Studentenprotest in Bonn

Nobody knows 01.06.2006 14:38 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Heute morgen konnte aufgrund studentischen Protests kein Beschluss des Senats der Universität Bonn zur Einführung allgemeiner Studiengebüren stattfinden. Es gelang, einen großen Teil der Senatoren am Betreten zu hindern. Nun hat Rektor Winiger für den Abend eine Sitzung an einem geheimen Ort angeordnet. Die Schnitzeljagd ist damit eröffnet!
Bereits in seiner letzten Sitzung versuchte der Hochschulsenat der Universität Bonn allgemeine Studiengebüren durchzusetzen. Dies scheiterte am Protest der Studierenden, der trotz des friedlichen Verlaufs anscheinend so einschüchternd wirkte, dass die Sitzung vertagt wurde. Hat diese Runde von zumeist älteren Herren mit dickem Professorengehalt Angst vor den eigenen Studenten?

Nun sollte es heute morgen um 9 Uhr zu einer weiteren Sitzung kommen. Rektor Winiger hatte sich diesmal etwas Besonderes einfallen lassen: Als die Studierenden um 8 Uhr die Uni erreichten standen sie vor verschlossenen Türen. Anscheinend sollte der Protest so verhindert werden, es mussten aber auch Vorlesungen und weitere Veranstaltungen ausfallen bzw. konnten erst später stattfinden. Trotz der taktischen Spielereien Winigers und einem großen Polizeiaufgebot konnte die Senatssitzung nicht stattfinden, da die Studierenden eine Kette um die Zugänge des Senats bildeten und die vornehmenen Herren ebenso am Zugang hinderten, wie sie selbst behindert wurden. Eine Einschätzung über die Zahl der Demonstarnten ist schwer vorzunehmen, diese Spekulation will der Autor lieber den zahlreich anwesenden bürgerlichen Medien überlassen. Es waren jedenfalls genug, um die Sitzung zu verhindern.

Durch Schubserei seitens der Polizei konnten schließlich doch einige Senatoren hineingelangen. Dabei hielt sich die Polizei mit Gewalteinsatz sehr zurück, was wohl an den anwesenden Fotojournalisten lag. Die Sitzung musste aber vertagt werden, da keine beschlussfähige Mehrheit aufgeboten werden konnte. Bereits gestern hatte Rektor Winiger angekündigt, wenn die morgentliche Sitzung keinen Erfolg hat eine weitere Sitzung am Abend durchzuführen, die dann wie in Köln an einem geheimen Ort durchgeführt werden soll. Die Senatoren sollen an dubiosen Orten auf Abholung durch den Fahrdienst der Uni warten, damit die wenigen GebürengegnerInnen unter ihnen keine Gelegenheit haben, den Tagungsort allgemein bekannt zu machen. Winigers Plan, den Protest durch diese zwei angekündigten Sitzungen zu ermüden und die Demonstranten zum Aufgeben zu zwingen, hatte bisher jedoch keinen Erfolg. Die DemonstrantInnen trafen sich nach der verhinderten Sitzung in der Mensa zum Plenum und beschlossen, die Herausforderung zur Schnitzeljagd anzunehmen und bis zum Nachmittag noch kräftig zu mobilisieren, auch indem sie in die Hörsäle gehen und dort Bescheid geben.

Treffpunkt ist um 16.30 Uhr im Hofgarten. Dringend benötigt werden Autos, um zum Tagungsort zu gelangen, sobald dieser bekannt ist. Insbesondere, wenn Winiger es dem Kölner Rektor Freimuth gleichtut und außerhalb der Stadt tagen lässt. Freimuth hat die Gebüren im Kernforschungszentrum Jülich hinter Stacheldraht und durch massiven Polizeieinsatz geschützt durchgepeitscht. Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit hat er seine Entscheidung jedoch juristisch angreifbar gemacht.

Auch auf die Juristerei können wir uns jedoch nicht verlassen, wir müssen unsere Belange selbst in die Hand nehmen. Selbst wenn es heute abend zum Beschluss der Gebüren kommen sollte muss der Kampf weitergehen. Denn mit den 500 Euro ist noch lange nicht Schluß. Es ist damit zu rechnen, dass die Gebüren in den nächsten Jahren steigen werden, wenn das Land die Mittel kürzt. Außerdem ist ein beschlossenes Gesetz noch nicht das Ende der Fahnenstange. Auch verabschiedete Verordnungen können zu Fall gebracht werden, wie uns das Beispiel Frankreichs zeigt. In diesem Sinne: Tous ensemble. Auf zur fröhlichen Schnitzeljagd!

Medienspiegel zur gestrigen Demo am Dies Academicus:

Express
 http://www.express.de/servlet/Satellite?pagename=XP/index&pageid=1006361736814&rubrik=268&artikelid=1143448154375

Bonner Rundschau
 http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1143819576545.shtml

der Bonner Generalanzeiger hat leider keine vernünftige Internetpräsenz, der Artikel war diesmal jedoch im Gegensatz zum letzten Bericht einigermaßen objektiv.

auch auf der Internetpräsenz der taz findet sich leider kein Artikel zum Protest in Bonn.
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Ergänzungen

