Containern - Netto: Zeigen Sie sich selbst an!

JUB 31.05.2006 10:39 Themen: Repression Ökologie
Etwa die Hälfte der Lebensmittel einer Stadt wird von den Discountern weggeworfen, weil sie nicht mehr "verkäuflich" sind. Sie haben Druckstellen, das Mindesthaltbarkeitsdatum naht, die Produktpalette wurde aufgegeben oder die Verpackung wurde beschädigt. Das sind häufige Gründe, warum völlig brauchbare Nahrung entsorgt wird.Aus einer Auseinandersetzung bei Netto während des "Containerns" - das Mitnehmen noch guter Nahrung aus den Mülltonnen von Supermärkten - wurde offensiv eingefordert, die AktivistInnen anzuzeigen, um diese skandalöse Lebensmittelvernichtung öffentlich zu machen. Reaktion der Marktleitung: Zeigen Sie sich selbst an! Auch die Polizei, die von Netto alarmiert wurde, hatte keine Lust und weigerte sich wegen "Müll-Diebstahl" zu kommen.
Heute Morgen in Magdeburg beim Containern: Mitarbeiterinnen von Netto verlangen, das Gemüse zurückzugeben, das aus den Mülltonnen des Supermarktes geholt wurde, weil es völlig in Ordnung ist und nur aus Profitgründen entsorgt wurde.
Was ist Containern? (Wikipedia dazu)

Daraus enstand eine Diskussion über Lebensmittel-Verschwendung während gleichzeitig Menschen in aller Welt aber auch in diesem Staat hungern und in Armut leben. In der Auseinandersetzung schlugen die containernden Menschen vor, der Markt sollte sie anzeigen, damit dann ein Prozess geführt werden könnte, mit dem diese Politik öffentlich thematisiert und skandalisiert werden kann. Ein zu diesem Zweck vorbereiteter Zettel mit Personalien und der Aufforderung zur Anzeige, um eine öffentliche Auseinandersetzung über "Lebensmittel-Verschwendung bei Netto und Hunger in der Welt" zu führen, wurde übergeben.

Die Marktleiterin droht damit die Polizei zu holen und wurde dazu von den AktivistInnen ermuntert. Für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem Personal war genau das überlegt worden. Es sollte nicht nur um "Selbstorganisation im Alltag" - siehe z.B. http://www.selbstorganisation.de.vu - gehen, sondern auch die politische Dimension der Lebensmittelvernichtung angegriffen werden. Gleichzeitig ist das Einfordern von Repression eine Spielart der "kreativen Antirepression" (http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/) und führt häufig dazu, dass das Ziel von Herrschaftsdurchgriffen umgelenkt werden kann.

Erst waren zwei weitere Mitarbeiterinnen da, die sich verschlossen und nicht diskussionsbereit zeigten. Da weiterhin das Gespräch gesucht wurde, ergab sich allmählich mit einer der Beiden eine Unterhaltung und sie zeigte sich verständnisvoll dafür, dass Leute es nicht gut finden, dass diese Lebensmittel weggeworfen werden, meinte aber, dass das so sein müsste.

Dann kam die Marktleiterin mit dem Spruch wieder raus, die AktivitsInnen sollten sich doch selbst anzeigen, die Polizei wolle nicht extra kommen wegen Müll-Diebstahl. Daraufhin sind die Mitarbeiterinnen gegangen und es wurde weiter containert.

Angekündigt hat die Marktleiterin allerdings zukünftig die Container zu verschließen und so unzugänglich zu machen. Das Ziel, ueber ein Gerichtsverfahren des Marktes gegen die AktivistInnen eine öffentliche Thematisierung zu erreichen, gelang also nicht. Allerdings wurde auch klar, dass die Netto-Mitarbeiterinnen mit Drohungen nichts erreichen würden und sie störten das weitere Containern nicht mehr. Jetzt bleibt zu überlegen, wie erreicht werden kann, dass es doch zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommt - auch wenn Netto dem aus dem Weg zu gehen versucht.

Vorstellbar wäre das mit Aktionen vor dem Supermarkt, einer Projektion des Films "We feed the World" an diesem Ort, Infoveranstaltungen zu Hunger und Vernichtung von Lebensmitteln etc. Vielleicht müsste mensch auch eine sinnvolle Eskalation entwerfen, die dazu führt, dass Netto um eine Anzeige nicht herumkommt und es dadurch gelingt die Discounterpolitik so in den medialen Mittelpunkt zu befördern.

