Montagsdemo München: Zwangsumzug hier +dort

bernd* 01.06.2006 01:28 Themen: Antifa Freiräume Repression Soziale Kämpfe
nach dem Erfolg im Mikrofon-Streit optimieren die Münchner Montagskämpfer den
Widerstand gegen das unsägliche "Optimierungsgesetz" und drohende Zwangsumzüge.
Von letzterem sind ja schon jetzt betroffen ...
Auch nach dem bahnbrechenden Erfolg gegen das sog. "Mikro-Verbot" bei weniger als 50 Teilnehmern
vgl.  http://de.indymedia.org/2006/04/143542.shtml

ist die Palette der grossen und kleinen Repressionen gegen die Montagsdemo München natürlich
längst nicht aufgebraucht:

Die Landeshauptstadt München/KVR hat den Anti-Hartz-Kämpfern seit einigen Wochen
ein Nomadendasein beschert. Zuerst gab es die Verlegung der Montagsdemo vom angestammten
Marienplatz an den Karlsplatz/Stachus am 8. Mai. Diese war ja zumindest noch mit den
schauerlichen Aktivitäten der Neo-Nazis anlässlich des 61. Jahrestages der deutschen Kapitulation
zu begründen. Die Nazis hatten natürlich "Vorrecht" auf dem Marienplatz - unabhängig
von den Protesten der Öffentlichkeit gegen ihre braune Geschichtsfälschungsveranstaltung...

Zwei Punkte haben die Staatsschützer wohl trotz der durchgesetzten Zwangsumsiedlung geärgert:
-die Montagsdemo zieht wieder mehr Leute an, am Stachus waren mehrfach 60-80 Teilnehmer
zu beschallen, insgesamt ca. 200 an einem Abend
-die Montagsdemo rief wie befürchtet (in)direkt zur Teilnahme an den Gegenkundgebungen
gegen den Naziaufzug am 8. Mai an der Oper auf

Letzteres darf von einer antifaschistischen Veranstaltung (solches ist die Münchner
Montagsdemo nämlich) auch erwartet werden. Die Cops traten schon vor Beginn der Montagsdemo
dermassen martialisch auf, dass viele Passanten die Nazis hier am Stachus vermuteten.
Das i-Tüpfelchen war das gnadenlose Abfilmen der gesamten Demo durch eine riesige
Polizei-Videokamera. Es zeigt sich wieder und wieder, dass antifaschistische Aktionen in
Bayern per se zu kriminalisieren sind.

Heftige Proteste seitens der Veranstalter und eine erstaunliche Solidarisierung seitens
des herbeiströmenden Publikums. Offensichtlich haben viele Bürger weniger Angst, bei einer
Antifa-Aktion gefilmt zu werden als bei einem Hartz-IV-Protest. Das gibt uns zu denken.
Bei einer offenen Abstimmung über das weitere Vorgehen an diesem Abend wurde mehrheitlich
beschlossen, unsere Veranstaltung bald abzubrechen, damit jede/r angesichts der parallelen
Nazi-Propaganda Gelegenheit zu einer sinnvollen Abendgestaltung hat.
Hierzu wurde dann vor Ort massenhaft die beliebte "Rote Karte gegen rechts" vergeben.


Was dann geschah:
Nach einigen Veranstaltungen auf dem Stachus ist die Montagsdemo nun vom KVR ohne Begründung
bis zum 10. Juli an den Richard-Strauss-Brunnen verlegt worden.
Wie der geneigte Ignorant merkt, handelt es sich um eine verlegung anlässlich der
Fussball-WM, wir bleiben somit ein anerkanntes Sicherheitsrisiko.


Um dies zu belegen, geht die Montagsdemo München wieder mal in die Offensive.
Zum einen natürlich gegen die abstruse und superfeige Kampagne namens "Optimierungs-
gesetz", die der Regierung von den Wirtschaftsverbänden in Auftrag gegeben wurde.
Die Lügen ("Kostenexplosion") und der uralte Wein in alten Schläuchen ("Missbrauch")
sind derzeit das Hauptthema am offenen Mikrofon -genau wie in der Presse, nur eben mit
100%-ig anderen Erkenntnissen.
Und da die Montagsdemo München angesichts ihrer eigenen Situation etwas Zynismus braucht,
macht sie sich das drohende Szenario gegen die Arbeitslosengeld II-Empfänger zunutze und
agitiert regelmässig zum Thema "Zwangsumzüge". Erst arbeitslos, dann wohnungslos?!

