EU-Hilfe für Abschottung der Kanaren
Zwar setzt die spanische Regierung Madrid zur Abwehr der Schwarzafrikaner sogar schon Militär und Satelliten ein, aber vor der völligen Abschottung schreckt man wegen der Kosten und des entstehenden Bilds zurück. Die Sozialisten (PSOE) forderten nun Unterstützung in Brüssel. Eine "Notlage" nannte die Vizeregierungschefin Teresa Fernandez de la Vega die Situation bei ihrer Visite am Dienstag in Brüssel. Dem Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso, dem zuständigen EU-Kommissar Franco Frattini und der Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte sie: "Es ist kein Problem Spaniens, sondern Europas".
Nach Angaben des Italieners Frattini seien acht Staaten sofort bereit, Flugzeuge und Schiffe zur Luft- und Seeüberwachung vor Westafrika zu stellen. Am 30. Mai würden zwei Grenzsicherungsteams zum schnellen Eingreifen auf den Kanaren stationiert. Die Grenzschutzbehörde Frontex, die im Sommer 2005 gebildet wurde, werde den Einsatz leiten. Die Überwachung werde sich von Marokko, Mauretanien über den Senegal bis nach Guinea ausdehnen. Die EU sei auch bereit, Abschiebungen zu finanzieren und Geld für den Grenzschutz der Mitgliedstaaten bereit zu stellen.
Eine Notlage ist für De la Vega nicht, dass Tausende bei der Überfahrt ertrinken. Das war lange bekannt, aber Madrid blieb so lange untätig, bis es eine größere Zahl Schwarzafrikaner auf den Inseln ankam. Etwa 6000 haben die gefährliche bisher Überfahrt überlebt, obwohl sie nun sogar 1200 Kilometer aus Senegal zurücklegen.
Dort zeigt die "diplomatische Offensive" Madrids Wirkung. Polizei, Gendarmerie und Marine hätten schon fast 2000 Menschen abgefangen, teilte Marinechef Ousmane Ibrahim Sall mit. Neben Mauretanien sollen nun auch dort Lager errichtet werden. "Wir sprechen nicht von Internierungslagern. Wir sprechen über eine zeitweilige Aufnahme", sagte De la Vega in dem Stil, wie ihn Ex-Minister Otto Schily einst vorgab. Man werde auch dafür sorgen, dass dort die Menschenrechte nachprüfbar respektiert würden. Wie im Fall Marokkos und Mauretaniens wird auch dort die Rücknahme der Menschen erkauft. "Sie können sie mir ruhig zurückgeben", sagte Senegals Präsident Abdulaye Wade. Man solle ihm aber auch Geld zum Bau von Stauseen und Zisternen bringen, forderte er.
Diese humanitäre Verschleierung ist bekannt. So wurde schon der Bau des ersten Lagers in Mauretanien begründet. Doch die 170 per Schnellabschiebung von den Kanaren deportierten Menschen kamen dort niemals an. Spanien stellte sich sogar hinter Marokko, als das Königreich in der so genannten Krise um seine Exklaven Ceuta und Mellila Schwarzafrikaner in der Wüste, in zum Teil verminten Gelände, absetzte. Wie viele davon verhungert oder verdurstet sind, ist weiter unklar.
Die Entwicklung ist nach Geschmack Frattinis. Der EU-Kommissar für Justiz und Inneres Franco Frattini hat in gutem EU-Kauderwelsch eine gemeinsame Abschieberichtlinie als "gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger" aufgearbeitet. Er will, dass Abschiebungen konsequenter umgesetzt werden, da sonst "die Integrität und Glaubwürdigkeit unserer Einwanderungs- und Asylpolitiken" auf dem Spiel stehe. Nach dessen Angaben würden in den 25 Mitgliedstaaten zwar jährlich etwa 660.000 Abschiebungen angeordnet aber davon nur ein Drittel durchgeführt.
Viele derer, die nicht abgeschoben werden oder werden können, landen in sogenannten Abschiebezentren. Die seien "Gefängnissen sehr ähnlich", zeichneten sich manchmal noch durch schlechtere Bedingungen aus, klagt derweil die Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke im Europaparlament. Dort würden Menschen oft unter "widerrechtlichen, unmenschlichen und erniedrigenden Zuständen" festgesetzt, "ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt" und oft "Gewalt gegen sie angewendet. Der italienische Abgeordnete Giusto Catania sagte, manche der Einrichtungen seien regelrechte "Zentren für Menschenrechtsverletzungen".
Vor der Debatte im Europaparlament hat die Linksfraktion eine Kampagne gegen die Pläne gestartet und fordert gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen die "Schließung der Aufnahmelager für Migranten in Europa". Davon gäbe es derzeit 178, weitere Lager sind in Bewerberländern oder angrenzenden Ländern errichtet worden.
Es wird kritisiert, das in der Richtlinie die Gründe für den illegalen Status der Migranten völlig außer Acht gelassen werde. "Aus dem Inhalt des Vorschlags geht eindeutig hervor, dass die Kommission zur Regelung des 'Migrationphänomens' einen repressiven Ansatz verfolgt und sich dabei auf die 'Bekämpfung der illegalen Einwanderung' konzentriert", heißt es in dem Aufruf zur Unterschriftensammlung.
Neben etlichen beanstandungswürdigen Punkten wird auch die Institutionalisierung des "Verwaltungsgewahrsams" in den Lagern kritisiert, womit "diese Form der Haft auf bis zu sechs Monate ausgedehnt werden" könne. Dieser Gewahrsam sei rechtlich absurd, weil er sogar Haft für Ordnungswidrigkeiten, wie illegale Einreise oder ein abgelaufenes Visa, vorsehe.
© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 25.05.2006
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Ergänzungen
Ergänzung
Frage
D'land beteiligt sich angeblich nicht
http://www.taz.de/pt/2006/05/26/a0136.1/text
anmerkung
und dann noch ein linktipp zu einem feature auf at.indymedia.org vom 22 mar 2006:
Weiterhin Tote an der Südgrenze Europas - Proteste gegen globales Lagerregime im April 2006
Die Einwanderungsversuche über das Mittelmeer in die EU hielten trotz schlechter Witterungsbedingungen den Winter über an. Dies bestätigt u.a. migration-info.de. Dort wird u.a. betont, dass zunehmend mehr Leute versuchen, die italienischen Küsten zu erreichen, eine Tendenz, die Ereignisse in Ceuta und Melilla im September und Oktober 2005 zurückgeführt wird. Ein weiterer Weg, der in letzter Zeit immer öfter genutzt wird, ist über die kanarischen Inseln. Doch auch dort ist die Einreise nicht einfach und die Inseln, die zum spanischen und damit zum EU-Territorium zählen, werden mehr und mehr miltiarisiert.
Der folgende Text gibt einen Überblick über die aktuellen Abschottungspläne der EU im Mittelmeerraum und um die Kanarischen Inseln, sowie zu geplanten Protesten gegen das globale Lagersystem im April 2006.
weiter: http://at.indymedia.org/newswire/display/55322
Einen Überlick über die Situation an der EU-Außengrenze in Marokko seit September/Oktober 2005 gibt eine umfangreiche Linksammlung mit Artikeln, Lageberichten, Videos, Hintergrundinformationen usw. auf http://at.indymedia.org/newswire/display/54580
für Leute die spanisch sprechen empfiehlt sich darüber hinaus http://estrecho.indymedia.org
Weitere Informationen auch in der Rubrik grenzregime auf http://no-racism.net/rubrik/38
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Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Wie bitte? — Paul
Ergänzung — zu Schwarzafrika