Erklärung zu Übergriffen in Freiburg

. 03.08.2006 16:52 Themen: Repression
In einem gemeinsamen Offenen Brief verurteilen die GEW Berlin, der AStA FU, der AK HoPo in der OUBs sowie der RefRat HU die Polizeiübergriffe der letzten Tage. Eine Berliner Delegation der ABS - Mitgliederversammlung, welche letztes Woche in Freiburg stattfand - wurde ebenfalls mehrfach Opfer polizeilicher Repression.
Hiermit möchten wir uns zu den Vorfällen der vergangenen Tage (Donnerstag 27.07.2006 – Samstag 29.07.2006) äußern. Wir fühlen uns dazu veranlasst aufgrund der medialen Berichterstattung sowie durch Äußerungen der Polizei und der Stadt Freiburg. Diese Erklärung hat für uns weniger den Charakter einer ”normalen“ Pressemitteilung, sondern den eines offenen Briefes.

Wir verbinden damit folgende Ziele:

1.Darstellung der Ereignisse aus Sicht der Berliner Delegation der Mitgliederver-sammlung des bundesweiten “Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ (ABS)

2.Formulieren der Forderungen an die politisch Verantwortlichen - der Stadt Freiburg sowie des Landes Baden-Württemberg – sich mit den Ereignissen rund um das letzte Wochenende auseinanderzusetzen

3.Den Anspruch auf eine Stellungnahme an die genannten Verantwortlichen zu richten

Unsere Gruppen und Organisationen haben in der Vergangenheit häufiger zusammengearbeitet. Im Rahmen dessen war es für uns selbstverständlich, dass wir gemeinsam – auch aus ökologischen Gesichtspunkten – zur Mitgliederversammlung des ABS fahren. Als ABS Mitgliedsgruppen stehen für uns die Auseinandersetzungen rund um das Thema Studiengebühren im Fordergrund. Neben der bloßen Teilnahme an der Mitgliederversammlung, welche am Donnerstag stattfand, planten wir in den darauf folgenden Tagen intensivere Kontakte zu Studierenden aus Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg herzustellen, um so vergangene studentische Proteste zu reflektieren und die Protestplanungen im gemeinsamen Kampf gegen Studiengebühren voranzutreiben.

Nach einer langen Autofahrt und diskussionsreichen Mitgliederversammlung beschlossen einige Mitglieder unserer Delegation zusammen mit Studierenden aus anderen Städten, den Abend in entspannter Atmosphäre in der Freiburger Innenstadt ausklingen zu lassen. Es war etwa 23 Uhr, als uns KommilitionInnen auf ein interessantes Konzert in der “KTS“ einluden. Wie sich der Vorfall um die Verletzung des Polizisten abgespielt hat, können wir nicht beurteilen, da wir im Inneren des Gebäudes waren. Später erfuhren wir von anderen Gästen der KTS, dass in der Nähe eine Verhaftung stattgefunden haben soll. Der Sachverhalt wurde uns wie folgt geschildert: Einige Menschen hätten unter anderem durch eine Sitzblockaden rund um einen Polizeistreifenwagen gegen die Verhaftung protestiert. Die PolizeibeamtInnen sollen dabei sehr unkoordiniert und hektisch vorgegangen sein und die Lage dadurch zusätzlich zum Eskalieren gebracht haben, indem sie Hunde ohne Maulkorb zum Einsatz gebracht haben.

Wir entfernten uns von der KTS und besuchten einen Imbiss in der näheren Umgebung. Ein Mitglied unserer Delegation wollte vor einem geplanten Stadtbummel wärmere Kleidung aus dem in der Nähe geparkten Kleinbus holen. Dieser parkte unmittelbar vor der örtlichen Polizeiwache. Am Fahrzeug angekommen, wurde der Betroffene von zwei Polizeibeamten angehalten, seine Personalien wurden überprüft, anschließend wurde er aufgefordert, den Wagen zu öffnen. Unter dem Vorwand: “Gefahr im Verzug“ und mit der bissigen Randbemerkung “Sie sehen aus wie einer von der KTS“ wurde der Wagen von insgesamt acht Polizeibeamten durchwühlt. Auf die Frage nach Herausgabe der Dienstnummern, wurde geantwortet: “die haben wir hier nicht“. Es wurden lediglich zwei Namen von einem Beamten und einer Beamtin genannt, die zwar kurz am Wagen standen, aber an der eigentlichen Durchsuchung nicht teilgenommen hatten. Diese hatten sich als Herr Schorr und Frau Bauer von der Freiburger Polizeidirektion vorgestellt. Nach dem Ende der Durchsuchung wurde der Betroffene aufgefordert, sich vorerst vom Fahrzeug zu entfernen – dabei geriet er zwischen zwei in der Zwischenzeit errichtete Polizeiabsperrungen. Da sich seine Ausweisdokumente noch im Wagen befanden, konnte er diesen Bereich über mehrere Stunden nicht verlassen.