Zur Montagsaktion am 29.5. wurden symbolisch mehrere Umzugskartons aufeinander gestapelt und
mit Parolen bestückt. Leider blieben beim thematisch passendem nasskalten Wetter anfangs nur
wenig Leute stehen. Die Beiträge am offenen Mikrofon brachten aber immer mehr Details
der heute (wie gewohnt eilig) durchzupeitschenden Regierungs-Grausamkeiten zutage.
Perverse Details wie die perfiden Sanktionierungen angeblicher "Arbeitsverweigerer" und die
Beweislastumkehr bei Nicht-Bedarfsgemeinschaften brachten die Redner auf die Palme
-und stehendes Interesse bei den Passanten. Auch die schon bestehende Nichtübernahme höherer
Mietkosten bei Umzug sorgten für den wärmende Hassgefühle.
Besonders das anschliessende Thema "Scham" als Garant für die Selbstzerstörung Hartz-IV-Opfer
kam gut, erklärt es doch auch, warum unter immer schlimmeren Schikanen die Betroffenen immer
weniger Aktivität entwickeln -- ein Thema, das die Montagsdemo nun intensiver diskutieren will.

In kämpferischer Stimmung wurde auf die nassen Umzugskartons gezeigt und beschworen,
dass wir uns nicht so vermatschen lassen werden. Als ein Schritt hin zum erfolgreichen
Widerstand wurde wieder für die Teilnahme an der Grossdemo in Berlin am 3.6. mobilisiert.
Dazu gehört auch, dass während der WM die Weltöffentlichkeit erfahren soll, warum umd
wie hier Sozialabbau und innere Aufrüstung zusammen gehören und dass wir dafür kämpfen,
dass es nicht heissen soll: "zu Gast bei Nazis".

Die Aktion gegen Sozialkahlschlag (in der auch die Montagsdemo München mitmacht) hat einen
Bus gechartert, der am Freitag um Mitternacht von München, DGB-Haus, nach Berlin abhebt.
Kurzentschlossene können sich unter  ggsozialkahlschlag@gmx.de um ein Ticket prügeln (35.-/10.-)
oder sich unter www.protest2006.de schlau machen.

Schluss mit den ´Reformen´ gegen uns! Du BIST PARIS.
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Ergänzungen

mikrophonverbot wurde gestärkt!

asef 01.06.2006 - 03:19
die mlpd hat es geschafft ein aussichtreiches verfahren gegen mikrofonverbote zurückzuziehen und statt dessen dem kvr angeboten auf eine klage zu verzichten, wenn es eine sondergenehmigung für sie gibt. das war der deal. kein sieg gegen mikrofonverbote sondern eine niederlage, außer für die mit der sondergenehmigung. aus dem munde bernds klingt's natürlich so als ob es keinen deal gegeben hätte:

zitat:
---
da es nun für viele mundgetötete interessant ist, wie wir das
mikro-verbot weggekriegt haben, hier das prozedere:

unsere rechtanwältin (die verdiente angelika lex) hat am montag 3.4.
einen eilantrag beim verwaltungsgericht münchen gestellt mit dem
ziel, die auflagen des kvr bezüglich des verbotes einer verstärkeranlage
bei weniger als 50 teilnehmern aufzuheben.

es muss dann umgehend einen kontakt zwischen kvr und dem verwaltungsgericht
gegeben haben, in dem letzteres dem kvr die ungünstigen aussichten des
mikroverbotes kommuniziert hat.
denn bereits am 6.4. erging der -kommentarlos- geänderte bescheid des kvr
an unsere versammlungsleiterin andrea dumberger.

in diesem bescheid war einfach der umstrittene passus herausgenommen.
unsere anwältin wurde zwischenzeitlich vom leiter des kvr gebeten, den eilantrag zurückzuziehen, weil diesem ja nun abgeholfen wurde. und so
wurde der eilantrag von ihr zückgezogen. die erkämpfte neue regelung ist bereits in kraft.

p.s. auch die stuttgarter montagsdemo hat per eilantrag erfolg gehabt.
unter  http://www.montagsdemo-stuttgart.de/ gibt es eine eigene rubrik
zum "lautsprecher-spektakel".

----

@asef wegen mikro

bernd* 01.06.2006 - 05:07
hallo & nix für ungut, aber das zitat von mir ist nicht
mehr up-to-date, und das ist natürlich auch etwas meine schuld.

ich hatte damals unwissentlich falsch wiedergegeben (bin kein jurist),
wir hätten den eilantrag _zurückgezogen_. dem war aber nicht so, vielmehr
wurde das verfahren eingestellt, nachdem den forderungen aus unserem
eilantrag voll entsprochen wurde und wir deshalb die hauptsache für
erledigt erklärten- und mehr war damit auch nicht zu erreichen.
-auch hat unsere anwältin nicht auf bitten des kvr irgendetwas
zurückgezogen (das war ein interpretationsfehler meinerseits)
-nicht wir haben dem kvr einen deal angeboten, sondern andersrum:
wir hätten durch eine zahlung an eine gemeinnützige organisation die
strafanzeige abwenden können. aber wir haben uns nicht drauf eingelassen.

