Oaxaca: Aufstand - News

Soli 17.08.2006 01:08 Themen: Militarismus Soziale Kämpfe Weltweit
In einer Pressekonferenz am frühen Abend des 14. August 2006
verlangte die APPO, dass die Regierung die politischen Gefangenen der
Bewegung bis heute 15.August um 10:00 freilässt. Sollte dies nicht
geschehen, werde die APPO ihre Aktionen verschärfen, um die
Regierungsunfähigkeit der Ulises-Regierung zu verstärken.
14. AUGUST

Die politischen Gefangenen waren allesamt ohne Haftbefehl auf offener
Strasse entführt und an verschiedene unbekannte Orte verschleppt
worden. Am 11. August wurde bekannt, dass sich zwei von ihnen,
Elinoai Santiago Sánchez und Juan Gabriel Ríos in Ejutla (Oaxaca)
befinden und sie konnten von Leuten des "Red Oaxaceña de Derechos
Humanos" besucht werden. Nach eigenen Angaben wurden sie stark
gefoltert, was gestern noch erhärtet wurde, als ein Videofilm mit
Bildern der Gefangenen im Fernsehkanal der APPO gezeigt wurde.

Die "Ex-Regierung" Ulises gab heute bekannt, dass Germán Mendoza
Nube, der am 9 August aus seinem Rollstuhl (Mendoza Nube ist seit 23
Jahren an beiden Beinen gelähmt) gerissen und an unbekannten Ort
entführt wurde, sich im Hochsicherheitsgefängnis "La Palma" im
Bundesstaat Mexiko befinde. Dies sei wegen seiner Gefährlichkeit
notwendig.

Außerdem ist seit gestern bekannt, dass der Ornithologe (in der
Presse als Biologe bezeichnet) Ramiro Aragón Pérez am Leben ist und
sich in Zimatlán in Haft befindet. Verschiedene NGO's die in Oaxaca
im Umweltbereich arbeiten, sammeln für seine Freilassung
Unterschriften für einen offenen Brief an die zuständigen Stellen und
die Öffentlichkeit.

Weiter ist heute bekannt geworden, dass sich Erangelio Mendoza
Gonzáles (Ehemaliger General Sekretär der Sektion 22 der
LehererInnengewerkschaft SNTE) in Tehuantepec, Oaxaca, in Haft
befindet. Menschenrechtsorganisationen und seine Frau konnten mit ihm
sprechen und bestätigen, dass er schwer gefoltert wurde.

Wie wir gestern schon gemeldet haben, existiert eine Web-Page mit
einer Liste mit Fotos und Adressen von vermeintlichen Anführern und
Anführinnen der APPO. Diese Web- Page fordert direkt und indirekt zu
Aktionen gegen die Dirigenten der APPO auf. An der gestrigen
Pressekonferenz der APPO wurde schlüssig aufgezeigt, dass die
verwendeten Fotos aus dem Register der Wahlberechtigten stammen. Das
heißt, dass die Wahlbehörde auf irgend einer Weise mit dieser Web-
Page verknüpft ist. Wichtig ist auch, dass ein beträchtlicher Teil
der aufgelisteten Leute nichts mit der APPO zu tun haben. Die APPO
macht die Bundesregierung und die Wahlbehörde für die
paramilitärischen Aktionen verantwortlich.

Am 16. und 17. August findet hier in Oaxaca das nationale Forum zur
Konstruktion der Demokratie und der Regierungsfähigkeit (foro
Nacional para la construcción de la democracia y gobernalidad)
statt. Die Idee ist, an dieser Konferenz mit der Diskussion zu
beginnen, wie den eine neue Verfassung in Oaxaca aussehen könnte, und
wie eine Volksregierung in der Realität funktionieren müsste. Es sind
alle eingeladen am Forum teilzunehmen und aktiv mitzumachen.

15. AUGUST

Ultimatum: Das Ultimatum an die Regierung Fox wurde teilweise
erfuellt: Der Aufenthaltsort der Gefangenen wurde eine Stunde vor
Ablauf des Ultimatums (10 Uhr morgens) von den foederalen Behoerden
bekanntgegeben. Doch freigelassen wurden sie (noch) nicht.

