Demo gegen Hess-Marsch in Jena

BlackRedPress 20.08.2006 21:42 Themen: Antifa
Gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus und für die Zerschlagung des neonazistischen Märtyrermythos des faschistischen Kriegsverbrechers Rudolf Heß demonstrierten am vergangenen Samstag in Jena 1 800 Menschen.
Überraschend stark fiel so Interesse und Ablehnung der Jenaer Bürger und Bürgerinnen an der Nazidemo aus. Binnen weniger Tage wurde, nach der Aufhebung des Verbotes des Hess-Marsch der Stadt Jena durch das Verwaltungsgericht Gera, die Demonstration initiiert. Dem antifaschistischen Bündnis gegen den Heß-Marsch schlossen sich buchstäblich in letzter Minute bürgerliche Initiativen und Vertreter der Stadt an. Statt der angemeldeten 300 Demonstranten zählte die Polizeiführung bei einer Zwischenkundgebung 1 800 Protestler. Auch der neue Oberbürgermeister Jenas begleitete die Demonstration wie von ihm angekündigt in der ersten Reihe. Diese wurde sonst überwiegend von autonomen Antifaschisten gestellt, so das sich der OB wohl eher unfreiwillig mit Parolen wie "Gebt den Nazis die Straße zurück - Stein für Stein" solidarisierte.

Während des Demozuges, dessen Route spontan weiter in den Stadtkern verlängert wurde, sprachen u.a. VertreterInnen der bundesweiten Kampange "NS-Verherrlichung stoppen", antifaschistische Gruppen aus Südthüringen und Apolda, sowie das Thüringer Plenum gegen den G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm.

Nach der Beendigung der lauten und durch Vielfalt gekennzeichneten Demonstration am Engelplatz startete die Nazidemo am Seidelplatz. Zuvor gab es lange Unklarheiten, ob die Faschisten unter Führung des Anmelders Patrick Wieschke überhaupt eine Demonstration oder nur eine stationäre Kundgebung durchführen dürfen. Daraus resultierte, dass es nicht zu effektiven antifaschistischen Blockaden kommen konnte. In einer Pressemitteilung teilt das Jenaer Bündnis gegen den Heß-Marsch mit: "Es ist in Jena noch nicht gelungen, ein Verständnis zu entwickeln, dass Faschisten weder in der Geschichte noch heute mit symbolischen Aktionen zu beeindrucken seien oder gar zurückzudrängen gewesen wären", sagt Andrea Fichte vom Jenaer Bündnis. "Auf lange Sicht und mit der realistischen Drohung eines Festes der Völker am 2. Juni im nächsten Jahr ist, das zu erreichen, eine wichtige, zu bewältigende Aufgabe. Die juristische Auseinandersetzung als einzige Abwehrstrategie hat jedenfalls versagt." Nichtsdestotrotz bekamen die Nazis den antifaschistischen Protest deutlich zu sehen. Pfeifen, Rufe, Israelfahnen, und Transparente aus Häusern machten die Ablehnung nationalsozialistischer Ideologie in Jena deutlich.

Demgegenüber blieb die erwartete Großveranstaltung in Jena auf brauner Seite aus. Trotz das nahezu die gesamte Thüringer Führungsriege um P. Wieschke, Ralf Wohlleben, Sebastian Reiche, Frank Schwerdt, Thomas Gerlach usw. anwesend waren und die Heß-Veranstaltungen in Altenburg und Fulda abgesagt wurden, konnten nur 400 Teilnehmerinnen mobilisiert werden. Insgesamt waren an diesem Samstag „nur“ rund 1 000 Nazis auf den Heß-Demos in Deutschland. In Vergleich zu 2004 ist das ein Verlust um 400%.

Ein juristisches Nachspiel wird vermutlich die, auf einer Zwischenkundgebung in Jena gehaltene Rede des Anmelders des verbotenen Heß-Marsch in Wunsiedel, dem Nazianwalt Jürgen Rieger erwarten. Dieser griff in seinem überlangen Beitrag immer wieder Zitate des Hitlerstellvertrers auf und äußerte sich wiederholt auf volksverhetzende Weise. „Auch das Verhalten der Versammlungsbehörde bietet für diesen Fall Platz für Spekulationen: Während den Polizeibeamten an der Naziveranstaltung bereits in den langen wiederholten Heß-Zitaten einen ausreichenden Grund für eine Auflösung oder wenigstens die Gewahrsamnahme des Redners Jürgen Rieger sahen, wiegelte die Stadtverwaltung Jena ab“ teilte das Jenaer Bündnis gegen das Heß-Gedenken mit. Eine besondere Überraschung wurde dem Jenaer Neonazi Ralf Wohlleben am späten Abend von der „Datenantifa“ bereitet. 38 rechtsextremistische Internetseiten seines Providers „Netzspeicher24.de“ wurden gehackt und verändert.


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Ergänzungen

war

da 21.08.2006 - 00:45
echt der bürgermeister mit in der ersten reihe?

Weitere Infos zu den Nazis

Stiller Beobachter 21.08.2006 - 00:57
Wie erwartet dominierten organisatorisch die bereits erwähnte Thüringer "Spitzenriege" Patrick Wieschke (  http://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_Wieschke ), Ralf Wohlleben (  http://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Wohlleben ), Sebastian Reiche (  http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Reiche ), Frank Schwerdt (  http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Schwerdt ), Michael Burkert (mit frisch poliertem Schädel wieder zurück zu den Wurzeln im Skinheadclub Friedrichroda/SCF? -  http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Burkert ), Thomas Gerlach (  http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Gerlach ), Hendrik Heller (  http://germany.indymedia.org/2006/05/146804.shtml ), Ivonne Mädel (  http://de.wikipedia.org/wiki/Ivonne_M%C3%A4del ) und Isabell Pohl (  http://de.wikipedia.org/wiki/Isabell_Pohl ) und zahlenmäßig ihr Fußvolk.

