Berlin: Überflüssige bespitzelt?

Nora Nahles 10.07.2006 13:46 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Der Skandal um die Bespitzelung des Berliner Sozialforums dauert an. Nachdem Peter Grottian, der an der Freien Universität Politologie lehrt und im Sozialforum aktiv ist, einen kleinen Teil seiner Akten einsehen konnte, werden nach und nach weiter Details bekannt. Neben Aktivisten aus den Gewerkschaften IG-Bau, GEW und verd.i sind auch die Überflüssigen im Fadenkreuz des Berliner Geheimdienstes. Unter Regie eines rot-roten Senats wurde vom Verfassungsschutz die gesamte soziale Opposition Berlins bespitzelt. Auch die konkurrierende Berliner WASG wurde ausgespäht. In Berlin werden mit Spannung die ersten Enttarnungen erwartet.
Interessant sind einige Einlassungen in den Akten, wonach der Berliner Geheimdienst unter der neuen Chefin Claudia Schmid intensiv versuchte, die Überflüssigen zu "infiltrieren". Nach Einschätzung der Spitzelbehörde ist die "Bewegung der Überflüssigen" gefährlich, da sie durch ihre Aktionen auf "große Sympathien in der Bevölkerung" gestoßen sei. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Zusammenhang mit Erwerbslosigkeit das Gefühl des "überflüssig seins" hätten, würde die Anschlussfähigkeit an eine potentiell größer werdende Bevölkerungsgruppe bedeuten. Diese Bewegung berge deshalb ein "destabilisierendes Potential", das von den AktivistInnen sogar offensiv vertreten werde. Regelüberschreitungen und die Nichtanerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung stecken somit für die Berliner Schlapphütte implizit im nicht vorhandenen Programm. Pech nur, dass es nach Aktenlage der Berliner Behörde trotz intensiver Versuche nicht gelungen ist, einen informellen Mitarbeiter als Überflüssigen einzuschleusen. Dies wird vom Berliner Verfassungsschutz bedauert, das Versagen jedoch ihren Brötchengebern schon mal erklärt. Die Strukturen der Überflüssigen seien entweder spontan und extrem offen oder geradezu "hochklandestin", so dass eine "enge Informationsabschöpfung" bisher nicht gelang.
Bekannt wurde inzwischen auch aus anderer Quelle, dass das Bundeskriminalamt gegen die Überflüssigen ermittelt. Unklar ist, ob es sich hier nur um Ermittlungen im Rahmen der Weckaktion von Ex-Minister Clement (Zitat: Überflüssige sind Schmarotzer) handelt. Bei "Gefährdungen" von Bundesministern soll nämlich immer das BKA zuständig sein. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Behörden aus Angst vor dem massenhaften Auftreten von Überflüssigen hier den Verdacht einer "kriminellen Vereinigung" hegen. In der Logik von Sicherheitsbehörden, die ein System stabil halten sollen, durchaus nachvollziehbar.

Vielleicht sind die Schlapphüte ja auch beim Prozess gegen die Überflüssigen am kommenden Mittwoch dabei. Im Amtsgericht Tiergarten soll dort nämlich ein Überflüssiger wegen Hausfriedensbruch verurteilt werden – auf Initiative des SPD-Mitglieds und Chef der Berliner Arbeiterwohlfahrt Hans Nisblé. Grund war eine Protestaktion gegen die Arbeiterwohlfahrt wegen ihrer Befürwortung und Nutzung von 1-Euro-Jobbern. Hier schließt sich der Kreis vielleicht wieder: Vom rot-roten Senat über den Geheimdienst zum Spitzeldienst der Jobcenter und zurück. Statt offener Auseinandersetzung setzen der rot-rote Senat in Berlin und die Herrschenden in Deutschland mit ihren technokratischen Apparaten auf Bespitzelung. Kontrolle um jeden Preis. Wer hier die Verfassung und die Grundrechte verletzt, ist siche keine Frage für Günter Jauch. Hier werden nämlich immer dieselben Millionäre.


 http://de.indymedia.org//2006/06/150561.shtml
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Ergänzungen

VS mal wieder verfasssungsfeindlich

--- 10.07.2006 - 14:01
Die Nazibande hat mal wieder ein Problem mit der Verfassung - oder wie darf man verstehen, daß eine Opposition, sobald sie Anhang findet, bespitzelt wird? Und das ausgerechnet von dem Verein, der die NPD quasi als parlamentarischen Arm nutzt?

