stefan Liebig, dem Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, blieb es überlassen, den Schulstreik als "etwas demokratiefeindlich" zu bezeichnen.
Die Schülerinitiative verlässt sich nicht auf die Wahlversprechen der Parteien, sondern setzt sich dafür ein, dass SchülerInnen sich selbst organisieren und ihre Forderungen auf die Straße tragen.
"Wir verstehen diesen Streik als Warnsignal an den neuen Senat, - wer immer ihn auch stellen wird - dass wir uns gegen jegliche Art von Bildungsabbau zur Wehr setzen werden" sagt Aimo.
Die Schülerinitiative sucht den Schulterschluss mit anderen Gruppen, die von Sozialabbau betroffen sind und dagegen protestieren. Die Aktionskonferenz solidarisierte sich mit Beschäftigten des Charite-Kilinikums, die in diesen Tagen ebenfalls in den Streik treten, um einen Absenkungstarifvertrag abzuwehren und den drohenden Stellenabbau und die Privatisierung des Klinikums zu verhindern versuchen. Heute morgen war eine dreiköpfige Delegation der Schülerinitiative beim Auftakt der Warnstreiks bei der Charité. Auf ihrem Transparent - "Streik in der Schule, Streik in der Fabrik" - wurde "Fabrik" mit "Charité" überklebt. Auf der Schülerdemonstration wird Carsten Becker, Sprecher der Ver.di-Betriebsgruppe an der Charité, sprechen.
Die Demonstration der SchülerInnen beginnt am Mittwoch, den 13. September, um 10 Uhr vor dem Roten Rathaus. Zum Abschluss wird es verschiedene Workshops und ein Konzert geben, auf dem diverse Ska- und Hiphop-Gruppen auftreten werden.
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Ergänzungen

netlink

funkt 12.09.2006 - 23:37
nicht! bitte noch mal den richtigen( falls es einen gibt) posten. d@nke

Lehre Drohungen

ex schüler 12.09.2006 - 23:57
Im Vorwege eines Schülerstreiks in der Stadt Neumünster, in Schleswig Holstein, gab es ähnliche Drohgebärden.
Sie einfach zu ignorieren war das Beste in diesem Fall.
So weit ich mitbekommen habe, kam es zu keinerlei Strafen hinterher.
Mal abgesehen von unentschuldigten Fehlstunden... Also Penuts.
Lasst euch nicht einschüchtern!
If the kids are united... Prost!

Zur Info

wer 13.09.2006 - 00:19
Bei Festnahmen oder Mißhandlungen durch die Polizei: Meldet euch telefonisch beim Berliner Ermittlungsausschuss: (030) 692 22 22
Gneisenaustraße 2a, 2. Hof, 10999 Berlin

rechter LSV sprecher Hetzt gegen Schulstreik

. 13.09.2006 - 01:09
aus dem Tagesspiegel vom 13.09:
"Landesschülersprecher Jan Hambura sagte gestern, er unterstütze den
Streik nicht, nachdem er erfahren hatte, dass auch kommunistische
Gruppen hinter dem Aufruf stehen."

Jan Hambura ist übrigens im CDU Ortsverband Charlottenburg-Nord
engagiert und tritt für die CDU zu den Abgeordnetenhauswahlen an. Wenn
er gerade nicht zur Schule geht oder was für die CDU macht scheint er
wohl auch ab und zu zu schreiben. Der Name "Jan Hambura" taucht in der
AutorInnen Liste der rechtsextremen "Junge Freiheit" auf

Schulstreik Erklärung von AStA FU & RefRat HU

eine 13.09.2006 - 01:10
Der AStA FU und RefRat HU rufen zur (Berliner Schulstreik-Demo am 13.09 - 10 Uhr Alexanderplatz) auf und erklären ihre Solidarität mit den SchülerInnen der belagerten Frankfurter Schule.

Für morgigen Mittwoch plant ein breites SchülerInnen-Bündnis einen berlinweiten Schulstreik gegen Bildungsabbau. Der Allgemeine Studierenden Ausschuss der Freien Universität und der ReferentInnenRat der Humboldt Universität erklären sich mit diesen notwendigen Protesten solidarisch und beteiligen sich an der Mobilisierung zu der zentralen Protestdemonstration.

Jedes Jahr lehnen die Berliner Hochschulen zehntausende Studierwillige ab. In immer mehr Bundesländern werden Studiengebühren beschlossen oder erhöht. Mit Leuchtturm-Projekten für eine auserwählte Elite verschärft sich diese Situation weiter. Nötige Reformen um Bildungsbarrieren abzubauen bleiben aus. Statt Konsequenzen aus Studien wie IGLU und PISA zu ziehen, werden Mechanismen - wie die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit - durchgedrückt, welche die Selektivität im Bildungssystem weiter erhöhen.

"Die Einstellung 'Studiengebühren werden sowieso eingeführt' ist Teil ihrer Durchsetzung. Studiengebühren werden nur dann eingeführt, wenn ihre GegnerInnen zu schwach sind sie zu verhindern und BefürworterInnen stark genug sie durchzusetzen. Die Haltung, Gebühren kämen eh, ist also Teil des Kampfes um Kräfteverhältnisse. Diese gilt es zu verändern und dem herrschenden Verständnis von Bildung als Ware eigene Vorstellungen von selbstbestimmter Bildung entgegen zu setzen und offensiv zu vertreten", so Jenny Simon, hochschulpolitische Referentin des AStA FU.