Besonders die Kameradschaft Zella-Mehlis genoss offenbar die Aufmerksamkeit, die sie derzeit und wohl nach der nächsten Woche noch stärker erhält (  http://agst.antifa.net/ ), und reiste in nahezu voller Besetzung und mit eigenem Transparent an. Der Rest beschränkte sich auf das Schleppen der altbekannten THS- und NWJ-Lumpen und Wedeln der schwarzen Fähnchen mit den Städtenamen. Neu war nur das am von der Autovermietung "Straub-National" gestellten Lautsprecherwagen angebrachte Transparent mit Werbung für das nächste "Fest der Völker" am 2. Juni 2007 (  http://www.voelkerball.tk ).

Auffällig war allerdings, dass Martin Rühlemann (  http://germany.indymedia.org/2006/02/139776.shtml ) und die JN-Kader Michael Hubeny und Thomas Wienroth (  http://germany.indymedia.org/2006/03/142287.shtml ) sowie der Rest des traurigen JN-Häufchens sich nicht blicken ließen. Sollten sie etwa noch ihrem blamablen Rückzug in der letzten Woche von Wolle Demoverbot bekommen haben und nun zur Strafe in der Ecke stehen müssen? (  http://de.indymedia.org/2006/08/155017.shtml ) Auch die beiden Jenaer JNler Andre Gruschwitz und Christian Kaiser wurden nicht gesichtet, lediglich der Aushilfs-Autonome-Nationalist Matthias Lück versuchte Anschluss an seine Vorbilder zu finden. Durch besondere Unkameradschaftlichkeit und Undiszipliniertheit fiel ausgerechnet der NPD-Landesvorsitzende Frank Schwerdt auf, der sich noch während der Rede von Jürgen Rieger still und heimlich davonstahl und zu seinem Zug eilte, um in Berlin endlich das Elend "seiner" Provinz vergessen zu können.

Die Thüringer Reihen wurden hauptsächlich aufgefüllt mit Nazis aus den umliegenden Gebieten Nordbayerns ("Kameradschaftsbund Hochfranken"), dem südlichen Sachsen-Anhalt (z.B. Dessau) und Westsachsen (u.a. Delitzsch und Leipzig). Die restlichen Sachsen, mit denen fest gerechnet worden war, ließen sich lieber in Dresden und Mittweida verhaften. Da traf es sich gut, dass die hessischen Nazis am Vormittag noch mitbekommen hatten, dass sie nicht genügend nicht vorbestrafte Order in ihren Reihen finden können, und deshalb an Fulda vorbei nach Jena fuhren. Dafür durfte Marcel Wöll (  http://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_W%C3%B6ll ) dann auch auf den LKW springen und den im laufenden Band NS-Zitate ausspucken wie "Wir werden weitermarschieren ... bis der Sieg unser ist." Einen besonderen Lacher erntete er für den Kommentar "eines Tages wird Meinungsfreiheit herrschen, wenn wir die Gesetze bestimmen." Auch aus dem Rheinland und der Kurpfalz waren bekannte Nazis wie Claus Cremer (  http://de.wikipedia.org/wiki/Claus_Cremer ) und Christian Malcoci angereist.

Als noch schlechterer Hitlerimitator als Wöll tat sich Ralph Tegethoff (  http://de.wikipedia.org/wiki/Ralph_Tegethoff ) hervor, der seine bereits an anderer Stelle in ähnlicher Form gehaltene Rede über Deutschlands Größe noch mal abließ und dabei erneut einen gewaltigen Bogen von der Schlacht im Teutoburger Wald über Napoleon, Adolf Hitler bis zu Erich Honecker schlug. Da eine inhaltliche Bezugnahme auf Rudolf Heß verboten war, nahm er sich einfach eine andere Märtyrerfiguren der Nationalsozialisten vor und huldigte hemmungslos Albert Leo Schlageter (  http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Leo_Schlageter ). So brüllte er zur begeistert johlende Masse "Ruhm und Ehre für Leo Schlageter". Auch seine kaum verklausulierten Hommage an die Hakenkreuzfahne ("Wir müssen uns heute vorschreiben lassen, welche Fahne wir tragen dürfen .... Die Fahnen leben in unseren Herzen weiter ....") stellte offenbar kein Problem dar. Die auf die kaum verhohlene NS-Verherrlichung hingewiesenen Polizeibeamten ließen wissen, dass sie das unter ihren Helmen nicht verstehen könnten und außerdem ihr Einsatzleiter nicht da sei, um eine Anzeige aufzunehmen. Mensch sollte doch zur nächsten Polizeiwache gehen (!!!).

Doch wurde selbst Tegethoff noch überboten durch Jürgen Rieger (  http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Rieger ), der seinen Antisemitismus wieder einmal freien Lauf lassen und nebenbei auch noch über "Neger" und Türken hetzen konnte. Endlos lang breitete er die Geschichte des Paragraphen 130 (Volksverhetzung) aus und nutzte dabei jede Gelegenheit, auf den "Märtyrer des Friedens" Heß einzugehen. Mit leuchtenden Augen erzählte er von den letzten Demonstrationen in Wunsiedel, bei denen "Kameraden" aus Russland, England und anderen Ländern bis zu 2000 km weit gereist waren, "um Rudolf Heß die Ehre zu erweisen", obwohl er einst über die Anwesenheit tschechischer Gesinnungsgenossen alles andere als erfreut gewesen war. Starken Anstoß nahm er an der Antifa-Parole "Ihr habt den Krieg verloren". " 'Wir' hätten den Krieg gewonnen, wenn nicht Roosevelt mit seinen jüdischen Beratern Russland unterstützt hätte". Nur die massive Unterstützung der USA "für den Bolschewismus" wendete nach seiner Geschichtsauffassung das Blatt. " 'Wir' hätten den zweiten Weltkrieg gewinnen können und Europa in die Freiheit führen können." Unter "wir" versteht Rieger allerdings nicht nur Wehrmacht und SS, sondern auch die Freiwilligen der Waffen-SS aus anderen europäischen Ländern, wobei er besonders die albanische Gebirgs-Division lobend hervorhob. Angehörige dieses Truppenverbands haben im Kosovo und den angrenzenden Regionen Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung verübt. Die Einheit war zudem für die Deportation einiger hundert Juden aus dem Kosovo ins KZ Bergen-Belsen verantwortlich (  http://de.wikipedia.org/wiki/21._Waffen-Gebirgs-Division_der_SS_%E2%80%9ESkanderbeg%E2%80%9C ).

