Wieder juristischer Erfolg für Castor-Gegner

Francis Althoff, BI Lüchow-Dannenberg 22.08.2006 13:58 Themen: Atom
Die Serie der positiven Gerichtsurteile für Atomkraftgegner geht weiter. Diesmal hat das Amtsgericht Uelzen festgestellt, dass eine halbtägige Freiheitsentziehung einer Frau ohne konkreten Tatvorwurf beim Castortransport nach Gorleben am 13. November 2001 rechtswidrig war.
Wieder juristischer Erfolg für Castor-Gegner

Fragwürdige "Gefahrenprognosen" als Begründung für
Demoverbotszonen

Die Serie der positiven Gerichtsurteile für Atomkraftgegner geht weiter. Diesmal hat das Amtsgericht Uelzen festgestellt, dass eine halbtägige Freiheitsentziehung einer Frau ohne konkreten Tatvorwurf beim Castortransport nach Gorleben am 13. November 2001 rechtswidrig war.

Von der damaligen Lüneburger Bezirksregierung war entlang der
Transportstrecke auf knapp 70 km Länge zwischen Lüneburg und Gorleben ein
Versammlungsverbot verhängt worden. An der Bahnstrecke bis Dannenberg
wurden 50 m beidseitig der Geleise als Verbotszone proklamiert. Im Bereich der Orte Bohndorf/Aljarn bemerkte die Polizei ca. 30 PKW und nahm 73 Personen weit von der Versammlungverbotszone entfernt in Gewahrsam. Dabei liegt Bohndorf etwa 1,5 km, und Aljarn 3 km von der Castortransportstrecke entfernt.

Trotzdem wurde die Antragstellerin, die eine Mahnwache besuchen wollte, am frühen Morgen mit 72 weiteren Personen ab 7.15 Uhr in einem Polizeikessel festgehalten. Gegen 9.20 Uhr wurde sie in einem Gefangenentransporter verfrachtet und darin vor Ort bis 11 Uhr festgesetzt. Später lud der Gefangenenbus seine Insassen in der Gefangenensammelstelle Neu Tramm, im Landkreis Lüchow Dannenberg ab, wo die Frau gegen 12.37 Uhr registriert wurde. Erst abends, um 19.40 Uhr wurde sie laut Datenerfassungsbogen entlassen. Während der Zeit der Freiheitsentziehung hatte die Frau weder Unterstützung durch Anwälte, noch erhielt sie eine Rechtsmittelbelehrung. Auch die vorgeschriebene richterliche Vernehmung fand nicht statt.

Bereits 2004 hatte ein vor Ort zuständiger Hauptkommissar die Aussage
gemacht, in den Fahrzeugen keinerlei Werkzeuge gesehen zu haben, mit denen an der Bahnschiene hätte manipuliert werden können. Er hätte von der Einsatzleitung die dienstliche Anweisung auf Unterbringungsgewahrsam erhalten und keine Anweisung zeitgleich mit der Anforderung des Gefangenenbusses auch einen Richter anzurufen. Ein anderer Polizist sagte aus, dass nicht erkennbar war, dass der Autokonvoi sich in Richtung Transportstrecke bewegen wollte.

Die Uelzener Amtsrichterin Neßelhut stellte abschließend fest, dass weder die Zeugenaussagen der Beamten, noch die Stellungnahme der Bezirksregierung den Schluss zulassen, dass die Betroffene "eine Straftat oder eine erhebliche Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit dem Castortransport" begehen wollte.

Im polizeilichen Kurzbericht sei als "Tatzeit" 7.15 Uhr angegeben. "Es fehlt jedoch für eine Gefahrenprognose an jeglichen zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten und jeglichem Hinweis, welche Tat von der Betroffenen begangen werden sollte", so die Amtsrichterin. Selbst wenn sich aus dem Verhalten anderer Personen Erkenntnisse für bevorstehende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ergeben würden, müssten diese Erkenntnisse grundsätzlich auch für einen Betroffenen selbst vorliegen. Die Amtsrichterin fasst zusammen:

"Allein eine Personenansammlung lasse nicht den Schluss darauf zu, dass jede einzelne Person strafbare oder mit Bußgeld bewährte Handlungen begehen könnte". Eventuelle Absichten anderer Personen können nicht zugerechnet werden.

