Bericht vom Sozialprotest am 3.Juni in Berlin

Michael 'Crest' Menz 03.06.2006 22:08 Themen: Soziale Kämpfe
Mein noch frischer Eindruck nach Rückkehr von der bundesweiten Demo gegen Sozialraub und Militarisierung am 3.Juni in Berlin. Es gab massive Polizeiübergriffe, bitte auf weitere Berichte mit Fotos achten!
die wetterlichen voraussetzungen für die erste größere protestdemo gegen die große koalition waren denkbar schlecht (dauerregen und kühle temperaturen), trotzdem fanden sich nach veranstalterangaben 15000 demonstranten ein. die teilnehmer kamen aus dem ganzen bundesgebiet und dem gesamten sozialen und linken spektrum, u.a. auch ein sonderzug aus nordrhein-westfalen mit allerdings nur 500 demonstranten, was zur kostendeckung deutlich zuwenig war. bleibt zu hoffen, das der spendenaufruf während der auftaktkundgebung vor dem roten rathaus halbwegs erfolgreich war. der tenor der redner während der kundgebung war einhellig: mit den kürzungen bei den erwerbslosen muß endlich schluß sein, aber auch gegen geplante oder schon eingeführte studiengebühren sowie die faktischen rentenkürzungen und die erhöhung des renteneintrittsalters wurde protestiert. auch aktuelle themen wie der geplante kongoeinsatz der bundeswehr kamen zur sprache. da das motto der demo "mit der regierung französisch reden" lautete, gab es auch einen gastredner von den erfolgreichen französischen sozialprotesten, aber auch einen redner aus kolumbien. auf mehreren plakaten wurde bezug auf die bevorstehende fußball-wm genommen ('die welt zu gast bei arbeitslosen'). die polizei soll schon während der kundgebung die personalien verschiedener demonstranten festgestellt haben, was von den rednern scharf moniert wurde.

nach der auftaktkundgebung ging es auf einem rundkurs über die spandauer straße, oranienburger straße, friedrichstraße und unter den linden zurück zum roten rathaus. schnell zeigte sich, das die polizei ein anderes verständnis von demonstrationsfreiheit hatte als die teilnehmer. unter einer s-bahn-brücke nahe dem hackeschen markt versuchte die polizei zum erstenmal, den demozug aufzuspalten, wobei das besondere augenmerk dem antikapitalistischen block um die teilnemer von fau und act! galt. die polizei versuchte, den demonstranten transparente zu entreißen und soll an dieser stelle mindestens eine person festgenommen haben, was von den demonstranten mit zwei oder drei farbbeuteln richtung polizei quittiert wurde. ein plötzlicher durchbruch durch die polizeikette war jedoch erfolgreich und die demo ging weiter. es blieb jedoch nicht lange friedlich, da sich die polizei an der kreuzung oranienburger/tucholskystraße erneut dem antikapitalistischen block in den weg stellte. da ich diesmal ein stück weiter weg war, kann ich nichts genaueres sagen, aber es muß zu diversen festnahmen gekommen sein und laut veranstaltern wurden mehrere demonstranten verletzt (u.a. knochenbrüche). teilweise gab es lautstarken und wütenden protest gegen das brutale vorgehen der uniformierten. letztendlich ging die demo aber weiter und erreichte das rote rathaus dann ohne weitere (mir bekannte) zwischenfälle. dort angekommen mußten die nutzer des sonderzuges die demo bald verlassen, um den zug für die rückfahrt nicht zu verpassen.

der brutale polizeieinsatz war denn auch auf der abschlußkundgebung ein zentrales thema und wurde scharf verurteilt, zumal es am rande der kundgebung nochmals zu auseinandersetzungen kam. von den rednern wurden tom adler (betriebsrat bei daimler chrysler), tobias pflüger (informationsstelle militarisierung) und sidar demirdögem (bundesverband der migrantinnen) mit dem stärksten applaus bedacht. tom adler sparte dabei nicht mit kritik an der kuschelpolitik der gewerkschaften und forderte diese auf, endlich kämpferischer zu werden. generell wurden die spaltungsversuche zwischen erwerbslosen und arbeitern, deutschen und migranten sowie studierenden und rentnern verurteilt. nur gemeinsam sind wir stark und können das heft des handelns in die hand nehmen! nach dem ende der kundgebung gegen 17:30 uhr trat ich dann den heimweg an, die verbliebenen demonstrationsteilnehmer konnten noch dem musikalischen kulturteil der veranstaltung lauschen.
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Ergänzungen