Zahl der Gebührengegner im Senat

Bonner 01.06.2006 - 18:28
Im Vorfeld der Geheimsitzung ist zwar davon auszugehen, dass es eine Mehrheit für die Gebühernpläne des Rektorats geben wird; sicher ist dies aber nicht, da in allen vier vertretenen Gruppen (Studierende, Wissenschaftlicher Mittelbau, Nichtwissenschaftliche MitarbeiterInnen, ProfessorInnen) unter den Senatsmitgliedern auch Gebührengegner sind. Dadurch, dass sich einige Senatoren (verhindert wegen auswärtiger Verpflichtungen) vertreten lassen, ergeben sich möglicherweise offenere Mehrheitsverhältnisse. Leider ist seitens der Gebührengegner eine offensive Kampagne gegenüber einzelnen Senatsmitgliedern ausgeblieben. Der Protest ist zwar lautstark, aber - gremientechnisch gedacht - nicht unbedingt auch effektiv. Die Vorstellung, im Senat seien nur unzugängliche 'vornehme Herren' versammelt stimmt so nicht, nur ist das 'Netzwerken' des Rektorats gegenüber den Gremienmitgliedern bislang einfach professioneller vonstatten gegangen als das der Gebührengegner.

Senat

Hobo 02.06.2006 - 18:52
Die Frag ist, ob mensch überhaupt sich auf ein Gremium wie den Senat verlassen soll. Sitzen doch bei 26 Mitgliedern vier StudisenatorInnen in diesem Gremium, d.h. die ProfessorInnen können mit ihrer Mehrheit alle Entscheidung druchdrücken. Ein solch reaktionäres Ständewahlrecht kann nicht als demokratischer Entscheidungsweg legitimiert werden. Einige ProfessorInnen die Senat Gebühren gegenüberstehen haben zudem vor dem Willen der Mehrheit ihrer Kolleginnen resigniert. So waren einige offensichtlich nicht bereit sich hinter militärischer Hochsicherheitsanlage in der Voreifel zu verschanzen und stattdessen lieber in die Pfingstferien zu starten.

NL der Uni

Schtudent 02.06.2006 - 18:55
Extra-Newsletter der Universität Bonn : Nr. 6a/2006


*** Senat der Universität Bonn beschließt Studiengebühren

Die Universität Bonn führt zum Herbst in allen Fächern Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester ein. Das hat ihr Senat jetzt beschlossen. Weil am Morgen Demonstranten zahlreiche Senatsmitglieder am Betreten des Hauptgebäudes der Universität gehindert hatten, wurde die Sitzung unterbrochen und am frühen Abend an einem Tagungsort außerhalb Bonns fortgesetzt.

Formal fällte das höchste Beschlussgremium der Universität die Entscheidung, indem es eine "Beitrags- und Gebührenordnung" verabschiedete, die die Erhebung und Verwendung der neuen Studienbeiträge regelt. Das Bonner Rektorat rechnet mit Einnahmen von jährlich rund 20 Millionen Euro, die ausschließlich zur Verbesserung der Studienbedingungen verwendet werden. "Damit wird es uns gelingen, die Studiensituation rasch spürbar zu verbessern", kündigte Rektor Professor Dr. Matthias Winiger an.

Die vom Senat verabschiedete Satzung sieht vor, dass der Löwenanteil der Studiengebühren dezentral für Maßnahmen in den Fakultäten und Instituten zum Einsatz kommt. Durch die Schaffung zahlreicher neuer studentischer Tutorenstellen wird ein Teil der Gebühren sogar an die Gebührenzahler zurückfließen. Ein weiterer Teil der Gelder ist für zentrale Maßnahmen wie die Ausweitung der Öffnungszeiten und des Bestandes der Universitätsbibliotheken bestimmt.

Die ersten von der neuen Gebührenordnung betroffenen Studierenden sind Studienanfänger, die ihr Studium zum Wintersemester 2006/2007 beginnen. Alle anderen an der Uni Bonn eingeschriebenen Studenten werden ab dem Wintersemester 2007/2008 gebührenpflichtig. Die bisher erhobenen Langzeitstudiengebühren entfallen.

Der Entscheidungsprozess des Senates wurde von lautstarken Protesten von Gebührengegnern begleitet. Im Vorfeld hatte es sogar Aufrufe zu Gewalt gegeben. Das Rektorat hatte sich angesichts der Sicherheitslage am Morgen entschlossen, die Sitzung an einem zunächst nicht genannten Ort fortzusetzen. Ursprünglich sollte der Senat auf einem der Versuchsgüter der Universität zusammen kommen. In letzter Minute wurde dann jedoch die Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften (FGAN) in Wachtberg angesteuert.


Und ein Tag später:

Korrektur zum Extra-Newsletter der Universität Bonn vom 1.6.2006


*** Einführung von Studiengebühren

Irrtümlich hatte sich gestern in unsere Mitteilung ein Fehler eingeschlichen: Der Senat hat beschlossen, die allgemeine Gebührenpflicht (d.h. für alle bereits eingeschriebenen Studierenden) bereits zum Sommersemester 2007 einzuführen. Wir bitten um Entschuldigung.

In Kürze werden wir die neue Beitrags- und Gebührenordnung im Bereich Aktuelles/Downloads veröffentlichen.

Generalanzeiger

der_Auskenner 02.06.2006 - 19:01
Der Bonner Generalanzeiger hat sehr wohl eine Internetpräsenz...inwieweit diese "vernünftig" ist vermag ich jedoch nicht zu beurteilen...

 http://www.general-anzeiger-bonn.de


Bonner Senat beschließt Gebühren unter Polizeischutz:
 http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/artikel.php?id=176745