Hausbesuche der Lagerangestellten Hesepe

No-Lager-Aktivistin 08.06.2006 15:09 Themen: Antirassismus
Am Montag Nachmittag und Mittwoch Morgen statteten TeilnehmerInnen des No-Lager-Camps Angestellten des Abschiebelagers Bramsche-Hesepe einen Hausbesuch ab. Ziel der Aktionen war es, den täglichen HelferInnen der Abschiebemaschinerie gerade da aufzusuchen, wo sie sich am sichersten fühlen – in ihrem eigenen Zuhause. Wer so aktiv wie die beiden gegen Flüchtlinge und für Abschiebung arbeitet, sollte den Feierabend nicht genießen können. Beide wagten sich nicht vor die Haustür und nahmen die auf sie zugeschnittenen Presente nicht persönlich entgegen.
Ruth Gerdes und Jerzy Brylski sind nur zwei der vielen Angestellten im Abschiebelager Bramsche-Hesepe. Durch Menschen wie sie ist das Betreiben eines Abschiebelagers überhaupt erst möglich. Jeden Tag wirken sie aufs Neue mit an der Einschüchterung und Unterdrückung der Flüchtlinge im Lager und sind somit Teil der Abschiebemaschinerie. Obwohl mensch meinen sollte als Betreuerin und Hausmeister sei ihre Rolle von keiner großen Bedeutung, tragen beide massiv zu einem noch beschisseneren Alltag im Abschiebelager bei.

Homerun – Gerdi erfüllt ihre Rolle als Handlangerin der staatlichen Abschiebemaschinerie mit Bravour. Jeden Tag übertrifft sie sich selbst in Übererfüllung ihrer "Pflicht". Als kostengünstige Alternative zur Abschiebung schlägt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit die sog. "freiwillige Ausreise" vor. Stimmt der Flüchtling zu, wird er mit einem geringen Handgeld in das Land zurückgeschickt, aus dem er zum Teil unter Lebensgefahr geflüchtet ist. Lässt der Flüchtling hier seine Freiwilligkeit vermissen, wird ihm mit Abschiebung gedroht und er wird von Bediensteten des Abschiebelagers hart unter Druck gesetzt.
Die von ihr betreuten Flüchtlinge kennen schon im Voraus die Antwort von Frau Gerdes auf jede ihrer Fragen:
"Sie wollen einen 1-Euro-Job? Unterschreiben Sie doch die "Freiwillige Ausreise-Erklärung". Gehen Sie doch nach Hause."
"Sie wollen bessere medizinische Versorgung? Gehen Sie doch zurück nach Hause. Wer nach Hause geht, wird auch gesund."
"Sie haben Probleme mit Ihrem 6-Personen-Zimmer? Gehen Sie doch zurück nach Hause."
Nur ist für die Flüchtlinge das "Nach-Hause-Gehen" eben keine Alternative. Nicht Neugierde sondern pure Notwendigkeit waren der Beweggrund die lebensgefährliche Flucht in ein ihnen unbekanntes Land anzutreten. Flucht vor Krieg, Hunger, Unterdrückung, Armut oder auch einfach der Wunsch nach einem besseren, menschenwürdigerem Leben trieb sie in dieses Land.
Mit der gebetsmühlenartigen Wiederholung ihrer Pauschallösung betreut Ruth Gerdes die Interessen des Staates und nicht die Interessen ihrer vermeintlichen "Schützlinge".Sie ist keine Hilfe für diese Menschen. Auf solch eine "Betreuung" kann jeder gut und gerne verzichten.

Jerzy Brilski ist Hausmeister im Lager und sollte sich eigentlich um kaputte Lampen kümmern. Er macht keinen Hehl daraus, wie gut und sinnvoll er das Abschiebelager findet, bezeichnet die BewohnerInnen gern als “Wilde” und hat auch kein Problem damit, seinen Gummiknüppel, der wohl neben seinem Werkzeugkasten zu seiner Ausstattung gehört, einzusetzen. In der Vergangenheit schlug er mehrfach auf Kopf und Arm eines Flüchtlings ein. Dieser erstattete Anzeige. Sie wurde abgelehnt. Stattdessen hat er sich jetzt selber mit einer Anzeige wegen “Beleidigung”zu kämpfen.
Uns geht es aber nicht darum, die Stelle von Frau Gerdes oder Herrn Brylski neu zu besetzen, sondern ein System zu ändern, das solche Grausamkeiten erst ermöglicht.