Die restliche Delegation machte sich inzwischen Sorgen um ihren Kommilitonen und beschloss daraufhin, zum Wagen zu gehen. Vor Ort wurde ein komplett verwüsteter Fahrzeuginnenraum vorgefunden. Da zuerst von einem Einbruch ausgegangen werden musste und in der Dunkelheit nicht kontrolliert werden konnte, ob Gegenstände gestohlen wurden, beschlossen zwei der Anwesenden “Anzeige gegen Unbekannt“ bei der Polizei zu erstatten. Eine Polizeibeamtin nahm gewissenhaft die Daten des Fahrzeugs und Personalien auf, verschwieg aber zunächst, dass es sich nicht um einen Einbruch sondern um eine polizeiliche Maßnahme handelte. Dies wurde erst im Laufe des Gesprächs deutlich “natürlich waren wir das, glauben sie etwa, hier vor der Wache würde eingebrochen“. Auf Nachfrage, wer die Durchsuchung veranlasst hätte, wurde uns mitgeteilt, dass der Dienststellenleiter der Wache in der Heinrich–von–Stephan-Straße 4 dafür verantwortlich sei. Dieser sei derzeit aber nicht bereit, mit jemandem zu sprechen, aber natürlich sei es möglich, sich über den Einsatz zu beschweren. Auf Anfrage an welche Beschwerdestelle wir uns zu wenden hätten, teilte uns die Beamtin mit, dass unsere Beschwerde direkt an den Dienststellenleiter zu richten sei. Also an die gleiche Person, über die wir uns beschweren wollten. Zurück am Auto angekommen hatten sich bereits sechs Polizisten vor dem Fahrzeug aufgestellt. Eine Personalienkontrolle der übrigen Delegation wurde schließlich auch hier durchgeführt. Eine Nachfrage nach den Dienstnummern wurde nicht beantwortet. Der einzige Beamte der seinen Namen nennen wollte hieß zu Beginn des Gesprächs “Müller“, nach ein paar Minuten “Meinert“.

Es war etwa 5:00 Uhr morgens als die Polizei sich nach Feststellung der Personalien vom Fahrzeug zurückzog. Die Anwesenden beschlossen auf das fehlende Mitglied der Delegation zu warten. Dieses gelangte gegen 7:30 Uhr wieder zum Fahrzeug, nachdem die Polizeiketten aufgehoben worden waren. Gemeinsam wurde beschlossen, zur Pädagogischen Hochschule, welche sich am Freiburger Stadtrand befindet, zu fahren. Dort hatte am Donnerstag die ABS Mitgliederversammlung stattgefunden. In den darauf folgenden Tagen fand dort die Mitgliederversammlung des “Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“ (fzs) statt.
Gegen 9:00 Uhr morgens informierten wir die neu gewählten GeschäftsführerInnen des ABS (Fredrik Dehnerdt, Mike Niederstraßer und Christiane Schmidt), sowie den im Amt befindlichen alten Geschäftsführer Amin Benaissa über die Vorkommnisse der letzten Nacht. Zusammen mit Fredrik Dehnerdt wurde daraufhin eine Erklärung des ABS zu den Vorkommnissen verfasst (siehe www.uebergebuehr.de).

