Detmold: Erneuter Angriff auf AZ alte Pauline

alte Pauline 28.06.2006 03:47 Themen: Antifa
Das autonome Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline in Detmold ist erneut von Neonazis angegriffen worden. In der Nacht von Samstag auf Sonntag (25. Juni) wurden zahlreiche Fensterscheiben mit Gullideckeln und Steinen eingeworfen. Über diesen erneuten Überfall auf die alte Pauline berichtet zeitnah die "Nationale Offensive Schaumburg" am Sonntag, 25. Juni, auf ihrer Internetseite. Trotzdem will der Bielefelder Staatsschutz nicht ermitteln, weil "offenbar keine politisch motivierte Straftat" vorläge.
Wir stellen den Angriff in den politischen Zusammenhang mit unserer derzeitigen Kampagne gegen den Szene-Treffpunkt der Neonazis, die Kneipe "Blue Bar" in der Detmolder Innenstadt. Keine zwei Tage zuvor, am vergangenen Freitag gab es dort eine erfolgreiche antifaschistische Demonstration mit über 250 Menschen.

Unsere Demo-Parole, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, bezieht sich nicht nur auf den Nationalsozialismus, sondern auch auf die Gegenwart. Die Angriffe der Neonazis haben inzwischen ein Ausmaß bekommen, dass seit dem Verbot der Nationalistischen Front und der Schließung ihres Treffpunktes in Detmold-Pivitsheide, bisher unbekannt waren.

Ein Aktivist ist von Neonazis tagelang observiert worden. Die Nazis haben die Ergebnisse ihrer Beobachtungen minutiös aufgelistet und ihm per E-Mail zugesandt. Darunter haben sie geschrieben, dass sie wüssten, wo und wann er sich wie und mit wem aufhalten würde. Und dass sie ihn erwischen würden. Ein anderer Aktivist wurde in der alten Pauline von drei Neonazis zusammengeschlagen. Vorausgegangen war diesem Übergriff eine telefonische Drohung: Mehrere Menschen saßen in einer Detmolder Gaststätte und diskutierten über die Blue Bar. Dabei wurden sie offenbar belauscht. Der anonyme Anrufer forderte den Wirt auf, die betroffene Person 'sofort zu entfernen' - und jetzt wörtlich: "Sonst wird es blutig!"

Seit dem Beginn unserer öffentlichen Kampagne zur Blue Bar haben Neonazis verstärkt damit begonnen, Aktionen gegen uns zu starten. Nicht alle sind so vehement wie die oben geschilderten. Einschüchterungsversuche beginnen mit Pöbeleien, verbalen Drohungen oder dem Anspucken von so genannten "Zecken". Das passiert uns tagtäglich in dieser Stadt. Sollte dies nicht reichen, gibt es schon einmal persönliche Hauswurfsendungen mit der Botschaft 'Wir wissen, wo du wohnst'.

Zur Blue Bar

Die Blue Bar, eine kleine Gaststätte, nur wenige hundert Meter von der alten Pauline entfernt, dient seit vielen Monaten als Treffpunkt für Neonazis, unter anderem dem Detmolder Tobias Thomas Budde:

In der Nacht vom 14. auf den 15. September 2001 verfolgte Budde zusammen mit Sven Dickmann vor dem Autonomen Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline mehrere Menschen und schlug dabei einen Aktivisten mit einer mit Nägeln behafteten Holzlatte bewusstlos. Budde und Dickmann wurden unter anderem wegen dieses Überfalls zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. In das Strafmaß flossen weitere (schwere) Körperverletzungen binnen kürzester Zeit in Tateinheit mit Volksverhetzung (beide riefen vor der alten Pauline u.a. "Juden raus!") ein. Budde und Dickmann sind letztes Jahr aus der Haft entlassen worden und keineswegs auch nur in Ansätzen geläutert.

Nach mehreren Hausverboten in vielen Detmolder Lokalen, die auch weitere Neonazis betrafen und betreffen, wählten sie die Blue Bar in der Grabbestraße 4 zu ihrer Stammkneipe aus. Ein angeblich von der Betreiberin seit über drei Monaten verhängtes Lokalverbot ist als reine Schutzbehauptung angesichts der öffentlichen Kritik zu bewerten und entspricht nicht den Tatsachen. Die Nazis wurden und werden unter anderem auch deshalb dort toleriert, weil ein Familienmitglied der Betreiberin selbst ein überzeugter extremer Rechter ist, der in anderen Gaststätten vor die Tür gesetzt worden ist.