Gut wäre es gewiss auch mit der "Tafel" und ähnlichen Organisationen in Kontakt zu treten, um von Netto fordern zu können, dass sie die Lebensmittel nicht einfach wegschmeißen, die sie nicht verkaufen wollen. Es ist ja schon interessant, dass diese Kette noch nicht einmal die mittlerweile anerkannten Organisationen beliefert, die sonst die "Reste der kapitalistischen Wegwerfgesellschaft" sammelt, um sie weiterzuverteilen.

Würde Netto aufgrund öffentlichen Drucks seine Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden an Menschen und Projekte kostenlos bereitstellen, würde dies allerdings auch nichts an der zugrundeliegenden Logik des Kapitalismus ändern. Diese gilt dann an allen anderen Stellen weiter und muss angekämpft werden. Allerdings könnte es strategisch eine sinnvolle Forderung sein.

Natürlich ist Netto nicht der "schlimmste" oder der Markt, der sich für eine Kampagne gegen die kapitalistisch begründete Vernichtung von Nahrung am besten eignen würde. Trotzdem kann diese Kette exemplarisch angegriffen werden, um eine Thematisierung zu erreichen.

Es entsteht dazu gerade eine "Initiative gegen die Vernichtung von Lebensmitteln", aus der heraus Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen entstehen koennen. Ein Wiki wurde bereits eingerichtet. Die Idee ist, dass diese Kampagne nicht zentral geleitet wird, sondern Interessierte, AktivistInnen, WissensträgerInnen diese dadurch gestalten, dass sie sich nach ihren Möglichkeiten einbringen.Das Wiki kann zur Vernetzung, zum Zusammenstellen von Hintergrundinformationen, zur Öffentlichkeitsarbeit und als Anlaufstelle für Interessierte dienen. Dort gibt es auch eine Diskussionsseite, wo über die Ausrichtung der Initiative, Aktivitäten etc. debattiert werden kann.
http://www.lebensmittelvernichtung.de.vu

Wer beteiligte Menschen direkt erreichen möchte, kann sich an das Jugend-Umweltbüro in Magdeburg wenden, das als Kontaktadresse für die Initiative genutzt wird. Das Jugend-Umweltbüro ist ein offen nutzbarer Raum, wo AktivistInnen Projekte entwickeln, sich austauschen und vernetzen können.

Kontakt:
Initiative gegen die Vernichtung von Lebensmitteln
Karl-Schmidt-Str. 4, 39104 Magdeburg
lebensmittelvernichtung@projektwerkstatt.de
Telefon 03 91-55 70 753

weitere Infos

Container-Tipps:
http://www.projektwerkstatt.de/alternative/konkret_essen.html

Praxisseminar "Selbstorganisation in Alltag und Politik":
http://www.selbstorganisation.de.vu

Containern = Diebstahl? TAZ-Artikel zu einem Fall:
http://www.taz.de/pt/2004/12/21/a0047.1/text

Anders-leben-Wiki:
http://anders-leben.tk/

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Ergänzungen

essen global

... 31.05.2006 - 12:34
filmtip zu dem thema: we feed the world - essen global

gut so, aber...

respect 31.05.2006 - 13:53
die aktion finde ich total super gelungen, wenn es mir auch so scheint als ob die diskussion mit den mitarbeiterinnen eher zufällig zustande kam!
es ist richtig, endlich auf den missstand von kapitalistischer wegwerflogik und armut (überall!) hinzuweisen!
nur eine kleine anmerkung: wenn die container jetzt gesichert/unzugänglich (also bestimmt abgeschlossen) aufbewahrt werden sollen und ihr sie trotzdem weiter für lebensmittelbeschaffnung nutzt, wäre dies nicht strafbar?? ich denke da vorallem an das aufbrechen eines schlosses (evtl.hausfriedensbruch?). ich weiß nämlich auch, dass es viele märkte so machen, d.h. ihre container abschließen, damit der "mülldiebstahl" verhindert wird. soll jetzt aber nicht besserwisserisch klingen, sondern nur als kleiner gedankengang!
trotzdem viel erfolg bei der eventuellen kampagne und viele unterstützerinnen!!!

schloß an´s schloß

DAhasilein 31.05.2006 - 14:00
wenn discounter die container mit schößern unzugänglich machen, empfiehlt es sich selbst ein schloß am container anzubringen, (oder so ähnlich ;-)).

meistens finden die das so nervig, daß sie das zuschließen wieder sein lassen. (zumindest solange von containernden kein schlachtfeld hinterlassen wird.)