"In diesem Zusammhang finden wir es großartig, dass nicht nur Berliner SchülerInnen aktiv versuchen Bildungsbarrieren abzubauen, sondern seit heute auch eine Schule in Frankfurt/Main bestreikt wird und SchülerInnen in Hamburg ähnliche Proteste planen. Erfreulich ist dies vor allem im Kontext der sich bundesweit vernetzenden Studierendenproteste." sagte Rene Held, Referent für Hochschulpolitik des RefRat HU.

Drohungen gegen Schüler sind nicht neu

mama 13.09.2006 - 06:51
Bei den Schülerprotesten vor ein paar Jahren in Berlin wurde meine Tochter auch mit Sanktionen bedroht. Lasst euch davon nicht entmutigen!

Ach, wladek

A-Revolution 13.09.2006 - 07:47
hier der richtige weblink vom bündnis "bildungsblockaden einreissen" : www.schulaction.de

Auch die FHTW

Berliner 13.09.2006 - 09:48
ruft zu dem Protest auf!

Repression entgegentreten

ex-SV Mitglied 13.09.2006 - 10:12
lasst euch von solchen Drohungen nicht einschüchtern. Ich weiß nicht wie es in Berlin aussieht (guckt euch die entsprechenden Stellen im Berliner Schulgesetz Schülervertretungen betreffend an)aber zumindest in Niedersachse kann eine Schule keine Schülerzeitung verbieten und die Schüler haben ein Recht auf vier halb-stündige Vollversammlungen pro Jahr

in Göttingen ist es auch schon vorgekommen, dass Schüler bei abgeschlossenen Türen aus den Fenstern raus sind. Nett ist es auch (wenn von der Entfernung her möglich), wenn eine Schule geschlossen zur anderen Schule läuft um die dort von Drohungen Betroffenen (oder Eingeschlossenen) abzuholen.

mit solidarischen grüßen

Schülerzeitungen & Verbot dieser

Moe 13.09.2006 - 20:28
Schülerzeitungen unterliegen dem Presserecht. Das birgt neben einigen Verpflichtungen allerdings auch den Vorteil, dass sie so einfach nicht verboten werden können, da sie Pressefreiheit geniessen. Es darf somit zum Streik, zu einer Demonstration oder Boykott etc. aufgerufen werden. Will ein Schulleiter die Veröffentlichung bestimmter Artikel oder der ganzen Zeitung verhindern, so macht er sich strafbar. Das Schulrecht kann dies nicht einschränken noch ein Verbot legitimieren.

Solidarische Grüße aus SH (Streik in Planung!),
Moe

Schülerzeitung

Lalali 14.09.2006 - 16:09
bei uns lief das immer so, dass der Schulleiter natürlich überhaupt kein Recht hat, irgend eine Veröffentlichung zu verbieten, aber da er (oder sie?) das Hausrecht hat (und das ist auch schon alles) haben wir uns verbieten lassen, sie auf dem Schulgelände zu verkaufen. Weis nicht, ob das so richtig ist, kam mir aber schlüssig vor. War letztlich nen guter Werbegag, in der großen Pause und nach Schulschluß direkt vor dem Haupteingang die "verbotene Zeitung" zu verkaufen.

@Lala: In Deutschland kann ich mir das echt gut vorstellen, dass nach Feierabend gestreikt wird. Sonst könnte das ja jemandem wehtun und das wäre "kontraproduktiv"

haut rein!

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Verstecke die folgenden 7 Kommentare

Kritischer

Beobachter 13.09.2006 - 13:45
Mal eine Frage an die Initiatoren. Von welcher Altersstufe redet ihr hier, wenn ihr zum Streik aufruft? Ich fände es mehr als schäbig wenn ihr eure Bestrebungen mir Hilfe von "extrem"-Minderjährigen durchzusetzen versucht. Oder wollt ihr sagen ein 13jähriger hätte schon die Reife den ganzen Zusammenhang zu ergreifen? Für den Hauptteil der von euch angesprochenen Schüler gilt wohl eher der Spaßfaktor an der Sache als weniger das Durchsetzen von Interessen die von Ihnen frei gewält wurden bzw. auch mit greifenden Argumenten vertreten werden. Ansonsten im Grundgedanken eine gute Sache den Obrigen mal Dampf zu machen wegen der Bildungspolitik.

"ganzen zusammenhang"??

angeber 13.09.2006 - 14:16
"die Reife den ganzen Zusammenhang zu ergreifen"

und sich zu einer kritischen staatsbürgerlichkeit aufschwingen und sich sorgen machen dass "das ganze" "funktioniert", wie du?
es reicht völlig aus von staats wegen auf das kapitalistische aussortierungs-schulwesen verpflichtet zu werden, um was dagegenzuhaben.

