Badetag mit Clowns in Heiligendamm

Rekrut 15.08.2006 15:17 Themen: G8 Heiligendamm
Ich will hier mal schreiben, wie ich als unbedarfter "Rekrut" der Clown Army den Badetag in Heiligendamm erlebt habe und den anschließenden Workshop im CampInski .
Nach einigen chaotischen Versuchen das Headquarter der Clowns zu finden - scheint wohl in ihrem Wesen zu liegen Ordnung in Verwirrung zu verkehren - gelang es doch einer handvoll Clowns am späten Donnerstag abend zusammen zu finden und erstmal einen vorläufigen Platz auf dem egen und überfüllten Gelände des Camps in Beschlag zu nehmen.
Einige erste Grundlagen wurden vermittelt und es wurde besprochen am nächsten Tag einen Workshop abzuhalten, der auf dem Campgelände abgehalten werden sollte.

Da am nächsten Tag aber der Badetag stattfinden sollte waren einige Clowns wohl eher davon angespornt sich in ihrer Energie diesem Ereignis hinzugeben als auf dem warscheinlich eh entfölkertem Camp einem Training zu unterziehen kam es am nächsten Tag über diesen Punkt zu Unstimmigkeiten in der Gruppe.
Vor allem lief am nächsten Morgen alles noch viel planloser ab als am Abend zuvor. Viele rannten durch die Gegend und niemand war nur mit größerem Suchaufwand wieder zu finden. Immerhin mußten ja die meisten TeilnehmerInnen mit Autos zum Bahnhof nach Hageböck geschuttelt werden.

- Die Zeit drängte, auch hier in Mc Pomm fahren die Züge ja fast immer (mal abgesehen von den Zeiten in denen die Gipfelgegner Gratiszüge entern), pünktlich. Trotzdem gelang es einer größeren Gruppe Clowns sich in vollem Kostüm und Maskierung sich den anderen Teilnehmern anzuschließen - bis auf einen - und das war ich! Das Schminken und Maskieren hatte zu lange gedauert, immer mehr kamen und wollten im letzten Moment noch geschminkt werden und waren dann plötzlich verschwunden - in irgendwelchen Autos, die davonbrausten. Nichts war abgesprochen, keine Aktion war geplant und vorbereitet. Das konnte ja heiter werden! Erste Zweifel stellten sich ein. Als dann in Hagebök ein übereifriger Polizist meinen Perso haben wollte, weil ich wohl unbefugter Weise (Schranke war unten) die Schienen überquerte (was meinen Clown überhaubt nicht kümmerte), war der Zug entgültig abgefahren. Seltsam das der Polizist gar nicht merkte das die Person auf dem Persobild jemand ganz anderes war.

Dann habe ich dann doch noch einen Zug bekommen und kam verspätet in Heiligendamm an. Unterwegs gabs (wegen meiner Verkleidung) einige interessante Gespräche über Clowns, G8 und den Protesten, die geplant wurden. Viele Leute wußten gar nicht das ihr Landkreis im nächsten Jahr zu einer einzigen Festung umgebaut werden sollte und was die G8 da wollten. Kamen mir in der Stadt Familien mit Kindern entgegen, wars immer schön zu sehen wie zuerst bei den Kindern die Mundwinkel nach oben rutschten und sie zu lachen anfingen. Die Erwachsenen reagierten dann zunehmend wohlwollend.

Als ich endlich in Heiligendamm ankam, war die Promenad vor dem Kempinskihotel, das nächstes Jahr die G8 beherbergen soll, schon voll mit Leuten, Zuschauer und DemonstrantInnen. Die Stimmung war sehr gut, eher wie auf einem Event als auf einer Demo. Da die Clowns kein einheitliches Konzept hatten - von Armee ganz zu schweigen, gingen sie, bis auf Ausnahmen, in der unübersichtlichen Menge unter. Das war mein Eindruck den ich hatte als ich da ankam. Mensch mußte schon vorher informiert sein, das da eine Clownsarmee sein sollte um sie zu finden.
Naja, ich war ja selbst ein Clown und wollte nun auch mal mit den anderen spielen.