Obwohl ein Bezug der Demonstration zu Heß nach Auffassung zweier Gerichte in Thüringen eindeutig nicht gegeben war, konnte Rieger verkünden, Heß hätte zu Unrecht vor Gericht gestanden und wäre einem von zwei Juden in den USA gesteuerten Scheinprozess zum Opfer gefallen. Endlos zitierte er die Verbotsbegründung des Wunsiedeler Landrates und aus dieser wiederum das Schlusswort von Rudolf Heß aus dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess. Und so klangen ungehindert Sätze durch Jena wie "Es war mir vergönnt, viele Jahre meines Lebens unter dem größten Sohne zu wirken, den mein Volk in seiner tausendjährigen Geschichte hervorgebracht hat. Selbst wenn ich es könnte, wollte ich diese Zeit nicht auslöschen aus meinem Dasein. Ich bin glücklich, zu wissen, daß ich meine Pflicht getan habe meinem Volke gegenüber, meine Pflicht als Deutscher, als Nationalsozialist, als treuer Gefolgsmann meines Führers. Ich bereue nichts." Sie wurden von den anwesenden Nazis natürlich mit begeistertem Applaus bedacht, während sich die umstehenden Polizisten über die aktuellen Fußballergebnisse unterhielten.

Deutschland sei kein souveräner Staat, Ex-Bundeskanzler Schröder müsse in einem weiteren Nürnberger Prozess verurteilt werden, die israelische Fahne stünde für Blut und Gewalt, Israel hätte Konzentrationslager errichtet ... Immer mehr steigerte Rieger sich in seinen antisemitischen Wahn, forderte u.a. die Auslieferung des israelischen Ministerpräsidenten, um auch ihn in Nürnberg vor Gericht zustellen und anderes mehr. Die Antifa sind für ihn eindeutig Kinder der eingewanderten Juden, die aus dem Osten gekommen sind und so weiter und so fort. Der Paragraph 130 sei mit Rückendeckung der jüdischen Gemeinde und des Zentralrats durchgewunken worden. Rieger salbaderte über den Libanonkrieg, das "jüdisch-anglo-amerikanische System", bezeichnete die Terroranschläge der Hamas als "Befreiungsschlag von Freiheitskämpfern", die Außenpolitik der USA würde bekanntlich in Tel Aviv (das im übrigen nur bis 1949 die Hauptstadt war) gemacht, die Juden beherrschen Amerika ... Deutsche Truppen sollten eingesetzt werden, aber nur, "um die Juden aus dem Libanon hinauszuprügeln". ...

Irgendwann wachten selbst die vor sich hin dämmernden Cops auf und wollten Rieger noch während seiner Rede verhaften. Dies unterblieb jedoch, er wurde lediglich darauf hingewiesen, nicht weiter abschweifen zu dürfen und konnte seine endlose Rede weiter fortsetzen.

Doch dies war nicht die einzige Heß-Verherrlichung an diesem Tag, die Gerichte zuvor ja ausgeschlossen hatten. Schon an der Startkundgebung am Seidelplatz verteilte ein Altnazi längere Zeit ungehindert Pamphlete zum Gedenken an Heß. Doch statt die Demonstration wegen Verstoßes gegen die Auflagen schon hier schon aufzulösen, wurden lediglich der Verteiler verhaftet - als einziger an diesem Tag - und die Blätter eingesammelt. So aktiv die Stadtoberen vor dem Naziaufmarsch auf dem juristischen Wege vorgegangen waren, angesichts der etwa 400 Neonazis und ungeachtet der wesentlich mehr PolizistInnen verließ sie jeder Mut und sie ließen die Nazis gewähren. Dies tat auch die Polizei, als nach Ende der Nazi-Demo zahlreiche bis zu 50 Personen starke Nazigruppen ungehindert durch Jena rennen und Antifas jagen konnten. Offensichtlich hatten sie angesichts der auch in Thüringen einsetzenden Wende im Dresscode der Nazis völlig den Überblick verloren.

Angesichts der bis 2015 angemeldeten Neonazi-Großveranstaltungen "Fest der Völker" und weiterer bevorstehender Demonstrationen lässt dies tief blicken. Also müssen wir noch stärker als zuvor auf die eigenen Kräfte setzen!

ja!

bestätiger 21.08.2006 - 00:58
ja, er lief direkt neben dem fronttransparent

Regionale Presse

Zeitungsleserin 21.08.2006 - 02:42
OTZ vom 21.08.06:

Neonazi-Gegner klar in Überzahl

Wir tun natürlich auch hier unsere Pflicht, aber das fällt unter solchen Umständen wie diesem NPD-Aufmarsch besonders schwer.

Ein Polizeibeamter im Einsatz Polizei: "NPD-Aufmarsch und Gegendemonstrationen verliefen weitestgehend ruhig"

Von OTZ-Redakteur Reinhard Querengässer Jena. Sechs Stunden dauerte der Ausnahmezustand, den Jena am Sonnabend Nachmittag durch die von der NPD Thüringen angemeldete Versammlung erdulden musste.

Nimmt man allein die Zahl der Gegendemonstranten, die sich um 12 Uhr auf dem Engelplatz einfanden, dann wäre in der Stadt kein Platz für Neonazis: Ungefähr 1800 Bürger allen Alters und aller Herkunft beteiligten an der Kundgebung und dem anschließenden Demonstrationszug. Eine Sprecherin der Initiative "NS-Verherrlichung stoppen" aus Wunsiedel wertete es als Erfolg der Gegenaktionen, dass der rechte Rudolf-Heß-Gedenkaufmarsch dort zum zweiten Mal in Folge verboten wurde. Dieser Widerstand der Bürger sei wichtig und zeige sich auch erneut in Jena, sagte sie. Superintendent Diethard Kamm verlas den Offenen Brief des Neonazi-Opfers Peer Jendrischek, der in Eisleben gewalttätig angegriffen wurde, an den Täter. Dann setzte sich der Zug in Bewegung.