@ kritischer

Beobachter 13.09.2006 - 15:15
Wenn du Menschen mit einem geringerem Alter die Urteilskraft absprichst kann es mit deiner Kritikfähigkeit nicht weit sein, denn such 13jährige können sehr wohl schon längst sehen, dass sie nicht studieren werden können, wenn ihre Eltern nur ALG2 geziehen. Dass sie schon ab der 1. KLasse nicht, wie ihre MItschülerInnen, eigene Bücher haben, können junge Menschen auch schon früh erkennen. Im Gegenteil, deine "kritische Beobachtung" zielt genauso weit, wie Standarts dieses SYstems: Experten werden schon besser wissen(sind ja Experten), was für die ungebildete Bevölkerung eben nich' so schnell klar wird, weil ihr die notwendige Bildung / Qualifikation fehlt zu verstehen, warum der Chef nen dickeres Auto haben soll & seinE AngestellteR eben mehr arbeiten muss für weniger Lohn.
Vielleicht solltest du dich mal ein wenig mehr mit Elitenkritik befassen, oder versuchen zu verstehen, was diese aus & mit Menschen macht, nämlich mehr oder eben weniger qualifiziertes Humankapital.

Empfehlungen: www.kraetzae.de, oder auch www.fragend-voran.de.vu

bis dahin kannste ja wählen gehen, aber pass auf, dass das wahlalter nicht runter gesetzt wir, weil menschen ab 65 schon zu alt zum wählen sind und ihnen die notwendige Urteilskraft fehlt um eine moderne kapitalistisch-demokratische verstehen & richtig beurteilen zu können.
@!

Schon traurig

Demo-Besucher 13.09.2006 - 15:15
es ist schon irgendwie traurig, dass man eine schuelerdemo waehrend der schulzeit organisieren muss, um kinder zum schwaenzen bzw demonstrieren zu bewegen. stellt euch mal vor die demo waer 16:00 gelaufen, da waeren nicht mal 1000 leute zusammen gekommen...

heißes essen - heißer streikq

ein lehrer 13.09.2006 - 16:44
lasst euch von leeren und lehren drohungen nicht einschüchtern. es wird bekanntlich nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. und wenn schulleiterInnen den streik ablehnen, so gibt es doch hunderte von lehrerInnen, die mit der bildungssituation ebenso unzufrieden sind und solche protestaktionen begrüßen. da bin ich sicherlich nicht alleine.

solidarische grüße nach berlin

(at) Demo-Besucher

lala 13.09.2006 - 16:46
Streikt man auch ausserhalb der Arbeitszeit ?

Aufständig werden!

Radikalinski 14.09.2006 - 12:48
 http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Antirepressionstext

“Du tanzt dauernd aus der Reihe!"

Dieser Text wendet sich - außer an die als „Minderjährig“ diskriminierten Menschen - auch an LehrerInnen sowie an alle, denen eine gleichberechtigte Ebene zwischen allen Menschen wichtig ist.

Es eröffnet sich dir ein bunter Fächer vielseitiger Möglichkeiten, Solidarität zu üben, selbst wenn du keinen direkten Kontakt zu „Kindern“ haben solltest. Da ist für jede/n was dabei. Zum Beispiel indem du recherchierst, Öffentlichkeitsarbeit machst, Veranstaltungen organisierst, den normalen Schulablauf sabotierst und immer wieder auf der Straße, bei Festen, im Freundeskreis und in der Familie klare Partei für die schwach gemachten Menschen ergreifst.

Als eine mögliche Grundhaltung schlägt Maria Montessori vor, in die Erziehungskonzeptionen die selbstkritische Frage aufzunehmen, ob wir die Individualität der kindlichen Persönlichkeit achten, sie als unabhängig und frei sehen, sie nicht nur auf ein menschenwürdiges Leben vorbereiten, sondern auch ihre unveräußerbaren Menschenrechte hier und jetzt achten. Maria Montessori sagt: „Wer für das Kind eintritt, muß dauernd diese anklagende Haltung gegen den Erwachsenen einnehmen und darf hierbei weder Nachsicht walten lassen noch Ausnahmen machen.“ (Montessori, 1989, S. 21) Wenn erzieherische Übergriffe beobachtet werden, wäre es hilfreich, mit der betroffenen Person ein Gespräch zu beginnen und ganz klar Unterstützung anzubieten. Im zweiten Schritt wäre es erst sinnvoll, der übergriffigen Person ihr Verhalten bewusst zu machen und durch Fragen herauszufinden, welcher Art das Problem ist und sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Darauf kann sich eine spannende Diskussion aufbauen, die viele Leute im öffentlichen Raum miteinbezieht. Der private Raum wird nun wieder zum Verhandlungsthema, das alle was angeht.