Studierende aus Freiburg informierten uns einige Zeit später darüber, dass es am frühen Nachmittag ein Nachbereitungstreffen zu den polizeilichen Repressionen geben werde. Da wir von diesen betroffen waren, hielten wir es für notwendig an diesem Treffen teilzunehmen. Gegen 13:30 Uhr trafen wir an dem Bauwagenplatz der “Schattenparker“ ein, wo das Treffen stattfinden sollte. Vor Ort waren über hundert Menschen und das Plenum wurde in englischer und französischer Sprache geführt. Der allgemeine Tenor war dabei auf “gewalttätige“ Protestaktionen zu verzichten, um das zu der Zeit stattfindende internationle D.I.Y. - Festival friedlich weiter gehen lassen zu können und eine Auflösung durch die Polizei zu vermeiden. Nachdem schon vorher mehrmals ein Polizeihubschrauber über dem Gelände kreiste, sperrte die Polizei gegen 15 Uhr zuerst die Zufahrtstrassen ab, und drang schließlich gegen 15.30 Uhr mit einigen hundert Polizeikräften auf das Festivalgelände vor bzw. ein.

Über Lautsprecherdurchsagen wurden die Anwesenden aufgefordert, das Gelände umgehend zu verlassen. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, so wurde ihnen die Anwendung von “Unmittelbarem Zwang“ angedroht. Ferner wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es “in diesem Fall“ zu Platzverweisen kommen würde. Als wir als eine der ersten Gruppen den Platz mit unserem Kleinbus wieder verlassen wollten, wurden wir, entgegen dieser Ansage, von je zwei BeamtInnen einzeln zum Ausgang des Geländes geführt und mussten hier erneut unsere Personalien abgeben. In diesem Zusammenhang wurden gegenüber einem (!!!) Mitglied unserer Delegation ein Platzverweis für den gesamten Freiburger Stadtbereich ausgesprochen. Zwei weiteren wurden Platzverweise für das Gelände auf dem das D.I.Y.-Festival stattgefunden hatte ausgesprochen, einem Mitglied unserer Delegation wurde kein Platzverweis ausgesprochen.

Zusammen mit Studierenden aus Hessen und Hamburg fuhren wir, sobald es möglich war, zurück zum Gelände der Pädagogischen Hochschule (PH). Da wir Gäste des PH AStA waren, war es rechtlich möglich, trotz der unterschiedlich lautenden Platzverweise, als gesamte Delegation in Freiburg zu bleiben. Das Delegationsmitglied welches den Freiburg-weiten Platzverweis bekommen hatte, war jedoch gezwungen, ausschließlich auf dem Gelände der PH zu bleiben. Der weitere Aufenthalt in Freiburg war für uns von Bedeutung, weil wir den weiteren Erfahrungsaustausch mit Studierenden aus anderen Bundesländern als wichtig empfanden.

Am Samstag fuhren gegen 13:00 Uhr unter anderem die drei Mitglieder unserer Delegation, welchen es weiterhin rechtlich erlaubt war, sich in Freiburg zu bewegen, zum U-AStA der Universität Freiburg. Dieser befindet sich im ummittelbaren Freiburger Innestadtbereich. Wir folgten damit einer Einladung von Freiburger Studierenden. Vor Ort fanden vor allem Diskussionen über den Umgang mit der europäischen Studienstrukturreform, dem so genannten Bologna Prozess statt. Als Freiburger Studierende telefonisch darüber informiert wurden, dass wenige hundert Meter entfernt ein Polizeieinsatz gegen eine friedliche Demonstration, die sich unter anderem gegen die Festival Räumung wendete, stattfand, unterbrachen wir unsere Sitzung und gingen geschlossen zum Platz der Alten Synagoge, wo sich der Demonstrationszug zu dieser Zeit befand.

