Studierendenprotest: Jetzt spricht die antifa

udo bouffier 14.06.2006 14:48 Themen: Soziale Kämpfe
Nachdem letzte Woche mehrere hessische Polizeipräsidenten fast zeitgleich ein "härteres Vorgehen" der Polizei gegen protestierende Studenten
angekündigt hatten, meldet sich nun die antifa zu Wort. In einer Erklärung kritisiert ein Sprecher der autonomen antifa [f] aus Frankfurt, Lars Mertens, die Berichterstattung der Medien und das Vorgehen der
Polizei.

Die Polizeipäsidenten hatten die Ankündigung härteren Vorgehens besonders damit begründet, dass sich "Mitglieder der antifa" unter die Studierenden mischen und den Protest für ihre "Agitation" und die "Bildung gewalttätiger Blöcke" benutzen würden. Ausserdem hatten Polizisten an der Frankfurter Universität an diesem Wochenende Flugblätter verteilt, die dazu aufriefen sich von "den Extremisten" zu distanzieren.
Lars Mertens erklärte dazu: "Die antifa-Gruppen aus
dem BASH (Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen)
beteiligen sich natürlich, wie übrigens auch viele
andere linke Gruppen, an der Organisation und den
Aktionen gegen Studiengebühren. Allerdings ist es
eindeutig zu viel der Ehre, uns damit eine zentrale
Rolle in den Protesten zuzuschreiben. Was die Proteste
so positiv auszeichnet, ist gerade das solidarische
und aktive Miteinander unterschiedlicher Gruppen,
Zusammenhänge und auch Aktionsformen. Wir sind Teil
dieser Bewegung - nicht mehr und nicht weniger." Zudem
spreche man sich gegen jede Spaltung der
fortschrittlichen Kräfte aus.

Mertens weiter: "Wir betrüßen sehr, dass sich viele
Menschen endlich nicht mehr widerspruchslos von der
nationalistischen Propaganda der Landesregierung vor
den Karren des 'Standortes Deutschland' spannen
lassen. Ein derartig offen gegen die Interessen der
einzelnen Menschen gemachtes und dazu noch rassistisch
Gesetzesvorhaben wie das zu den Studiengebühren dient
offensichtlich auch dazu, einige Illusionen über diese
Gesellschaft zumindest in Frage zu stellen. Insofern
ist die trampelartige Vorgehensweise der CDU natürlich
schon Wasser auf unsere Mühlen."

Militanz und "Einzeltäter"

Auch die "teilweise militante Gegenwehr der
Studierenden gegen die reaktionäre Politik der
Landesregierung" sei vor allem Dingen ein Produkt
einer inhaltlichen Entwicklung vieler Studierender.
Mertens dazu: "Viele Studierende merken, dass es gegen
diese Politik der kapitalistischen "Sachzwänge" nicht
reicht, die besseren Argumente zu haben. Die Blockaden
und anderen Aktionen werden von vielen verschiedenen
Menschen getragen, sonst wären sie auch kaum so
erfolgreich."
Wären es tatsächlich nur "linke Einzeltäter" und
sogenannte "Chaoten", wie die Polizei behauptet, dann
könne es wohl kaum so ein Problem sein, den Protesten
Herr zu werden. Die Äußerungen der Polizeiführung
seien dagegen vielmehr ein "durchsichtiger Versuch",
die Bewegung zu spalten und zu kriminalisieren. Gegen
diese "zunehmende polizeiliche Bearbeitung
gesellschaftlicher Konflikte im Namen der Inneren
Sicherheit" setzt die antifa dementsprechend auch
einen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten.

Überdies bemängelte Mertens, dass mit der
"wissenschaftlich unlauteren" Sprachreglung des
"Extremismus", der Nationalsozialismus und NeoNazis
verhamlost würden.

Scharfe Kritik an den Medien

Allerdings habe man von der Polizei, die sich wieder
mal zum "Büttel kapitalistischer Interessen" mache,
nicht viel besseres erwarten können.
Schwerer wiege da die "nur noch peinliche
Hofberichterstattung" einiger Medien, welche jede
"noch so billige Finte der staatlichen Behörden
kritiklos überhehmen". So sei zuerst "der Diffamierung
und Spaltung der Bewegung" das Wort geredet worden um
nun, da dies nicht funktioniert habe, erfolgreiche
Protestaktionen "einfach zu verschweigen".