Kompetenz und Kontinuität

Eine auf Kompetenz und Kontinuität aufbauende Strategie wäre es, Anlauf- und Beratungsstellen aufzubauen und zu vernetzen, die ohne staatliche Regulierung und mit/von den Betroffenen organisiert werden. In diesem Rahmen können sich die Beteiligten ständig neu Wissen und Kompetenzen aneignen und durch deren kontinuierliche Weitergabe eine verlässliche, durchgehende Unterstützung bieten. Die meisten Stellen, die bisher existieren und als sozialpädagogische Innovation daherkommen, kooperieren gezwungenermaßen mit den Jugendämtern, was eine klare Parteinahme für den Willen der hilfesuchenden Person erschwert. Es ist genauso widersprüchlich, als wenn eine Flüchtlingsgruppe eng mit der Ausländerbehörde zusammenarbeiten würde. Manchmal gibt’s nette SachbearbeiterInnen, manchmal eben fiese. Diese Anlaufstellen würden zum Ziel haben, reale Handlungsmöglichkeiten in der Gesellschaft für junge Menschen bereitzustellen und zu erkämpfen. Ein Zitat von Janusz Korczak konkretisiert:

„Wenn ein Drittel der Warschauer Bevölkerung Kinder und Jugendliche sind, dann sollte jedes dritte Haus, jedes dritte Geschäft, jede dritte Straßenbahn zu ihrem Nutzen sein.“ (Janusz Korczak, Von Kindern und anderen Vorbildern Gütersloh 1985, S. 106) Sigurd Hebenstreit Entwicklungspädagogik: Das kleine Kind zwischen eigener und Außenwelt

Eltern

Gerade Eltern werden von ihrer Umwelt meist mit vielen Ratschlägen überhäuft. Da hilft nur, ein dickes Fell zu entwickeln und auf die Frage ob das „dein Kind“ sei, das diesundjenes tue, zu versuchen immer wieder zu vermitteln: „Ersie gehört immernoch sich selbst! Wenn du Fragen oder Ratschläge hast, wende dich bitte an ihnsie.“ Sicherlich ist es nett, vermittelnd aufzutreten, wenn Menschen im Umgang mit dem anderen (in diesem Fall jüngeren) Menschen unsicher sind. Wichtig ist es, dabei immer wieder die Autonomie des jungen Menschen zu betonen und jede Art von Stellvertreterei abzuweisen. Mensch muss schließlich nicht immer alles toll finden, was ein anderer tut. Bis zu einem gewissen Grad steht die Gesetzgebung den Eltern zur Seite: Sie würden das „Recht auf gewaltfreie Erziehung“ missachten, wenn sie dendie SchülerIn mit Gewalt - gegen den Willen - zu irgendetwas zwingen würden. Die nächsthöhere Instanz, der es erlaubt ist, erzieherische Übergriffe - Gewalt - anzuwenden, ist der Staat mit den Jugendamt- und Polizeibeamten. Mittels Handschellen und Shuttleservice zur Schule meinen sie das „Recht auf Bildung“ durchsetzen können - wenn die Beamten so vorausschauend waren, einen Hausdurchsuchungsbefehl aufzutreiben. Nach einer Stunde Amüsement im Schulzirkus kann mensch die nächste Pause nutzen, um das Gebäude gemütlich zu verlassen. Eine Taktik wäre es, Begnungen zu vermeiden, indem ein Frühspaziergang gemacht wird und mensch sich zu Schulzeiten nicht in typischen Schulschwänzer-Orten (Spielplätze, Einkaufscenter) rumtreibt (was manchmal eine richtige Zumutung sein kann). Die MitbewohnerInnen laden die Damen und Herren zum Frühstück ein, um ihnen die Situation leichter begreiflich zu machen - und damit das Eingreifen hoffentlich schwieriger. Wenn du eine komplette Schulverweigerung durchziehen möchtest, macht es Sinn, sich über mögliche Repression im Vorfeld zu informieren und vorzusorgen.

ErziehungsvollstreckerInnen

Als LehrerIn oder berufsmäßige/r ErzieherIn ist es nahezu unmöglich, auf eine gleichberechtigte Ebene zu bestehen, weil das Machtgefälle allein schon strukturell festgelegt ist. Auch derdie netteste LehrerIn, derdie es ablehnt, Noten zur Disziplinierung einzusetzen, muss durch irgendeine Form der Bewertung selektieren. Was innerhalb des Schulsystems unternommen werden kann, mag wie der Tropfen auf den heißen Stein, reformistisch und letztendlich systemfestigend wirken, weil es die strukturell diskriminierenden Einschränkungen beschwichtigend leichter erträglich macht. Wer versucht, den engen Rahmen zu erweitern wird schnell feststellen müssen, wieviel Energie dafür investiert werden muss, schon kleine Schritte zu gehen...und sich die Köpfe an den dicken Mauern der Bürokratie einrennen. Es ist undenkbar, als Lehrverantwortliche/r zu akzeptieren, dass ein Untergebener etwas anderes Lernen möchte als das, was im Lehrplan festgelegt ist oder womöglich garnicht in die Schule gehen will. Als LehrerIN musst du den Zu-Bildenden irgendwie verführen, überreden, manipulieren, womöglich Angst einflößen, das ganze Repertoire gewalttätiger pädagogischer Raffinesse auspacken, um deinen Staatsauftrag zu vollziehen. Schul- oder Lernverweigerung ist schließlich „unnormal“ und strafbar. SchülerInnen, die sich konsequent weigern, in die Schule zu gehen, werden von Psychologen als "verhaltensgestört" erklärt. Bei Schulverweigerung drohen zwangsweise Zuführung durch Polizei, später Jugendknast oder im schlimmsten Fall eine Psychiatrisierung. Diese pädagogischen Gewalttaten abzulehnen hieße Schule als solche abzulehnen. Das soll nicht heißen, dass von LehrerInnen generell keine Unterstüzung zu erwarten sei. Im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten – die immernoch besser sind als die der SchülerInnen – können sie für kurzfristige Erleichterung sorgen. „Das kleinere Übel“ ist manchmal ein wichtiger Strohhalm, wenn die äußeren Umstände/Alternativen noch beschissener sind.