Zur gleichen Zeit sammelten sich auf dem Seidelparkplatz nach und nach laut Polizei etwa 480 Rechte mit Fahnen und Spüruchbändern. Deren Zug durch den östlichen Teil der Innenstadt begann nach ca. anderthalb Stunden, von einem ebenso massiven Polizeikordon umgeben wie der des Bündnisses gegen Rechts.

Polizisten aus Bayern, Thüringen, Hamburg, aus Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen und Beamte der Bundespolizei waren im Einsatz. Ziel der Polizei war es, die Demonstrationen friedlich ablaufen und keine gewalttätigen Auseinandersetzungen zuzulassen. "Dieses Ziel ist weitestgehend erreicht worden, unser Konzept ist aufgegangen. Das ist dem besonnenen Handeln unserer Beamten zu verdanken, die sehr motiviert und engagiert an die Aufgabe herangegangen sind,", schätzte der Jenaer Polizeichef und Einsatzleiter, Polizeidirektor Rüdiger Schrehardt, am Ende des Einsatzes den Ablauf beider Veranstaltungen ein.

Die Rechten, die sich als "die deutsche Jugend" sehen und dem Aufmarsch mit Sprechchören wie "Hier marschiert der nationale Widerstand!" die geistige Richtung gaben, unterbrachen den von der Polizei gesäumten Zug zu zwei "Zwischenkundgebungen" auf dem Lutherplatz und am Roten Turm. Was ihre Redner dabei abließen, ordneten Gegendemonstranten, von der Polizei abgeriegelt, wohl nicht zu Unrecht als Hetze ein.

Vor allem Jürgen Rieger, neonazistischer (Rechts-)Anwalt aus Hamburg, griff in seiner langen Schmährede am Roten Turm gegen das "in der BRD herrschende politische System" tief in die braune Argumentensuppe. Das war dann der städtischen Rechtsbehörde und der Polizei zuviel des Schlechten. Sie stoppten dann doch die Hasstirade, bei der Rieger oft geschickt mögliche juristische Anfechtungen umging. Wie die Jenaer Polizei mitteilte, werde geprüft, ob gegen den Redner und den Versammlungsleiter Anzeigen erstattet werden. Dazu wird der Inhalt der von Beamten auf Video aufgezeichneten Äußerungen auf den Tatbestand der Volksverhetzung kontrolliert, informierte die Polizei.

"Meinungsfreiheit - ganz oder gar nicht!" lautete das Motto des Aufzuges der Neonazis in Jena, für den sie sogar auf die (gerichtlich erlaubten) Versammlungen in Fulda und Altenburg verzichteten und sich auf Jena konzentrierten. Was sie unter Meinungsfreiheit verstehen, das wurde am Sonnabend erneut deutlich. Und damit für viele noch schwerer zu verstehen, warum die von den Rechten so beschimpfte Bundesrepublik diese Freiheit einräumt.

20.08.2006

Laute und Stumme

Von R. Querengässer Man kann sich des Verdachtes nicht erwehren, dass mancher Redner des NPD-Aufmarsches am Sonnabend ein Rhetorik-Schulungsmaterial in der Kiste hat, mit dem der braune Ungeist besonders direkt verbreitet wird: Filmmaterial von Reden der Diktatoren aus der Hitlerzeit. Der Schreihals, der auf dem Lutherplatz Unsägliches über die Köpfe der "Kameradinnen und Kameraden" hinweg brüllte, könnte an solchen Filmdokumenten trainiert haben. Dass Unsägliches auf den Plätzen der Republik wieder sagbar geworden ist, ist ein hoher Preis, der da für die Demokratie gezahlt werden muss. Nicht wenigen in diesem Lande, so auch am Sonnabend in Jena, scheint er zu hoch. Nun gut, werden andere sagen, man muss ja nicht hinhören. Ob das hilfreich ist, darf bezweifelt werden. Hinhören müssen aber die Polizisten, die solche Veranstaltungen vor Störungen bewahren sollen. Was mag in den Köpfen junger Beamter vorgehen, wenn sie stumm solchen Auslassungen zuhören (müssen)? Sind sie überzeugt, dass sie mit ihrem Einsatz einen demokratischen Rechtsstaat schützen, wenn sie für solche Leute die Köpfe hinhalten? Vielleicht sollten Verwaltungs- und Oberverwaltungsrichter bei einem solchen Aufmarsch mal dabei sein. Vielleicht fiele manche Entscheidung anders aus.

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TLZ vom 21.08.06

Jenaer Marsch gegen Rechts

Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter ging in der ersten Reihe des Demonstrationszuges, auch wenn neben ihm jugendliche Antifa-Mitglieder Sprüche skandierten, die nun nicht überall zitierfähig sind.Hinter der Polizeiabsperrung protestierten viele Jenaer gegen die Neonazi-Parolen. Mit Buh-Rufen und Fahrradklingeln begleiteten sie die NPD-Ansprachen.

Jena. (tlz) Erfreulich viele Jenaer haben sich gewehrt gegen den Neonazi-Aufmarsch am Samstag. Obwohl es kurz vor der Protestveranstaltung am Engelplatz noch ein enttäuschend kleines Häuflein war, das sich eingefunden hatte, schwoll der Demonstrationszug dann erheblich an. Laut Zählungen von Ordnungsamt und Polizei waren es zeitweise 1800 Jenaer, die ihren Unmut darüber bekundeten, dass die Veranstaltung der Neonazis per Entscheid aus dem Oberverwaltungsgericht auf dem Jenaer Seidelparkplatz und in der Innenstadt stattfinden durfte. "Ich bin mit der Zahl der Demonstranten sehr zufrieden angesichts der Kurzfristigkeit der Vorbereitungen", sagte Superintendent Diethard Kamm. Er hatte zu Beginn des Protestmarsches den Brief eines jungen Mannes verlesen, der genau eine Woche zuvor von einem Neonazi in Eisleben zusammengeschlagen worden war. "Ich denke, es ist wichtig, dass mal ein Opfer rechter Gewalt zu Wort kommt", begründete Kamm die Wahl seines Ansprachetextes. Er könne im Übrigen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes nicht nachvollziehen, das das Verbot der NPD-Veranstaltung aufgehoben hatte. Er sei sehr für die Meinungsfreiheit als Grundrecht. "Aber wenn es um menschenverachtende und nationalsozialistische Ideologie im Zusammenhang mit dem Todestag des Hitler-stellvertreters Heß geht - dann nein." Deshalb sei es so wichtig, dass Menschen auf die Straße gehen gegen Aktionen der Neonazis. Diethard Kamm bezeichnete es als ein Ergebnis der Arbeit des Runden Tisches für Demokratie, dass junge wie ältere Jenaer zu der Demonstration gekommen waren.

