Warschau: René seit 2 Monaten in Haft

Martina Seiler 10.08.2006 16:43 Themen: Antifa Gender Repression
Seit nun schon 2 Monaten sitzt der Berliner Renè in Warschau in Haft, weil er an der "Gleichheitsparade" teilgenommen hat. Seit 2 Monaten läuft auch die Soli-Arbeit für ihn. Hier ein kleiner Rückblick und akuelle Infos.
René wurde im Anschluss an die "Gleichheitsparade" in Warschau am 10.06.2006 festgenommen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe lauteten "Angriff auf Polizeibeamte" und Besitz einer minderschweren Menge von Amphetaminen. Seitdem - also seit 2 Monaten - befindet René sich in U-Haft in Warschau. Ein Antrag seines polnischen Verteidigers auf Haftverschonung bis zum Hauptverhandlungstermin (unter Stellung von Kaution) wurde von der dafür zuständigen Staatsanwaltschaft abgelehnt. Er habe keinen ständigen Aufenthaltsort in Polen und die ihm vorgeworfene Straftat sei mit einer strengen Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bedroht, hieß es zur Begründung.
Am 07.07.2006 hat die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Warschau Anklage erhoben. Da am 09.09.2006 die 3-Monats-Frist (für U-Haft) endet, gehen im Moment alle Beteiligten davon aus, dass vor diesem Zeitpunkt die Hauptverhandlung beginnen wird.
René bestreitet die gegen ihn im Zusammenhang mit dem Angriff auf die
Polizeibeamten erhobenen Tatvorwürfe, gibt allerdings den Besitz der minderschweren Menge von Amphetaminen zu. Letzterer wird wahrscheinlich mit einer Geldstrafe geahndet werden und ist letztlich auch nicht der Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft. Bei der "minderschweren Menge" handelt es sich um ein leeres(!) Tütchen, in dem lediglich Überreste nachgewiesen wurden.
Das Verteidigungsziel von René ist die möglichst umgehende Entlassung aus
der Untersuchungshaft. Danach strebt er einen Freispruch hinsichtlich des Tatvorwurfs des Angriffs auf die Polizeibeamte an.
Nach den in Berlin angestellten Recherchen im Internet und durch die Anhörung weiterer Demonstrationsteilnehmer_innen und aufgrund der Aussage von René konnte der Sachverhalt, der zu seiner Festnahme führte rekonstruiert werden. Es muß davon ausgegangen werden, das es sich bei der Festnahme um eine Verwechslung durch die polnischen Polizisten handelt (siehe Presse-Artikel weiter unten). In diesem Zusammenhang werden auch immernoch Zeug_innen des Vorfalls gesucht. Bitte meldet Euch so schnell wie möglich unter:  warschau_soli@blacksec.org oder unter der Telefonnummer: 0163 388 1037

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Info-Veranstaltung: Nachlese zur Parada Rownosci in Warschau Juni 2006
24. August | 20 Uhr | Ackerkeller (Bergstraße 68, 10115 Berlin)

Am 10. Juni 2006 fand in Warschau die Parade für sexuelle Gleichberechtigung statt. Sie konnte nur mit internationaler Beteiligung gegen die polnische rechts-konservative Regierung durchgesetzt werden. Mit 6000 Teilnehmenden war die Parade bunt, kraftvoll und heterogen. Dennoch kam es am Rande immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. Am Endkundgebungsplatz wurde der Berliner Rene von der Polizei festgenommen. Ihm wird vorgeworfen zwei Polizeibeamte mit Schlagstock und Reizgas angegriffen zu haben. Das wollen zwei weitere Polizeibeamte gesehen haben. Weitere Beweise gegen ihn gibt es nicht. Rene sitzt seit dem 10. Juni in Warschau in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess Ende August / Anfang September.
Auf der Veranstaltung wollen wir nicht nur über Rene sprechen, sondern auch die gesellschaftliche Situation von LesBiSchwulTransexuellen in Osteuropa thematisieren.

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Es gab Soli-Aktionen in folgenden Städten:

Hamburg:  http://germany.indymedia.org/2006/08/154471.shtml
Köln:  http://germany.indymedia.org/2006/07/153068.shtml
Dresden:  http://germany.indymedia.org/2006/07/152876.shtml

und natürlich in Berlin:
bei der fuckparade:  http://germany.indymedia.org/2006/07/153718.shtml
beim "ComercialStreetDay" und dem Motzstraßenfest:  http://de.indymedia.org/2006/07/153041.shtml
Transparente:  http://germany.indymedia.org/2006/07/151605.shtml
Transgenialer CSD:  http://germany.indymedia.org/2006/06/150928.shtml
Kundgebung vor polnischer Botschaft:  http://germany.indymedia.org/2006/06/150849.shtml