Dann bahnten sich einige witzige Nummer mit zwei und drei Clowns an. Teils in der Menge der Leute, teils vor der Poizeikette. Wir spielten Golf mit einem Kindergolfspiel und zufällig rollte der Ball immer in Richtung Polizei. Es gab Walkakts mit PolizistInnen, die völlig irritiert über das Gelächter, das plötzlich um sie herum ausbrach, reagierten. Und es gab Szenen mit den Securityguards und der Polizei, die mit teils versteinertem Gesicht und der üblichen Haltung in peinlichen Situationen Ansehen zu bewaren (Breitbeinig und Geschlechtsteile mit Händen schützend), über sich ergehen lassen mußten, das neben ihnen bunt bemalte ClownInnen skurile Szenen spielten, ihnen die Zunge rausstreckten und sie damit in ihrer Ignoranz völlig der öffentlich-medialen Lächerlich preisgaben. Was wäre geschehen, wenn sie ihre Haltung zugunsten der Interaktion mit den Clowns aufgegeben hätten? Aber es blieb (soweit ich das beobachten konnte)immer friedlich. Da wir allerdings keine Gruppe waren, war es mit der Außenwirkung schwierig. Mensch mußte schon ziemlich ackern um die nötige clowneske Energie zu erzeugen, die benötigt wird um in einer so großen Menge gesehen und gehört zu werden.

Die Polizei unternahm irgendwann einen Versuch Menschen davon abzuhalten, ein Transpi an eine Villa zu hängen und mußte sich aber ziemlich schnell wieder zurückziehen. Da wurde es erstmal etwas brenzliger .Und wie da plötzlich ein Trupp gleichuniformierter grüner Mänchen gleichförmig um die Hausecke bog bekam mein kleiner Clownsrekrut erstmal weiche Knie! Aber dann überwog doch die Freude: Oh mann! Was für eine tolle Armee! Und: jeah! Ich bin ja auch Soldat!! Also darf ich da mitmarschieren! Darf ich wirklich?! Also los!aber die Polizei mußte sich geschlagen geben und mußte sich, da sie Gefahr lief von der Menge gekesselt zu werden , zurückziehen, und das Transpi konnte aufgehängt werden.
Dann gabs eine Durchsage wir dürften den Rasen vor dem Hotel nicht betreten. Wie witzig!! Eine kleine Hecke (wies die halt in so dekadenten Gärten gibt), grad mal so knöchelhoch lud wunderbar zum Drüberspringen ein! Und drüben auf der anderen Seite ein Parcour aus kleinen pink (PINK!!!) bemalten Holzpfählen, gerade so zum drinnrumrennen: Die sind doch für uns!! Und schwups war auch schon der erste Clown drüber. Dann kam die Menge, za 200 Leute, die allerdings von der Polizeikette wieder auf den Weg geträngt wurde.
Dann wurde ein Schminkkasten ausgepackt und die Menschen bemalt. Leider begann da schon der Rückzug, sonst wäre auch die Polizei dran gewesen.

Die Aktion selbst hatte dadurch, das wir so unkoordiniert waren, eher den Charakter einer Clownsparty vor Polizeiketten als weniger einer politischen clownesken Aktion. Das Konzept der CIRCA ( Clandestine Insurgent Rebel Clown Army), das bewußt Symbole und Fetische der Armeen aufgreift und durch ihre Aktionen persifliert, kam dabei nicht zum tragen. Die Clowns waren - was ebenfalls seine Berechtigung und Bedeutung hat - TeilnehmerInnen einer Demonstration ohne eigenes Konzept. Sie wurden dadurch bedeutungsvoll das ihre Bereitschaft zum Stegreifteather, zur clownesk überhöhten Dramatik und zur Situationskomik, dem ganzen Treiben mehr den Hauch eines Spektakels verliehen, welches sich über Obrikeitsverhalten armeemäßig gepoolter PolizistInnen lächerlich macht.

Über die Geschehenisse im Zug will ich nur schreiben, das ich froh war abends heil wieder im Camp angekommen zu sein. Da ist schon drüber geschrieben worden. Aus meiner Sicht war es völlig unverhältnismäßig mit schwarz vermummten Cops den Zug zu rocken und Gas uns Knüppel einzusetzten. Zeitweise sah es so aus als ob sie nur darauf warten würden alles kurz und klein zu schlagen.

