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Ffm: Für einen anständigen Aufstand!

drägisch 18.05.2006 20:39
Anbei der Aufruf der antifa[f] zu den aktuellen
Studentenprotesten, der auch auf der letzten VV in
Frankfurt/Main als Redebeitrag gehalten wurde.

Die aktuellsten Termine gibt es auf
 http://corts-fanclub.de und die besten Berichte
natürlich auf de.indymedia.org
Liebe Komilitoninnen und Komilitonen,

wir sind in Gefahr. Im Fadenkreuz. Die Hochschulen
sollen immer mehr an die „wirtschaftlichen
Erfordernisse“ im Standort Deutschland angepasst
werden. Studiengebühren sorgen dabei für die nötige
Auslese und den entsprechenden Leistungsdruck in
diesem Programm der nationalen Mobilmachung. Für
kritische Wissenschaft bleibt da kein Platz – es geht
nicht um Wahrheit, es geht um „Effizienz“.
Wir sollen den „Gürtel enger schnallen“. Früher hieß
der Standort Vaterland, aber es ging um dasselbe. „Du
bist Deutschland“ an allen Ecken und Enden. Wir sollen
uns auch noch identifizieren mit dem, was Nation und
Kapital von uns wollen.
Überleben ist das, was der Kapitalismus uns noch zu
bieten hat. Ein paar kommen durch – der Rest bleibt
liegen. Adam Smith sprach von einer „unsichtbaren Hand
des Marktes“, die die Welt von alleine regle wenn man
sie nur lässt. Und das tut sie. Aber diese Hand hängt
uns am Hals und würgt.

Auf dem globalen Markt gibt es nicht genug Platz für
uns alle. In der sogenannten Dritten Welt ist das kein
Geheimnis. Da ist die Hölle schon seit Jahrzehnten
real. Deswegen interessiert es auch niemand, wenn mal
wieder 500 Menschen in Nigeria bei der Explosion einer
Öl-Pipeline verbrennen oder einfach verhungern.
Der Leistungsdruck macht uns fertig, doch anderen wird
er gar nicht erst gestellt. Aber auch hier geht es nun
damit los sich der Überflüssigen zu entledigen. Und
wir gehören dazu.

Eine Zeitlang hat man sich den „sozialen Frieden“
erkauft. Eine Zeitlang bekamen wir als „Belohnung“ –
darauf verzichtet zu haben, Subjekte unserer eigenen
Geschichte zu werden – die schlechte Entschädigung,
Objekte des Sozialstaats zu sein. Auch wenn das im
Vergleich zu Hartz IV noch vergleichsweise locker war.

Passivität haben wir so jedenfalls jahrelang eingeübt.
Wir haben uns verarschen lassen. Doch selbst das
braucht es nun nicht mehr. Jetzt geht es rund.
Die offene Kriegserklärung kommt dabei auf
Samtpfoten: „Wir haben“, sagt der Chef des
Nestle-Konzerns, „heute einen gewissen Prozentsatz
Wohlstandsmüll in unserer Gesellschaft.“ Und was man
mit Menschenmüll macht, weiß man gerade in Deutschland
nur zu gut.
Wer sich widersetzt, wird schon noch merken, wer das
Gewaltmonopol auf seiner Seite hat. Viele wissen das
und wehren sich erst gar nicht.
Zu tief sitzt bei uns allen der autoritäre Respekt vor
der Uniform, zu tief der erzwungene Wille zum
konstruktiven „Mitmachen“. Vielleicht haben sich die
Proteste 2003 deshalb weitgehend auf Bittstellerei
beschränkt.
An der Regierung wusste man es schließlich schon
damals besser. Es geht nicht um Recht – es geht um
Macht. Deshalb brechen Koch und Co. auch jedes Gesetz
und jede Verfassung, wenn sie im Weg steht.
Wenn aber Studierende die Frechheit haben, die
Zerstörung ihrer Lebensentwürfe nicht mehr hinzunehmen
und ein paar Mülltonnen anzünden – dann ist das
Geschrei groß. Als wäre es keine Gewalt, wenn immer
mehr Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen
werden.
Goethe hat einmal gesagt, vor die Wahl gestellt
zwischen Unrecht und Unordnung entscheidet man sich in
Deutschland für das Unrecht. Das scheint auch heute
noch viel zu verbreitet zu sein. Weit mehr als den
Protest gegen sogenannte „amerikanische Verhältnisse“,
wie auf einem Transparent gefordert wurde, brauchen
wir also die „Kritik der deutschen Zustände“ (Karl
Marx).
Anderswo,da wo man weniger von Gemeinschaft und
Gemeinwohl und mehr von (Klassen-)Interessen spricht,
da sieht das anders aus.
Da weiß man besser, dass soziale Rechte gegen den
Staat erkämpft und nicht erbettelt werden.
In Frankreich haben die Studierenden der Regierung mit
einer Vielzahl an den Rand der Gesellschaft Gedrängter
eine schallende Niederlage beigebracht. Dort hat man,
im Gegensatz zu Deutschland, endlich den Respekt vor
der eigenen Ohnmacht verloren.

Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir uns – Erstens
– ein Beispiel an Frankreich nehmen. Uns
zusammenschließen mit all jenen, deren Perspektiven
genauso eingemacht werden wie unsrere. Mit Migranten,
Arbeitslosen, Schülern und allen anderen.
Wir dürfen – Zweitens – die herrschenden Lügen nicht
mehr glauben: Sie reden von Sachzwängen als würde die
Gesellschaft nicht von Menschen gemacht. Aber diese
Gesellschaft wird von uns gemacht und kann von uns
verändert werden.
Wir dürfen uns – Drittens – nicht spalten lassen:
Weder in reiche und arme Studierende, noch in Deutsche
und Migranten und auch nicht in Friedliche und
Militante. Am gefährlichsten ist nicht der Knüppel der
Polizei, sondern die Polizei in unseren Köpfen.
Nur eine vielfältige und breite Bewegung, die der
Regierung weh tut, kann Erfolg haben. Dafür braucht es
nicht nur Aufklärung und Diskussion, sondern vor allem
auch Blockaden, Barrikaden und Widerstand. – Wir haben
kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit der
Polizei, aber es liegt an ihr, ob sie sich zum Büttel
einer reaktionären Regierung macht.
Wir müssen – Viertens – unseren Aktionsradius
vergößern. Wir brauchen den Ausnahmezustand auf den
Straßen. Wir brauchen direkte Proteste bei Deutscher
Bank und kfw, die von den Studiengebühren profitieren
wollen. Wir brauchen entschlossenen Widerstand bei
Auftritten von Koch, Corts und den anderen
Arschlöchern.
Und – wir dürfen uns keine Illusionen machen. Die CDU
wird versuchen, die Geschichte auszusitzen. Wenn das
nicht hilft, wird sich die Konfrontation mit ihr wohl
oder übel zuspitzen. Aber wir dürfen uns auch keine
Illusionen über unsere eigene Stärke machen. Wenn wir
zusammenhalten und uns nicht spalten lassen sind wir
stark. Stärker als Sie.

Dazu können wir nicht warten bis andere etwas machen.
Wir müssen uns selbst zusammenschließen, informieren,
diskutieren – und handeln. Wenn wir es nicht tun, wird
es niemand tun. Und wann, wenn nicht jetzt?

Die Landesregierung sagt, die Proteste von letzter
Woche waren kontraproduktiv. Wenn das kein gutes
Zeichen ist. Wir sagen, die Proteste von letzter Woche
waren nur der Anfang. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Denn: Wir sind nicht Deutschland und die Regierung ist
nicht unser Freund.

Für französische Verhältnisse – für einen anständigen
Aufstand!

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