Polizeiübergriffe

Roland Ionas Bialke 03.06.2006 - 23:18
Die Polizei ging natürlich so hart gegen die Demonstranten los, weil die meisten verbotene Gegenstände, also ihre Regenschirme, bei sich trugen. Nein, in Wahrheit waren die Aktionen der Polizei auf Mitglieder des Schwarzen Blocks konzentriert. Am Hackeschen Markt versuchten sie zum ersten Mal diesen auszufiltern. Schon kurz nach dem Losgehen am Roten Rathaus störten die Polizisten die Demonstration. Vielleicht auch, weil sie da keine Fahrzeuge zur Verfügung hatten.

Es waren extrem wenige Polizisten im Einsatz. Zumindest in Sicht der Demonstration.

In der Oranienstrasse versuchten die Pigs dann nochmal den Schwarzen Block auseinanderzunehmen. Dort wurdem vier Transparente von einer Einheit gestohlen. Auf der anderen Strassenseite wurde dann noch eine Polizeieinheit gekesselt. Hände (auch geballt) wurde von Polizisten gegen die Demonstranten eingesetzt.

Banken und Luxusgeschäfte wurden nicht geplündert.

Am Ende der Demonstration sah ich eine Festnahme, bei dieser wurde die involvierte Polizeieinheit aber gekesselt. Diese Polizisten begnügten sich aber nicht mit leichten KVs. Schlagstöcke und Pfefferspray wurde eingesetzt. Dabei gab es wahrscheinlich mehrere Verletzte.

Oft waren die Demonstranten widersprüchlich. Sie wollten keine Spaltung, aber die ersten zwei Blöcke liefen so schnell, dass die nachfolgenden kaum mitkamen. Auch gab es Streit um die Blockreihenfolge. Sie wollten französische Verhältnisse, aber einzelne Polizisten schälen (also von der Uniform und Bewaffnung zu befreien) wollten sie nicht. Obwohl sie übermässig viele wahren.

Wenigstens wahren mindesten 10.000 Demonstrabten anwesend. Nett.

Wenige Polizisten

Michael 'Crest' Menz 03.06.2006 - 23:36
Stimmt, das mit den relativ wenigen Polizisten (zumindest direkt entlang der Demoroute) ist mir auch aufgefallen. Man konnte es auch fast immer absehen, wann wieder was passiert, da kurz vorher die grün Uniformierten auf dem Gehweg schnell am schwarz-roten Block vorbeizogen, um dann kurz darauf an einer geeignet erscheinenden Stelle die Demo aufzuspalten.

Polizei

Heinrich Heine 04.06.2006 - 00:29
Nach Göttingen, war es natürlich relativ wenig Polizei. Aber ich habe noch nie eine so aggressive Polizei gesehen.

20 000

lulu 06.06.2006 - 10:10
es handelte sich um ca. 20 000 mit demonstranten!! nicht um 15 000 und die nähste wird besser

Berichte + Fotos + Video

noName 06.06.2006 - 20:35

15000 oder 20000 ..

Michael 'Crest' Menz 06.06.2006 - 23:31
Das ist doch nun Haarspalterei, ob es 15000 oder 20000 waren (gibt auch genug Leute, die 15000 für übertrieben halten). Direkt auf der Bühne wurde aber einmal von 15000 gesprochen, wobei der Platz während eines großen Teils der Abschlußkundgebung deutlich weniger gefüllt war. Wichtig ist letztendlich der Solidarisierungseffekt und das es weitergeht.

Betroffene

nertf 07.06.2006 - 22:16
Die Betroffenen von polizelichen Übergriffen und anderer Repressionsmaßnahmen sollten sich beim Berliner EA melden. Tel: 692 22 22

Rede von Tom Adler

Michael 'Crest' Menz 08.06.2006 - 00:14
Hier der Link zur erwähnten Rede von Tom Adler während der Abschlußkundgebung, die meineserachtens sehr kämpferisch und offensiv war.

 http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2006/demo0306_ta.html

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