An der Spitze des Demonstrationszuges ging Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter, der die Verantwortung der Versammlungsbehörde offiziell an das Rechtsamt übergeben hatte. "Ich mache hier von meinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch." Er sei auch gewählt worden wegen seiner politischen Haltung, und die besage auch: "Keinen Zoll breit Platz in dieser Stadt für Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit."

Auf dem Seidelparkplatz hatten sich am Mittag rund 450 Neonazis eingefunden. Unter starkem Polizeischutz - es waren mehrere Hundertschaften aus Thüringen, Bayern, Hamburg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und der Bundespolizei im Einsatz - marschierten sie durch einen Teil der Innenstadt, nachdem die Polizei zuvor ein Flugblatt mit einem Rudolf-Heß-Zitat beschlagnahmt hatte. Die NPD-Versammlung wurde dann vorfristig aufgelöst, weil der Hauptredner der Kundgebung am Roten Turm, verfassungsfeindliche Parolen in seiner Rede verkündete. Die Polizei wird die Inhalte der Rede prüfen und Anzeige erstatten.Den Brief eines Opfers rechter Gewalt verlas Superintendent Diethard Kamm. Er war sehr zufrieden mit der Teilnehmerzahl bei der Demonstration. Fotos (3): tlz/Barbara Glasser

20.08.2006 Von Barbara Glasser

"Tocotronic" war mit zur Demonstration

Jena. (tlz) Die 15. Kulturarena ist seit gestern Geschichte. Mit dem Konzert der uruguayischen Band "La Vela Puerca" ging das Festival zu Ende. "Es hat eigentlich alles erstaunlich gut geklappt, kaum, dass mal etwas schief ging", sagte Oliver Jahn, der Bühnenverantwortliche im Arena-Team. Klar habe es hier und da etwas zu improvisieren oder zu besorgen gegeben. "Aber dafür sind wir inzwischen Profis", so Jahn. Als Beispiel für eine solche Improvisation fällt ihm das Konzert mit Rigmor Gustafsson am Mittwoch ein: "Die schwedischen Musiker waren in Berlin gelandet, aber ihr Gepäck nicht. Ihre Auftrittskleidung mussten sie also hier in Jena einkaufen. Zudem fehlte eine Flöte. Die haben wir dann mit Hilfe der Musik- und Kunstschule aus Weimar herangeholt." Vor 17 Uhr sei die Flöte da gewesen, allemal rechtzeitig zum Konzert.

Nur wenig Zeit bis zum Konzert habe es bei "Tocotronic" am Freitag gegeben. "Die sind von Hamburg aus in einen Stau gekommen und mussten dann mehrere Umleitungen nehmen. Aber gegen 17.30 Uhr waren sie hier", erzählt Oliver Jahn. Die Musiker von "Tocotronic" hätten übrigens auch an der Demonstration gegen das Nazi-Treffen in Jena teilgenommen.

Heike Faude, die Produktionschefin der Kulturarena, ergänzt: "Ich bin froh, dass wir am Samstag mit Kitty Hoff & Nylon eine deutsche Band hier hatten. Ausländischen Musikern hätte ich nicht erklären mögen, dass wir hier in der Stadt eine NPD-Veranstaltung hatten." Als kleine Begebenheit am Rande fällt ihr ein, dass die belgische Gruppe "Think of One" mit einem Bus gekommen war, auf dem "André Rieu" stand. Da seien doch tatsächlich ein paar ältere Herrschaften vorbeigekommen, um zu fragen, ob es in der Kulturarena ein André-Rieu-Konzert gebe.

20.08.2006 Von Barbara Glasser

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TLZ vom 19.08.06

OB geht in der ersten Reihe

Jena. (tlz) Es stand nur wenig Vorbereitungszeit zur Verfügung. Trotzdem rechnen die Organisatoren der antifaschistischen Demonstration des "Jenaer Bündnisses gegen das Heß-Gedenken" mit vielen Jenaern, die heute Mittag, 12 Uhr auf den Engelplatz kommen. Nach einer Auftaktkundgebung gibt es einen Marsch durch die Stadt, der auch wieder am Engelplatz endet.

Neben dem neu gegründeten Bündnis und dem Kontaktbüro des Runden Tisches für Demokratie ruft auch Dr. Albrecht Schröter, der Oberbürgermeister, zur Teilnahme an der Gegenaktion auf. Er selbst werde sein Recht auf Meinungsäußerung gegen nationalsozialistisches Gedankengut, Intoleranz und Menschenfeindlichkeit wahrnehmen und sich an die Spitze des Demonstrationszuges stellen. "Ich weiß, dass man sich beim Oberverwaltungsgericht darüber mokiert hat, dass ich mich nicht neutral verhalte", sagte Schröter gestern. Aber er habe nicht nur moralisch die Pflicht, sondern auch formal das Recht zu demonstrieren. "Ich habe die Verantwortung der Versammlungsbehörde übertragen an das Rechtsamt und das Ordnungsamt." Deshalb sei er als OB frei und könne sich auch politisch äußern.

Gestern Nachmittag gab es ein letztes Kooperationsgespräch mit den Anmeldern der NPD-Veranstaltung und denen der Gegenaktion. "Für beide Veranstaltungen gab es eine Einigung über den Verlauf", sagte Ordnungsdezernent Frank Jauch. Er begrüße sehr, dass der OB sich politisch positioniere, und auch er hoffe auf viele Teilnehmer an der Demonstration am Engelplatz. Obwohl er von keiner allzu großen Beteiligung an der NPD-Veranstaltung ausgehe. "Die Teilnehmer werden sich auf mehrere Heß-Ersatzveranstaltungen aufteilen", so Jauch. Für ihn seien die Veranstaltungen am 19. August eindeutig Ersatzveranstaltungen für Wunsiedel, auch wenn die Richter am Oberverwaltungsgericht dieses anders beurteilt haben.

