"Wegfeiern" - VergangenheitsVerwaltigung

Hartmut Barth-Engelbart 27.05.2006 13:48 Themen: Antifa
Zu diesem Thema hat jetzt noch wesentlich kompetenter die Historikerin Christine Wittrock ein ganzes Buch geschrieben
Wie in der deutschen Provinz "das Gedenken" an Faschismus, Judenpogrome und -vergasung, Arisierungsplünderungen und Zwangsarbeit ... weggefeiert wird.

Gelnhausen (- die im Reich erste schon vor der Pogromnacht judenfreie Stadt, Babarossastadt mit Kaiserpfalz und Kaiser-Wilhelm-Treppe, für die 1905 in die Altstadt eine Schneise geschlagen wurde, damit der Kaiser bei seinem Besuch vom für ihn extra errichteten neoromanischen Bahnhof aus die Marienkirche besser ereichen konnte. Der größte Hexenverbrenner der Region hat die Kanzel gestiftet, sein Grabdenkmal hat die Christengemeinde vom Chorraum aus fest im Blick, Rüstungsbetriebe - Gummiindustrie - mit KZ-Anlagenähnlichen Produktionshallen und späterer Bestversorgung mit Zwangsarbeitern, Garnisonsstadt mit denkmalgeschützten Kasernen Baujahr 1937, Militärflugplatz in dessen gebäuden heute eine HARTZ-4-Behörde haust - AQA nennt sie sich und beweist, dass Arbeit frei macht, Berge um die Stadt ausgehöhlt mit Bunkeranlagen, nach dem Krieg US-Garnison, Panzerplatz - SPEARHEAD gegen den Osten, postwendend angezündelte Asylbewerberkasernen - Lausbubenstreiche nach Epidemiedrohung durch den Landrat- Bürgerwehrversuche gegen Seucheneinschleppung aus dem Balkan,
"Als Kaiser Rotbart lobesam ins Heilge Land gezogen kam .... da sah man zur Rechten und zur Linken einen halben Türken herniedersinken " Na Ja , alles OK! Gelnhausen hat sogar ne Moschee, wer sollte denn auch die Arbeit machen, nach dem die Zwangsarbeiter verstorben und der Rest wieder freigelassen war, nachdem die Schlesier und Sudetendeutschen Flüchtlinge sich trotz allem in der Gewerkschaft organisierten und Tariflöhne wollten, da musste man ja Italiener, - die haben jetzt fast alle ein Geschäft oder eine Kneipe, richtige Unternehmer, oder die Griechen - zu denen gehen wir auch ganz gerne Essen, und dann halt die Türken --- aber seit die fast in der EU sind und immer mehr Dönerias und Lebensmittelläden haben, bleiben noch die Russen und die Polen und die Rumänen, beim StraßenBau (keine Autobahnbaustelle ohne Russen) , beim Erdbeernpflücken, Spargelstechen ---- aber die bleiben ja nicht, so wie früher als Saison- und Fremd und Zwangsarbeiter - ach was - ich war früher auch gezwungen zu arbeiten, und ein bisschen Zwang hat noch niemand geschadet... Baraken? Container ? Daheim wohnen die doch viel schlechter!klar , die, die deutsches Blut drin haben .. is doch klar, die können bleiben oder halt Juden, wenn sie nicht direkt nach Israel .... )
Ach so, apropos Juden, da fällt mir ein, was ich eigentlich erzählen wollte:

Bei der diesjährigen ökumenischen "Friedensdekade" - veranstaltet von der evangelischen Kirche Gelnhausens, auch der katholischen, von amnesty und Dritte Weltladen ..., sollte der Judenverfolgung gedacht werden - mit einer Veranstaltung, bei der die Gelnhäuser Archäologin Christine Raedler über das Schiksal dreier jüdischer Familien berichten sollte: es gab beim Thema Judenverfolgung keine Auflagen. Nur sagte und fragte niemand, wer die Judenverfolger namentlich waren, wer von der Arisierung direkt profitiert hat, wer die beschlagnahmten Bankguthaben und Barschaften erhielt und heute noch aus diesen Werten Zinsen schöpft, wer die Grundstücke sich aneignete -ohne Bezahlung oder zum eher symbolischen Preis,.

Das Thema Zwangsarbeit, Vernichtung durch Arbeit in den Gelnhäuser Betrieben und Verwaltungen, in den Kirchengemeinden, bei den Großbauern durfte im Rahmen dieser Veranstaltung überhaupt nicht angesprochen werden. Möglicher Weise hat sich hier ein erfahrener Gefolgschaftsführer im Kirchenvorstand durchgesetzt. Und die Kirchenleitung beugte ihr Haupt.

