Deutschland Lagerland

Maxim Kammerer 30.07.2006 23:29 Themen: Antirassismus
Auftakt der International Refugee Human Rights Tour: Die Tour ist gestartet. Bei mittlerweile üblichen Supertemperaturen startete die Tour mit einer Auftaktdemonstration in Fürth, und zwar unter dem Motto "Abschiebelager abschaffen". Bei der Auftaktkundgebung an der Fürther Freiheit wurden verschiedene Redebeiträge gehalten, etwa zu der Tour allgemein und frauenspezifischen Fluchtgründen.
Auftakt der International Refugee Human Rights Tour

Die Tour ist gestartet. Bei mittlerweile üblichen Supertemperaturen startete die Tour mit einer Auftaktdemonstration in Fürth, und zwar unter dem Motto "Abschiebelager abschaffen". Bei der Auftaktkundgebung an der Fürther Freiheit wurden verschiedene Redebeiträge gehalten, etwa zu der Tour allgemein und frauenspezifischen Fluchtgründen.

Die Demo aus rund 200 Leuten zog dann Richtung Abschiebelager Fürth. In der Stadt wurden viele der "Deutschland Lagerland News" Zeitungen verteilt. Nach einer Zwischenkundgebung verließ die Demo dann das Stadtgebiet Fürth, und erreichte nach einiger Zeit das Abschiebelager. Dort hatte die Polizei schon Absperrgitter aufgebaut. Dies hatte den Effekt, dass sich die Flüchtlinge aus den Lagern (Ausreisezentrum und Gemeinschaftsunterkunft) zuerst nicht zu uns rauskamen. Es gab dann noch ein kleines Konzert von Revolte Springen, die ihren Namen zumindest so ernst nahmen, dass einige der Bandmitglieder spontan die Absperrgitter überquerten, die verdutzten Polizisten reagierten darauf nicht.

Am Abend fand dann noch ein Konzert mit "Nomad Soundsystem" und "Microphone Mafia" statt. Besonders letztere wurden durch frenetischen Applaus effektiv daran gehindert, aufzuhören, bis sie nicht mehr konnten.

Insgesamt ein guter Start der Tour, auch wenn noch nicht ganz so viele TeilnehmerInnen der Tour anwesend waren.

Anzumerken ist noch, dass das ZDF über die Demo in den 19.00 Uhr heute-Nachrichten berichtet hat:
 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/28/0,4070,3962044-5,00.html

Am Sonntag passierte dann auch noch einiges:

Kiosk des Wissens
Vor der Lorenzkirche wurde um 11 Uhr der Kiosk des Wissens eröffnet. Da in der Nürnberger Innenstadt gerade das Bardentreffen stattfand, schauten die anwesenden Musiker ungläubig, als vor ihnen ein Strandszenario aufgebaut wurde, inklusive Liegestühle und Schwimmtiere. Mit einem Quiz konnten sich Interessierte PassantInnen über Funktion, und Auswirkung von Ausreisezentren spielerisch informieren. Der Kiosk des Wissens stand den ganzen Tag, außerdem würden über den Tag verteilt Tausende der "Deutschland Lagerland News" verteilt.

Leichen in der Pegnitz
Währenddessen tauchten zwei Stoffpuppen in der Pegnitz auf. Zwei angehängte Luftmatrazen informierten die PassantInnen über die vielen Flüchtlinge, die beim Versuch, das Meer nach Europa zu überwinden, ertrunken sind. Manche PassantIn war nach dem Anblick interessierter.

Kontrollfreie Zone im Hauptbahnhof
Nachmittags eröffneten rund 20 Leute im Nürnberger Hauptbahnhof eine kontrollfreie Zone. Die AktivistInnen liefen mit Schildern, auf denen zu Lesen war: "Vorsicht rassistische Kontrollen" und "Kontrolliert die Kontrolleure" im Hauptbahnhof ein. Dort wurden sie gleich von ein paar Polizisten aufgehalten, die das Konzept der kontrollfreien Zone nicht verstanden hatten. Während diese die Personalien einer Person aufnahmen, spannten andere mit Absperrband die Zone auf. Flugs fanden sich die kontrollierenden Polizisten auf einer Bühne wieder. Gleichtzeitig wurden viele Flyer verteilt, die erklärten, warum es rassistische Personenkontrolle gibt und die dazu aufforderten, sich einzumischen. Diese Flyer fanden, auch weil die Aktion und die Schilder ein echter Hingucker waren, reisenden Absatz. Nach anfänglicher Ratlosigkeit auf Seiten der Polizei verscheuchten diese die AktivistInnen nach einer Viertelstunde aus dem Bahnhof.
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Ergänzungen