Die Polizei wird heute personelle Unterstützung aus benachbarten Bundesländern bekommen. Wegen der beiden Demonstrationen wird es zu Einschränkungen im Straßenverkehr kommen, da Straßen zeitweise gesperrt sind. "Wir werden sie auf ein unvermeidbares Maß beschränken und so kurz als möglich halten", heißt es in einer Presseerklärung. Zudem gab die Polizei gestern Infozettel für die Gewerbetreibenden in der Innenstadt aus. Für Anfragen bezüglich der Demonstrationen gibt ist heute ab 8 Uhr ein Bürgertelefon unter der Nummer 811506 zu erreichen.

18.08.2006 Von Barbara Glasser

Wichtige Ergänzung

muss ausgefüllt werden 21.08.2006 - 11:08
Die Berichterstattung ist leider nur eine Seite der Medaille. Ich frage mich wo die 1800 Gegendemonstranten waren als die Nazis in Gruppen bis zu 50 Mann durch die Stadt rannten und Jagdt auf antifas und vorher gesichtete Gegendemonstranten machten. Die Polizei, welche seit dem Morgen so zahlreich in der Stadt vertreten war, war auch nicht wirklich hilfreich, die konnten die AntiAntifas nicht von den antifas unterscheiden und fragten nach der Hetzjagd "Wer den nun die Nazis waren?".
Es tut mir leid aber wenn gewaltbereite Nazis am Nachmittag durch meine Innenstadt rennen und Jagd machen und ich in diesen Schreckminuten keinerlei Schutz habe, weder von staatlicher seite durch die polizei- noch durch die ach so lauten antifas, dann kann man nicht nur von dem zahlenmässigen Erfolg der Gegendemo reden, sondern muss auch leider diese Seite zeigen.

kleine splittergruppe danach

enni 21.08.2006 - 12:15
also 1800 kann ich ebenfalls nicht bestätigen. maximal 800, aber auch nur am anfang. die demostärke hat zum ende hin leider übel abgenommen. was ich - wie auch schon erwähnt - total mies fand, dass null konzept für danach, also das stören der faschos bestand. nachdem die demo zu ende war machten sich - ich schätze mal - 50% der teil nehmer richtung seidelplatz auf und der rest anch hause. zum seidelplatz bzw auf die route der nazis war schon dort kein durchkommen, was auch daran lag dass die ca 100-150 am busbahnhof anwesendenleute in 50 grüppchen aufgesplittet waren. sonst wäre es locker möglich gewesen durch die kette von 15 polizisten durch zu kommen, die anfangs ziemlich blöd aus der wäsche kuckten aber flott verstärkung anforderten und alle aus dem areal richtung innenstadt drängten. danach gingen noch mehr leute nach hause aber einer gruppe (war aber denke ich nicht die einzige) von ca 30-40 leuten schloss ich mich an. unser ziel war es eigentlich auf die route zu kommen was aber unmöglich war durch die massive polizeipräsenz. das blöde war auch der hubschrauber, wodurch sofort, wenn wir uns irgendwo hin bewegeten die herren in grün nachrückten. durch einen kurzen sprint kamen wir dann zum saalbahnhof, was uns zwar die grünen vom hals hielt aber im endeffekt leider sinnlos war. danach bestand unser handeln eigentlich nur noch darin vor den 15-20 wannen zu flüchten, die uns an den versen hingen. naja auf dem fürstengraben dann angekommen waren die faschos grad zu kundgebung vorm schwarzen bären. dort löste sich das grüppchen auch ganz auf. naja. echt schade, dass nix ging, aber lag vielleicht auch daran, dass niemand (von uns) vorher die route der nazis kannte. sonst hätte man sicher besser planen können.

Besser geht es immer!

Anwesender selbstkritischer Jugendlicher 21.08.2006 - 14:53
Kritische Reflektion und Nachbereitung von antifaschistischen Aktionen sind richtig und wichtig. Und auch die OrganisatorInnen der Aktionen sind, wie ich mittlerweile in Gesprächen feststellen konnte, nicht mit allem vollauf zufrieden. Wichtige Punkte sind bereits angesprochen worden. Die Zahl 1800 DemonstrantInnen stammt von der Polizei. Sie dürfte sich auf den Stand der Zwischenkundgebung am Johannisplatz beziehen und möglicherweise sind da der eine Passant oder die andere Kaffeetrinkerin am Rande mit eingerechnet worden. Für die überwiegenden Teil der langen Strecke, insbesondere den Beginn bis zur ersten Zwischenkundgebung, halte ich 800 bis 1000 TeilnehmerInnen tatsächlich für realistischer.

Außerdem sollte stets bedacht werden, welche Voraussetzungen gegeben sind und welche Möglichkeiten daraus erwachsen können. Die Demonstration wurde innerhalb nur einer Woche organisiert. Am Montag, den 14.06., bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot des Heß-Gedenkens in Wunsiedel, am Dienstag hob das Verwaltungsgericht Gera das Verbot der Ersatzveranstaltung in Jena auf. Viele Leute aus Jena, die sonst in der Vorbereitung aktiv mitwirken, sind zur Zeit im Urlaub. Auch andere Gruppen sind im Sommerloch abgetaucht und die unklare rechtliche Situation bis wenige Tage davor wirkte sich nicht gerade positiv auf die Mobilisierung auswärtiger Gruppen aus. Nicht zuletzt deshalb wurde ein breites Bündnis mit Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Kokont, dem Runden Tisch für Demokratie, der Lobedaer Initiative für Zivilcourage, dem Bürgerbündnis gegen Rechts Weimar und anderen gesucht und glücklicherweise auch gefunden.

