Badetag in Heiligendamm

Campistas unidas 12.08.2006 17:09 Themen: G8 Heiligendamm Globalisierung Repression
Am 11. August gab es im Rahmen des Anti-G8-Camp 2006 Camp-Inski den Aktionstag "Baden in Heiligendamm".
Rund 400 Leute folgten dem Aufruf und zogen auf verschiedenen Wegen zum Strand vor dem Hotel Kempinski.
Dort gab es zu Samba-Klängen vielfältige Aktionen - neben gemeinsamen Schwimmen und Strand-bevölkern gab es auch eine kurzzeitige Hausbesetzung, bei der auf die Enteignung der Familie Kempinski durch die Nazis hingewiesen wurde.
Auf der Rückfahrt änderte die Polizei ihre bisherige Strategie der Deeskalation und versuchte aus einem Zug in dem auch 180 Leute zum Camp zurückfahren wollten einzelne Personen herauszugreifen. Dabei kam es zu Schlagstock und Pfeffersprayeinsatz im Zug.
Bei strahlendem Sonnenschein machten sich mehrere Gruppen vom Camp auf Richtung Heiligendamm. Die erste Gruppe konnte problemlos eine Gratis-aktion der deutschen Bahn in Anspruch nehmen um nach Bad-Doberan zu kommen. Beim anschließenden Versuch unter dem Motto "Mit Molli zum G8" mit der lokalen Bäderbahn "Molli" nach Heiligendamm ebenfalls gratis zu fahren wurde die Molli leider gestoppt und die Gruppe wurde von herbeigerufenen Polizisten aus dem Zug genötigt. Einem Teil gelang es dennoch auf die losfahrende Bahn wieder aufzuspringen und umsonst nach Heiligendamm weiter zu fahren. Der Rest musste die restlichen 5km zu Fuß und unter massiver Polizeibegleitung auf dem Radweg zurücklegen. Eine Demo auf der Straße wurde ihnen verwehrt.
Die zweite Gruppe zog eine Stunde später los, bei dem gleichen Versuch die Molli umsonst zu nutzen wurde die Molli jedoch auf halber Strecke von der Polizei gestoppt und von Polizeieinheiten gekesselt. Alle anwesenden Insassen wurden von der Polizei genötigt Fahrkarten zu kaufen, ansonsten würden sie Erkennungsdienstlich behandelt und eine Anzeige wegen Erschleichung von Leistung bekommen.
Am Strand angekommen war die Situation wieder ruhig, bei mäßiger Polizeibegleitung gab es schöne Aktionen zu Samba-Klängen. Der Strand wurde bevölkert und wieder angeeignet - auch hier ohne die inzwischen fällige Kur-Taxe zu bezahlen. Als alle Gruppen versammelt waren wurde die Promenade entlang bis direkt vors Hotel gezogen. Die Stimmung war friedlich, laut und bunt - und kam auch so bei den anwesenden Passantinnen und Urlauberinnen an, die begeistert Fotos schossen und Flugblätter entgegennahmen.
Als alles im Wasser am Schwimmen war um sich abzukühlen oder sonstwie am Strand sich vergnügte und von dem langen Marsch erholte wurde es auf einmal hektisch: eines der leer stehenden Häuser wurde kurzzeitig besetzt / beklettert und Banner befestigt. Die eintreffende Bereitschaftspolizei, die die Leute verhaften wollten, schafften es jedoch nicht, an den sich mit der Aktion Solidarisierenden vorbeizukommen und mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der erste Rasen war besetzt und voll mit Leuten - die anwesende Polizei versuchte anfangs noch, die Leute zum Runtergehen zu bewegen, geriet jedoch schnell in den Blickpunkt der Rebell Clowns Army, so dass sie auch dieses letzendlich einstellte. Es wurde ein Flugblatt vorgelesen, indem die immer noch nicht wieder gut gemachte Arisierung der Familie Kempinski erläutert wurde - bis heute trägt die Hotelkette den Namen dieser enteigneten und im Holocaust fast vollständig vernichteten Familie. Von dem einzigen Überlebenden Fritz Teppich wurde ein Grußwort vorgelesen.
Ermuntert wurde auch der von "Men in Black"-Securitys gesicherte Rasen betreten, die Securitys links liegen gelassen und erfolgreich der Rasen gestürmt bis an die Hotelwände heran. Erst die wiederum eintreffende Bereitschaftspolizei, diesesmal inklusive BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, auch Prügelbulle genannt), schaffte es, die Menge zurück zu drängen.

