Polizeirepression in Frankfurt

Susi Sauer 07.07.2006 07:23 Themen: Bildung Repression
Laut Polizei gingen am 6.7.2006 rund 3000 Menschen auf die Straße. Laut Medien und Studentenangaben wurden über 300 Menschen verhaftet, was so ca. 10% aller DemonstrationsteilnehmerInnen darstellen würde. Bei der Betrachtung der drei Zahlen denkt man zuerst an ein dritte Welt Land oder eine Bananenrepublik wo Demonstrationen zusammengeschossen werden und willkürlich ganze Demonstrationen festgenommen werden. Mir kam dabei die Frauendemo in der Türkei in den Sinn die auch in den deutschen Medien starke Beachtung gefunden hat, wo türkische Sicherheitskräfte wahllos auf alle einschlagen und fast alle Teilnehmerinnen fest nahmen. Dies führte zu einem weltweitem Aufschrei und Warnungen an die Türkei.
Dieser Beitrag soll nur kurz auf die Ereignisse auf der Demo „Für freie Bildung und gegen unsichere Arbeitsverhältnisse“ eingehen und gleichzeitig einen sinnvollen Umgang mit der Repression ansprechen. Warum dafür Indymedia? - Es gibt unter den Unis keine große Vernetzung außerhalb der Asten, deshalb ist es wichtig das er vielen Menschen und Gruppen zugänglich gemacht wird um eine entsprechende Antwort auf die Repression und auf die Polizeigewalt zu finden. Allerdings stellt er keinen Diskussionsbeitrag dar.

Unter  http://www.de.indymedia.org/2006/07/151632.shtml und  http://www.de.indymedia.org/2006/07/151613.shtml bekommt der Leser einen recht guten Eindruck was gestern in Frankfurt los war. Es wird dort von Polizeiwillkür und Polizeibrutalität berichtet, es sollen Menschen die bereits zu Boden geworfen wurden mit Schlagstöcken geschlagen worden sein, es gab zahlreiche Verletzte durch Knüppel und Pfefferspray. Als erfahrener Demogänger habe ich unzählige Situationen auf Demos, darunter viele heikle erlebt und überstanden(Opernball, Antifademos, Anti-Nazidemos, sozialrevolutionäre Demos). Sowas wie in Frankfurt gestern war ein Erlebnis das ich zuvor noch nicht gemacht habe. Das schlimmste dabei waren die wahllosen Verhaftungen. Ein Schlagstock tut zwar weh, aber nach ner Woche kann das wieder in Ordnung sein. Gestern jedoch wurden einfach Menschen abgegriffen die weder Straftaten noch zivilen Ungehorsam begangen bzw. geleistet haben. Dies stellt also eine neue Form der Kriminalisierung und der Verfolgung politisch unliebsamer Menschen dar. Mit viel Pech verbaut es vielen Menschen die Zukunft, da sie ab Strafen die bei 91 und mehr Tagessätzen liegen vorbestraft sein werden. Außerdem delegitiermiert die Repression einen friedlichen, wichtigen und richtigen sozialen Widerstand.

Was dagegen tun?- Zunächst gilt es einigermaßen in Erfahrung zu bringen wie viele Leute gestern wirklich verhaftet worden sind und was ihnen vorgeworfen wird. Dies wird wahrscheinlich im Laufe des Tages die Polizei veröffentlichen. Dann wird es um die 300 Strafbefehle geben , da die Gerichte nicht die Kapazitäten haben um 300 Verfahren zu führen. Deshalb ist es wichtig, das ihr allen betroffen Menschen ratet auf jeden Fall Widerspruch gegen die Strafbefehle einzulegen und Ihnen ratet den Weg vor Gericht zu gehen. Zum einen werden Polizei und Staatsanwaltschaft erhebliche Probleme haben ihnen nachzuweisen was sie gemacht haben sollen, zum anderen kann mit Gerichtsprozessen im nach hinein weitere Öffentlichkeit hergestellt werden und beispielsweise jede Verhandlung mit einer weiteren Demo oder direkten Aktion begleitet werden.

Dies alles wird mit Anwälten, eventuellen Strafen eine Menge Kohle kosten. Es muss eine Menge Kohle organisiert werden, Rechtshilfeorganisationen wie die Rote und die Bunte Hilfe werden einen Teil der Menschen unterstützen können, allerdings übersteigt die Masse wohl auch ihre Kapazitäten.
Deswegen ist es jetzt an uns, uns was einfallen zu lassen wie wir die Kohle bekommen können. Solipartys und Konzerte können ein Weg dafür sein. Spendensammlungen an den Unis, T-Shirt Verkauf, Buttons eine weitere Möglichkeit. Seid dabei kreativ und sammelt einige Tausende, besser zehntausende Euros.


Thematisierung der Vorfälle: An vielen Unis war der Konsens bis zum Semesterende jede Woche eine Demo, die nächsten Demos müssen jedoch klar gegen die Polizeigewalt und Willkür gerichtet sein um das Thema in die lokal und überregionale Presse zu bekommen. Macht Kundgebungen vor lokalen Polizeistationen oder besucht die Einsatzhundertschaften in ihren Kasernen , jedoch dies besser als Demo angemeldet bevor wir das nächste mal die Fresse voll bekommen. Gerichte, Staatsanwaltschaft und Co. sind ebenfalls gute Anlaufpunkte.