Kritisiert wurde die Route durch den Westteil der Stadt weitab der potentiellen Nazidemonstration. Hier haben mir die OrganisatorInnen glaubhaft geschildert, dass die ursprünglich angemeldete Route eine ganz andere war. Im wesentlichen entsprach sie der üblichen Jenaer Demostrecke rund um die Innenstadt. Da diese aber nahezu identisch mit der angemeldeten Nazi-Route war, lehnte die Stadt die Route ab, und schlug zunächst Ausweichmöglichkeiten vor, die noch wesentlich weiter abgelegen hätten. Ordnungsamt und Polizei setzten von vornherein auf eine weiträumige Trennung von Nazis und Gegendemonstranten. Die AnmelderInnen hatten noch versucht, wenigstens eine Sicht- oder Rufverbindung zu erreichen, um den Nazis die Ablehnung ihrer Ideologie auch zeigen zu können, was jedoch abgelehnt wurde. Letztendlich wurde der Antifa-Demo vom Ordnungsamt eine Route vorgeschlagen, die durch Verhandlungen am Samstag sogar noch etwas erweitert werden konnte - die kleine Runde durch die Innenstadt.

Durch fast durch die gesamte Innenstadt getrennt lag das potentielle Aufmarschgebiet der Nazis zwischen Löbdergraben und Saale. Eine genaue Route der Nazis war jedoch nicht bekannt, lediglich zwei Tage vorher der Start am Seidelplatz. Am 17.09. beschwerten sich die Nazis vom NWJ auf ihrer "Weltnetzseite": "Einzig bezüglich der Demonstrationsroute konnte bislang keine Einigkeit erzielt werden, da von Seiten der Polizei mit zweifelhaften Tricks gearbeitet wurde. So wurde behauptet, dass sich Anmelder und Polizei auf eine Strecke geeinigt hätten, was allerdings nicht der Wahrheit entspricht." Nicht einmal am Samstag war die Route klar, im Gegenteil, lange Zeit sah es so aus, als würde es keine Nazi-Demo, sondern nur eine Kundgebung auf dem Seidelplatz geben. Die Polizei wartete offensichtlich das Ende der Antifa-Demo ab, bevor mit der Nazi-Demo begonnen wurde. Damit war deren ungefährer Verlauf erst zum Zeitpunkt der Abschlusskundgebung bekannt und selbst da kursierten noch widersprüchliche Angaben. Mehrere Gruppen in schwarz hatten sich dem Zeitpunkt jedoch schon auf eigene Faust auf den Weg gemacht, oft ohne eine konkrete Vorstellung wohin und wofür. Wie hätten unter diesen Bedingungen sinnvolle Störaktionen oder gar Blockaden im Vorfeld organisiert werden sollen? Welche Leute hätten diese tragen sollen? Der Oberbürgermeister in der ersten Reihe?

Während des Verlaufs der Nazidemo war die Route weiträumig durch z.T. behelmte und aggressiv auftretende Cops abgesperrt. Zwar konnten einzelne Personen immer wieder bis dicht an die Naziroute vordringen, doch wurde an anderen Stellen selbst für AnwohnerInnen, die sich ausweisen konnten, der Durchgang gesperrt. Im üblichen Demochic war gar nichts zu machen, größere Gruppen strandeten bereits an der ersten Cop-Linie, die noch mitten in der Stadt gezogen war. Wir sollten endlich realisieren, dass auch die Ordnungsmacht einiges dazu gelernt hat und mittlerweile in der Lage sind, bestimmte Handlungskonzepte wie dezentrale Aktionen völlig ins Leere laufen zu lassen. Dazu trägt der betriebene personelle und technische Aufwand mit einer großen Zahl der Einsatzkräfte, bei der fast auf jeden Demonstranten/jede Demonstrantin ein Cop kommt, eine Menge schwarzgekleidete Robocops, denen die Aggression schon aus den Augen springt, Hub ... Hub ... Hubschraubereinsatz, Wasserwerfer und so weiter wesentlich bei. Dies trifft allerdings nicht nur auf Jena zu, sondern ließ sich in letzter Zeit bei zahlreichen Demonstrationen in der Provinz und selbst in Metropolen wie Berlin beobachten. Mensch braucht ja nur die Schilderungen vom gleichen Tag aus Berlin lesen: Gewaltexesse der Berliner Polizei - 19.08. -  http://de.indymedia.org/2006/08/155340.shtml oder ähnliche Diskussion aus den letzten Monaten, z.B. Massiver Widerstand gegen 3. NPD Open Air -  http://de.indymedia.org/2005/07/122908.shtml .

Leider gab es die Jagden von größeren Nazi-Gruppen durch die Stadt. Der Zusammenhalt und die Koordination unsererseits war aber mehrere Stunden nach Ende der Antia-Demo nicht mehr gegeben. Viele Gruppen waren bei den Wanderungen durch die Stadt aufgespalten worden oder hatten sich getrennt, weil nur kleine Gruppen überhaupt Chancen auf halbwegs freie Bewegung hatten. Zahlreiche DemonstrantInnen hatten angesichts der Hitze und der begrenzten Möglichkeiten zum Zeitvertreib bereits den Heimweg angetreten und dies nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das Infotelefon berichtete die ganze Zeit über aktuelle Entwicklungen und wies ebenso wie der Wap-Ticker auf die Gefahr hin. Leider erreichen diese Meldungen nur wenige Leute, wenn die bestehenden Möglichkeiten der Kommunikation wie Infotelefon und Ticker (  http://de.indymedia.org/2006/08/155265.shtml ) kaum genutzt werden. Auch wurden zum Teil "Fahrradkuriere" nicht ernst genommen, nur weil sie mit ihrem Erscheinungsbild verständlicherweise nicht dem Abziehbild-Autonomen entsprachen. Gleichzeitig waren die Cops mit den überwiegend ebenfalls im schwarzen Demodress gewandeten Nazis völlig überfordert und wussten meist nicht, ob sie jetzt "Gewalttäter links" oder "Gewalttäter rechts" vor sich hatten. Oft wurde mensch selbst erst kurz vor einen Zusammenstoß anhand der T-Shirts und übrigen Abzeichen oder einzelner Bonehead-"Traditionalisten" darauf aufmerksam, um wen es sich handelt.