Auf die Aufforderung der Referentin an das Publikum in der ehemaligen Gelnhäuser Synagoge - zum Referat Fragen zu stellen, schwieg die versammelte Gemeinde. Verständlich? Mit im Saal saßen Vertreter der Hauptprofiteure der Zwangsarbeit, im Kirchenvorstand sitzt die Spitze des Rüstungs- und Automobilzulieferers "Veritas", die schon einmal gegen die Veröffentlichung von Dokumenten vorgegangen war, die belegen, dass die Firma Veritas nicht nur Zwangsarbeiter bis aufs Blut ausbeutete sondern auch die NS-Behörden aufforderte an schwangeren Zwangsarbeiterinnen Zwangsabtreibungen vorzunehmen. Bei der kriegswichtigen Produktion durfte niemand ausfallen!
Dass der Arisierungsgewinnler und "Erbe" des damals schon Opel-Autohauses Blumenbach mittlerweile seinen Krempel an ein grosses Unternehmen abgestoßen hat, dass Betten-Schmitt 1998 sein 60. Firmenjubiläum noch in dem ehemals jüdischen Laden feiern konnte, dass die Villa des Rechtsanwalts Sondheimer von der KdF-Organisation zunächst in den Besitz der Landwirtschaftskammer und dann in Kreisbesitz überging, der Kreis also auf arisiertem Gelände und in arisierten Räumen sitzt ....
dass sich halb Gelnhausen an geplündertem Eigentum und bei "Versteigerungen" an "jüdischen " Schnäppchen bereicherte ..

das alles wurde bei dieser Veranstaltung nicht erwähnt.
Dabei sitzen musste das Ehepaar Stern.
Das Paar durfte seine Verfolgung als Schiksal wiedererleben, für das es offenbar außer den bekannten Oberverbrechern aus Berlin hier am Ort keine Verantwortlichen gab. Ihr Grundstück direkt an der Kaiserpfalz kam - man weiß nicht wie - in den Besitz der Stadt und dient dem Bauhof als Lagerplatz.

Jetzt wird das Thema Zwangsarbeit einen Tag später ohne die offiziellen Gelnhäuser Kirchengemeinden und außerhalb der "Friedensdekade" und ohne das evangelische Oberhaupt in einem kleineren Raum mit weniger Presse behandelt werden: die örtliche Pax Christi - Gruppe hat diese Exil-Veranstaltung ermöglicht. Aus dem Hause Krebaum-Poppe - der obersten Etage der "Veritas" kam der Vorschlag, statt über die Zwangsarbeit und ihre Profiteure zu berichten, könne man sich doch dauf verständigen, dass die Firma VERITAS Geld spendet, um einen Künstler zu bezahlen, der für jeden in der Veritas verstorbenen Zwangsarbeiter einen Gedenkpflasterstein gestaltet .... aber eben nur wenn ...

Die Wege in die nächsten Kriege und Genozide sind mit Gedenksteinen und Gedenktagen gepflastert. Jährlich mahnen die Kriegstoten am Totensonntag. Und Montags produziert die Veritas wieder für die Rüstung.



Von den skandalösen Vorgeschichten dieser "Friedens-Dekade" in der Barbarossastadt Gelnhausen hat in der Presse niemand etwas geschrieben. Nun ja, der Bürgermeister erzählt heute noch zu vorgerückter Stunde in Gelnhausens Kneipen von der schönen Zeit, als er hier in der Wikingjugend führend tätig war.
Die evangelische Kirche braucht Geld für die Renovierung der Marienkirche, der Adventskalender muss gesponsort werden und der kommende Landeskirchentag braucht bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen eben auch viele Spenden. Und das Rote Kreuz und die Feuerwehr und der Sportverein und das Behindertenwerk und der Kultursommer und die Stadtbibliothek ...... ? Große Unternehmen sind weitgehend von Steuern befreit. Die Öffentliche Hand ist pleite. Da braucht man Unternehmer als Mäzene.... so sind halt die Sachzwänge.

Die Schlote von Veritas, Ullrich, Horst, Aerolith, Gummi-Joh und Co rauchen schon lange nicht mehr. Aber ihr Qualm, ihr Dunst liegt immer noch über der Stadt.

Manchmal ist der Smog hier im Kinzigtal so dicht, dass man nichts mehr sehen und hören kann. Nur das Kreischen der Krähen aus ihren Schlafbäumen , den Pappeln und Eschen, die der Volkssturm an der Meerholzer Landwehr vor die schnellausgehobenen Panzersperrgräben gepflanzt hat. Als der Russe nicht von Norden kam sondern der Ami von Süden.

Schöne Grüße

Hartmut Barth-Engelbart

Notwendige Ergänzung:
der Raum, den die Gelnhäuser Pax Christi-Gruppe für die Exil-Veranstaltung zum Thema Zwangsarbeit in und um Gelnhausen bei der Stadt ordnungsgemäß beantragt und zur Verfügung gestellt bekommen hatte, war am Abend der Veranstaltung verschlossen. Über 50 BesucherINNEN standen vor der versperrten städtischen Zehntscheune. Kein Hausmeister war zu finden. An einen Zufall wollte kaum jemand glauben. Die Veranstaltung fand aber trotzdem statt - in einem Nebenraum einer nahen Gaststätte in atemberaubender Enge. Das es dann ausgerechnet die legendäre Burgschänke war, die in Vateltin Sängers Roman "Die Buxweilers" eine zentrale Rolle spielt, das wiedrerum war wirklicher aber passender Zufall.