Am nächsten Tag trafen sich die Clowns dann und es gab erstmal - in meinen Augen auch berechtigte- Zweifel am Sinn der gestrigen Aktion. Immerhin waren erfahrene und unerfahrene Clowns unvorbereitet und unkoordiniert losgefahren ohne vorhergehendes Training. Es gab kaum Absprachen und die Achtsamkeit in der Gruppe war gleich Null - Immerhin wurden Clowns einfach im Camp zurückgelassen, die dann z. Teil allein sich auf den Weg machen mußten. Die Reaktionen der Polizei waren überhaubt nicht einschätzbar und die Situation im Zug hatte gezeigt, zu was die Polizei in der Lage ist. Die Wirkung einer Verhaftung infolge einer Demo und die damit verbundenen Repressionen (Vereinzelung aus der Gruppe, Verletzungen, Angst etc..) wurden ebensowenig diskutiert wie ein fundiertes Clownstrainig durchgeführt wurde.
Trotzdem war der Workshop sehr produktiv: Spiele wurden gespielt, clownarmymäßiges "Marschieren" wurde geübt und die Energie breitete sich auf dem ganzen Camp aus. Es gab viele lachenden Gesichter.
Am Abend schaffte es sogar eine Gruppe Clowns gemeinsam das Abschlußplenum zu unterbrechen und in einer (leider zu kurzen) clownesken Aktion auf das Redeverhalten im Plenum, Plenumsstrukturen bezug zu nehmen. Das wurde sehr positiv aufgenommen.

Fazit:
Die Aktion und der Workshop haben zwar geschlaucht aber furchtbar Spaß gemacht und gezeigt was alles möglich sein kann. Es bleibt zu hoffen, das sich noch mehr Menschen dieser Aktionsform anschließen, in ihren Städten und Dörfern Clowntrainings veranstalten und sich zu Clowngaggles zusammenschließen um dann gezielt und gemeinsam gegen die zunehmende Ignoranz der herrschenden Klasse vorzugehen. Da ist noch einiges Potential verborgen.
Als nächstes Übungsfeld bietet sich der Castortransport 06 an und das Camp in Hitzacker als eventuelle Anlaufstelle zu benutzen.

Ein Lachen wird sie besiegen: Shut down G8!
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Ergänzungen

castor

rekrut 15.08.2006 - 19:37
Ach ja, hatte ich ganz vergessen: Der Castor fährt warscheinlich wieder ab dem 12/13.. November. Ganz sicher ist das ja nie. Für nähere Infos:
www.castor.de
www.clownarmy.org

Subversives Spektakel

Camper-X 16.08.2006 - 02:17
Aber an einigen Stellen sind die Clowns doch schon mehr aufgefallen.
Am Anfang der Clownaction kam eine größere Gruppe Clownarmisten im Gänsemarsch und im gleichschritt über den Strand zur Badeaktion und skandierte: "Links - Links - Linksradikale" (anstatt "links - links links-2-3-4) am Strand stellten sich einioge Clowns stramm zwichen die Securities und vor der Kempinskiwiese gab es, mit den Worten des Polizisten der seiner Leitung über Funk berichten musste was da vor sich geht "eine Theateraktion gegen Polizeigewalt";)

Besonders hat mir die Vielfältigkeit der Aktion gefallen.
Zwichen Strandspatziergang, Badevergnügen, Transpas an der Seebrücke, die erste Wiese der Perlenkette (Leerstehende Häuser) mit den Transpis an der Villa, die Clowns mit Golf und Straßentheater etc., die Sambagruppe mit TänzerInnen bis hin zum kleinen Black-Bloc machten diese Aktion sehr vielfältig und auffällig,deswegen auch zu einem Spektakel - die Reichen im Grandhotel-Cafe waren eher amüsiert, als die schwarzen-vermummten Personen auf ihre Wiese lief und sie hatten keine Angst.

Das macht die Demo zwar zu einem Spektakel, nimmt ihr aber denke ich nicht unbedingt den politischen Inhalt. Vielleicht nimmt es sogar ein bischen die Autonomophobie. Aber es macht (wie sich ja auch schon ansatzweise bei Pink-Silver gezeigt hatte) die Demo auch unübersichtlicher und unberechenbarer.

Quasi-RTS

Camper-X 16.08.2006 - 02:35
Das ganze war quasi eine Reclaim The Beach/Promenade/Grand-Hotel-Wiese

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Schöner Bericht — Rekrutin