Für den Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI)
"beleuchtet der Beschluss eindringlich die regelmäßig vor Castortransporten erstellte haarsträubende "Gefahrenprognose", mit der
Versammlungsverbotszonen für Atomkraftgegner inszeniert werden. Zugunsten
von Finanzinteressen der Atomindustrie werden wir durch gigantische
Polizeieinsätze und Demoverbotszonen unserer Grundrechte beraubt und
kriminalisiert. Die tatsächlichen Gefahren gehen von der nicht sicher
beherrschbaren Atomenergienutzung und dem daraus resultierendem strahlenden Erbe für unzählige Generationen aus".

Für den nächsten Castortransport im November kündigt die BI deshalb einen nicht nachlassenden bunten und kreativen Widerstand an.
Aktz. 2 XIV 676L)

Francis Althoff, Pressesprecher 05843 986789
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg
Drawehner Str. 3 29439 Lüchow
Tel: 05841-4684 Fax: 3197
 bi-presse@t-online.de
www.bi-luechow-dannenberg.de

Pressemitteilung 22.08.06
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Ergänzungen

30.8. Gerichtstermin

übereckeninformiert 22.08.2006 - 20:24
Naja, was sind das denn für Erfolge im Atomstaat?

Am 30.8. findet in Lüneburg der Prozess gegen eine Anti-Atom-Aktivistin statt.
Ihre Vergehen sei das Beklettern eines Baumes am 1.3. diesen Jahres...
Das Protokoll umfasst sagenhafte 97 Seiten.

Termin des Bußgeldverfahrens:
Am Mittwoch den 30. August 2006 um 10 Uhr im Amtsgericht Lüneburg Raum 314. Ein Fortsetzungstermin wurde auch gleich festgelegt: 13.09.06 gleiche Zeit, gleicher Ort.

Baumkletter-Verfahren ab 13.9.

Direktinformierter 22.08.2006 - 23:15

Der Richter hat den Beginn des Verfahrens auf den 13.September festgelegt.
Termin 30.08. fällt aus. Amtsgericht Lüneburg, Am Markt, Raum 314 10.00 Uhr.

Die "Tat": friedlicher Aufenthalt in einer Baumkrone.
Sie hat niemanden und nichts gefährdet, nichts geworfen, nichts gerufen, niemanden beleidigt oder so, Sie hat auch den Baum in keiner Weise geschädigt oder beeinträchtig, nicht das allerkleinste Astchen geknickt, nicht die allerkleinste Beschädigung der Rinde - NICHTS.
Es geht nur um diesen bloßen Aufenthalt im Baum. Dieser soll DREI Ordnundswidrigkeiten darstellen.
Richtig ist, daß die Gerichtsakten für diesen "schweren" Fall bislang schon 97 Seiten umfassen plus über eine Stunde Video-Aufzeichnugnen und einer Foto-Mappe von einer friedlichen Frau in einer Baumkrone.
Ach ja und die "Ermittlungen" führte nicht etwa das bestenfalls zuständige Ornundsamt der Stadt Lüneburg, sondern die "Ermittlungsgruppe Castor" der Kriminalpolizei.

Verhältnismässigkeit

gerechtigkeit 28.08.2006 - 01:30
Moin,

bei der juristischen Verteidigung könnte man vielleicht ja auch den grundgesetzlich verankerten Verhältnismässigkeitsgrundsatz aufgreifen, der bei einem derartigen begrüssenswerten Verhalten ohne jeglichen Schaden für die Allgemeinheit (eher politischen Nutzen) eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit nicht für erforderlich vorgibt.

Justitia

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