- Schuesse und Morddrohungen: Um 10.30 Uhr morgens schossen zwei
Polizisten in Zivilkleidung auf die Eingangstuere des Hauses von
Flavio Sosa Villavicencio (in San Bartolo Coyotepec). Flavio Sosa
Villavicencio gehoert der "Neuen Linken Oaxacas" an und ist Teil der
provisorischen Fuehrung der "Volksversammlung Oaxacas" (APPO) sowie
Abgeordneter der PRD. Anschliessend drangen die Polizisten mit Gewalt
in das Gebaeude ein und bedrohten Beatriz Castañeda, die Ehefrau von
Flavio Sosa Villavicencio, sie wuerden die ganze Familie ausloeschen.
Als BewohnerInnen der Gemeinde die Attacke realisierten, laeuteten
sie die Glocken der Kirche und konnten anschliessend die beiden
Angreifer verhaften, sie heissen: Joaquín Jiménez und José Luis Díaz
Cruz.

- Der oben geschilderte Ueberfall erhitzt das Klima in Oaxaca
zusaetzlich. Im Verlauf des Tages drohten verschiedene Gewerkschaften
u.a. aus dem Gesundheitssektor mit einem Generalstreik noch vor dem
1. September, sollte der Gouverneur Ulises Ruiz nicht zuruecktreten.

- Demo: Angestellte des Gesundheitssektors machen morgen um 10:00
eine Demo. Treffpunkt ist die Ex-Fuente de siete Regiones und die
Demo wird an den Zocalo gehen. Die Leute im Gesundheitssektor haben
klar gemacht, dass sie mehrheitlich solidarisch sind mit der APPO,
dass sie aber auf keinen Fall die Spitaeler und Gesundheitszentren
schliessen werden, weil sie schlussendlich genau für die ärmere
Schicht der Gesellschaft zuständig seien und zudem keinen Notfall
abweisen können und wollen. Sie werden einfach den Betrieb reduzieren
und denjenigen Vorzug geben, die aus entlegenen Dörfern in die Stadt
kommen um medizinische Hilfe zu suchen.

- Frauendelegation in die Hauptstadt: Frauengruppen, die an der Demo
am 1. August teigenommen haben (anschliessend an die Demo wurde der
Fernsehkanal besetzt), rufen andere Frauen auf, sich heute um 22:00
zu treffen um mit Bussen nach Mexiko D.F. zu fahren um zu versuchen
in den Senat zu kommen und evtl andere politische Aktivitaeten zu
machen.
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Ergänzungen

weitere infos zur situation in oaxaca

der nestscheisser 18.08.2006 - 11:09
gibt es in der guten artikelsammlung auf labournet:  http://www.labournet.de/internationales/mexiko/oaxaca.html

News

Soli 18.08.2006 - 12:56
16. AUGUST

- Nationales Forum "Demokratie und Regierbarkeit in Oaxaca
konstruieren"

Heute begann in Oaxaca das "Foro Nacional: Construyendo la Democracia
y la Gobernalidad en Oaxaca", zu welchem Gemeindeautoritäten, die
Sektion 22 der LeherInnengewerkschaft (SNTE), die Asamblea Popular
del Pueblo de Oaxaca (APPO) und viele andere zivile Organisationen
eingeladen haben. Rund 900 Personen aus allen Sektoren der
Gesellschaft haben sich am offenen Forum eingeschrieben, das während
zwei Tagen in der Jura-Fakultät der Autonomen Universität Benito
Juarez (UABJO) stattfindet. Neben zahlreichen TeilnehmerInnen aus
Oaxaca sind auch VertreterInnen aus vielen anderen Bundesstaaten
Mexikos vertreten, darunter auch der Ex-Bischof von San Cristobal de
Las Casas, Samuel Ruiz.

Das Forum wurde von ca. 10 Radiostationen über das ganze Land live
verbreitet und über das Internet auch dem internationalen Publikum
angeboten.

Oaxaca weist zusammen mit Chiapas den grössten Indígena-
Bevölkerungsanteil Mexikos auf. Indígenas sind in 7 Regionen mit 16
verschiedenen Kulturen und Sprachen wohnhaft . In einem Ritual auf
dem Platz des Tanzes in Oaxaca, welches um sieben Uhr Morgens begann
und bis um zehn Uhr dauerte, wurde diese kulturelle Vielfalt
aufgezeigt und unterstrichen. Im Anschluss an das Ritual wurde das
Forum von Vertretern der verschiedenen Kulturen in acht verschiedenen
Sprachen offiziell eröffnet und verschob sich danach in die
Juristische Fakultät der UABJO.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren sehr gross, weil befürchtet wurde,
dass ein Angrifff auf das Forum stattfinden könnte. Wie im Verlauf
des Forums gesagt wurde, hat man in Eingangskontrolle tatsächlich
einige bewaffnete Männer abfangen können.

Der erste Teil des Forums trug den Titel "Escenario Nacional", wo die

generelle Situation, in der sich Mexiko befindet, beleuchtet wurde.
Ein
Vertreter des "Bundesweiten Netzes der Menschenrechtorganisationen"
präsentierte eine Analyse der miserablen Menschenrechtssituation in
Mexikos.