Die Meuterei: SchülerInnen, werdet PiratInnen und bringt das Schiff zum Sinken!

Selten sind Herrschaft und Autorität so spürbar wie in der Schule. Doch das macht Schule spannend: Selten ist es so einfach, Unterdrückung zu thematisieren. Ein Artikel mit Ansätzen, um aus jeder Schulstunde eine Aktion zu machen.

Wenn euer Direktor die Schule/Klassenzimmer abschließt um euch am Demo-besuch zu hindern macht das die alltägliche -legale oder zumindest gebilligte- Freiheitsberaubung sehr deutlich. Als Quittung dafür wäre ein Verbarrikadierung der Schuleingänge am nächsten Tag eine nette -aber illegale- Idee.

In der jetzigen Schule musst du dir andauernd anhören, dass du zu dumm und zu faul seiest, um selbst zu bestimmen, was du wo, wann, wie lange und mit wem lernen und was tun willst. Klaro, wenn mensch etwas nie dauerhaft ausprobieren darf, ist es unmöglich, es zu können. Wo alternative Strukturen und Netzwerke fehlen (oder zu teuer sind) und erst aufgebaut werden müssen, sind vereinzelte Ausbrüche mühselig. Also schließt euch zusammen und werdet Piraten! Greife die Autorität der Lehrkraft an, indem du dich nicht an ihre Anweisungen hälst und das immer wieder ganz offen beispielsweise damit begründest, dass du deren Macht über dich nicht anerkennst, dass du nicht hier sein willst, tausend andere Sachen lieber tätest, es nicht nachvollziehen kannst, wieso du gegen deinen Willen festgehalten wirst, du den Stoff in einer viel kürzeren Zeit lernen könntest, wenn du dich nicht mit LehrerInnen (und nervenden Mitschülern, falls vorhanden) rumplagen müsstest, du per Gesetz hier sein musst, weil du nicht willst, dass deine Eltern in den Knast kommen. Du ziehst daher den Widerstand vor.

Es ist dein Recht, zu protestieren und hier in der Schule ist genau der richtige Ort dafür - woanders darfst du dich ja auch nicht aufhalten!

Andauernd gibt das Verhalten der LehrerInnen Anlass, die Themen Herrschaft, Unterdrückung von Bedürfnissen und Selbstbestimmung zu thematisieren. Allein die zahlreichen Disziplinierungsmaßnahmen, die deine Bedürfnisse (Essen, Trinken, Bewegung, Sprechen, Pinkeln) auf den 45-Minutentakt und die Befehle desder LehrerIn ausrichten sollen, die rein garnichts mit dem „Erlernen“ von Wissen und Fähigkeiten zu tun haben, bieten besten Stoff für Provokation und Diskussion. Oder das Gespräch, in dem derdie LehrerIn fordert, das die SchülerInnen sich selbst benoten, und dies abgelehnt wird, weil die Note selektieren soll, letztendlich eh die Meinung desder LehrerIn entscheidet und so eine Zahl eh nix über „die Leistung“ aussagen kann. Oder die Klarstellung, dass derdie LehrerIn ehrlich sein soll, indem ersie klare Befehle formuliert statt bittet (pädagogischer Trick der Willensübertragung), nur um ihm dann zu erklären, das mensch selber denken könne, und keine Befehle bräuchte. Falls eine in/e LehrerIn die Repressionskeule auspackt und wegen aufsässigem Verhalten mit mieser Note droht, könnte ersie mit dem Absatz aus dem Schulgesetz konfrontiert werden, dass Verhalten nicht in die Note mit eingehen darf, sondern nach Absatz blabla geahndet werden müsse. Warum es dann dieses Gesetz überhaupt gäbe oder das Gleichheitsgebot und das dieses anscheinend völlig egal sei, sind Themen, die sich in dieser Situation anbieten. Tipp für RechtsstaattollfinderInnen: Viele Schulen haben vergessen, in ihrer Hausordnung das Essen und Trinken im Unterricht explizit zu verbieten und die Schulgesetze geben sich nicht mit so einem Quatsch ab, sondern fordern lediglich „unterrichtsförderndes“ Verhalten. Erste Möglichkeit: „Wir leben ja in einem Rechtsstaat, und da ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Also packe ich mein Frühstück sofort weg, wenn sie mir zeigen, wo steht, das Frühstücken verboten ist!“ Und wenn trotzdem drauf bestanden wird: „Aha, dann ist das hier anscheinend ja gar kein Rechtstaat, sondern Diktatur. Oder wie sehen sie das? Blabla“ Eine zweite Möglichkeit wäre, aus dem Gesetz zu zitieren, und zu behaupten, dass dieser Text Frühstück definitiv erlaubt, ja sogar fordert, da mensch nur mit Frühstück in der Lage sei, sich unterrichtsfördernd einzubringen. Eine Möglichkeit wäre, im Unterricht demonstrativ sein Frühstück auspacken, mit Serviette, Kaffeetasse, Besteck und darauf warten, dass die Leerkraft zu pöbeln anfängt. Dann fragen, warum es sinnvoll sei, nicht zu Essen, wenn mensch Hunger habe. „Dann können Sie sich nicht auf den Unterricht konzentrieren!“ „Mit Hunger bin ich aber noch weniger in der Lage, mich zu konzentrieren.“ „Aber wenn das alle machen würden!“ „Dann könnten alle viel besser lernen! Zumal ich nicht sehe, das Frühstück den Unterricht behindert, sondern erst Ihr Ausrasten den Unterricht unterbrochen hat.“ Dann lässt sich wunderbar in generelle Herrschaftskritik einsteigen, weil offensichtlich sei, dass das Essverbot dem Unterricht schade, und nur der Disziplinierung diene. All diesen Gesprächsansätzen ist gemeinsam, dass sie Absurditäten thematisieren, die sonst auch vorhanden sind, aber wie selbstverständlich hingenommen werden.