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aktuelle Presse-Artikel von Heute:

"Berliner weiter in Polen in Haft

Auf dem Warschauer CSD im Juni hat die Polizei Rene K. festgenommen. Seitdem sitzt der 22-Jährige in U-Haft. Die Verteidigung geht von einer Verwechslung aus

Aus dem Tagesausflug nach Warschau sind für Rene K. inzwischen zwei Monate geworden. Der 22-jährige Berliner wurde im Juni dieses Jahres in Warschau während einer Parade für sexuelle Gleichberechtigung von der Polizei festgenommen (taz berichtete) und sitzt seitdem in der Nähe der polnischen Hauptstadt in Untersuchungshaft.

Am 10. Juni hatten polnische Homosexuellengruppen in Warschau zur Gleichheitsparade aufgerufen und dabei ausdrücklich um Unterstützung aus dem Ausland gebeten. Sowohl Grüne als auch Antifagruppen fühlten sich angesprochen und hielten in Warschau ihre Fahnen und Transparente hoch. Schon auf der genehmigten Route gab es mehrere Störversuche von polnischen Rechtsradikalen und katholischen Fundamentalisten. Bei der Abschlusskundgebung in der Warschauer Innenstadt eskalierte dann die Situation kurzzeitig, und es kam zu Rangeleien zwischen DemonstrantInnen und GegnerInnen. Kurz darauf war Rene K. festgenommen worden.

Er wird beschuldigt, aus einer Gruppe von 20 vermummten DemonstrationsteilnehmerInnen mit einer Spraydose und einem Schlagstock Polizeibeamten angegriffen zu haben. K. bestritt die Vorwürfe und erklärte, er sei von der Polizei verwechselt worden. Recherchen seines Berliner Anwalts Wolfgang Kaleck kommen zu dem gleichen Schluss. Mehrere AugenzeugInnen bekundeten, dass K. während der Demonstration weder Schlaggegenstände noch eine Sprühdose bei sich getragen hatte und auch nicht vermummt war.

Diese Version wird auch von Bildern aus dem Internet bestätigt. Dort ist K. kurz vor der Festnahme in einem Abstand von etwa fünf bis zehn Metern zu einer eher verbalen Auseinandersetzung zwischen DemonstrantInnen und rechten GegnerInnen zu sehen. Auf dem Foto trägt er dieselbe Bekleidung wie bei der Festnahme. Für Kaleck steht fest: "Bei der Festnahme durch die polnischen Polizeibeamten handelt es sich daher eindeutig um einen Irrtum".

Weder die aus dem Internet gezogenen Fotos noch die ZeugInnenaussagen sind den polnischen Strafverfolgungsbehörden allerdings bisher bekannt. Dem will der Warschauer Rechtsanwalt Przemyslaw Piotrowski im Auftrag seines Mandanten K. abhelfen. Spätestens am 9. September muss die Hauptverhandlung beginnen, denn nach polnischem Strafprozessrecht dürfen nicht mehr als drei Monate zwischen Festnahme und Verhandlungsbeginn verstreichen. Die Verteidigung geht davon aus, dass auch das Gericht die Verwechslung anerkennen und K. bereits am ersten Prozesstag aus der Haft entlassen wird. Nachdem das deutsche Konsulat anfänglich seine Unterstützung verweigerte, betreut die deutsche Botschaft Rene K. derzeit in Haft. Peter Nowak"

( http://www.taz.de/pt/2006/08/10/a0188.1/text)

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"Berliner weiter in Polen in U-Haft
Er soll auf Homo-Demo Beamte geprügelt haben

Heute sitzt der Berliner René K. auf den Tag genau seit zwei Monaten in Warschau in Untersuchungshaft. Der 24-Jährige war, wie berichtet, am 10. Juni nach der „Gleichheitsparade“ für die Rechte von Homosexuellen in Warschau festgenommen worden. Dem jungen Mann aus Köpenick wird vorgeworfen, auf dem ersten genehmigten Zug zum Christopher Street Day in Warschau Polizisten mit Schlagstock und Pfefferspray angegriffen zu haben. Zudem soll er eine minderschwere Menge Amphetamine bei sich getragen haben. Das gibt K. zu, die Gewaltvorwürfe aber sind nach Angaben seines Anwalts falsch. Zeugenaussagen und Fotos belegten dies. René K. drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.

Ob sein Schicksal beim morgigen Treffen zwischen dem Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und dem Stadtpräsidenten von Warschau, Kazimierz Marcinkiewicz, eine Rolle spielt, konnte Senatssprecher Michael Donnermeyer gestern noch nicht sagen. Anlass für den Empfang ist das 15-jährige Bestehen der Partnerschaft beider Städte.