Homerun-Gerdi flüchtete in ihr Häuschen als ca. 40 AktivistInnen ausgestattet mit Trommeln und Megaphon auf ihrem Hof standen, um ihr einen Blumentopf zu überreichen. An der Tür ließ sie sich verleugnen und hörte die freundlichen Worte wohl nur durch die Fenster:
“Sehr geehrte Frau Gerdes!
Wir möchten Ihnen heute diesen Blumentopf mit Heimaterde übergeben, damit Sie auch nie vergessen, wo Sie zu Hause sind.
Glück gehabt, Frau Gerdes: Sie sind in Deutschland geboren. Sie haben die 1,26-prozentige Chance genutzt! Wir gratulieren Ihnen herzlich zum Geburtsrecht auf die deutsche Staatsbürgerschaft! Mit diesem hervorragenden Privileg sind Sie nicht nur in der Lage Ihren Wohnsitz innerhalb Deutschlands frei zu wählen, sondern dazu noch aktiv einen Arbeitsplatz zu suchen.
Sie haben sogar das Recht auf ein menschenwürdiges Leben!
Gratulation!
Wollen Sie nicht auch, dass möglichst viele an diesem einzigartigen Angebot teilhaben können?
Scheinbar nicht... Denn jeden Tag drängen Sie die Flüchtlinge dazu, ihre freiwillige Ausreise zu unterschreiben. Um damit auf sämtliche dieser "Angebote" zu verzichten.
Frau Gerdes, Sie sind Betreuerin im Abschiebelager. Man sollte meinen, sie wollten nur das Beste für Ihre Schützlinge. Ist es da fair, für ein System zu arbeiten das Menschen all diese Möglichkeiten verwehrt?
Sind Sie so naiv oder tun Sie nur so?
Nur durch Menschen wie Sie ist das Betreiben eines Abschiebelagers überhaupt möglich. Sie helfen bei einer großen Sache mit... bleibt nur die Frage: In wessen Interesse?
Frau Gerdes, wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Tag und viel Spaß mit Ihrem neuen Blumentopf voller Heimaterde.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Auf WIEDERSEHEN...”

Da Frau Gerdes in einer beschaulichen kleinen Siedlung wohnt wurden die Anwohner schnell aufmerksam und erhielten Flugblätter, um auch mal ein wenig Einsicht in das Berufsleben ihrer Nachbarin zu erhalten.

Herr Brylski wurde gegen 6.30 Uhr aus dem Bett geklingelt. Im Feinrip-Unterhemd hielt er sich hinter verschlossener Tür seines ländlich gelegenen Häuschens. Er scheint sich nur vorzutrauen, wenn er seinen Gummiknüppel dabei hat und die Leute alleine sind.

“Hallo Herr Jerzy Brylski!

Als Hausmeister habe Sie viele Aufgaben. Sie sorgen für Ordung und Sauberkeit und Sie können einfach alles reparieren. Sicher brauchen Sie dafür viel Talent- und natürlich Werkzeug. Nur eines verstehen wir nicht:

Wozu brauchen Sie eigentlich Ihren Gummiknüppel? Uns fällt irgendwie nur eine Verwendungsmöglichkeit ein, von der Sie ja auch schon Gebrauch gemacht haben...

Sie schlugen in der Vergangenheit mehrfach auf Kopf und Arm eines Flüchtlings ein. Sie scheinen ja mit vollem Einsatz dabei zu sein und haben sich Ihre Aufnahme in das Abschiebelager-All-Stars-Team daher redlich verdient. Deswegen, Herr Brylski, überreichen wir Ihnen diese Urkunde für Ihren unermüdlichen Einsatz in der Abschiebemaschinerie.
Auch Sie tragen Ihren Teil dazu bei und sorgen für zusätzlichen Druck auf die Flüchtlinge.

Wir fragen uns, für wen Sie das eigentlich tun... woher nehmen Sie den Antrieb für Ihre Begeisterung? Woher nehmen sie die Motivation, Menschen zu unterdrücken, die sowieso schon am Boden sind? Diese Menschen sind hier her gekommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Was sie bekommen, wissen Sie, Herr Brylski, selbst am Besten. Hoffentlich finden Sie einen netten Platz für ihre Urkunde.
Auf WIEDERSEHEN!

Insgesamt waren die Aktionen zwar kurz und sicher noch ausbaufähig, ihre Wirkung haben sie aber nicht verfehlt.

Sicher dürfen sich bald noch weitere Angestellte des Lagers über Hausbesuche freuen, auch Briefe und Anrufe werden sicherlich immer wieder vorkommen.

“Wir brauchen keine Wärter!” Weg mit dem Abschiebelager!
No lager – no where! Gleiche Rechte für alle!
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Ergänzungen

Das schreibt die NOZ

Finderling 08.06.2006 - 18:49
Bramscher Nachrichten 08.06.2006
Unerwünschter Besuch

Unangemeldeten und unerwünschten Besuch haben zwei Mitarbeiter der Zentralen Ausländer Aufnahme-Behörde (ZAAB) in Hesepe bekommen: Aktivisten des No-Lager-Netzwerkes tauchten vor ihren Wohnungen auf.