Wenn du schon im Klassenzimmer ausharren musst, dann tu wenigstens dein Ding. Mache komplett genau das, worauf du gerade Lust hast: Lesen, schlafen, lachen, Musik hören, malen, schreiben, an weiteren Projekten arbeiten, diskutieren. Mach das Klassenzimmer zu deinem Aufenthaltsraum, zu deiner Spielwiese. Sitz nicht verärgert-passiv hinter deinem Tisch rum, sondern tu, was du während der Schulzeit sonst nie machen konntest. Zusammen mit anderen könntest du sogar Computer, Fernseher und Playstation anschleppen. Achtet allerdings darauf, in der Gruppe vorallem auf die „Schwächeren“ (stilleren, schüchternen) einzugehen und Vereinbarungen zu finden, damit die Eingesperrten miteinander klarkommen! Begründe es immer wieder mit deinem Recht auf Selbstbestimmung als entscheidungsfähiges Subjekt. Dein Kopf gehört dir!

In der Grupppe könnt ihr durch verstecktes Theater eine Auseinandersetzung inszenieren, indem ihr beispielsweise das Verhalten desder LehrerIn in dessen/deren Anwesenheit auseinandernimmt, kritisch beleuchtet und bewertet. Vorher wird festgelegt, wer welche Rolle übernimmt, um bestimmte Standpunkte deutlich zu machen und die Auseinandersetzung am Laufen zu halten.

Ein Gericht entschied einmal, dass die vielerorts noch unüberwundene Klogang-diktatur durch den Lehrer rechtwidrig ist. Falls eure LehrerInnen dies dennoch ignorieren: Hier machts die Masse. Bist du müde, geh zur Toilette. Bist du gernervt, geh zur Toilette. Hast du Lust, zu telefonieren, geh zur Toilette. Willst du einen Abstecher nach draußen machen, geh zur Toilette. Willst du dir die Beine vertreten, geh zur Toilette. Die Toilette bedeutet Freiraum für zumindest ein kleines Zeitfenster. Wenn das jede/r machen würde ... wäre viel Bewegung im Klassenzimmer! ...und soziales Leben auf den Gängen.

Ist dir schon einmal aufgefallen, dass derdie LehrerIn unverhältnismäßig viel Raum im Zimmer einnimmt? Aus der Reihe tanzen kann auch heißen, durch den Raum zu eiern, wenn dir danach ist und zum Beispiel den LehrerInnentisch zum Frühstücksbuffet umzufunktionieren – meist ist es der größte Tisch. Nutzt den Raum! Beispielsweise indem du dich rotzfrech an der Seite desder LehrerIn am LehrerIntisch pflanzt und die Tafel für deine Darstellungen zurückeroberst, anstatt in militärischer, mehr oder weniger frontaler Regelmäßigkeit hinter schmalen Tischen eingequetscht sitzen zu bleiben.

Die Autorität des Lehrers /der LehrerIn dauerhaft anzugreifen bedarf einigen Durchhaltevermögens (die sind gegen Widerstand geschult bzw. z. T. durch jahrelangen Schuldienst trainiert) und es sei davor gewarnt, dass sich weitere Hierarchien innerhalb der Klasse auftuen können oder die MitschülerInnen gegeneinander aufgehetzt werden. Manchmal kommt es vor, dass derdie SchülerIn, derdie offensiv mit Gesprächen konfrontiert, vieles gewährt wird, was andere sich nicht rausnehmen dürfen. Dieses taktische Mittel hat die Entsolidarisierung unter den Betroffenen zum Ziel: „Teile und herrsche“ = Beschwichtige/belohne die „RädelsfühererInnen“, um sie von anderen (potentiellen) ProtestlerInnen zu entfremden. Durch gezieltes weiteres Druck machen und mobilisieren der „Anderen“ sollte dem begegnet werden können. Irgendwann kommt vielleicht die Situation, dass du dir fast alles rausnehmen kannst, ohne das spannende Gespräche beginnen. In solchen Fällen half die Taktik der „Überidentifikation“. Überidentifikation meint das Aufgreifen der gegnerischen Standpunkte, um sie zu überspitzen und so ad adsurdum zu führen. Wenn beispielsweise ein/e BiolehrerIn ein sozialdarwinistisches Zitat raushaut, stimmt mensch ihm lautstark zu, anstatt ihn anzupöbeln und überspitzt die menschenverachtende Aussage aber noch, in der Hoffnung, dass die anderen Schülis noch einen kleinen Funken Leben in sich tragen, und ihnen auffällt, wie scheiße das alles gerade ist. Die Hemmschwelle, einen anderen Schüli verbal zu zerreißen, ist geringer als gegen den Leerkörper aufzubegehren.