Der Prozess gegen K. beginnt voraussichtlich Ende August, Anfang September, sagte Martin Seiler von der Initiative „Queer Berlin“. Freunde von K. setzen sich für seine Freilassung ein, waren mit Plakaten auch auf dem Berliner Christopher Street Day dabei. René K. wird von dem Anwalt Wolfgang Kaleck vertreten, der mit dem rechtspolitischen Sprecher und Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, in einer Kanzlei tätig ist. An der Demo in Warschau hatten unter anderem auch die SPD-Abgeordnete Mechthild Rawert sowie die Grünen-Politiker Renate Künast und Volker Beck teilgenommen. kög"

( http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/10.08.2006/2706893.asp)
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Ergänzungen

es gab auch

bla 10.08.2006 - 18:44
eine ganze reihe aktionen in leipzig, unter anderem wurden mehrere hundert unterschriften gesammelt.

Update: Rene kommt vielelicht morgen frei!

www.ostblog.de 10.08.2006 - 19:32
UPDATE 10.08.06, 18:26: Die polnische Staatsanwaltschaft hat soeben den Kautionsantrag, der auf Betreiben des Berliner Rechtsanwalts Wolfgang Kaleck und seines deutsch-poolnischen Juristenteams eingelegt wurde bewilligt.
Wenn alles klappt kommt René morgen (11.08.06 Donnerstag) frei.

Auszug aus einem aktuellen Beitrag auf dem  http://www.ostblog.de/:

- von Kamil Majchrzak aus dem Untersuchungsgefängnis in Białołęka bei Warschau -

Mehrere junge Mütter warten ungeduldig mit ihren Babys auf dem Arm auf einem kleinen Parkplatz vor dem Untersuchungsgefängnis in Białołęka bei Warschau. An einem Schlagbaum vor einer mit Stacheldraht geschützten Mauer langweilt sich ein Wachposten mit kugelsicherer Weste und einer Kalaschnikow über der Schulter. Hinter ihm liegen mehrere Dutzend Gebäude mit vergitterten Fenstern. Es ist der selbe Knast in dem die "grossen" Oppositionellen wie des komunistischen Regimes während des Kriegszustandes 1981-83 interniert wurden. Heute sind sie an der Macht und sperren andere ein, die Gleichberechtigung und Menschenrechte fordern.

Dort sitzt der 24jährige Aktivist René seit dem 10. Juni in Untersuchungshaft. Der deutsche wurde im Anschluss an die Gleichheitsparade in Warschau festgenommen. Ihm wird „Angriff auf uniformierte Polizeibeamte“ vorgeworfen. Er bestreitet diesen Vorwurf. René reiste gemeinsam mit anderen DemonstrantInnen in einem Bus aus Berlin an, und habe wie alle anderen friedlich an der Parade teilgenommen. Ein Foto im Internet zeigt, ihn in einem Abstand von etwa 5-10 Metern zu einer eher verbalen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und rechtsextremen EU-Gegnern. Diese Konfrontation soll aber nicht diejenige gewesen sein, weswegen später polnische Polizisten eingriffen. Er selbst ist an dieser Auseinandersetzung unbeteiligt. In 10-20 Metern Entfernung von seinem Standort aus hatten tatsächlich vermummte Personen mit polnischen Polizeibeamten eine Auseinandersetzung. Nachdem die vermummten Personen wieder in die Demonstration zurückzogen, eilten ihnen die Polizeibeamten nach und nahmen dabei irrtümlicherweise René fest. (...)

Mehr auf:  http://www.ostblog.de/2006/08/free_rene_seit_zwei_monaten_si.php

Homosexualität im Knast ein Thema ? :(

Bad Interface 10.08.2006 - 23:50
Tolle Sache die Meldung das René morgen evtl. raus kommt. Was uns aber im weiteren interessiert ist die Tatsache: wie sieht den der Alltag im Knast für homosexuelle und queere Menschen nun aus, wenn die psychoanalytische Dimension klar bleibt. Vielleicht kann sich Mensch an die Sonderausgabe des 'Männerrundbriefs' zum Thema Knast in den USA erinnern. Da wurde facettenreich um des queeren Willen die Rollen-Stereotypie aufgenommen und dokumentiert...Wäre sinnvoll dies nochmal aus der Schublade zu holen und gerade bezüglich René, eine Aufarbeitung dessen (mit evtl.Stellungnahme von Ihm als Gefangenen) zu leisten - im Sinne einer lustvollen und mutig-schaurigen Erinnerung, unsere solidarischen Grüsse nach Berlin.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Free Rene — Music Lover

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