Nun heißt es nach vorn schauen, denn das nächste "Fest der Völker" wird bereits am 2. Juni 2007 stattfinden und Wolle sich vielleicht auch vorher noch mal mit einer Demonstration sehen lassen wollen. Wendet euch an die aktiven Gruppen in Jena (JG, JAPS, Infoladen, ASJ -  http://jena.antifa.net/ ) und beteiligt euch an den Vorbereitungen. Selbst wenn ihr keine Böcke auf langwierige Plenumsdiskussionen habt, fragt vorher nach, welche Konzepte entwickelt wurden und bringt eure Vorstellungen ein. Manchmal reicht es ja schon aus, wenn die OrganisatorInnen ungefähr wissen, was ihr euch vorstellen könnt und was nicht. Sich im Nachhinein zu mokieren, dass es keine Konzepte gab, ist nicht so prall, wenn mensch zuvor gar nicht nach eventuellen Konzepte gefragt hat und sie nicht kannte. Es wäre außerdem empfehlenswert, sich im Sommerschlussverkauf mit preiswerten Kleidungsstücken einzudecken und diese zumindest zum Wechseln mitzunehmen, wenn das beliebte kleine Schwarze nicht angemessen ist.

Doch ja, es geht noch besser und muss es angesichts der bevorstehenden Aufgaben auch werden! Werdet aktiv und kommt miteinander ins Gespräch:  http://jena.antifa.net/

So erlebte es die Kampagnen-VertreterInnen

Finder 21.08.2006 - 15:03
Etwa 400 Nazis sind durch Jena demonstriert. Unterwegs gab es eine Zwischenkundgebung. Nachdem Jürgen Rieger bei einer zweiten Kundgebung eine Stunde lang geredet hatte, wurde er von der Polizei unterbrochen und die Versammlung anschließend beendet. Rund um den Zug waren etwa 400 Antifas in kleineren und größeren Gruppen unterwegs, die schon auf einer zuvor stattgefundenen Demonstration gewesen waren.

Ausführlicher Bericht der angereisten VertreterInnen der Kampagne NS-Verherrlichung stoppen!

Eindrücke von der Ersatzveranstaltung zum Gedenken an Rudolf Hess in Jena
 http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/ns-verherrlichung-stoppen/brjena06.html

Presseerklärung

Bündnis gegen Heß-Marsch Jena 21.08.2006 - 15:38
Grenzen der Freiheit für die Feinde der Freiheit
1.800 demonstrieren in Jena gegen den Aufmarsch der Faschisten

Heute beteiligten sich 1.800 Menschen an der vom linken „Bündnis gegen den Heß-Aufmarsch“ organisierten Demonstration durch die Jenaer Innenstadt. In den Redebeiträgen sprachen sich Mitorganisatorinnen und Gäste gegen die öffentliche NS-Verherrlichung aus, die alljährlich im zeitlichen Umfeld des Todestages des Hitlerstellvertreters und verurteilten Kriegsverbrechers Rudolf Heß auf faschistischen Kundgebungen betrieben wird.
Doch auch an anderen Orten dienen Jahrestage zur Relativierung der deutschen Geschichte. „In Dresden ziehen jedes Jahr Tausende Alt- und Neonazis durch die Stadt. Aus Anlaß der Bombardierung durch die Alliierten zelebrieren sie einen Opfermythos, der darauf abzielt, die Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus zu relativieren“, sagte Grit Ebert vom Avanti-Projekt Hannover.
Das „Bündnis gegen den Heß-Aufmarsch“ bezog zum Nazi- Aufruf Stellung, der um Meinungsfreiheit „ganz oder gar nicht“ warb: „Die Meinungsfreiheit muß da Grenzen haben, wo die Feinde der Freiheit sich auf sie berufen wollen. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Trotz der hohen Beteiligung aus ganz Thüringen an der antifaschistischen Demonstration konnte der Aufmarsch der Faschisten nicht gestört werden. Einzelne Gruppen pfiffen die Hetzredner aus und Sprechchöre verhöhnten das „Gedenken“ an Heß: „Rudolf Heß – Bruchpilot. Wir feiern heute deinen Tod“.
Die Mehrzahl der Demonstranten, die zuvor noch „Kein Fußbreit den Faschisten“ gefordert hatte, ging nach der Schlußkundgebung am Engelplatz jedoch einfach nach Hause.

„Es ist in Jena noch nicht gelungen, ein Verständnis zu entwickeln, daß Faschisten weder in der Geschichte noch heute mit symbolischen Aktionen zu beeindrucken seien oder gar zurückzudrängen gewesen wären“, sagt Andrea Fichte vom Jenaer Bündnis. „Auf lange Sicht und mit der realistischen Drohung eines Festes der Völker am 2. Juni im nächsten Jahr ist, das zu erreichen, eine wichtige, zu bewältigende Aufgabe. Die juristische Auseinandersetzung als einzige Abwehrstrategie hat jedenfalls versagt.“

Auch das Verhalten der Versammlungsbehörde bietet für diesen Fall Platz für Spekulationen: Während den Polizeibeamten an der Naziveranstaltung bereits in den langen wiederholten Heß-Zitaten einen ausreichenden Grund für eine Auflösung oder wenigstens die Gewahrsamnahme des Redners Jürgen Rieger sahen, wiegelte die Stadtverwaltung Jena ab. Sie wolle lieber mögliche Gesetzesverstöße dulden und im Nachgang verfolgen als eventuell juristisch zu früh den Faschisten Einhalt zu gebieten.

Peinlich, peinlich

och nö! 22.08.2006 - 15:22
Zitat "In Vergleich zu 2004 ist das ein Verlust um 400%."
Tut mir leid, aber das ist echt peinlich. Wer auch immer diesen Blödsinn geschrieben hat: Ein Verlust von 100% bedeutet, dass niemand da war. Ein Verlust von 400% ist demzufolge schlechterdings unmöglich.

Fotos der Nazidemo

aa 22.08.2006 - 15:25
hat denn keiner fotos von der nazidemo gemacht die er reinstellen kann?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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netter — bericht

naja — ich muss

Bilder — Karl

Fotos zensieren! — Egal

ja, aber — type