LehrerInnen sind unter ihrer Charaktermaske Menschen! Nie vergessen! Es geht nicht darum, einem Menschen seinen Beruf zur Hölle zur machen, sondern Herrschaft zu thematisieren. Bitte ziehe immer eine Grenze zwischen Menschen platt machen und Herrschaftskritik. Zu viele Schulis sind Radfahrer. Egoistische fiese Radfahrer, die nach oben buckeln und nach unten treten. Nix tun sie lieber als auf schwache Menschen einzuprügeln (mobben). Dies zeigt sich leider auch an als gesellschaftlich „schwach“ konstruierten LehrerInnen, die im Unterricht leider oft mit gnadenlosem Psychoterror plattgemacht werden. Das darf durch herrschaftskritisches Handeln nicht gestärkt werden. Vielmehr muss es immer Ziel sein, die Schwachen zu stützen, statt eine neue Gewaltsituation aufzumachen.

„Lernverweigerung“ ist eine Diagnose, die Menschen in Sonderschullaufbahnen bringt. Mach dir keine Sorgen über den möglicherweise vergeigten Abschluss, auch wenn alle behaupten, du versauest dir damit deine Zukunft. Niemand weiß, wie DIE Zukunft aussieht; und erst recht wissen sie nicht, wie DEINE Zukunft ausssieht. Alles, was es gibt, sind Vermutungen, die höchstens in Form von Ratschlägen daherkommen sollten. Abschlüsse lassen sich jederzeit (auch autodidaktisch) nachholen - falls du sie tatsächlich einmal brauchen solltest. Überhaupt lässt sich über den Unsinn von Abschlüssen und Sinn von Aufnahmeprüfungen sowie Prüfungen an sich lange diskutieren (darum geht’s hier aber nicht). Dein wichtigster Bonus ist, die Aktion mit vielen anderen Betroffenen durchzuziehen, am Besten mit der ganzen Schulklasse. Eine ganze Klasse als „krank“ zu psychiatrisieren oder von der Schule zu schmeißen dürfte einen Skandal auslösen. Wenn nicht, dann sorgt dafür! Scheut nicht vor Pressegesprächen zurück und nutzt jede Gelegenheit, eure Meinungen zu verdeutlichen. Damit auch andere was von eurer Aktion haben, wäre es toll, sie zu dokumentieren und ins Internet zu stellen. Menschen, die euch auf aggressive oder sanfte (SozialarbeiterInnen!) Weise „auf den rechten Weg“ bringen wollen sind auf die Schippe zu nehmen, durch den Kakao zu ziehen, auszulachen. Doch aufgepasst: taktische Bündnisse mit FunktionärInnen können auch sinnvoll sein, denn nicht jede/r SozialarbeiterIn ist staatshöhrige/r VollstreckerIn; einige wollen ihr Wissen, ihre Stellung und ihre Kontakte in einem gewissen Rahmen den Jugendlichen zur Verfügung stellen. Unterstützung im organisatorischen und finanziellen Bereich von anderen - besonders von voll(wert)jährigen - Menschen kann hilfreich sein. Falls von deinen Eltern keine Unterstützung zu erwarten ist, ist es schwierig, denn ihre formelle Macht über deine Handlungsspielräume ist schwer zu brechen. Umso wichtiger ist die solidarische Unterstützung von „Außenstehenden“! Die möglicherwiese anstehenden Gerichtsprozesse kannst du von einigem Medienrumel begleiten lassen und zur Vermittlung schulkritischer Inhalte nutzen. Politische Prozessführung ist eine aufsehenerregene Aktionsform, die auch durch Spenden etc. finanziert werden kann.

Mit einer rebellischen Schulklasse wäre eine Basis für weitere Aktionen vorhanden. Auch Personen aus dem außerschulischen Umfeld können miteinbezogen werden. UnterstützerInnen, Theatergruppen könnten beispielsweise als Marsmenschen die Schule besuchen und für Trubel sorgen, das kommt bei jüngeren Menschen sicherlich sehr gut an: Sie kommen fremdartig aussehend, filmen mit einer Kamera, spannen einen großen Bildschirm aus Stoff auf, stellen witzige Fragen und erzählen vom Mars: -"Warum lasst ihr euch erziehen? Seid ihr noch nicht Mensch genug?" -„Ist ja seltsam. Bei uns auf dem Mars lernen die Leute alles für sie wichtige nur dann, wenn man sie dabei nicht stört.“ In eurer Rolle als naive Marsmenschis könnt ihr supergut zuspitzen und Aussagen ins Absurde drehen!