Als sich langsam die Situation entspannte und ein Blick auf die Uhr die fortgeschrittene Zeit offenbarte, wurde sich entschlossen, gemeinsam den Heimweg anzutreten. Schon am Strand gab es den ersten Versuch einer Festnahme, der jedoch verhindert werden konnte. Danach zog die Menge bis zum Bahnhof Bad Doberan gemeinsam zu Fuß um weitere Unannehmlichkeiten dieser Art zu verhindern. Dies klappte auch, obwohl sich die Menge mehr und mehr im Laufe der 6km auseinander zog. Diese Situation führte jedoch zu einer Fehleinschätzung, dass die Polizei ihre Deeskalationsstrategie beibehalten würde, so dass z.B. die Demosanis sich mit einem Auto auf den Heimweg machten. Die noch verbliebenen 180 Leute, die nicht mit einem Auto fahren konnten, wollten wieder gemeinsam Bahn fahren, jedoch wollte diesesmal die Polizei wohl nicht tatenlos zusehen oder doch noch ein paar Leute abgreifen - jedenfalls versuchten sie, mit ein paar Beamten in den bereits von den Demonstranten bestiegenen Zug zu kommen - was nicht gelang, da die Türen bereits geschlossen waren und aus mir nicht bekannten Gründen nicht aufging. Die Polizei versuchte durch den zweiten Eingang des sehr kleinen Zuges zu kommen, jedoch waren dort zu viele Leute, so dass auch da kein Durchkommen möglich war.
Daraufhin drehte sich der Wind, es wurde die erste Tür aufgebrochen und die zweite Tür mit BFElern versperrt - nichts ging mehr rein noch raus. Nach gelungenem Aufbruch stürmten drei Beamte in den Zug und griffen zwei Personen raus. Dadurch nicht befriedigt sprangen sie erneut rein und schlugen auf die Leute mit ihrem Schlagstock ein, kurz darauf kam ein Beamter von hinten und sprühte Pfefferspray in den Zug. In diesem saß unter anderem noch eine Frau mit Säugling, ein Mann mit zwei Kleinkindern und mehrere Asthmatiker - da sich das Spray unkontrolliert in dem Zug ausbreitete brach sofort eine Panik aus und eine Massenflucht nach hinten zur anderen Tür setzte ein, die jedoch dort von prügelnden BFElern aufgehalten wurde.
Diaz-Gefühle kamen auf und es wurde kurz diskuttiert, ob eine Scheibe eingeschlagen werden sollte um durch diese zu fliehen, was allerdings verworfen wurde als kein Nothammer auffindbar war. Schnell wurde Wasser aus dem Zuginternen Klo organisiert und damit Augen ausgespült. Schließlich durften doch teilweise Leute raus, darunter vor allem die Eltern mit Kindern sowie Passanten mit Fahrrädern, die nicht zu "links" aussahen.
Nach längeren Diskussionen wurde sich dann darauf geeinigt, dass 12 behelmte BFE-ler mit im Zug fahren würden und es wurde freies Geleit, sowie "keine Fahrscheinkontrollen" angekündigt - eine der rausgezogenen Personen wurde dabehalten, zunächst mit dem Vorwurf "Rädelsführerschaft", schnell wurde daraus allerdings "Eingriff in den Schienenverkehr". Der Rest fuhr nach Hagebök, der nächste Bahnhof zum Camp, allerdings bestätigte sich mal wieder die Zusage nicht, ein Mädchen wurde noch abgegriffen, der Personalienfeststellung wegen, und mit einer Anzeige wegen Beleidigung belegt.

Insgesammt war es ein sehr erfolgreicher Tag, der leider böse endete, die gerade gegründete Trauma-gruppe hat bereits jetzt wohl viel Arbeit vor sich. Hoffentlich hilft das Wissen über die erfolgreichen Aktionen und den schönen Tag am Strand dabei, das ganze zu verarbeiten.