Gestern Morgen und bereits am Dienstagabend statteten jeweils rund 20 Personen den Privatadressen einen Besuch ab. Sie verteilten an Nachbarn und Passanten Flugblätter, in denen das Mitwirken der Betreffenden im Heseper Aufnahmelager angeprangert wurde. Die beiden ZAAB-Mitarbeiter selbst erhielten zudem "Urkunden" mit der zynischen Anerkennung als "fleißiges Zahnrad in der Abschiebe-Maschinerie". Dann verschwanden die Besucher wieder.

"Das geht unter die Gürtellinie und ist strafrechtlich relevant", empörte sich in Oldenburg Behördenleiter Christian Lüttgau. Hier sei "eindeutig eine Grenze überschritten worden".

Unter den Mitarbeitern sei durch die Vorkommnisse erhebliche Unruhe entstanden", berichtete Außenstellenleiter Conrad Bramm. Die unheimlichen Hausbesuche weckten schlimme Befürchtungen, die es nun zu zerstreuen gelte. Die Ehefrau eines der besuchten Beschäftigten sei "fix und fertig", so Bramm. Die beiden heimgesuchten Mitarbeiter hätten sich überhaupt nichts vorzuwerfen und engagierten sich zum Wohl der Flüchtlinge.

Die rechtliche Bewertung dieser Besuche sei nicht ganz einfach, meinte gestern Polizei-Einsatzleiter Markus Voth. Die Schreiben würden zurzeit auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüft.

Die Protestaktion mit Zeltlager und Kundgebungen endete gestern Vormittag. Nach Angaben der Polizei nahmen gerade noch 25 Personen an der Abschlusskundgebung vor der ZAAB teil. Bemühungen, mit den Bewohnern in Kontakt zu treten, blieben erneut vergeblich.

Kommentar in den Bramscher Nachrichten

kritischerbeobachter 08.06.2006 - 21:23
Allen Lesern der Verlautbarung unserer allseits bekannten No-Lager-Aktivistin soll zur Vervollständigung ihres Weltbildes der nachfolgende Kommentar in den Bramscher Nachrichten vom heutigen Tage nicht vorenthalten werden:
"Unerträglich
Vor lauter Sorge um die Würde der Flüchtlinge vergessen die Abschiebungsgegner die der ZAAB-Mitarbeiter. Die Verletzung ihrer Privatsphäre durch die unsäglichen Hausbesuche ist unerträglich und erweist dem vorgeblichen Anliegen einen Bärendienst.
Die Mitarbeiter der Landesbehörde sind nicht willfährige Helfershelfer einer unmenschlichen Abschiebe-Maschinerie. Sie sind Beschäftigte einer Behörde, die eine demokratisch legitimierte Politik umsetzt. Gegen diese Politik kann man protestieren, mit Argumenten und friedlichen Aktionen.
Aber ohne Einschüchterungsversuche, die überdies eine erschreckende Selbstgerechtigkeit erkennen lassen. Mit dieser Art von Lager-Denken werden die No-Lager-Leute weiter allein vor den Toren der ZAAB stehen, wie bei der jetzigen Aktion."

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 6 Kommentare

gute aktion

ich 08.06.2006 - 17:52
jedes kleine rad ist eines an dem man ansetzen kann.
schreibtischtäter und zuarbeiter dürfen sich nicht vor ihrer
verantwortung verstecken.

Grosse Lob !! Klasse Aktion!

egal 08.06.2006 - 21:47
*und den "kritischen Beobachter" sollte man einfach mal abschieben, ins Friedenskriegsgebiet, mit allem was dazu gehört*


@kritischerbeobachter

... 09.06.2006 - 00:31
"Die Mitarbeiter der Landesbehörde sind nicht willfährige Helfershelfer einer unmenschlichen Abschiebe-Maschinerie. Sie sind Beschäftigte einer Behörde, die eine demokratisch legitimierte Politik umsetzt."

Als wenn sich das gegenseitig ausschließen würde...

Der Punkt ist: soll "Ich hab doch nur Befehle ausgeführt (und damit mein Geld verdient)" wirklich als Entschuldigung gelten oder ist man für das, was man macht, auch verantwortlich?

@...

egal 09.06.2006 - 11:00
du musst den satz schon bis zu ende lesen:
"......die eine demokratisch legitimierte Politik umsetzt."

DEMOKRATISCH!

noch fragen?

Adresse von Christian Lüttgau

interessiert 09.06.2006 - 14:47
Weiß irgendjemand die Adresse von Christian Lüttgau (Oldenburg)? Wenn ja, bitte posten...

@interessiert

OL 09.06.2006 - 15:56
Was soll denn die Adresse hier auf indy?
Entweder du bist aus Oldenburg, dann solltest du wissen, wo du fragen kannst, oder du kommst von weit weg, dann ist die Adresse uninteressant!