Eine Senatsabgeordnete der PRD versuchte die Wichtigkeit und
Bedeutung des Kampfes gegen den Wahlbetrug zu unterstreichen. Ein
dritter Redner führte die aktuelle Krise auf den tiefverankerten
Rassismus und den ausgeprägten Klassencharakter der mexikanischen
Gesellschaft zurück.

Im zweiten Teil der redeten Vertreter und Vertreterinnen aus Oaxaca.
Die Situation der Menschenrechte wurde von einer Vertreterin der NGO
"Red Oaxaqueña de Derechos Humanos" (RODH) aufgezeigt und die
unterstrich, dass Menschenrechte in Oaxaca seit langer Zeit mit
Füssen getreten werden. In der aktuellen Legislatur von Ulises Ortiz
verschlechterte sich diese Situation aber noch zusätzlich.

Ein Vertreter der LehrerInnengewerkschaft untersuchte in seinem
Referat, warum sich gerade in Oaxaca dieser soziale Aufstand
entwickelt hat und warum gerade in einem Kampf der Lehrerinnen.

Im dritten Teil wurde in drei Arbeitsgruppen zu folgenden Themen
gearbeitet:

1. Ausrichtung einer neuen Verfassung
2. Für ein gemeinsames politisches Programm
3. Eine Politik der Integration und Respekt für die Vielfalt Oaxacas

Morgen Donnerstag werden im Plenum die Resultate der Arbeitsgruppen
präsentiert und zur Diskussion gestellt.

- Weitere Aktionen
Während des Forums gingen die Widerstandsaktionen der APPO weiter. Es
wurden z.B. unzählige Bankfilialen blockiert, was dazu führte, dass
die Banken faktisch geschlossen wurden.

Die Gewerkschaft des Gesundheitssektors machte seine Drohung von
gestern war und schloss sich dem Protest der Lehrerschaft und der
APPO an: Mehrere tausend Angestellte legten ihre Arbeit nieder und
zogen mit der Forderung durch die Strassen, Ulises Ruiz muesse sein
Amt niederlegen. Insgesamt drohen 80'000 Staatsangestellte
verschiedener Sektoren mit einem Generalstreik.

Ulises Ruiz verharmloste noch heute morgen die Streikdrohungen im
Fernsehen, es sei nicht das erste Mal, dass die Staatsangestellten
mit einem Generalstreik drohten, und es sei immer bei Drohungen
geblieben...

- Allianz PRI-PAN gegen Bewegung in Oaxaca
Nun bestaetigt sich der aktuelle Schulterschluss der PAN mit der PRI
auch im Fall Oaxaca: Der Parteipraesident der PAN, Manuel Espino
(bekennendes Mitglied der rechtsradikalen Vereinigung El Yunque),
erklaerte die Problematik in Oaxaca zum nationalen Sicherheitsrisiko
und erklaerte seinen vollen Rueckhalt fuer den PRI-Gouverneur Ulises
Ruiz. Auch die neu gewaehlten PRI-Abgeordneten der zwei nationalen
Parlamentskammern stellten sich geschlossen hinter den Gouverneur
Ruiz. Die Allianz PRI-PAN (auch PRIAN genannt) wird momentan auch in
den Wahlen vom Sonntag in Chiapas erneuert.

Der begruendete Verdacht besteht, dass hier ein Kuhhandel laeuft im
alten Sinne von "tu me das y yo te doy": Der PRI soll Chiapas
zureckgewinnen und Oaxaca trotz aller Proteste weiterregieren, im
Gegenzug unterstuetzt der PRI im Postwahlkonflikt um die
Praesidentschaft den PAN-Kandidaten Felipe Calderon, damit dieser als
neuer Praesident Mexikos eingesetzt wird.

AUDIO

radio corax 18.08.2006 - 14:57
Die viel besuchte Touristenstadt Oaxaca im Süden Mexikos entwickelt sich immer mehr zu einem Zentrum des Protests. Tausende halten dort seit Wochen die Straßen besetzt, um für den Rücktritt des Gouverneurs Ulises Ruiz zu streiken. Dieser unterdrückt rigoros oppositionelle Aktivitäten.

Die bisherigen Versuche der Polizei, die Proteste zu zerschlagen, blieben erfolglos. Seit dem Beginn der Aktionen im Juni wurden nicht nur Camps und Barrikaden errichtet, sondern auch mehrere Radio- und Fernsehsender besetzt. Radio Corax hat einen Beobachter vor Ort, der sich zu den aktuellsten Entwicklungen äussert.