Schwächelnder baskischer Friedensprozess

Ralf Streck 22.05.2006 20:18 Themen: Weltweit
Zwei Monate nachdem die baskische Untergrundorganisation ETA ihre permanente Waffenruhe erklärte, kündigte die spanische Regierung nun Verhandlungen mit ihr an. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero hat dies auf einer Versammlung vor 8000 Anhängern am Sonntag im baskischen Barakaldo erklärt. Er werde im Juni vor das Parlament treten, um "den Beginn des Dialogs mit der ETA über ein Ende der Gewalt" zu verkünden. Dabei ist das nicht neu und damit versucht er dem schwächelnden Prozess Luft zuzufächeln. Der Alltag sieht anders aus, am repressiven Normalzustand hat sich nichts geändert, erneut müssen Batasuna-Chefs vor dem Nationalen Gerichtshof antanzen.
Eigentlich hatte Zapatero vor, diese Ankündigung bei der Generaldebatte im Parlament zu machen, bei der er sich die Erlaubnis für den Dialog erneuern lassen wollte, die er schon vor einem Jahr erhielt. Angesichts des wachsenden Unmuts im Baskenland musste Zapatero nun handeln. Denn von allen Seiten prasselt die Kritik über die Untätigkeit seiner Sozialisten (PSOE) ein, weil die den Prozess verzögerten.

Seit zwei Monaten halten sie die Basken mit der "Überprüfung" darüber hin, ob die Waffenruhe "dauerhaft und vollständig" ist. Der repressive Druck auf die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung hält an, weshalb es eine bisher recht einseitige Veranstaltung bleibt. Dabei erklärte Zapatero am Sonntag erneut, alle "Positionen sind respektabel" und hätten das "Recht vertreten zu werden".

Wann?

Denn seine Worte widersprechen der Tatsache, dass die Partei Batasuna (Einheit), die den Prozess angestoßen hat, weiter verboten ist. Denn bisher hat die Regierung das von der ultrarechten Volkspartei (PP) neu geschaffene Parteiengesetz nicht gestrichen, über das Batasuna 2003 verboten wurde. Dessen sofortige Rücknahme forderte auch die Vereinte Linke (IU), um den Prozess voranbringen zu können.

Zapatero versicherte in seiner Rede unkonkret, "selbstverständlich werden die Basken über ihre Zukunft entscheiden". Das müsse innerhalb der Demokratie und "innerhalb der Gesetze" geschehen. Das kann so oder so interpretiert werden, schließlich lässt der Verfassungsrahmen, auf den sich Zapatero stets bezieht, keine Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zu. Erst kürzlich hatte er sogar erklärt, ein solches Recht, wie es im 1. Artikel der UNO-Charta garantiert ist, gäbe es überhaupt nicht.

Dabei hat Spanien die Charta unterzeichnet und im übrigen wurde es unter EU-Aufsicht gerade in Montenegro deutlich ausgeübt, wie ihm die linke Unabhängigkeitsbewegung genüsslich (vor allem nach der Zustimmung) unter die Nase reibt. Zapatero kündigte aber auch an, eine Widmung für die Opfer der ETA in die Präambel der spanischen Verfassung aufnehmen zu wollen. Damit könnte er den Verfassungsrahmen insgesamt aufschnüren wollen, wird spekuliert. Die moderaten Nationalisten zeigten sich enttäuscht über die Rede, weil er keine konkrete Schritte zur politischen Normalisierung angekündigt hat.

So ist die Wirklichkeit, neben schöner Worte, weiter handfest repressiv. Über das Parteiengesetz geht der Ermittlungsrichter Fernando Grande-Marlaska zum Beispiel weiter gegen Batasuna vor. Erneut hat der Nationale Gerichtshof acht Parteiführer vorgeladen, darunter wieder der Sprecher Arnaldo Otegi. Dem Richter des Sondergerichts dient nun als Vorwand, dass Batasuna am 24. März die neu gewählte Parteiführung vorgestellt hatte.

Der Akt in Iruña (span. Pamplona) war aber nicht einmal verboten. Der Vorgang zeigt erneut, dass es Marlaska besonders auf den Chef der kollektiven Führung abgesehen hat, dem eine besondere Vermittlerrolle zukommt. Mehrfach hatte er ihn schon inhaftiert und auf Kaution wieder frei gelassen. Nun ist das Vorgehen des PP-Anhängers besonders deutlich, denn wegen einer Krankheit, hatte Otegi nicht einmal an der Vorstellung teilgenommen.

Otegi warnte derweil, dass der Prozess eine "sehr schwierige Phase" durchlaufe, weil einige versuchten, "die Möglichkeit zur Lösung des Konfliktes zu sabotieren, zu zerstören und abzubrechen". Damit meinte er vor allem die PP, die weiter mit allen Mitteln einen Friedensprozess verhindern will. Er sprach damit auch die Auslieferung von sechs mutmaßlichen Mitgliedern der ETA aus Mexiko oder die Verhaftung von elf Jugendlichen bei friedlichen Demonstrationen am vergangenen Freitag an. Aufgerufen hatte dazu die weiterhin illegalisierte Jugendorganisation Segi. Die Proteste wurden von der baskischen Regionalregierung verboten und schließlich aufgelöst. Otegi erklärte: "Wenn die Angriffe nicht aufhören, kommt der Prozess auf einen schlechten Weg und es wird schwer, ihn wieder in Marsch zu setzen". Die Regierung habe die "Aufgabe und Verantwortung", dafür zu sorgen "dass derlei Sachen nicht passieren".

Mit seiner Ankündigung hat sich Zapatero nun in eine Zwickmühle gebracht: Er will demnächst mit Vertretern einer bewaffneten Organisation verhandeln, während seine Justiz weiter gegen eine Partei vorgeht, die verboten wurde, weil sie deren Anschläge nur bedauerte aber nicht, wie es das neue Gesetz forderte, verurteilte. Das zu erklären dürfte ihm reichlich schwergefallen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 22.05.2006

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