Für viele Indyleser wird dieser kleine Beitrag nix neues sein, jedoch wird Indy immer mehr auch von StudentInnen genutzt die vorher eher unpolitisch und nicht organisiert waren/sind. Deshalb erachte ich es als wichtig ihn hier zu posten. Darüber hinaus fände ich es noch wichtiger ihn an euren Unis bekannt zu machen oder zumindest die Inhalte hieraus mit euren Kommilitonen zu diskutieren und die hoffentlich kommende Empörung in effektiven Widerstand um zu münzen. Um Solipartys zu organisieren und zu veranstalten muss man weder links noch aktiv sein. Das kann jeder und feiern tun die meisten auch ganz gerne. Also sprecht die Leute an die vorher noch nicht viel gemacht haben, viele würden sowas bestimmt gerne machen wollen, aber da werdet ihr euch schon was einfallen lassen.

Ach ja ein wichtiger Punkt noch zum Schluss. Schreibt unbedingt zu den Vorfällen gestern Leserbriefe an lokale und überregionale Zeitungen, achtet dabei auf eure Wortwahl damit sie auch gedruckt werden. Wenn ihr selbst euren Namen dafür nicht hergeben wollt, bittet eure Freunde, Familie etc. dies zu tun. Die CDU ler machen dies auch nicht anders. In jeder Zeitung sowohl regional , wichtiger noch überregional muss auf die Vorfälle aufmerksam gemacht werden.

Hier könnte zum Abschluss noch eine Parole stehen, aber ihr wisst ja selbst was passiert ist und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
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Ergänzungen

Betroffen werden Wenige, gemeint sind alle

Brutaler Autonomer Penner 07.07.2006 - 13:41
Daß er 300 Verfahren nicht sozialverträgelich durchziehen kann, weiß der Staat seit den Massenverfahren von Wackersdorf oder auch Mutlangen und so sehr gut.
(Zumal die vorausgegangen staatlichen "Freiheitsentziehungen" sich zum allergrößten Teil als rechtwidrig herausstellen werden)

Daher wird es auch keine 300 Strafbefehle geben.

Nach den Erfahrugnen von Castor-Demos z.b. wird gegen ca 10-20% der leute überhaupt ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Die Auswahl der Betroffenen erweist dabei immer wieder als völlig willkürlich.
Von diesen max 20% wird dann max die Hälfte (wiederum sehr willkürlich ausgwählt) mit einem Strafbefehlsverfahren verfolgt.
IMMER Strafbefehlsverfahren, weil die Büttel hoffen da auf rechtskräftige Verurteilungen durch vergessen Einsprüche, versäumte Einsruchsfriten etc.

Je nach dem, wie gut der Organissation der Betroffenen ist, wird dann nochmal etwa die Hälfte der Verfahren sang und klanglos ohne jede Begründung eingestellt.

Von den übrigen meist im Zuge einer öffentlichen Verhandlung im 1. oder 2. Rechtszug nochmal die Hälfte.
"Nur" eine Handvoll von Verfahren, meist gegen politisch besonder Aktve Mesnchen werden dann mit wilder Verbissenheit durchgezogen.

Dieses Muster ist kein Zufall, längst werden gesellschaftliche Proteste von Polizei-Soziologen analysiert, die durchaus treffende Strategien entwerfen, wie diesen Proteste die Kraft genommen werden kann.

am 15. Juli nach Stuttgart

zur 07.07.2006 - 15:30
Antirepressionsdemo: "Linke Politik verteidigen - Solidarität aufbauen"

 http://stoprepression.blogsport.de

...

... 07.07.2006 - 20:56
@"Brutaler Autonomer Penner":

laut Presse wurden 235 Strafanzeigen gegen die gestern Betroffenen gestellt, ausserdem gegen einen Polizisten.

@07.07.2006 19:56

Brutaler Autonomer Penner 07.07.2006 - 21:48
Wenn wir die Zahl von 300 fest/ ingewahrsam etc-genommenen mal unterstellen, entspricht das durchaus dem von mir beschriebenen Muster.

Sind schon mal so 1/3 wieder 'raus aus dem Verfahren (aber nicht aus den Dateien!)
Wie Gesagt ist das ein klassisches Muster, von dem die tatsächlichen Zahlen mehr oder weniger deutlich abweichen können.

Das Kalkühl des Staates ist, dabei, daß die praktische Solidarität bröckelt, wenn möglichst viele nicht mehr betroffen sind. (und das trifft auch meist so zu!)

Die Gerichtsverfahren gegen die "Übriggebliebenen" finden dann regelmäßig ein oder mehr Jahre später statt, wenn die Masse längst wieder ganz andere Dinge im Mittelpunkt hat.

Nach dem Muster, werden immer mehr Betroffene 'rausfallen, oder Individuelle (faule)Deals mit der Staatgewalt schließen, das Betroffenen-Kollektiv damit immer kleiner.
Das ist so!
Nicht Jammern und Klagen, sondern sich darauf einstellen!

Deshalb: JETZT Gedächtnissprotokolle Schreiben!, Sich in Betroffenen-Gruppen organisieren, Adressen Austauschen! über den Stand der Verfahren informieren, Vorladungen als Bechuldigte, Zeugen, etc.
Anwälte konsultieren, die Erfahrung mit politischen Verfahren haben.
Solche Verfahren laufen ganz anders, als klassische/ soziale Strafverfahren!

Erstmal reichen 1 oder 2 für alle, aber schon mal nach ausreichend AnwältInnen ausschau halten. Mit dem Verbot der Mehrfachverteidigung hat der Staat ein ärgerliches Instrument um Bürgern die Wahrnehung von Rechten zu erschwehren!
Der Staat gewinnt dabei NUR dann, wenn die Betroffenen sich nicht Organisieren.
Das werden die allermeisten jetzt natürlich nicht Glauben.
Vorteil ist aber, daß immer mehr Leuten durch diesen praktischen Erfahrungsprozess ein Licht aufgeht.

Venceremos!

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