Peter Grottian kennt bereits Spitzel

Nobody 10.07.2006 - 14:17
Peter Grottian konnte durch die Erkentnisse aus seiner Akte laut Berliner Zeitung bereits einen Spitzel in Berlin enttarnen. Name und Bild, sowie die Form der Bespitzelung (Hauptamtlicher oder Informant) sollten dann aber baldmöglichst veröffentlicht werden.

Übrigens der Termin für den oben genannten Prozess ist Mittwoch, 12.Juli um 11:30 Uhr im Amtsgericht TIergarten, Kirchstr. 6, Saal 5007.

Infos zur Bespitzelung der Berliner Linken

U. Schmücker (†) 10.07.2006 - 14:39
Der taz-Artikel zum Spitzel-Outing:
 http://www.taz.de/pt/2006/06/28/a0273.1/text.ges,1

Weitere Infos:
 http://www.sozialforum-berlin.de/

Überflüssige? Jetzt erst recht!

Lebende Superheldin 10.07.2006 - 14:55
Die Repression gegen die Überflüssigen kann nur eine Antwort bedeuten: Solidarität! Das BKA macht sich erneut lächerlich, wenn es jetzt die Überflüssigen mit einem §129-Vorwurf überziehen will.

In der Sache sei noch auf einen Indy-Beitrag verwiesen: "Berlin: Verfassungsschutz vs. Sozialforum"  http://de.indymedia.org//2006/06/149817.shtml

!!!! Sofofortige Offenlegung gefordert!!!!!

Spitzelfresser 10.07.2006 - 16:46
Hiermit fordern wir das Sozialforum Berlin auf,ihre Erkenntnisse über den/die Spitzel/Informanten in der Szene offenzulegen.
Wie wir einem Interview mit Grottian aus der TAZ entnehmen konnten will er dies nicht.
Zitat Grottian:
Öffentlich "outen" will er die Spitzel jedoch nicht. "Wir haben kein Interesse, die Menschen, die uns geschadet haben, mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen." Das seien doch auch bloß "arme Hunde".

Wir denken das ein öffentliches Outen keineswegs ein bekämpfen mit gleichen Mitteln ist.

Wir halten ein öffentliches outen aus folgenden Gründen für zwingend notwendig und fordern das Berliner Sozialforum umgehend dazu auf.

1.Alle Menschen die in sozialen Bewegungen aktiv sind müssen in die Lage versetzt werden sich vor diesen Spitzel zu schützen.

2.Falls es offizielle Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder ähnlicher Behörden sind werden diese wahrscheinlich versuchen an anderer Stelle an Informationen zu gelangen.

etc.,etc.,etc.

Wir denken das sollte hier ersteinmal an Gründen reichen.

Es ist ein MUSS

muss ausgefüllt werden 10.07.2006 - 17:44
die Spitzel zu enttarnen und der Öffentlichkeit die Identitäten preis zu geben. Jeder hat das Recht zu erfahren, ob er bespitzelt worden ist. Das gehört zur informellen Selbstbestimmung! Der Grottian will zwar den Spitzeln nichts böses, was ich verstehe, aber was ist mit den Opfern der Spitzelei? Deren Daten sind in den Dateien der Staatsorgane und niemand kann diese zurück holen. Außerdem könnten dann ehemalige Opfer überprüfen, ob ihr Verhalten zu sorglos war oder nicht.

Antrag auf Auskunft

AntragstellerIn 10.07.2006 - 20:10
Nach § 31 Berliner Verfassungsschutzgesetz kann jeder beim Verfassungsschutz einen kostenlosen und unbegründeten Antrag auf Auskunftserteilung über seine gespeicherten Daten stellen. Da die StaSi der Neuzeit ja nun wirklich die gesamte Berliner Opposition bespitzelt hat, sollten das eigentlich jeder politisch Aktive machen. Wenn es Daten gibt, kann man anschließend ggf. Akteneinsicht machen. Wer es genau wissen will, kann im Anhang von
 http://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/verfassungsschutz/stand2005/jahresbericht_2004.pdf
nachlesen.