Beteiligung von Flüchtlingen aus dem Libanon

Carmen 31.07.2006 - 18:37
Zu Beginn der Auftaktkundgebung am Samstag in Fürth beteiligten sich zahlreiche Flüchtlinge und MigrantInnen aus dem Nahen Osten und der Türkei an der Aktion.
Da aufgrund des Krieges auf libanesischem Staatsgebiet mittlerweile mehr als 600.000 Menschen auf der Flucht sind, wollten sowohl das Nürnberger Palästina-Komitee als auch politisch nicht organisierte libanesische Familien, von denen manche Verwandte und Freunde durch den Krieg verloren hatten, auf diese sehr aktuelle Fluchtursache aufmerksam machen.
Das Palästina-Komitee bat um die Möglichkeit, einen kurzen Redebeitrag zu halten, einige der LibanesInnen trugen libanesische Nationalfahnen.
Ersteres wurde durch Teile der lokalen VeranstalterInnen in sehr unangebrachtem Ton untersagt, letzteres wurde, ebenfalls von Teilen der VeranstalterInnen, in extrem unfreundlicher Weise unterbunden, ohne den Beschluß (Keine Nationalflaggen auf der Demo) kurz zu erklären, dafür unter harschen Anschuldigungen.
Für ca. 60 Menschen waren diese Vorkommnisse Anlass, sich aus der Demonstration zurückzuziehen, auf der sie als Flüchtlinge oder solidarische Menschen manchem nicht willkommen waren.

@ Tierra, Klarstellung

Einzelner 01.08.2006 - 15:43
Zu der Geschichte mit dem Redebeitrag der Palisoligruppe:
Die International Refugee Human Rights Tour wird organisiert von einem Bündnis, das die Aktionen und Demonstrationen im gemeinsam vorbereitet und die inhallichen Aussagen und Zielrichtungen gemeinsam bestimmt.
Die inhaltliche Ausrichtung an diesem Tag war dei deutsche und europäische Politik der inneren und äusseren Abschottung und Ausgrenzung gegenüber MigrantInnen, aus welchen Gründen auch immer sie hier sind. Besonders im Blick stand dabei das Schicksl "Geduldeter" weil die seit Jahren hier in Lagern vegetieren und deren Situation für jedeN einigermassen demokratisch eingestellten Menschen unerträglich sein muss.
Auch in Nürnberg gab es ein ein Vorbereitungskreis, der den Palisolileuten zumindest soweit bekannt war, dass sie ohne Probleme hätten vorher Kontakt aufnehmen können, und ihren Wunsch hätten äussern können. Gerade an diesem Punkt, wäre eine inhaltliche Diskussion und gemeinsame Abstimmung vorher unerlässlich gewesen, da unser Focus sich nicht nur auf den Nahostkonflikt richtet und unter den anwesenden Flüchtlingen Menschen aus aller Welt sind, die zu dem Nahostkonflikt völlig unterschiedliche Einstellungen haben.
Viele AfrikanerInnen aus Gegenden wie Uganda, Sudan, Eritrea, Nigeria mit christlichem Hintergrund sind eher israelfreundlich eingestellt, bzw. würden Beiträge, die auf eine Verteidigung des politischen Islam herauslaufen, grundsätzlich ablehnen, da sie unter den VertreterInnen diese Richtung in ihren Ländern heftig zu leiden haben. Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion mit jüdischem Hintergrund ebenso.
Es bestünde also eindeutig Diskussionsbedarf, um einen Beitrag zu bringen, der niemand ausschließt.
Die Palisolis allerdings meinten, darauf verzichten zu können und mobilisierten ihren Leute zur demo mit folgender Mail:


im Rahmen einer einwöchigen Kampagne zieht vom 29. Juli bis 5. August 2006 die International Refugee Human Rights Tour durch Bayern. Veranstalter ist der Bayerische Flüchtlingsrat
 http://www.deutschland-lagerland.de/index.php?programm


Morgen ist hierzu der Auftakt in Fürth:

29. Juli - 14.00 Uhr | Fürther Freiheit, Fürth
"Abschiebelager abschaffen" - Bundesweite Auftaktdemonstration gegen das Fürther Abschiebelager mit Live Acts beim Abschluss vor dem„Ausreisezentrum“.

