Germanomanie in Tübingen

Es sah aus wie ein bunter Familienausflug inklusive Allgäuer Trachtenstadl als die Germanische Neue Medizin (GNM) für ihre absurden Theorien und ihren Guru, den GNM-Begründer Ryke Geerd Hamer, 13. Mai 2006 wieder in Tübingen aufmarschierte. Rastas, viele Kinder und Hunde waren unter den etwa 3-400 Demo-Teilnehmern mit ihren vielen gelben, orangen und roten Luftballons. Das waren allerdings wesentlich weniger als die über 1.000 neuen Germanen im Jahr 2005. Diesmal waren GNMler weites gehend ohne ausländische Unterstützung (abgesehen von einer Gruppe aus dem tiefsten Allgäu vielleicht ;-), obwohl auch einzelne Anhänger aus Frankreich und Italien anwesend waren.
Wer da mitlief ging für eine tödliche Ideologie auf die Straße. Die GNM ist im Wesentlichen eine skurrile Medizin-Theorie, die jegliche medizinische Behandlung und Therapie ablehnt. Krebs und andere Krankheiten sehen die GNMler als gut an, diese würden nur durch psychische Schocks entstehen und könnten einfach „ausgeheilt“ werden. An diesem „Ausheilen“ sind bereits mehrere Personen qualvoll gestorben.
In der Schweiz produzieren die GNM-Anhänger sogar kindergerechte Comics (1), in denen auch dem jüngeren Publikum die tödlichen Lehren von Hamer nahe gebracht werden.
Schon seit der Entdeckung der „Tatsachen“ der GNM in de3n 1980ern durch den ehemaligen Arzt Ryke Geerd Hamer fühlte sich dieser von diversen Geheimbünden und dunklen Mächten verfolgt. Vor ein paar Jahren dann machte Hamer den Schritt zum offenen Antisemitismus. Seither entlädt er sich immer wieder in antisemitischen Tiraden (2).
Hamer und seine GNM-Anhänger glauben, dass Juden bereits die GNM für sich benutzen würden und den Nicht-Juden vorenthalten würden. Dadurch wären Juden Schuld an mehreren tausend (Krebs-)Toten pro Tag oder in den Worten eines Redners am Samstag: „jeden Tag eine Eisenbahnladung voll“(!!!). Auch in anderer Weise wurde wieder der Holocaust relativiert. Es war beispielsweise die Rede von „Giftgasbehandlung“ (= Chemo-Therapie).
Klar, dass so etwas auf Sympathien in der Rechten stößt und so wurden auch schon Kontakte zur NPD (3) und anderen Rechten beobachtet.
Der Antisemitismus der GNM spiegelte sich auch in der offen verlesenen Botschaft Hamers wieder, in der behauptet wurde, dass Paul Spiegel (Zentralrat der Juden) sich nach den Erkenntnissen der GNM behandeln lassen würde. Also laut GNM ein Beispiel dafür, dass die Juden den Germanen alles vorenthalten würden. Hier zeigt sich auch der völkische Aspekt der GNM, nämlich das zwischen Juden und Germanen/Deutschen strikt getrennt wird.
In seiner Videobotschaft sprach Hamer zudem von einer „gewissen Religionsgemeinschaft, die die GNM schon benutzen würde“. Ausführlicher wollte er sich darüber lieber nicht äußern, da er seit Januar dieses Jahres wegen Volksverhetzung angeklagt ist.
Die Demo ging insgesamt vom Tübinger Hauptbahnhof bis zum Marktplatz. Start war 12.30 Uhr und am Marktplatz waren die Leute kurz nach 13 Uhr, dann wurde bis nach 15 Uhr eine Kundgebung mit verschiedenen Ansprachen und einer Videobotschaft Hamers gehalten. Prominentester Redner war wohl der Österreicher Helmut Pilhar, die Quasi - Rechte Hand Hamers. Dieser fuhr übrigens in einem fetten Audi an und scheint auch anderen Berichten nach nicht schlecht an der ganzen GNM zu verdienen.
Kritisch begleitet wurden die Germanen von AntifaschistInnen, die etwa 500 GNM-kritische Flugblätter verteilten. Diese wurden zwar von den GNMlern abgefilmt und beleidigt, aber sonst in Ruhe gelassen. Letztes Jahr wurde die Polizei auf die AntifaschistInnen gehetzt.


ALLGEMEIN
Presseerklärung der Antifa Tübingen
 http://tuebingen.antifa.net/news/26/alle-jahre-wieder
GNM-Kritischer Blog
www.myblog.de/gnunsinn

ANMERKUNGEN
(1) Andrea Bleicher: Anhänger der Germanischen Neuen Medizin werben in der Schweiz mit wachsendem Erfolg für fragwürdige Heilmethoden
www.sonntagszeitung.ch/dyn/news/nachrichten/565730.html
(2) Hamersche Zitatesammlung:
www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/ANTISEMITISCHE-TIRADEN-HAMERS.HTML
(3) Siehe:  http://www.krr-faq.de/bilder/joswig04.jpg