Ein wesentlicher Punkt der Veranstaltung waren die Dokumente über die Zwangsabtreibungen speziell bei "Ostarbeiterinnen" und hier besonders der Brief der Firma "veritas" an die NS-Behörden, die Abtreibung bei einer im 7. Monat Schwangeren endlich durchzuführen.
Ebenfalls im Zentrum des Interesses bei der Diskussion standen die durch Zwangsarbeit "ersparten Löhne", die z.B. bei der Frankfurter Rüstungsfirma ADLER mit ihrer Mehrheitsaktionärin Dresdner Bank mit 1.600 Zwangsarbeitern 2,6 Millionen Reichsmark ausmachten und bis heute mit ca. 6% verzinst über 70 Millionen Reichsmark bedeuten.


UND NUN ZU DEM BUCH, das wie schon das Buch zum Faschismus im Raum Schlüchtern (als Auftragsarbeit der Main-Kinzig-Kreises) nicht gedruckt zu werden droht:



Lieber Hartmut, mein Buch über den Altkreis Gelnhausen ist nun fertig. Es wird im November im CoCon-Verlag erscheinen. Voraussichtlicher Titel:
"KAISERTREU UND FÜHRERGLÄUBIG. IMPRESSIONEN AUS DEM ALTKREIS GELNHAUSEN 1918 - 1950"
ca. 200 Seiten, 16,80 €, zahlreiche historische Fotos und im Anhang ein Verzeichnis der ehemaligen jüdischen Bürgerinnen und Bürger des gesamten Altkreises (ca. 1.000 Personen). Die Forschungsarbeit basiert auf einer breiten Grundlage von Quellen aus den verschiedensten Archiven sowie Zeitzeugen-Gesprächen. Das Buch schließt sicher eine Lücke in der regionalen historischen Forschung.
Nun suche ich noch Leute oder Institutionen, die den Druck durch eine Subskription unterstützen könnten, also einige Dutzend Bücher im voraus bestellen. Hast Du vielleicht einen Tipp, an wen ich mich wenden könnte?


DIE BÜRGERMEISTER UND LANDRÄTE KANNST DU VERGESSEN, DENN DIE WISSEN, DAS BEI DER VERITAS ZWANGSABTREIBUNGEN AN ZWANGSARBEITERINNEN EINGEFORDERT UND DANN AUCH DURCHGEFÜHRT WURDEN, dass der NS-Bürgermeister von Bad Orb "Rassenschande"-Ergebnisse "beseitigen" ließ und ......
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Ergänzungen

Computer weggenommen

Hartmut Barth-Engelbart 27.05.2006 - 14:06
Jetzt ist es so weit
Auf der Buchmesse Frankfurt hat mir die WestMessi (Messe-Security) rund 50 Manuskripte zerstört, 45 hatte die Polizei bereits in Hanau wegen angeblicher "Volksverhetzung" beschlagnahmt und jetzt hat mutr ein anonymer Rudi und indymedia_leser auch noch den Computer weggenommen und angedroht seine Jugendgedichte hier zu veröffentlichen: meine aus den jahren 1960 bis 1965 habe ich noch garnicht ins Internet gestellt. Aber wenn er sie zum Vergleich- zur An- und Aufregung mal brauchen sollte: ich habe auch eine e-mail-adresse.

Schöne Grüße HaBE

www.autorenhessen.de/autoren/barth-engelbart

Hartmut Barth-Engelbart 29.05.2006 - 00:38
die angegebene homepage-adresse war falsch. Richtig ist die im Titel.

Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt

Hartmut Barth-Engelbart 30.05.2006 - 19:17
Unter diesem Titel erschien das Buch der Historikerin Dr.Christine Wittrock über den Faschismus in Schlüchtern und Langenselbold. Es war eine Auftragsarbeit des Main-Kinzig-Kreises. Der Landrat Karl(Charly) Eyerkaufer (SPD)weigerte sich jedoch, das Buch drucken zu lassen, da er sich vor Klagen der Familie des ehemaligen "Reichswirtschaftsführers" Kaus fürchtete, dessen nationalsozialistische Heldentaten noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts dafür ausreichten mit einer Bronzetafel am Langenselbolder Freibad geehrt zu werden. Ob die Liegenschaften und Geldmittel, die er für den Bau des Freibades gespendet hat, aus dem Besitz stammte, den er von der NS-Verwaltung aus enteignetem Gewerkschaftsbesitz erhielt, konnte aufgrund der Dokumentenlage nicht ausreichend geklärt werden.

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Nur SPAM! — Willy

Hist. Kenntnisse haben noch nie geschadet — Hartmut Barth-Engelbart