Wir werden auf dieser Veranstaltung mit beigefügtem flyer und einem Redebeitrag auf die Flüchtlingssituation im Libanon und Palästina aufmerksam machen.

Treffpunkt für die Nürnberger: (...)

Dies am 28. 7.
Beigefügt war ein einseitig parteiergreifender Redebeitrag, der mit keinem Wort auf die Rolle der Hisbollah in diesem Konflikt einging, oder dass von Raketenangriffen auch die Bevölkerung in Nordisrael betroffen ist.
Dies 5 Minuten vor der Demo zu diskutieren, ist unmöglich und war offensichtlich fehlgeschlagenes Kalkül der Palisolis.
Damit das klar ist: Es wäre möglich gewesen, dazu einen Beitrag zu bringen , aber in kollektiver Absprache, aus vorhergenannten Gründen.
So ein Redebeitrag, unabgesprochen, samt des libanesischen Fahnenmeers - andere Fahnen gab es wegen der keine Nationalfahnenkonsenses nicht - hätte den Charakter und die abgesprochene Grundaussage derartig verändert, dass sich viele der Anwesenden völlig überrumpelt und fuktionalisiert vorgekommen wären.
Was dann geschah war, dass sich 2 Einzelperonen aus dem Vorbereitungskreis auch recht vehement mit den deutschen VertreterInnen des Palisolikreises um die Art stritten, wie die ihr Anliegen auf der Demo, bzw. der Tour unterbringen wollten. Dies war genauso unabgesprochen, da es nicht möglich war. Vom Lauti wurde dann auf den Nationalfahnenbeschluss hingewiesen, worauf die Palisolis und die LibanesInnen wieder abzogen.
Es ist schade wegen den LibanesInnen, die durchaus ihren Platz dort hätten haben sollen/können/müssen und durch das Vorgehen der Palisolis mit an die Wand geführt wurden.
Klarzustellen ist, dass sie nicht von den OrganistatorInnen weggeschickt wurden, sondern auf Grund ders Streits mit zwei Einzelpersonen aus diesem Kreis und dem Fahnenkonsens den Platz verliessen.
Nunn sich beleidigt als Opfer hinzustellen ist bisschen billig.
Nächtes mal also früher kommen!
Was man/frau den OrganisatorInnen vielleicht vorwerfen kann, ist, dass sie zur Situation in Libanon/Israel keinen Beitrag mehr vorgesehen hatten.
Ich hoffe, etwas Licht in die Angelegenheit gebracht zu haben...


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mitläufer 30.07.2006 - 23:53
ich würde die teilnehmerzahl auf 300 leute schätzen.
die stimmung war auch super.

Sinn und Unsinn

Egalototalo 31.07.2006 - 12:01
Vielleicht entgeht mir etwas, aber ohne Auffanglager, Orte wo Flüchtlinge und diverse Menschen in ähnlichen Situationen anfangs untergebracht werden würde man Tür und Tor für eine unkontrollierte Einwanderung im negativen Sinne öffnen. Zwangsprostitutierte, internationale Drogendealer, Kriegsverbrecher aus anderen Ländern uvm.

Ein Lager zur anfänglichen Unterbringung ist vollkommen unumgänglich. Die Alternative wäre alle wieder sofort heimzuschicken, und das kann wohl kaum in unserem Sinne sein.
Ich denke mit solchen Inhalten machen wir uns vor der denkenden Bevölkerung einfach lächerlich und disqualifizieren uns als ernstzunehmende Alternative.

Unsinn

denkende 31.07.2006 - 13:25
@Egalototalo:

Du hast offenbar nicht mal verstanden worum es geht: nicht um Auffanglager, sondern um "Ausreisezentren", in denen geduldete Flüchtlinge durch psychischen und physischen Druck zur "freiwilligen" Ausreise oder zum Selbstmord getrieben werden sollen.

Selektiv

tierr@ 31.07.2006 - 23:34
Ziemlich unmöglich:Redeverbotund auch Flaggenverbot
Angesichts der Tatsache, dass inzwischen eine gute halbe Million
LibanesInnen auf der Flucht sind und die deutsche Regierung herumdruckst, dass ein Flüchtlingsstrom hier kaum Aufnahme finden wird,
kann ich nicht verstehen,weshalb hier selektiert und zensiert wird.

Es ist unerträglich bis makaber, wie der deutsche Nationalstaatkomplex
selbst angesichts barbarischen Mordens und Sterbens, auf andere
Länder projiziert wird.