Am 31. März des Jahres brüllten mehr als ein Dutzend Neonazis zwei Gästen beim Eintritt in die Blue Bar mehrfach "Zecken raus!" entgegen. Mehrere "Kameraden" verfolgten daraufhin die Flüchtenden, die jedoch glücklicherweise entkommen konnten. Dies geschah im Beisein der Betreiberin, die auch anschließend keinerlei Maßnahmen gegen diese konkrete Bedrohung unternahm und die Neonazis ungehindert gewähren ließ und auch weiterhin lässt.

Nach der Veröffentlichung eines Artikels im "alten Paulinchen" Nummer 9, welcher das o.g. Verhalten der Blue Bar aufzeigte, ließ die Betreiberin gegen den ihrer Meinung nach vermeintlich Verantwortlichen Strafanzeige wegen "Verleumdung" erstatten.

Am Montag Abend sind erstmals seit der Demonstration wieder Neonazis vor und in der Blue Bar gesehen worden sind: Allein vor der Gaststätte hielten sich über einen langen Zeitraum 7 Faschisten auf, die lautstark gröhlend aus ihrer Gesinnung keinen Hehl machten. Sie machen also weiter ...

Was tun?

Wir lassen uns nicht einschüchtern - nicht durch Neonazis und auch nicht durch den Staatsschutz und bedanken uns für die großartige Solidarität, die wir in den letzten Wochen und Tagen erhalten haben! Dies gilt auch für die zahlreichen Kulturschaffenden, die sich spontan bereit erklärt haben, in den kommenden Wochen bei uns kostenlos bzw. -günstig auf zu treten! Denn wir haben uns entschlossen mit einer alten Tradition zu brechen: Im 25. Jahr der Existenz der alten Pauline wird es erstmals keine Sommerpause geben.

Wir organisieren verschiedene kulturelle und politische Veranstaltungen, unter anderem auch mit einem Dia-Vortrag über die extreme Rechte in Ostwestfalen-Lippe und Schaumburg. Ab sofort findet regelmäßig mittwochs um 19.00 Uhr im Lese- und Antifa-Café ein "Antifaschistischer Ratschlag" statt, um das weitere Vorgehen gegen Neonazis zu diskutieren. Auch die Hausversammlungen finden weiter jeden Donnerstag um 19.00 Uhr statt.

Auf unserer Internetseite
 http://www.alte-pauline.de
sind jeweils die aktuellen Veranstaltungen und Entwicklungen einsehbar.

Auf der Homepage
 http://www.hiergeblieben.de
dokumentieren wir die Auseinandersetzungen um die Blue Bar chronologisch (zur Zeit sind es 30 Artikel).

Wir würden uns über Solidarität, Ratschläge etc. sehr freuen!
Kontakt:  soli@alte-pauline.de
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Ergänzungen

Wenn der Staatsschutz nicht ermittelt ...

Kulturinitiative Detmold e.V. 28.06.2006 - 12:44
Am 26. Juni, war in "Radio Lippe" unter dem Titel "Keine Ermittlungen des Staatsschutzes" dies zu hören:

"Hinter den eingeworfenen Scheiben im Detmolder Jugendzentrum "alte Pauline" steckt offenbar keine politisch motivierte Straftat. Der Staatsschutz werde in diesem Fall nicht ermitteln, sagte uns ein Sprecher. Unbekannte hatten am Wochenende etliche Scheiben eingeworfen. In dem Gebäude fand die Polizei Steine und zwei Gullideckel. Die Betreiber der "alten Pauline" sehen die Beschädigungen im Zusammenhang mit einer Demo "gegen Rechts" vom vergangenen Freitag. Unter dem Motto "Null Toleranz gegen Neonazis" hatte das Kultur- und Kommunikationszentrum zusammen mit dem DGB die Demonstration organisiert. Das alleine genügt der Polizei aber nicht für eine politisch motivierte Tat. Deshalb gebe es keine Ermittlungen, sagte der Sprecher."

Einmal mehr verdeutlicht dieses Beispiel, dass von der politischen Abteilung des Polizeipräsidiums Bielefeld weiterhin eine Verharmlosungsstrategie gegen Neonazis betrieben wird. Wir haben auf der zitierten Demonstration in verschiedenen Redebeiträgen und zahlreichen Beispielen genau auf diese Tatsache hin gewiesen. Etwa dass laut Staatsschutz keine "Freie Kameradschaft" in Gütersloh existiert, auch dann noch nicht, als sie eine Demonstration anmeldet und im Bericht des Landesverfassungsschutzes auftaucht.

Besonders dreist ist dieses mal allerdings die Tatsache, dass die Behörde selbst Texte, die Täterwissen offenbaren, ignoriert. Über den erneuten Überfall auf die alte Pauline berichtet nämlich die "Nationale Offensive Schaumburg" am Sonntag, 25. Juni, auf ihrer Internetseite:

""Mir stinken die Linken"

25. 6. 2006, 20:57:

So oder so ähnlich könnte es in der vergangenen Nacht in Detmold gelautet haben.