Die Polizei war mit einem immensen Aufgebot vor Ort, die Demonstrierenden waren friedlich. Nach einer Weile entschlossen sich die Polizeikräfte den Platz einzukesseln. Ein Verlassen des Platzes war jetzt nicht mehr möglich. Die Berliner Delegation befand sich im Inneren des Kessels. Vor Ort registrierten wir Vorkommnisse, die mit unserem Demokratieverständnis nicht vereinbar sind. JournalistInnen wurden von der Polizei bei ihrer Arbeit behindert, SanitäterInnen wurden nicht zu verletzten Menschen durchgelassen, unbeteiligte PassantInnen wurden weggejagt. Es folgte nach einer Weile eine polizeiliche Durchsage, dass Personalienfeststellungen stattfinden werden. Die Stimmung war weiterhin friedlich, es spielte eine Samba Band, einige Menschen tanzten. Die Polizei rückte kontinuierlich weiter vor, und versuchte hierdurch, unserer Auffassung nach, die Lage zu eskalieren. Gegen 18 Uhr sahen wir eine regungslose Frau auf dem Boden liegen. Zwei Mitglieder unserer Gruppe beugten sich zu ihr herunter und versuchten die Frau anzusprechen. Ebenso gaben sie laut und deutlich Rufe nach medizinischer Hilfe ab. Polizeibeamte, die hinter den betreffenden Teilnehmern der Delegation standen, traten auf diese ein und schlugen sie beiseite. SanitäterInnen wurden nicht gerufen, die Frau wurde durch Polizisten weggeschleift. Einige Zeit später wurden schließlich auch die anwesenden Berliner Delegierten durch massive Gewalt vom Platz gezerrt. Sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt friedlich und ohne jegliche Widerstandshandlungen auf dem Platz aufgehalten. Die Personalien wurden kontrolliert. Unter der Begründung, es sei gegen Freiburg-weite Platzverweise verstoßen worden, wurden die drei Teilnehmer der Berliner Delegation in einen Gefangentransporter gesperrt. Proteste dagegen und Hinweise, dass uns solche Platzweise nicht ausgestellt wurden, wurden ignoriert. Einer Person wurde außerdem untersagt, eine Toilette aufzusuchen. Erst nach lautem Protest wurde diese zu einer öffentlichen Toilette gebracht. Da die Toilettenbenutzung jedoch Geld kostete, welches die Person nicht mehr zur Verfügung hatte, aufgrund dessen, dass die persönlichen Gegenstände bereits von der Polizei verwahrt wurden, blieb ihr der Toilettengang weiterhin verwehrt. Ebenso verweigerten die beteiligten PolizistInnen wiederholt die Herausgabe von Namen und Dienstnummern.

Mit dem Gefangenentransporter wurden die festgenommenen Delegierten zur nahe gelegenen Polizeidienststelle gefahren. Es folgten weitere Durchsuchungen. Anschließend wurden die drei beteiligten Delegierten einzeln dem Haftrichter vorgeführt. Auch dieser ging von dem Vorwurf aus, dass allen betreffenden Personen ein stadtweiter Platzverweis erteilt wurde. Trotz eindringlicher Argumentation der einzelnen Delegierten war es nicht möglich, den Richter davon zu überzeugen, dass vorher entweder gar kein Platzverweis ausgestellt worden war, bzw. dieser nur für das Gelände des D.I.Y. - Festivals gegolten hat. Laut Richterspruch mussten die verhafteten drei Teilnehmer der Berliner Delegation bis 24 Uhr in polizeilichen Gewahrsam verbleiben – anschließend hätten sie umgehend Freiburg zu verlassen. Vor Ort gaben die Drei eine Beschwerde gegen das Urteil zu Protokoll. Der Richter kommentierte dies in einem Fall damit, dass die Unterlagen beim Landgericht vermutlich erst ankommen werden, wenn die betreffende Person wieder in Berlin sein werde.

Gegen 24 Uhr wurde die Delegation entlassen. Die beteiligten Personen verweigerten aus Protest ihre Unterschrift bei der Empfangnahme ihrer persönlichen Gegenstände – es besteht die juristische Möglichkeit dies zu tun. Die anwesenden Polizisten bedrohten daraufhin die drei Berliner. Folgende Bemerkungen wurden hierbei unter anderem gebrüllt: “Dann bleibt ihr halt hier drin“; “Man sieht sich immer zweimal im Leben“; “euch ist ja wohl klar, dass, wenn wir euch in 20 Minuten oder einer halben Stunden irgendwo erwischen, ihr nicht mehr so schnell hier rauskommt“.

Die Berliner Delegation fuhr anschließend zur PH, verstaute ihr Gepäck und verließ Freiburg – vor allem aus Angst vor weiteren Repressionen.

Dieses Verhalten der Polizei und der Stadt Freiburg gegenüber Menschen, die von ihrem demokratischen Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, finden wir inakzeptabel. Wir fordern daher die verantwortlichen PolitikerInnen von Freiburg und Baden – Württemberg auf, die Vorfälle der letzten Tage zu untersuchen, ebenso erwarten wir eine Stellungnahme uns gegenüber sowie politische Konsequenzen. Des weiteren fordern wir die Löschung aller erhobenen personenbezogenen Daten der Delegierten aus Berlin.