Der Antifa-Sprecher dazu: "Symptomatisch für diese
Entwicklung stehen die Ereignisse um das WM-Spiel
England-Paraguay am letzten Samstag in Frankfurt.
Trotz Drohungen im Vorfeld ist es der Polizei nicht
gelungen, die Leute einzuschüchtern und klein zu
halten. Um es klar zu sagen: die Polizei hatte - Dank
der Entschlossenheit der Demonstranten - gar nichts
unter Kontrolle." So sei der Hauptbahnhof von mehreren
hundert Studenten gestürmt und blockiert worden, auch
sei in der gesamten City ein "ziemliches
Durcheinander" ausgebrochen. Die Polizei habe darauf
nur mit "teilweise massiver Gewaltanwendung" reagiert.
Auf der Sachsenhäuser Seite der Main-Arena habe es
beispielsweise vor den Augen vieler Fußballfans einen
"brutalen Schlagstockeinsatz" mit mehreren Verletzten
und teilweise blutenden Studierenden gegeben. Auch sei
es immer wieder zu regelrechten Prügeleien mit der
Polizei gekommen.

Mertens weiter: "Dass es nicht zu schlimmeren
Auseinandersetzungen gekommen ist, ist nicht der
Polizei, sondern den Studierenden und Fußballfans zu
verdanken. Ein relevanter Teil der englischen Gäste
und auch einige äusländische Presseorgane jedenfalls
haben mitbekommen, wie sehr man sich zwischen
Wasserwerfern und behelmten Prügeleinheiten zu 'Gast
bei Freunden" fühlt.' Auch habe es immer wieder
Solidaritätsbekundungen von Fußballfans gegeben.

Von alldem habe jedoch beispielsweise der Hessische
Rundfunk nichts berichtet. Stattdessen sei in
"schlechtester Untertanenmanier der englische
Thronfolger abgefeiert" worden.
Mertens weiter: "Die Studentenbewegung wird die WM
weiter dafür nutzen, die verlogene Selbstdarstellung
dieses Landes zu sabotieren."

Neue Pespektive

Trotz den vielen positiven Punkten kritisierte der
antifa-Sprecher auch einige, im Rahmen der Proteste
aufgetretene Aspekte. Einerseits sei die Fixierung
vieler Studenten auf die Landesregierung "zwar
nachvollziehbar", diese Personalisierung sei jedoch
kontraproduktiv. Lars Mertens erklärte dazu: "Die
gesellschaftliche Vision der CDU-Regierung, ein
autoritär verwalteter Standort im globalen
Kapitalismus, ist kein Einzefall. Auch die SPD
verfolgt, siehe z.B. die sogenannten
Sicherheitsgesetze oder Hartz IV, dieselbe Politik.
Diese Entwicklung folgt aus den Zwängen des
kapitalistischen Systems selbst, daher muss es als
Ganzes überwunden werden."

Wo durch die technische Entwicklung eigentlich immer
weniger Arbeit nötig sei, dadurch das Leben vieler
Menschen aber immer schlechter werde, sei die
"Abschaffung des Kapitalismus" schließlich ein "Gebot
der intellektuellen Selbstverteidigung".

Zum zweiten kritisierte Mertens, die "fehlende
Organisierung". "Widerstand braucht Kontinuität - auch
über die aktuelle Auseinandersetzung um
Studiengebühren hinaus". Er appellierte daher an alle
Aktiven: "Schließt auch bestehenden Gruppen an oder
bildet selbst neue Gruppen. Wir werden einen langen
Atmen brauchen."

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Resolution beschlossen von über 1000 Studierenden auf
der Vollversammlung der JWG-Uni Frankfurt, der FH
Frankfurt und der Hochschule für Gestaltung Offenbach
am 30.5.2006

1.
Im Zuge der Proteste und Blockaden gegen die
Einführung von Studiengebühren in Hessen kam es
wiederholt zu Auseinandersetzungen mit Polizeikräften,
die versuchten, Demonstrationen gegen die reaktionäre
Politik der Landesregierung aufzuhalten und Blockaden
aufzulösen. Dabei wurden in ganz Hessen inzwischen
mehrere Dutzend Kommilitoninnen und Kommilitonen
brutal von der Polizei festgenommen. Mindestens ebenso
viele wurden durch Knüppelschläge der Polizei und/oder
Angriffe mit Gas verletzt. In Giessen wurde ein
Kommilitone bei einer Blockade-Aktion von einem Zug
erfasst und schwer verletzt. Obwohl die Polizei von
der Route wusste, hielt sie es nicht für nötig den
Zugverkehr zu stoppen.
Wir halten daher fest: Die hessische Polizei als Organ
der Landesregierung versucht massiv, die Politik der
Ausgrenzung und Ausbeutung gegen unseren Widerstand
durchzuprügeln. Dabei nimmt sie keine Rücksicht auf
die körperliche Unversehrtheit der DemonstrantInnen.
Wir fordern ein Ende der Polizeigewalt und eine
Amnestie für alle im Zusammenhang mit den Protesten
kriminalisierten Studierenden! Außerdem schließen wir
uns der Forderung der Asten der Unis Giessen und
Marburg an, die sich gegen die Kriminalisierung ihrer
Vollversammlungen durch ständige polizeiliche
Beobachtung aussprechen. Auch hier sind permanent
Polizeibeamte in Zivil und Uniform vor Ort, die sogar
von Steinberg eingeladen wurden, um uns zu bespitzeln.
Wir fordern, dass sie verschwinden!