SchülerInnenvertretungen haben vorallem die Aufgabe, bei den Schülis die Illusion von Mitbestimmung aufrecht zuerhalten. Sie als MitstreiterInnen zu gewinnen kann dennoch sinnvoll sein, weil sie auf Landes - und Bundesebene manchmal gute Verbindungen haben und ihren Stellvertreterstatus taktisch einsetzen können (z.B. bei Pressegesprächen, Anwaltkontakten, Behördenkontakte). Leider müssen SV-Menschen schon sehr frech und abgebrüht sein, um ihren Job so wenig ernst zu nehmen, dass sie damit ernsthaften Widerstand leisten, und nicht nur die tolle demokratische Fassade der Schule schönen.

Nicht zu unterschätzen ist auch die mediale Macht der Schülerzeitungen, die eine direkte Verbindung zu den Schülis, den direkt Betroffenen, herstellen können. Besonders wenn eine Schülerzeitungen an mehreren Schulen verteilt wird oder mehrere Schülerzeitungen miteinander kooperieren, können Meldungen über das unterdrückerische Verhalten einzelner LehrerInnen mit Billigung derdes DirektorIn ihre Wirkung entfalten. Die meisten DirektorInnen sind um den Ruf der Schule bemüht und möchten ihre Methoden nicht an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt und hart kritisiert wissen. Für sie ist eine Zeitung wünschenswert, die sich auf Schülerwitze, Schulfestberichte, Klatschgeschichtchen und (Schul-)Buchrezensionen beschränkt. Gegen die Zensur von SchülerInnenzeitungen durch DirektorInnen muss deswegen vorgegangen werden. Der übliche Beschwerdeweg führt meistens zu nichts, weil die typischen Beschwerdeinstanzen (Schülivertretung, „VertrauenslehrerInnen“) einfach keine Durchsetzungsmöglichkeiten haben. Selbst an meiner Schule, wo die SV-Heinis echt bemüht waren, aus ihrer systemimmanenten Handlungsunfähigkeit auszubrechen, ist dies kaum gelungen. Der einzige Punkt, wo das gelang, war die SchülerInnenzeitung, in der gewisse Fälle gnadenlos ausgewalzt und mit allen Klopperkommentaren von Schulleitung, Lehris etc. veröffentlicht wurden.

Mit schlechten Bewertungen bist du nicht mehr erpressbar, wenn du anfängst, dich auf Aufnahmeprüfungen statt auf Schulabschlüsse vorzubereiten, ein autodidaktisches externes Abitur zu machen oder ganz ohne Lohnarbeit zu leben. Doch das Thema „Leben ohne Lohnarbeit“ ist eine andere Diskussion.

Eine Aktion wie die oben beschriebene setzt viel Eigeninitiative von Seiten der SchülerInnen voraus. Die fehlt allerdings meistens, weil jede Form von Widerstand schon früh gebrochen und viele sich mit ihrem fremdbestimmten Dasein als „eine Notwendigkeit“ abgefunden haben. Zudem wird die Schule von vielen als „kleineres Übel“ angesehen, angesichts der vorallem durch das Staatsschulmonopol auf „die Bildung“ erzeugten Alternativlosigkeit, was kommunikative Bildungs- und Spielangebote betrifft. Lasst euch daher auf Utopie-Diskussionen ein, bringt die Leute zum Träumen und sabbern, nachdem ihr schon über die Aktionen für Aufmerksamkeit gesorgt habt!

Weil Individualisierung, Ellenbogenmentalität und Ausgrenzung massive Probleme für Widerstand in der Schule aufwerfen, liegt es eigentlich nahe, dies zum zentralen Thema zu machen. Subversiver Widerstand kann nur überdauern und erfolgreich sein, wenn es gelingt, Gegenmodelle zu entwickeln und aufzuzeigen. Zudem ist die Schaffung von kollektiven Strukturen in gesellschaftlichen Räumen (Schule), die auf Vereinzelung als Mittel der Herrschaftssicherung zurückgreifen, bereits ein Akt des Widerstands. So könnten eventuell offensiv beworbene Abschreibbörsen, Referat-tauschaktionen, Klausurarchive, Nachhilfebörsen oder gemeinsames Lernen jenseits von Schule den Solidaritätsgedanken gegenüber dem „Ellenbogen“ in Position bringen. Hier sehe ich auch eine der wenigen konstruktiven Möglichkeiten von SV-Arbeit im bestehenden Schulsystem. Die Räume einer SV könnten als offene Räume genutzt werde, in denen Arbeits-oder Aktionsmaterialien allen zugänglich sind. Außerdem könnte hier die räumliche Struktur für die genannten Vorschläge etabliert werden (Sicherungskopien bei möglichst vielen Leuten nicht vergessen, um bei eventueller Sabotage schnell Abhilfe schaffen zu können).

Meines Wissens sind derartige Projekte noch nie strategisch versucht worden, und es ist zu erwarten, dass ein Gelingen auch zu schärferer Repression führen wird. Im Vergleich mit sonstigen staatlichen Repression sind jedoch die schulischen Disziplinarmaßnahmen bei Lichte betrachtet eher harmlos (Knast und Geldstrafen für Eltern, Psychiatrisierung bei Schülis winken „erst“ bei einer Verweigerung). Das Schlimmste, das einem bei niedrigschwelligeren Aktionen passieren kann, ist der Schulausschluss. Was daran eine Strafe sein soll, bleibt mir ein Rätsel. Von daher eignet sich die Schullaufbahn hervorragend für antirepressiven Klaumauk aller Art.