eine klage unsererseits wäre nicht finanzierbar und weniger aussichtsreich
gewesen als der eilantrag. so habe ich auch schon z.b. indynews und auch
weitere montagsdemos mit unserem fall-update bzw. aktenzeichen versorgt.

also:

1) es gibt ein aktenzeichen: M 7 S 06.1318. dieses hat das bayr. verwaltungsgericht bei
seiner entscheidung vom 11.5. wegen unseres eilantrages vom 3.4.06 benutzt

2) diese entscheidung des verwaltungsgerichtes besagt, dass das von unserer anwältin
eingeleitete verfahren (eilantrag) eingestellt wird und die kosten von der landeshauptstadt
(kvr) zu tragen sind.
begründung: die montagsdemo hat am 10.4. die hauptsache für erledigt erklärt (weil unserem
eilantrag vom 3.4. durch den geänderten bescheid des kvr vom 6.4. entsprochen wurde)
und die gegenseite hat dem nicht innerhalb von zwei wochen widersprochen

ergo: die von der montagsdemo beanstandeten einschränkungen des versammlungsrechts
wurden vom kvr zurückgenommen, dem eilantrag wurde entsprochen, das verfahren eingestellt
und die verfahrenskosten trägt die stadt münchen. der eilantrag war also voll erfolgreich.

hoffe, dass meine darstellung verständlich ist. gerne kann ich die
gerichtsdokumente als .pdf-datei weitergeben, zwecks argumentation
für weitere analog betroffene.

p.s. nicht die mlpd(?) hat irgendetwas getan oder nicht getan, sondern die
koordinierungsgruppe der montagsdemo münchen hat nach beratung durch ihre
anwältin per diskussion und abstimmung eine entscheidung getroffen.

zwangsumzüge kommen

mobilifix 02.06.2006 - 13:17
aus der jw vom 20.05.2006:

Eine Mauer aus Kartons
Demonstration in Bochum gegen Zwangsumzüge. Sozialinitiativen üben harsche Kritik an Behörden und Politikern

Rund 180 Demonstranten sind am Donnerstag abend in der Bochumer Innenstadt gegen drohende Zwangsumzüge von Beziehern des Arbeitslosengeldes II auf die Straße gegangen. Zu dem Protest hatte ein breites Bündnis von Selbsthilfeeinrichtungen, Sozialverbänden, linken Gruppen und Parteien aufgerufen.

Ellen Diederich, Friedensaktivistin und selbst Betroffene der Hartz-IV-»Reform«, bezeichnete die geplanten Zwangsumzüge als »größte Vertreibungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik«. Arme hätten jetzt nicht mehr das Recht, ihren Wohnort frei zu bestimmen, sie würden darüber hinaus aus ihren sozialen Zusammenhängen gerissen. Ähnlich äußerte sich Ulrich Schneider, Sprecher des Arbeitskreises Erwerblose bei der Bochumer IG-Metall. Er zitierte den Chef der Drogeriekette DM, Goetz Werner, der Hartz IV als »offenen Strafvollzug« und »Menschenquälerei« bezeichnet hatte.

Stellvertretend für die 1400 Bochumer »Bedarfsgemeinschaften«, die alleine in Bochum zum Umzug gezwungen werden sollen, stellte Aichard Hoffmann vom Bochumer Mieterverein die Situation dar. Er warnte vor Zwangsumzügen in einer Größenordnung, die »gewaltige Umwälzungen auf dem Bochumer Wohnungsmarkt bedeuten« und zu weiteren »Konzentrationen einkommensschwacher Haushalte in den Billig-Quartieren« führen. Vor dem Rathaus, in dem zu diesem Zeitpunkt der Sozialausschuß des Stadtrats über Zwangsumzüge beriet, bauten die Demonstranten eine Mauer aus Umzugskartons auf.

Die in Bochum regierende Koalition aus SPD und Grünen beließ es unterdessen nur bei politischen Allgemeinplätzen. So beauftragten die sozialpolitischischen Sprecherinnen von SPD-Fraktion und Grünen im Bochumer Rat, Gaby Schäfer und Anna Konincks, die Verwaltung lediglich, »sich an der Einrichtung eines niederschwelligen Beratungsangebots« für Bezieher von ALG II und Sozialhilfe zu beteiligen.

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Sonderseite bei Labournet · Aufstehen gegen Hartz-IV-Zwangsumzüge - subito! www.gegen-zwangsumzuege.de

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