Senatsverwaltung für Inneres
Abteilung II

Postfach 62 05 60
10795 Berlin

Tel.: (030) 90 129-0
Fax: (030) 90 129-844

besser nicht outen....

Landowsky 11.07.2006 - 01:56
...vielleicht wäre es besser, wie von Grottian beabsichtigt, auf ein outing der Spitzel zu verzichten. Dies würde nämlich die Aufmerksamkeit auf zwei, drei Idioten lenken, die sich für 100 Euro im Monat dafür hergegeben haben, ihr Umfeld auszuspionieren. Dem Verfassungsschutz wäre es zuzutrauen, dass er diese nützlichen Idioten verbrennt, um damit die "richtigen" Spitzel zu schützen.

Nicht die nützlichen Idioten müssten geoutet werden, sondern die Abteilungsleiter im Verfassungsschutz, die solche Maßnahmen anordnen...

VS abschaffen, vorher angreifen

toni 11.07.2006 - 11:40
Die Kritik am VS ist richtig. Allerdings kommt der Verdacht auf, dass am VS immer dann rumkritisiert wird, wenn Gruppen oder Personen ins Visier kommen, die einen Status von Wichtigkeit haben oder sich bemühen, auch im bürgerlichen Lager noch anzukommen. So entsteht der Eindruck, dass nicht VS und seine Aktivitäten insgesamt, sondern nur die Bespitzelung bestimmter Gruppen/Personen das Problem sein sollen und nicht der VS (und andere Sicherheitsorgane) als Ganzes. Solange der VS da ist, wird er auch spitzeln - und statt jeweils Betroffene aus elitären Zusammenhängen zu beweinen (und alle anderen egal zu finden), wäre das offensive attackieren mit der Generalkritik, dass sich solche Sicherheitsorganisationen aufzulösen haben, richtig.

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Vorsicht ist geboten

- 10.07.2006 - 16:43
Infos & Daten im engen Kreise bewahren & trotzdem nach außen gezielte & vor allem richtige Aufklärung betreiben, sollte sich nun jeder (denn jeder ist ein Überflüssiger) auf die Fahne schreiben!
Wir dürfen nicht zulassen, dass BKA & BND Die Überflüssigen zu einer zweiten RAF macht bzw. gegen sie im selben Maße der Fehlinformation hetzt!

VIVA RESISTENCIA!

Spitzel enttarnen

egal 10.07.2006 - 17:53
Denke auch das diese V-Leute/Spitzel sofort mit Bild und Namen bekanntgemacht werden müssen.
Wie aus der Vergangenheit hinreichend bekannt sein sollte,tauchten solche Menschen immer wieder in anderen bereichen der Szene oder anderen Städten wieder auf.

Gegen solche Menschen können wir uns nur Schützen indem wir alles was uns über sie bekannt ist öffentlichmachen.

BKA,VS und Geheimdiensten ihr schmutziges Handwerk legen.

Nerv mal nicht

.. 10.07.2006 - 18:01
Hey Psycho, hör mal auf mit dir selbst zu diskutieren. Das nervt!

meinungauskotzen

möwendreck 10.07.2006 - 18:31
ich versteh gar nicht die aufregung. gab es - von denen die es nicht wahrhaben wollen und einen dann als paranoid beschimpfen wenn man sie mit der wahrheit konfrontiert abgesehen - wirklich noch menschen die daran gezweifelt haben dass wir in einem absoluten überwachungsstaat leben und alle durchsichtig sind?
aber es freut mich dass der verfassungsschutz ins fadenkreuz geraten ist.
ich persönlich lege den bespitzelungsgrad der brd als deutliches anzeichen aus dass dieser staat angst vor seinem ende hat.

SIE KÖNNEN DEUTSCHLAND JETZT AUSSCHALTEN!
danke für diesen guten beitrag!:)

guter bericht, aber

ich 10.07.2006 - 18:55
...nun muss versucht werden, wenn schonmal der vs im fadenkreuz ist, dies "aufzubauschen". die ganze sache muss groß in den massenmedien aufgezogen werden!