Heute dementierte die Polizei bereits den Pfefferspray-einsatz, da er jedoch auf Video festgehalten wurde, es mehr als 200 Zeugen gibt und eine Anzeige aufgegeben wurde, wird dieses Dementi jedoch bald wohl als glatte Lüge entlarvt werden.
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Ergänzungen

Der Region tut das camp gut!!!

war da 12.08.2006 - 20:34
Also bei dem Rumgenörgel will ich Mal was los werden:

1. In Mecklenburg sind solche Aktionen mitten in der Urlaubszeit und bei der Masse von Touristen wirklich genau das Richtige - sie sind Bunt, plakativ und zeigen den Menschen vor Ort, dass die G8 - GegnerInnen nicht die Terroristen sind, vor denen spätestens ab Frühjahr 2007 mit Medialem Rummel gewarnt wird.
2. Die symbolischen Aktionen, aber auch Umfragen und der direkte Kontakt mit den Menschen vor Ort hilft Vertrauen aufzubauen, denn es gibt
3. im Nord-/Osten eine nicht zu unterschätzende Rechte Szene, hier gibt es diverse Ladenbesitzer, Handwerker etc. die im kameradschaftlichem Sumpf mit der NPD gemeinsam Regionalpolitik und im Schlimmsten Fall nach der Landtagswahl eben auch Landespolitik mit bestimmen. Für aktive Linke, Antifas vor Ort, sind Aktionen, wie unter anderem auch die heutige Demo gegen Nazis in Wismar eine echte Erholung und sie sind Mal nicht nur allein mit dem Scheiß vor Ort.
4. Nächstes Jahr ist zudem noch ein knappes Jahr hin, also ist alles steigerungsfähig und wann haben wir das das letzte Mal gehabt, dass die Presse Protestvorbereitungen von linken Gruppen und Einzelpersonen ein Jahr vorher mitbekommt und zumindest regional auch begleitet?

Pfeffersprayeinsatz

Sgt. Lonely Pepper 14.08.2006 - 16:43
G8 Gegner Aktionstag am Strand von Heiligendamm - Ausschreitungen Regionalexpress

12.08.2006: Heiligendamm/MVr Rund 400 meist junge Leute zogen gestern mit Transparenten und Sprechchören gestern zum Aktionstag der G 8 Gegner am Strand vor dem Hotel Kempinski in Heiligendamm entlang.


Musikalisch wurde das Ganze von einer Sambagruppe begleitet.

Anschließend entrollten einige Aktivisten mehre Transparente vom Balkon einer der leerstehenden Villen. Mehrer Hundertschaften der Bereitschaftspolizei MV begleiteten den Demonstrationszug, der weitergehend friedlich verlief. Als dann jedoch eine Gruppe von Autonomen dann in Richtung Hotel Kempinski ziehen wollte, wurden sie von einer Spezialeinheit der Polizei mit friedlichen Mitteln gestoppt.

Lediglich bei der Abreise einiger Demonstranten in Bad Doberan soll auf dem Bahnsteig zu Ausschreitungen zwischen ihnen und der Bundespolizei gekommen sein. Nach Angaben der CampInski 2006 Pressegruppe (Zentrale Pressestelle der G8 Gegener) sollen Bundespolizeibeamte gewaltsam die schon verschlossenen Türen des abfahrbereiten Zuges geöffnet haben, um willkürlich Personen herauszuziehen. Dabei soll ein Beamter der Bundespolizei Pfefferspray in das Zugabteil gesprayt haben. Anschließend sollen weitere Beamte die Zugtüren blockiert haben, um ein Aussteigen der Insassen zu verhindern. In dem Abteil sei es daraufhin zu einer Panik gekommen. Betroffen waren nach Angaben der CampInski 2006 Pressegruppe auch mehrere unbeteiligte Fahrgäste sowie zwei Familien mit ihren Kindern.

Dazu erklärt Stefan Perschall Pressesprecher der Bundespolizei Rostock: "Es richtig das Pfefferspray zum Einsatz kam." "Etwas 100 Veranstaltungs- Teilnehmer wollten mit dem Regionalexpress von Doberan - Wismar um 19:32 Uhr abfahren. Aufgrund einer drohenden Überfüllung des Zuges und aus Sicherheitserwägungen wurde die bereits anwesende Bundespolizei vom Zugpersonal verständigt. Diese wollten dann mit sechs Beamten den Zug begleiten, wurden aber von einer Gruppe gewaltbereiter Autonomen daran gehindert den Zug zu besteigen, weil diese die Zugtüren von innen versperrten. Bei dem Versuch durch Polizeibeamte die Zugtüren mechanisch zu öffnen, wurden die Beamten mit Flüssigkeiten und Flaschen beworfen. Als die Türen geöffnet waren, wurden die erkannten Störer von den Beamten angesprochen, aufgefordert der polizeilichen Maßnahme Folge zu leisten. Das wurde von den Störern verweigert. Die Polizeibeamten kündigten dann den Einsatz von Pfefferspray mehrmals an. Nach wiederholter Verweigerung durch die Störer wurde das Pfefferspray gezielt eingesetzt".