Während sich die kriminellen Linksfaschisten gerade in Bückeburg beim Fussballtunier damit beschäftigten harmlosen Passanten Bierflaschen und Steine gegen das Fahrzeug zu werfen, sorgten bislang unbekannte Täter für frische Luft in der "alten Pauline" (einem linksfaschisteschem Treffpunkt in Detmold).

Dort sollen nach unseren Informationen mehrere Scheiben des miefigen Ladens eingeworfen worden sein.
Nun, dies wird die kriminellen Gäste sicherlich nicht stören, denn sie haben ja in Bückeburg ein Zufluchtsort gefunden.

Fragt sich nur wie lange die Justiz diese Kriminellen hier dulden wird und wie lange sich die nationale Opposition die ständigen Angriffe gegen das Eigentum gefallen lassen wird.

Autor: Nationale Offensive SHG"

Auf der selben Seite, dass sei nur ergänzend bemerkt, findet sich unter der Uhrzeit 14.53 auch folgender Eintrag:

"Sonnenwendfeier im Raum OWL

Am gestrigen Sonnabend fand im schönen Ostwestfalen unsere diesjährige Sonnenwendfeier statt.

Aufgerufen und veranstaltet wurde diese von regionalen Kräften mit Schaumburger Unterstützung.
Gegen 20 Uhr trafen die ersten der rund 90 Gästen ein und konnten sich zunächst einmal etwas stärken.
Für das leibliche Wohl wurde gesorgt, es gab gegrilltes und Salate, sowie kalte Getränke.

Gegen 21.00Uhr begann der kulturelle Teil. Mit Fackeln und Trommeln marschierte man zur angelegten Feuerstelle.
Redebeiträge, Feuersprüche und nationales Liedgut rundeten den kulturellen Teil dann ab.

Anschließend sorgten noch 2 Balladenspieler bis ca. 3 Uhr morgens für gute Stimmung unter den Gästen, bis dann auch die letzten "endlich" gehen wollten.

Polizei gab es allerdings keine Vorort, die hat mit einer Sonnenwendfeier im Raum Schaumburg gerechnet…

Autor: Nationale Offensive SHG"

Wir haben erneut die Erfahrung gemacht, dass das Vertrauen in den Staatsschutz und Sonntagsreden gegen Neonazis trügerisch ist. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir selbst aktiv werden und handeln. Auch wenn die Verantwortlichen reagieren, so reagieren sie meist nicht auf das Problem, sondern nur auf öffentlichen Druck.

PS: Einige Stunden nach der Meldung von Radio Lippe grillten am Montag Abend übrigens 7 Neonazis vor der Blue Bar und verkehrten auch in der Gaststätte. Menschen, die sie der alten Pauline zurechneten, wurden dabei in aller Öffentlichkeit lautstark angebrüllt und angepöbelt. Aber auch dieses wird der Staatsschutz wohl dementieren, hatte er doch bereits im Vorfeld der Demonstration erklärt: "Hinweise auf rechtsextreme Aktivitäten lägen bis auf den Demonstrationsaufruf und die damit verbundenen Behauptungen nicht vor." (Lippische Landes-Zeitung vom 22.06.006)

All cops avoid barristers

rurururu 28.06.2006 - 19:26
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde hat zahlreiche Vorteile. Sie kann eingereicht werden, ohne daß Kosten und Risiken entstehen. Für den Beschwerdeführer macht sie wenig Arbeit, für den Bullen, der daraufhin Berichte etc. verfassen darf, bedeutet sie dagegen Arbeit und Ärger - auch wenn sie schließlich im Sande verläuft. Und einem Staatschutzschurken Ärger zu bereiten, ist doch schon für sich eine erstrebenswerte Sache.
Wenn die verbeamteten Dreiviertelfaschiste dann noch so doof sind, die Existenz einer Kameradschaft zu leugnen, die sogar im VS-Bericht wird, empfiehlt sich die Beschwerde wegen 1)gravierender dienstrechtlicher Verstöße und 2)Dummheit im Dienst zu führen. Und dann - viel Spaß, Herr Hauptsturmkommissarrottenführer... sowas kann sogar zu Änderungen des beanstandeten Verhaltens führen. Leider sind Linke viel zu passiv und zurückhaltend im Umgang mit Polizei und Justiz und schleppen unnötige Berührungsängste mit sich herum, die doktrinär begründet sind, sich aber eben nicht ziehlführend auswirken. Die Nazis sind da schlauer und erfolgreicher, man vergleiche z.B. aus der heutigen Frakfurter Rundschau