Darüber hinaus prüfen wir weitere rechtliche Schritte gegen die Durchsuchung des Fahrzeugs, gegen die wiederholte Feststellung der Personalien, die Freiheitsberaubung während der Kesselung am Samstag und die Ingewahrsamnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitskreis Hochschulpolitik in der Offenen Uni BerlinS
HU-Campus-Nord (Haus 20)
Philippstr. 13
10115 Berlin
www.offeneuni.tk

Allgemeine Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin
Otto-von-Simsonstr. 23
14195 Berlin
www.astafu.de

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Berlin
Ahornstraße 5
10787 Berlin
www.gew-berlin.de

ReferentInnenrat der Humboldt Universität zu Berlin
Dorotheenstraße 17
10099 Berlin
www.refrat.hu-berlin.de
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Ergänzungen

Presse

. 03.08.2006 - 22:50
Neues Deutschland (04.August)

Freiburg doch nicht ganz so liberal
(ND-Nowak). Die badische Stadt Freiburg mit ihrem grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon gilt gemeinhin als überaus liberal. Eine Berliner Delegation des bundesweiten »Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren« (ABS), die am Wochenende an einer bundesweiten Mitgliederversammlung in Freiburg teilnahm, bekam davon wenig mit. In einem an sämtliche Parteien im Landtag von Baden-Württemberg und die Freiburger Ratsfraktionen gerichteten Schreiben schildern sie ihre Erlebnisse. So sei das Auto der Delegation am Freitag von der Polizei ohne Begründung durchsucht wurden, am nächsten Tag sei ein Antirepressionstreffen, an dem über 100 Menschen teilgenommen hatten, aufgelöst worden. Eine friedliche Demonstration gegen die Polizeimaßnahmen wurde eingekesselt. Schließlich mussten die Studierendenvertreter mehrere Stunden in Polizeigewahrsam verbringen, weil sie angeblich gegen ein Stadtverbot verstoßen hätten, das ihnen allerdings nie mitgeteilt worden sei. »Aus Angst vor weiterer Repression reisten wir schließlich ab«, erklärte der für die GEW-Berlin an der Delegation beteiligte Björn Kietzmann gegenüber ND.
Grund für den Ausnahmezustand war ein europaweites Anarchistencamp, das am vergangenen Wochenende ebenfalls in Freiburg stattfinden sollte. Nachdem jedoch am Rande des Treffens ein Polizist durch eine Bierflasche verletzt worden war, ging die Polizei nach Angaben von Augenzeugen »gegen alle vor, die irgendwie links aussahen«. Morgen soll in Freiburg gegen die Repression demonstriert werden. Mit einem starken Polizeiaufgebot ist wieder zu rechnen.

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Junge Welt (04.August):

Erklärung zu Übergriffen der Polizei auf Studenten in Freiburg
Am Samstag kam es bei einer Demonstration in Freiburg zu Übergriffen der Polizei. Betroffen war auch eine Berliner Delegation, die wegen einer Mitgliederversammlung des bundesweiten »Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren« (ABS) nach Freiburg gereist war. Der Arbeitskreis Hochschulpolitik in der Offenen Uni BerlinS, der Allgemeine Studierendenausschuß der Freien Universität Berlin, der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin und der ReferentInnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin haben dazu am Donnerstag diese Stellungnahme abgegeben:»Die Polizei war mit einem immensen Aufgebot vor Ort, die Demonstrierenden waren friedlich. Nach einer Weile entschlossen sich die Polizeikräfte, den Platz einzukesseln. Ein Verlassen des Platzes war jetzt nicht mehr möglich. Die Berliner Delegation befand sich im Inneren des Kessels. Vor Ort registrierten wir Vorkommnisse, die mit unserem Demokratieverständnis nicht vereinbar sind. JournalistInnen wurden von der Polizei bei ihrer Arbeit behindert, SanitäterInnen wurden nicht zu verletzten Menschen durchgelassen, unbeteiligte PassantInnen wurden weggejagt.