"Da die Störer daraufhin wieder die Türen von innen blockierten, kam es zu einer Ausbreitung des Pfefferspray im Zugabteil, woraufhin einige unbeteiligte Fahrgäste Reizhusten bekamen. Die Bundespolizei bekam die Situation schließlich in den Griff und sprach einen Platzverweis aus. Der Zug hatte ca. 80 Min Verspätung. Einige Fahrgäste wurden durch Beamte der Bundespolizei noch wegen des Reizhustens versorgt", so abschließend der Sprecher der Bundespolizei Rostock.


Quelle: MV Regio

Ergänzung

mir 15.08.2006 - 01:00
der Vergleich zur Diaz Schule ist wohl etwas übertrieben, jedoch der Einsatz in dem Zug wo auch kleine Kinder waren war schon aus diesen Gründen skandalös. Beim G8 in Genua wurden jedoch zB Leute in Schlafsäcken Krankenhausreif geprügelt...

Und der Mensch, der den Rädelsführer-Vorwurf von den Bullen bekommen hatte, wurde nicht alleine zurück gelassen - es blieben zwei Menschen dort um mit ihm zusammen auf nen Transfer zum Camp zu warten. Es durfte auch "nur" nicht mit der Bahm mitfahren, heißt er wurde nicht festgenommen.

UND DIE CLOWNS SIND SPITZE! Für viele Clowns und viele viele weitere Aktionsformen beim G8 nächstes Jahr!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Is ja doll!

EatMyShorts 12.08.2006 - 18:47
tztztztztz, seid ihr "fortschrittlich"
Im ernst, ihr seid sowas von reaktionär mit eurer "zur-Schau-stellung" von Charaktermasken und Clownparadendingsbumms, dsss geht gar nicht. Wenn so die Anti-G8-Proteste aussehen, dann gute Nacht!

Für einen wirklich inhaltlichen Protest gegen G8, welcher mal den gesamten Kapitalismus reflektiert und nicht nur Irgenwelche "Auswüchse" vom ihm!

P.S. Auf Wagenplätzen herrscht auch Kapitalismus, nur mal so nebenbei!

wieso

frager 12.08.2006 - 19:26
wieso habt ihr den mensch zurückgelassen?

Video:

. 12.08.2006 - 20:06
wann wird es das video denn wo geben?!

Lieber "eatmyshorts"...

fhgfhjgh 12.08.2006 - 21:26
...kann es sein, das da jemand etwas reflexhaft reagiert ?!
Zugegebenermaßen: Es ist wohl leider nicht zu leugnen, das es durchaus Teile der "globalisierungskritischen Bewegung" gibt, die sich auf personifizierende "kritik" versteifen, die für die bedrohten, "ursprüngliche Kulturen" demonstrieren und was man sich nicht noch alles so für nen kack einfallen lässt...
ABER: Wo bitte verortest du diese Leute hier in dem Bericht ?! Nur so ein "Ahnung" von dir ?! Hast du was bemerkt, was ich nicht bemerkt hab ?! Oder geht es am Ende etwa doch um um dein, letztendlich Identitäres, Abgrenzungsbedürfnis ?! Ein Schelm ist, wer DA böses denkt...

antwort

EatMyShorts 13.08.2006 - 21:45
lieber fhgfhjgh,
zugegeben, meine reaktion war etwas polemisch, aber: ich war für zwei Tage selber in dem Camp und was mir da begegnete war äußerst unschön: Menschen, die linken theorien aus den letzte Jahrzehnten hinterhertrauten (SAV und Co) und zudem Leute von Attac über die ja wohl jede Kritik schon zuviel Aufmerksamkeit ist. Es war dort jedenfalls ehe ein "Hippie-Camp" als ein politisches Startsignal für die G8-Proteste.Meine Meinung ist jetzt nicht antideutsch oder so, sondern einfach ergebnisorientiert. Und viele Ergebnisse sind da nun mal leider nicht rumgekommen!


Ich bin auch für destruktive Kapitalismuskritik, aber nicht in diesem Maße!

Rote Grüße