Satelliten zur Abwehr von Flüchtlingen

Ralf Streck 17.05.2006 17:04 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Die Einwanderungsfrage wird weiter militarisiert und technisiert. Die USA lassen die Nationalgarde an der Grenze zu Mexiko aufziehen. Spanien hat nun beschlossen, Satellitentechnik und Luft- und Seeüberwachung einzusetzen, um die Boote abzufangen, die aus Westafrika in Richtung der Kanarischen Inseln schippern. Die Wege werden immer länger und gefährlicher. Offenbar gibt es eine neue Route aus dem Senegal.
Spanien militarisiert die Abwehr von Flüchtlingen und Einwandern weiter, das hat mit der Krise um die Exklaven Ceuta und Melilla angefangen und bekommt nun eine neue Qualität. Aus dem Wasser, aus der Luft, ja sogar aus dem Weltall sollen die Boote aufgespürt werden, die sich aus Westafrika auf den Weg zu den Kanarischen Inseln machen. Nach dem Rekord vom Wochenende, als knapp 1000 Schwarzafrikaner die Inseln erreichten, wird heftig an Abwehrmaßnahmen gestrickt. Weiterhin landen kleine Boote an. Am Montag und am Dienstag kamen erneut knapp 400 Schwarzafrikaner an.

Allein vergangenen Wochenende waren es fast 1000. Dieser Rekord treibt Spanien erneut zu hektischen Aktivitäten. Auf Krisensitzungen hat die Regierung beschlossen, künftig auch Satelliten einzusetzen, um die kleinen Boote aufzuspüren. Auch traditionelle Luftüberwachung durch Flugzeuge und verstärkte Überwachung des Seewegs stehen auf dem Programm. Das Verteidigungsministerium hat drei Flugzeuge und drei Schiffe bereitgestellt. Der Atlantik soll regelmäßig überflogen werden und die Schiffe sollen die Boote auf See abfangen. Ein Spezialschiff der Guardia Civil verstärkt die Küstenwache Mauretaniens. Hier sollen lokale Beamten fortgebildet werden, um die Schiffe zu bedienen, die Spanien vor einigen Wochen als "Entwicklungshilfe" geliefert hat. Spanier helfen auch bei der Hafenkontrolle im Land.

Bis zum Montag steuerten 17 Boote die Tourismusinseln vor der afrikanischen Küste an. Wegen des guten Wetters mit leichtem Seegang schafften sogar so genannte Cayucos aus Senegal die tagelange Überfahrt. Die spanische Regierung spricht von einer neuen Route aus dem Norden des westafrikanischen Landes, wohin die "boot people" wegen des Drucks in Mauretanien auswichen.

Dieser Weg ist länger und noch gefährlicher. Die kleinen Boote müssen etwa 1200 Kilometer Seeweg zurücklegen. Schon das Ausweichen von Marokko und der Westsahara auf Mauretanien hatte dazu geführt, dass seit dem letzten Herbst Tausende Menschen ertrunken oder verdurstet sind. Darin sind sich der spanische Geheimdienst und die Guardia Civil ausnahmsweise mit Menschenrechtsorganisationen einig.

Die Sozialisten versuchen der Kritik der konservativen Regionalregierung zu begegnen. Nachdem im Frühjahr zum Teil über 500 Menschen am Wochenende die Urlauberinseln erreichten, sei die Entwicklung absehbar gewesen. Als "sehr schlimm" bezeichnete der Sprecher der Regionalregierung Miguel Becerra die Lage und forderte Hilfe aus Madrid. D ie Konservativen behaupten, man ernte nun die Früchte der "Regulierung", über die im letzten Jahr 700.000 Menschen einen legalen Status erhielten. Die habe ein "Rufeffekt" erzeugt.

Die Auffanglager der Inseln sind überfüllt und eine stillgelegte Kaserne wurde geöffnet, um die völlig entkräfteten Menschen aufzunehmen. Das Rote Kreuz versucht sie mit freiwilligen Helfern zu versorgen. Die Regierung habe die "illegale Einwanderung vernachlässigt", klagte Becerra. "Die gesamte Diplomatie ist damit beschäftigt, sich um die Investitionen einer Firma in Bolivien zu kümmern", sagte er in Bezug darauf, dass der Ölmulti Repsol von den Nationalisierungen betroffen ist.