Containern, ein Vergnügen

Container/in RZ 31.05.2006 - 14:15
Seit nicht langer Zeit containere ich nun, habe es nicht wirklich finanziell nötig, halte es aber für eine "gute Sache".Bei uns in der Kleinstadt containert sonst niemand, dafür sind die Container aber auch nicht verschlossen.Sehr angenehm!Das Containern an sich ist auch wirklich toll, weil mensch nie weiss, was ihn vorher erwartet.Manchmal gibt's richtige Feste danach mit ein paar Freunden.Denn wenn mensch 120 Trinkpäckchen containert, für bspw. ein Seminar, dann spart mensch auch Geld.
Eines Nachts waren wir los, wühlten gerade im "Müll" und wurden beobachtet- ein aufmerksamer Nachbar.Der aber war vollkommen überfordert und verwirrt als ich sagte: "Wir suchen hier nur im Müll, kein Grund zur Sorge."
Ein reicher Beutezug, Joghurte bis zum Abwinken!Viele Grüße nach Giessen von ...

Bildet Container-Kooperativen!

DerSprechendeContainer 31.05.2006 - 16:26
hallo,

anmerkung1: containern muss ja nicht unbedingt kramen im container sein, sondern können auch absprachen mit filialleiterInnen sein
anmerkung2: leute aus berlin, die lust haben, organisierter zu containern, schreibt doch einfach an containern-in-berlin (ÄT) web (PUNKT) de.

Dinge umsonst besorgen

derUmsonstBesorger 31.05.2006 - 16:28
COntainern ist eine Möglichkeit Essen umsonst zu besorgen. Allerdings kann Mensch noch viel mehr Dinge umsonst besorgen, wenn das nötige Wissen vorhanden ist. Guckt rein und ergänzt, was in der Ideensammlung unter http:/www.dinge-umsonst-besorgen.de.vu schon steht (Wiki).

Video zu früheren Container-Aktionen

yetzt 31.05.2006 - 18:59

Trick bei zugeketteten Containern

Leckermaul 06.06.2006 - 20:00
Man besorge sich eine Art Karabiner - siehe Bild - und einen Bolzenschneider.
den Rest findet ihr mit vieel Phantasie selber raus.

das erstere gibts bei einem großen Onlineauktionshaus oder beim Eisenwarenhandel unter dem Namen Kettenschnellv

Guten Appetit!

Tiere sind keine Lebensmittel

Achim Stößer 31.08.2007 - 16:18
Nichts gegen das Containern von Lebensmitteln, aber viele mißbrauchen das ursprünglicha ls free+vegan=freegan (vgl  http://maqi.de/glossar/freegan ) gedachte Konzept, um "Tierprudukte" zu kosmusmiere - mit fatalen folgen, was die Signalwirkung angeht.

Mehr dazu unter Vegan ist nicht genug -  http://antispe.de/txt/veganistnichtgenug.html ... siehe auch  http://maqi.de/glossar/containern .

Containern mit Herzklopfen ...

MHD. 19.03.2009 - 13:08
Wie ich gelesen haben, Containern viele Nachts. Da wundert mich das erlich gesagt gar nicht, wenn Sammler mal erwischt werden,das ist doch viel zu riskant mit einer Taschenlampe im dunkeln suchen. Ich gehe nur am Sonntag früh los und ich weis um wie viel Uhr eine Streife ihre Runden fährt wo ich Container, das ist praktisch und bis auf ein paar Anwohner die das kennen, habe ich trozdem noch Herzklopfen wenn ich mich "Meiner ersten Tonnen ansteuer". Kann mich bis jetzt nicht beklagen und haben noch einen Mitsammler kennen gelernt, der das aus Protest macht und ich eigentlich nur aus Neugierde was so weg geschmissen wird.Die Supermärkte haben ihre Vorschriften was frische angeht und was nicht mehr gut ist,komme weg. Ich sehe das als eine erleichterung des Müllberges und der Umwelt, denn die Lebensmittel zu vernichten kostet viel Energie und Geld. Bis jetzt waren die Unmöglichsten Dinge dabei die gar nicht weg geschmissen werden müssten und trozdem nicht mehr gewollt waren. Ich freue mich jede Woche auf´s Containern, das ist wie Weihnachten, immer mit Überaschungen verbunden was denn heute wieder zu finden ist. Es werden auch immer mehr, die merken wenn was fehlt und machen die Tonnen dicht mit Eisenketten und ein teueres Schloss dran. Das dann zu knacken und selber eines dran hängen ist Einbruch und Diebstahl, was ich nie machen würde, schließlich sind die Angestellten nicht dum und blind.
Solange alles offen und für jederman zugänglich ist, gehe ich da ran, aber nur mit Handschuhe, das iat ein muss!
Darf man nie ohne ran gehen.

Linkergänzung

dumpstern 17.09.2010 - 11:35
Interessante Webseite rund um das Thema Containern www.dumpstern.de

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Armut in D und containern von flschen — keine Sau interesierts

müll — jaja

Aus Hunger Lifstyle machen? — Ostberliner Gourmand

Man hab ich es da gut — Kruemel