Nazis in München-Nachbetrachtungen

Beate Jenkner 26.08.2006 11:01
Naziaufmarsch in München-Welche Fehler gab es auf der Linken
Naziaufmarsch in München - oder wie die Linke Norman Bordin zum Geburtstag einen Hess-Gedenktag schenkte

Überall wollten die Neo-Nazis in Deutschland einen Rudolf-Hess-Gedenktag abhalten. Überall wurde dieser Veranstaltunstitel verboten – außer in München am 17 August.
Die Neo-Nazis konnten fast ungestört auf dem Münchner Marienplatz an ihr Idol erinnern.
Das der Gegenprotest so gering ausfiel, hat im wesentlichen 2 Gründe:
Zum einen wurde die Kundgebung, die für 17.00 Uhr angesetzt war, kurzfristig auf 19.00 Uhr verschoben. Ob dies nur Zufall oder strategisches Kalkül war, bleibt offen. Es sorgte aber dafür, dass einige AntifaschistInnen, die um 17 Uhr zum Marienplatz kamen, wieder heimgingen, in der Annahme, München hätte diese Veranstaltung nun doch noch kurzfristig verboten.
Diejenigen, die besser informiert waren und sich gegen 19.00 Uhr einfanden, gaben für den außenstehenden Betrachter ein seltsames Bild ab. Während innerhalb der Absperrung die Neo-Nazis mit Runen-T-Shirts und Emblemen standen, fanden sich außerhalb junge Antifaschisten in T-Shirts mit ähnlichen Emblemen und Aufdrucken von Nazimusik-Gruppen wie Böhse Onkelz, Thor-Hammer etc.
Es mag der jugendlichen Naivität geschuldet sein, aber dennoch sollte sich die Linke und Antifa-Bewegung mit diesem Umstand auseinandersetzen.
Schlimmer wiegt jedoch, dass die Neonaziszene schon längst dazu übergegangen ist, sich als einzig wahre „soziale Systemalternative“ darzustellen.
Zu beobachten war, dass sich gut geschulte, bürgerlich gekleidete Mitglieder der Neonaziszene unter die protestierende Menge mischten, um mit ihnen zu diskutieren.
Demagogisch geschickt versuchten sie die Protestierenden davon zu überzeugen, dass die Linken nicht in der Lage wären, ihre Interessen zu vertreten; das beginnt bei der Politik, die sie überall dort umsetzen, wo sie regieren, über den Standort Deutschland bis hin zur geschwächten Position der Gewerkschaft.
Und genau dort hat meiner Meinung auch die Linke versagt. Während die LPDS wenigstens mit ein paar Fahnen vor Ort war, wenn auch nicht sehr zahlreich, war von der WASG weit und breit nichts zu sehen. Die WASG München hat nicht nur die Bedeutung eines solchen Gedenktages völlig unterschätzt, sie hat es noch nicht einmal für nötig befunden, zum Protest dagegen aufzurufen. Das rechte Demagogen sich unter die Demonstranten mischen und weniger politisch erfahrene Leute ins Wanken bringen können, ohne dass ihnen Vertreter der linken Parteien politisch wie historisch Paroli bieten, weil sie gar nicht anwesend sind, ist, gelinde gesagt, ein Armutszeugnis für diese Partei.
Und nur so ist es zu erklären, dass es den Neonazis ohne größere Schwierigkeiten gelungen ist, mitten auf dem Münchner Marienplatz Auszüge aus einer Originalrede von Rudolf Hess vorzulesen.
Für die Neonazis war dieser Rudolf-Hess-Gedenktag, der ohne größere Zwischenfälle nach Plan verlaufen konnte, ein voller Erfolg.
So erfolgreich, dass Norman Bordin am Samstag, den 19.08.06 zum Marsch vom Stachus zum Sendlinger Tor gar nicht erst erschien, sondern seinen Triumph und seinen Geburtstag mit etlichen Anhängern auf dem Land feuchtfröhlich feierte.
Genauso niederschmetternd für die Linke ist auch die Bilanz der Demonstration am Samstag.
Wer glaubte, dass sich der Zug der Gegendemonstranten den Neonazis in den Weg stellen würde, sah sich getäuscht. Trotz großer Lücken, die die Polizei zwischen Neonazis und Gegendemonstranten entstehen ließ, begnügte sich der antifaschistische Zug damit, die Neonazis ohne größere Störungen zu begleiten.
Streckenweise liefen Neonazis und Antifaschisten direkt nebeneinander her, und waren nur noch durch ihre Fahnen und Parolen zu unterscheiden. Auffallend auch, dass die eingesetzte Polizei sich gar keine Mühe mehr machte, für eine Absperrung oder Trennung zu sorgen. Wozu auch.
Skurril auch die Vorstellung des Landesvorsitzenden der WASG, Fritz Schmalzbauer, der am Stachus mit seiner Kamera innerhalb der Absperrung um die Neonazis herumlief und Fotos machte. Auf Stimmenfang wird er dort wohl kaum gewesen sein.

Der ganze Ablauf der beiden Veranstaltungen macht zumindest eines deutlich:
Es wird von entscheidender Bedeutung sein, ob die linken Kräfte in der Lage sein werden, den Menschen überzeugend zu vermitteln, dass für ihre Interessen nur eine starke linke Kraft eintreten kann. Dazu wird eine Einheit aller linken Kräfte nötig sein, und die konsequente Umsetzung eines linken Programms, ohne Kompromisse. Dazu zählt genauso die Stärkung der kämpferischen Teile der Gewerkschaften, die mit eingebunden werden müssen.
Wenn dies scheitert, wird man den rechten Demagogen Tür und Tor öffnen.
Wenn die Linke so gern von historischer Chance und Verantwortung redet, sollte sie dies auf keinen Fall ignorieren.
Eine enge Vernetzung der verschiedenen sozialen und politisch aktiven Gruppierungen ist unerlässlich, damit sich so ein Debakel wie am 17. und 19.08.06 nicht mehr wiederholen kann. Entschiedener Antifaschismus der auch militant ist muß organisiert werden.
Nur gemeinsam kann man sich vernünftig organisieren, nur gemeinsam kann man dem grausamen Sozialabbau etwas entgegensetzen, und nur eine starke Linke, die auch eine klare, sozialistische Haltung vertritt, die sich nicht einwickeln lässt in vermeintliche Sachzwänge und kapitalistische Klassenpolitik, wird in diesem Land etwas bewegen können.

Beate Jenkner
Mitglied der WASG und SAV München

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Ergänzungen

volle Zustimmung

AJ-G'ler 26.08.2006 - 15:41
Ich muss dir da voll und ganz zustimmen. Am 17. und 19. sind Fehler unterlaufen die so ie wieder vorkommen dürfen. Ergänzend muss ich jedoch hinzufügen das am 17. der Protest geringer ausfiel da keiner Einfahren wollte wegen irgendwlechem "Kleinzeugs" damit mehr Leute am Samstag am start sind. Da aber am Samstag auch nicht viel passierte, hätte man dies also auch bleiben lassen können. Es scheiterte am Samstag wieder einmal, wie jedesmal, an der organisation zwischen linken, autonomen und sonstigen aktiven Gruppen. Es gab Versuche zu einer Blockade, aber entweder haben die meisten es nicht gerallt oder es waren zu wenige Vorort...
Das muss einfach besser untereinander abgesprochen werden.
Ein weiterer Nachteil am Samstag war das total überzogene Polizeiaufgebot, welche 120 Neonazis schützte. Für kleinere Gruppen war es also unmöglich die Strecke wirkungsvoll dicht zu machen.
Mit antifaschistischen Grüssen

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