Dresden: TU-Festsaal umbenannt

ra0105 22.05.2006 20:29 Themen: Bildung
Der Otto Beisheim Festsaal der Fakultät der Wirtschaftswissenschaften bekam heute einen passeneren Namen. Grund: Der Multimilliardär Otto - Beisheim war Mitglied der Waffen-SS...

[Erklärung der Antifaschistischen Hochschulgruppe]

An der Technischen Universität Dresden wurde heute durch VetreterInnen der Antifaschistischen Hochschulgruppe (AHSG) und der Studentenschaft der Festsaal der Fakultät Wirtschaftswissenschaften in "Franz Bänsch"-Saal umbenannt.

Seit über einem Jahr führt die AHSG eine Auseinandersetzung mit der TU Dresden um die Person Otto Beisheim. Der Multimilliardär ist großzügiger Spender der Fakultät Wirtschaftswissenschaften und bekam dafür die Ehrendoktorwürde der Universität verliehen. Des weiteren wurde bereits zu Beginn der neunziger Jahre der Festsaal der Fakultät nach dem Spender benannt. Was die TU Dresden nicht gerne hört, ist die Tatsache das genau dieser Otto Beisheim von 1942 bis 1945 in der "1. SS-Panzerdivision Leibstandarte SS Adolf Hitler" unter der Kennungsmarke "976 3./A.E.R" Dienst geleistet hat. Diese Eliteeinheit der Waffen- SS war an zahlreichen Verbrechen beteiligt. Die AHSG forderte deshalb: die Umbenennung des Festsaales, die Aberkennung der Ehrendoktorwürde und eine öffentliche Auseinandersetzung der TU Dresden mit Otto Beisheim und der NS- Geschichte.

Insbesondere die an der TU sehr einflussreiche Beisheim- Stiftung mit ihrem Dresdner Schirmherr Professor Stefan Müller taten sich dabei hervor, diesen Forderungen mit unverschämten Behauptungen entgegen zu wirken. Nach verschiedenen Aktionsformen und Aufforderungen an die TU, die unterschiedliche Reaktionen hervorriefen, hat die AHSG es nun selbst in die Hand genommen und den Saal umbenannt. Ein Sektempfang und Showeinlagen der Pink&Silver-Crew "axracl" umrahmten die Veranstaltung, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Bei der feierlichen Umbenennung wurden Reden zur NS- Geschichte der TU Dresden, zu Otto Beisheim und zum neuen Namensgeber Franz Bänsch verlesen.

Der ehemalige "Otto Beisheim-Saal" war von 1933 bis 1945 die Gefängniskapelle der NS-Haft-und Hinrichtungsstätte Münchner Platz. Mehrere hundert Menschen gingen durch diesen Raum, bevor sie im Innenhof der Gefängnisanlage von den Nazis hingerichtet wurden. Pater Franz Bänsch war zu dieser Zeit Gefängnisseelsorger und übermittelte Angehörigen ausländischer Todeskandidaten entgegen dem Dienstrecht letzte Nachrichten. Dem Zwangsarbeiter Rudi Greve verschaffte er am 13. Februar 1945 einen sicheren Unterschlupf. Einen Tag vor dem Einmarsch der sowjetischen Armee holte er die letzten 4 Todeskandidaten aus dem Gefängnis und beherbergte sie. Der Festsaal der Fakultät Wirtschaftswissenschaften wird in Zukunft einen Namen tragen, der seinem historischen Ort gerecht wird.

[Hintergrund zum Gefängnis und der Hinrichtungsstätte]

Der Festsaal befindet sich im Hülse-Bau welcher mit dem Schumann - Bau verbunden ist. Der Namensgeber Georg Schumann war eines der bekanntesten Opfer im Gefängnis- und Hinrichtungskomplex am Münchener Platz. Mehr als 1000 AntifaschistInnen fanden hier nach ihren "Prozessen"den Tod. Zahlreiche Gedenktafeln und nicht zuletzt die Gedenkstätte Münchener Platz machen auf die Geschichte dieser beiden Gebäude aufmerksam. Umso grotesker wirkt bis heute die Ehrendoktorwürde und die Benennung des Festsaales nach Otto Beisheim. Ein freiwilliges Mitglied der Waffen-SS, jener Organisation welche bei zahl- und beispielslosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit federführend war, steht also unreflektiert neben Schumann. Blanker Hohn für die Opfer. Das fragwürdige Verhalten der TU-Dresden kann wohl nur mit den großzügigen Spenden des Herrn erklärt werden. Frei nach dem Motto: Beiße nicht die Hand, die dich füttert.