2.
Trotz der offensichtlichen Polizeigewalt geben viele
Medien die Stellungnahmen der Polizei vollkommen
unkritisch wieder. Studierende, die sich gegen
Angriffe der Polizei zu Wehr setzen und legitimen
Widerstand gegen die Pläne der Landesregierung leisten
werden als „Chaoten“ und „Krawallmacher“ diffamiert.
Wir halten dagegen fest: Die Gewalt geht von einer
Landesregierung aus, welche die Interessen der
Menschen kapitalistischen Zwängen unterordnet. Die
Gewalt geht ferner von Polizeikräften aus, die sich zu
Schlägern im Dienste dieser Landesregierung machen.
Wir fordern also die Beamtinnen und Beamten auf, sich
von den Gewalttätern in den eigenen Reihen zu
distanzieren. Gegen die Zerstörung unserer
Lebensperspektiven werden wir uns jedenfalls auch
weiterhin aktiv zur Wehr setzen. Wir fordern eine
faire Berichterstattung darüber!

3.
Seit Beginn der Proteste versuchen Polizei,
konservative Medien und die Landesregierung, die
Bewegung zu spalten, um effektiven Widerstand zu
verhindern. Die FAZ kolportierte Äußerungen, die dem
AStA-Vorsitzenden zugerechnet werden, in denen es
heißt, er wolle mit der Polizei gegen die spontanen
und direkten Aktionen der Studierenden vorgehen. Er
wird mit Dankesworten an die Polizei zitiert, deren
„besonnenes Verhalten“ gegenüber den Protestierenden
er lobt.
So wie der AStA in der FAZ und dann in anderen Medien
zitiert wurde ist das falsch! Der AStA wurde bewusst
falsch zitiert, um die legitimen Proteste gegen
Studiengebühren zu spalten. Wer der Spaltung der
Studierenden das Wort redet und militante Aktionen
diffamiert, spielt der Landesregierung in die Hände.
Dagegen setzen wir weiterhin auf Aktionen, die der
Landesregierung weh tun. Wir – Friedliche und
Militante, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
– stellen uns daher gemeinsam gegen alle
Spaltungsversuche!

4.
Innerhalb von drei Wochen ist es uns Studierenden
durch entschlossene und selbstorganisierte Aktionen
bereits gelungen, die Landesregierung in Bedrängnis zu
bringen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt gilt es
insbesondere, weitere vom Sozialraub betroffene
Gruppen einzubinden. Wir rufen alle Menschen (wie z.B.
Arbeitslose, Illegalisierte,...) deren
Lebensperspektiven ebenfalls von der autoritären
Politik der sogenannten Sachzwänge und des
Standortlogik zerstört werden, dazu auf, mit uns
zusammen auf die Straßen zu gehen.
Wenn Roland Koch uns Studierende dazu aufruft die
Blockaden und Proteste zu beenden und sich von „den
Chaoten“ zu distanzieren antworten wir:
Sorry Roland, keine Chance. Wir sind alle „Chaoten“!
Und wir bleiben dabei – Für französische Verhältnisse
– für einen anständigen Aufstand!

Zitat von:
 http://frankfurt.kicks-ass.org/de/newssingle/ansicht/resolution-auf-der-vollversammlung-der-jwg-uni-frankfurt-der-fh-frankfurt-und-der-hochschule-fuer-g/corts/
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Ergänzungen

nur mal so

weiß nicht 14.06.2006 - 17:13
Sprecht doch nicht immer nur von kriminalisierten StudentInnen. Es sind zwar "eure" Demos aber jedeR SchülerIn die da hingeht, und das sind gar nicht so wenig, wird genauso kriminalisiert. Die Polizei macht da grundsätzlich keinen Unterschied weder bei der Propaganda außenrum noch bei Verhaftetungen ect während der Demo.
Für Solidarität unter allen SchülerInnen und StudentInnen!
Für französidche Verhältnisse!

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