Es folgte nach einer Weile eine polizeiliche Durchsage, daß Personalienfeststellungen stattfinden werden. Die Stimmung war weiterhin friedlich, es spielte eine Samba-Band, einige Menschen tanzten. Die Polizei rückte kontinuierlich weiter vor, und versuchte hierdurch, unserer Auffassung nach, die Lage zu eskalieren. Gegen 18 Uhr sahen wir eine regungslose Frau auf dem Boden liegen. Zwei Mitglieder unserer Gruppe beugten sich zu ihr herunter und versuchten, die Frau anzusprechen. Ebenso gaben sie laut und deutlich Rufe nach medizinischer Hilfe ab. Polizeibeamte, die hinter den betreffenden Teilnehmern der Delegation standen, traten auf diese ein und schlugen sie beiseite. SanitäterInnen wurden nicht gerufen, die Frau wurde durch Polizisten weggeschleift.

Einige Zeit später wurden schließlich auch die anwesenden Berliner Delegierten durch massive Gewalt vom Platz gezerrt. Sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt friedlich und ohne jegliche Widerstandshandlungen auf dem Platz aufgehalten. Die Personalien wurden kontrolliert. Unter der Begründung, es sei gegen Freiburg-weite Platzverweise verstoßen worden, wurden die drei Teilnehmer der Berliner Delegation in einen Gefangenentransporter gesperrt. Proteste dagegen und Hinweise, daß uns solche Platzverweise nicht ausgestellt wurden, wurden ignoriert. Einer Person wurde außerdem untersagt, eine Toilette aufzusuchen. Ebenso verweigerten die beteiligten PolizistInnen wiederholt die Herausgabe von Namen und Dienstnummern.

Die Berliner Delegation fuhr anschließend zur PH, verstaute ihr Gepäck und verließ Freiburg – vor allem aus Angst vor weiteren Repressionen.

Dieses Verhalten der Polizei und der Stadt Freiburg gegenüber Menschen, die von ihrem demokratischen Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, finden wir inakzeptabel. Wir fordern daher die verantwortlichen PolitikerInnen von Freiburg und Baden-Württemberg auf, die Vorfälle der letzten Tage zu untersuchen, ebenso erwarten wir eine Stellungnahme uns gegenüber sowie politische Konsequenzen. Des weiteren fordern wir die Löschung aller erhobenen personenbezogenen Daten der Delegierten aus Berlin.«

* Aus Protest gegen die Polizeibrutalität findet am Samstag in Freiburg erneut eine Demonstration statt. 14 Uhr am Bertholdsbrunnen

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DDP (28. Juli)

Zwei Polizisten bei Ausschreitungen in Freiburg verletzt

Freiburg (ddp). Am Rande einer Veranstaltung der links-alternativen Szene in Freiburg sind zwei Polizisten verletzt worden, darunter einer schwer. Die Beamten wurden nach Polizeiangaben von rund 100 Personen angegriffen, nachdem sie einen Graffity-Sprayer festgenommen hatten. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) kritiserte derweil das Vorgehen der Polizei bei dem Einsatz als «überhart». In das Geschehen seien auch Unbeteiligte hineingezogen worden, sagte ein ABS-Sprecher.

Einer Polizeisprecherin zufolge wurde ein Beamter durch ein Wurfgeschoss schwer verletzt. Er musste ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Kollege soll durch Tritte in den Bauch leichte Verletzungen erlitten haben. Bei der Auseinandersetzung wurden außerdem zwei Polizeifahrzeuge beschädigt.

Bei der Veranstaltung handelte es sich um ein Konzert im Rahmen eines Camps der alternativen Szene. Es wurde auch von zahlreichen Delegierten des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren besucht, das in Freiburg zur Mitgliederversammlung geladen hatte. Dem ABS zufolge wurde das Veranstaltungsgebäude in der Nacht bis zum Freitagmorgen von weit mehr als 100 Beamten «belagert». Dabei seien auch Schlagstöcke und Polizeihunde eingesetzt worden.

Nach Darstellung des ABS wurde außerdem das Auto und Gepäck einer Berliner Delegation mit Vertretern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Berliner Studentenschaft von Polizisten durchsucht. Die betroffene Gruppe sei zunächst von einem Einbruch ausgegangen und habe den Vorfall bei der Polizei angezeigt.

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 04.08.2006 - 00:46