Die Sozialisten (PSOE) kündigten derweil auch eine "diplomatische Offensive" in Westafrika an. Man werde alle "Kräfte mobilisieren", um den "Strom" der Menschen "zu kontrollieren und zu regulieren", erklärte der Außenminister Miguel Angel Moratinos seinen EU-Kollegen bei einem Treffen in Brüssel. "Wir werden mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge Klartext reden müssen", sagte er. In den nächsten Tagen werden seine Diplomaten nach Guinea Bissau, Senegal, Mauretanien, Ghana, Nigeria und Mali ausströmen, um auch sie in die Abschottungspolitik der EU einzubinden. Auch Hilfszahlungen der EU an die Länder sollen genutzt werden, um Druck auf sie auszuüben. Vom Senegal fordert Spanien die sofortige Rücknahme von 1000 Personen. "Die Länder, die Gelder der EU erhalten, müssen verstehen welcher Herausforderung wir gegenüber stehen und sie müssen mitverantwortlich bei der Steuerung der Migrationströme sein", sagte er. Ob das wirkt ist unklar. Die Überweisungen derer, die die gefährliche Reise überlebt haben, sind wichtige Einnahmequellen einiger afrikanischer Staaten.

"Wer irregulär einreist, wird wieder gehen", drohte die Vizeministerpräsidentin Teresa Fernandez de la Vega derweil denen ein hartes Vorgehen an, welche die gefährliche Reise überleben. Man werde die Ausweisungen intensivieren und versuchen auch mit den westafrikanischen Ländern "Rücknahmeabkommen" zu unterzeichnen, wie sie es schon mit Marokko und Mauretanien gibt. Dorthin wurden kürzlich 170 Menschen per Schneelabschiebung verfrachtet. Doch statt in das eigens von Spanien, "für eine menschenwürdige Unterbringung" errichtete Lager zu kommen, verloren sich ihre Spuren in Mauretanien. Menschenrechtsorganisationen halten das Vorgehen, bei dem keine Einzelfallprüfungen durchgeführt werden, für verfassungswidrig.

Im Juni werden sich mit der Einwanderungsfrage auch zwei Gipfeltreffen beschäftigen, die Spanien vorbereitet. Anfang des Monats debattieren EU-Vertreter in Marokko mit afrikanischen Vertretern. Der Gipfel wird seit dem letzten Herbst vorbereitet, als Hunderte Menschen die Grenzzäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla stürmten, die von Marokko umschlossen sind. Mitte Juni wird es in Spanien einen Austausch mit Vertretern aus Lateinamerika geben, woher der überwiegende Teil der Einwanderer kommt.

Letzte Woche hat sich Spanien mit Portugal auf eine koordinierte Politik zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und Schlepperbanden verständigt. Gemeinsam wolle man die beiden Gipfel anführen. Tes Der Nachbar soll als Vermittler zur Ausschaffung von Menschen in die ehemaligen Kolonien dienen. Dorthin sollen "gemeinsame Abschiebeflüge" verstärkt werden", kündigte die Vizeregierungschefin letzte Woche nach einer Reise nach Lissabon an.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 17.05.2006

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Ergänzungen

Aupa

tierr@ 19.05.2006 - 21:45
Vergangenen Samstag hat es in Frankreich starke Proteste, gegen das dortige EinwanderInnengesetz gegeben, demzufolge künftig, der Zuzug unqualifizierter Menschen aus Afrika eingedämmt werden soll. "Talente" hingegen dürfen weiter durch Frankreichs "geöffnete Türen" ströämen, um als Humankapital des Neoliberalismus zu fungieren.
Hiergegen gingen allein in Paris 35.000 Menschen auf die Strasse. In Lyon und Marseille gab es kleinere Kundgebungen. Am Abend wurde der Eifelturm von ca. 40 EinwandererInnen für Stunden besetzt und mit einem Transparent versehen, auf dem der Stop von Abschiebungen und Razzien gefordert wurde.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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ach — elfboi