Ob dieses Handeln der Universität von einem kritischen Verhältnis zur deutschen NS-Geschichte zeugt, darf bezweifelt werden. Das eine solche Vorgehendsweise dagegen öffentlich gemacht werden muss ist dagegen offensichtlich.



[Links]

Informationen der St. Paulus Gemeinde in Dresden zu Pater Bänsch
Stiftung Sächsischer Gedenkstätten

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Ergänzungen

Otto Beisheim

@Wikipedia 22.05.2006 - 20:41

cheerleading ist cool!

axracl 22.05.2006 - 21:19
hallo.

alle die sich für eine tolle performance von engagierten cheerleader_innen interessieren, können sich gerne unter der mailadresse melden.
denn radical cheerleading macht wirklich spass und ist eine tolle sache...

umbenennungsrede

ahsg 22.05.2006 - 22:49
Der Höhepunkt des Tages naht: die langerwartete feierliche Umbenennung dieses Saales

Dieser Saal, welchem einst der Namen eines Nazi-Täters gegeben wurde, wird nun von diesem "Andenken" befreit, und an dessen Stelle tritt jene Erinnerung, die heute leider nicht selbstverständlich ist: das Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus, die nach wie vor ihrer Stimme und ihrer Rechte beraubt werden und deren offizielles Gedenken heute augenscheinlich nur noch Selbstbestätigung eines "neuen", "geläuterten" Deutschlands darstellen soll.

Stattdessen ergehen sich diese "neuen" Deutschen in Mythen, in denen die Unschuld einer Zivilbevölkerung herbeikonstruiert wird, deren großer Teil das antisemitische Vernichtungsprojekt vollständig verinnerlicht hatte und daran auch aktiv teilnahm, sei es nun im Militär, in den Parteiorganisationen oder als bloße Denunziant_in.

"Schuld" sei allerhöchstens die politische Führungsriege um Hitler, Göbbels und Göring gewesen, der Rest der Deutschen sei entweder von ihnen verführt worden, habe nichts von den Verbrechen gewusst oder habe keine andere Wahl gehabt als ihren Befehlen zu gehorchen.
Genau dieser Argumentationslinie folgen die Verteidiger_innen Otto Beisheims, wenn sie behaupten, er habe als SS-Sturmmann doch nur seinen Dienst abgeleistet und trage keine persönliche Schuld für die zahlreichen Kriegsverbrechen seiner Einheit - eine Verhöhnung der Opfer.

Und umso mehr werden sie verhöhnt, bleibt dieser Saal nach wie vor nach Otto Beisheim benannt. Wir werden nun dafür Sorge tragen, dass stattdessen der Erinnerung an die Opfer und an diejenigen, die sich für sie einsetzten, ein Platz gegeben wird.

Dieser Ort, der mit den Greueltaten der Nazis aufs Innigste verbunden ist, sah trotz allem auch kurze Momente der Menschlichkeit: der Gefängnispfarrer Franz Bänsch setzte sich für die ausländischen Gefangenen ein und verstieß gegen seine Dienstvorschriften, um einige letzte, aus seiner Sicht unerlässliche humanitäre Akte zu gewährleisten.

Das ist mit Widerstand auf keinen Fall zu verwechseln. Es ist lediglich der Anfang des Mindesten, was zu tun ist.
Unleugbar stellte Bänsch durch seine Rolle als Gefängnispfarrer ein Rad in der Maschinerie der NS-Justiz dar und verweigerte sich nicht im vollen Ausmaß den Verbrecher_innen, die an diesem Ort und anderswo walteten, und der Bevölkerung, die sie unterstützte.

Einerlei, ob sich die Motivation für die Hilfe, die er den an diesem Ort Gefangenen leistete, nun aus seiner religiösen Überzeugung oder aus bloßem Mitleid speiste, nichtsdestotrotz bewahrte er sich durch diese seine Menschlichkeit. Und damit bewahrte er sich weit mehr als der Großteil der Deutschen, insbesonders als der derzeitige Namensgeber dieses Saals. Darum soll dieser Saal ab sofort einen neuen Namen erhalten: Pater-Franz-Bänsch-Saal.

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